Speeches / Viktor Orbáns Rede auf der 21. Sitzung der Ständigen Ungarischen Konferenz
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Viktor Orbáns Rede auf der 21. Sitzung der Ständigen Ungarischen Konferenz

Ich begrüße den Herrn Kardinal hochachtungsvoll!

Ich wünsche allen Anwesenden einen guten Morgen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich bin für die Einladung dankbar. Ich denke, es ist keine gattungsmäßige Veränderung nötig. Ich denke, ich muss das tun, was ich auch in den vorherigen Jahren getan habe, Ihnen einen Überblick über den Kontext, das System der Zusammenhänge zu geben, in dem es sich lohnt, unsere Nationalpolitik zu deuten. COVID hat uns ein bisschen ausgedünnt, also was die Zahl und die Häufigkeit unserer Treffen angeht, weshalb es etwas länger her ist, dass wir uns in diesem Kreis treffen konnten. Bereits vor COVID sah die Welt nicht gut aus. Man konnte sehen, dass immer mehr Punkte der Welt im vergangenen Zeitraum lebensgefährlich wurden, und in dem Zeitraum nach COVID sind jetzt schon aus dem Blickwinkel Europas nicht nur ein, sondern zwei ernsthafte bewaffnete Brennpunkte entstanden. Die UNO besitzt alle möglichen Statistiken, mit denen ich Sie nicht langweilen möchte, in denen es darum geht, wie in der Welt in den vergangenen Jahren die bewaffneten Konflikte zugenommen haben, und wenn ich die Schlussfolgerung der letzten, der abschließenden Studie richtig zitiere, dann lebt ein Viertel der Weltbevölkerung in einer Zone, auf die die entstandenen bewaffneten Konflikte der Region irgendeine Wirkung – eher eine direkte als eine mittelbare Wirkung – besitzen. Also seit unserem letzten Treffen können wir so viel mit Sicherheit sagen, dass die Welt ein gefährlicherer Ort geworden ist, als sie es war.

Hinzu kommt noch, dass wir auch Verluste erlitten haben. Wir haben auch Miklós Duray beerdigt und in den allerletzten Wochen hat uns das Dahinscheiden und der Verlust unseres Freundes und Bruders István Pásztor erschüttert, was was uns zutiefst schmerzt und nur zum Teil durch die Umstände seiner Verabschiedung gemildert werden können, an der ich auch selbst anwesend war und sehen konnte, dass die Arbeit, die er verrichtet hatte, eine wirkliche, starke und bleibende Leistung darstellt. Für mich und vielleicht für uns alle bedeutete die Arbeit von István einen Ansporn, denn man trifft ja doch nur selten auf einen Menschen, der das Unmögliche wagt, und dann gelingt es ihm. Und wenn eines Tages die tiefere Analyse der serbisch-ungarischen Beziehungen geschrieben wird, werden wir sehen können, dass der Schlüsselakteur jenes eine strategische Bedeutung besitzenden Bündnisses, der langsam sich zur Freundschaft wandelnden Zusammenarbeit, die wir mit den Serben im vergangenen Zeitraum aufgebaut haben, István Pásztor war. Gott möge ihn in Frieden ruhen lassen! Wir werden ihm noch lange dankbar sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was die Situation angeht, so reden wir zuerst über die Lage unserer im Karpatenbecken lebenden Gemeinschaften, so wie ich sie sehe, kurz und diese nur am Rande berührend, denn an der jetzigen Besprechung sind ja auch authentische Quellen anwesend. 

Die Wahlen in der Slowakei haben ein altes Dilemma wiedererweckt, nachdem wir dort nicht ins Parlament gelangen konnten, jetzt schon zum wiederholten Male, weshalb die Frage wieder virulent geworden ist, ob das Politisieren auf ethnischer Grundlage einen Sinn, eine Zukunft besitzt – nicht nur in der Slowakei, sondern auch im Allgemeinen im Karpatenbecken, besonders bei sich verschlechternden demografischen Zahlen. Wir werden noch zu tun haben, um gemeinsam zu überdenken, auf welche Weise Ungarn sinnvoll unseren in Oberungarn lebenden ungarischen Landsleuten helfen könnte, aber ich möchte diese Debatte unsererseits doch kurzschließen. Der Standpunkt der ungarischen Regierung ist also, dass es eine spannende Frage ist, ob das Politisieren auf ethnischer Grundlage eine Zukunft besitzt, die Antwort ist aber ziemlich einfach: solange es eine ethnische Basis gibt, besitzt auch das Politisieren auf ethnischer Basis eine Zukunft. Und dass es eine ethnische Grundlage gibt, dies ist unsere gemeinsame Verantwortung, worüber wir uns dann mit unseren in der Slowakei zur politischen Arbeit bereiten Ungarn austauschen werden.

Die Situation bewerte ich nicht, ich möchte nur meine guten Wünsche und Hoffnungen Herrn Vorsitzenden Hunor Kelemen aussprechen, denn dort kommt ein schwieriges Jahr. Es wird etwa vier Wahlen in Rumänien geben, jede ist eine ernsthafte Herausforderung für die Ungarn. Selbstverständlich unter Beachtung der strengen Regeln des internationalen Rechts und der zwischenstaatlichen Beziehungen werden Herr Vorsitzender Hunor Kelemen und die in Rumänien lebenden Ungarn darauf zählen können, dass wir in allem, worin uns dies möglich ist, den dort lebenden Ungarn helfen werden.

Was die Ukraine bzw. die in Transkarpatien lebenden Ungarn angeht, so ist dies heute der schwierigste und schmerzhafteste Punkt des ungarischen Lebens im Karpatenbecken, und hier sehe ich am wenigsten die Chance dafür, dass sich die Wolken in kurzer Zeit auflösen würden. Vielleicht lohnt es sich später darüber etwas ausführlicher zu reden, doch gibt es in diesem Augenblick beinahe gar nichts, was Ungarn der Ukraine anbieten könnte, angesichts dessen, dass sie einen Weg beschreiten, der unserer Überzeugung nach ins Nichts führt, und dazu wollen wir keine helfende Hand geben. Diese lange Diskussion eröffne ich jetzt nicht, ich möchte nur andeuten, dass im Fall eines jeden Krieges die Schlüsselfrage ist, auch wenn man einen die Heimat verteidigenden Krieg führt, und die Ukraine ist ja angegriffen worden, sie ist von einer Aggression betroffen, und sie sind einen die Heimat verteidigenden Krieg eingegangen, dass man die Kriegsziele genau definiert. Wenn es keine genau definierten Kriegsziele gibt, dann ist es moralisch unverantwortlich, das Leben der Bürger eines Landes aufs Spiel zu setzen. Wenn es Kriegsziele gibt, dann kann man bemessen, welche jene Kriegsziele sind, für die es für eine nationale Gemeinschaft sich lohnt, sogar Menschenleben zu opfern. Wenn aber die Kriegsziele nicht definiert sind, dann wird der Horizont der gesamten Situation unklar und es wird nicht deutlich, wie lange etwas fortgesetzt werden darf, wann man damit aufhören muss, wann man verändern muss, wann man die Strategie ändern muss. Das Problem mit dem ukrainisch-russischen Krieg ist, dass die eindeutig definierten Kriegsziele nicht bekannt sind. Wir haben ständig Zweifel, was denn genau geschieht. Ist z.B. die Zurücknahme der Krim Teil der Kriegsziele oder nicht? Ich möchte also signalisieren, dass es sehr schwierig ist, einem Land zu helfen, das sich in einem Krieg befindet, dessen Kriegsziele, also zumindest in international anerkannter, offizieller Form – denn untereinander werden sich unsere ukrainischen Freunde sicherlich über etwas unterhalten – nicht bekannt sind, und das ohne international anerkannte und definierte Kriegsziele einen bewaffneten Krieg, eine bewaffnete Auseinandersetzung führt. Hinzu kommt noch, dass es immer schon die Ansicht Ungarns war, und wir können diesen unseren Standpunkt nicht modifizieren, dass wenn ein Konflikt ausbricht, sei es eine Aggression, ein Überrennen, eine Attacke, die die Ukrainer erlitten haben, dann muss man versuchen, die Konflikte zu lokalisieren. Das haben wir ja in der Zeit der Krimkrise getan, als Europa noch Klauen oder Zähne oder Muskeln hatte, es eine starke deutsche Führung gab und die Deutschen und die Franzosen gemeinsam mit dem Minsker Abkommen den Konflikt lokalisierten, ihn nicht lösten, aber wenigstens lokalisierten. Im gegenwärtigen Konflikt haben die bestimmenden westlichen Länder die entgegengesetzte Route, eine andere Politik gewählt, auch entgegen unseren Ratschlägen, und das ist die Globalisierung des Konfliktes. Langsam ziehen sie die ganze Welt in diesen Konflikt hinein, im Übrigen ohne den den Konflikt auslösenden Gegensatz, das Übel in Ordnung bringen zu können. Wir können also die ungarische Außenpolitik in Bezug auf die Ukraine nicht ändern, doch tun wir das mit den schlechtesten Gefühlen. Humanitäre Hilfe können wir bieten, aber wir werden keinen Schritt tun, der uns dem Krieg näher führen würde. Die dort lebenden Ungarn sind Opfer dieser Situation, denn da Ungarn eine derartige Außenpolitik verwirklicht, erschwert dies auch ihr Auftreten dort in Transkarpatien, doch können wir ihnen nichts anderes anbieten, versprechen und in Aussicht stellen, als unsere volle Unterstützung: Sie können in allem auf uns zählen. Wir versprechen nicht, wir verpflichten uns nicht dazu, weil das nicht rational wäre, weder dem Interesse Ungarns noch dem gesamten Ungarntums des Karpatenbeckens dienen würde, dass wir in dieser Sache die Strategie wechseln.

Hinzu kommt noch, dass deutlich sichtbar jene Strategie, die sich die westliche Welt hat einfallen lassen, um der Ukraine zu helfen, zusammengebrochen ist. Das ist ein Tabu, darüber kann man jetzt in Westeuropa nicht reden, allein wir können uns dies wegen der Zweidrittelmehrheit hier Zuhause den Luxus der ehrlichen Rede leisten, doch ist es vollkommen offensichtlich, dass die Westler entlang einer auf drei Beinen stehenden Strategie in den russisch-ukrainischen Krieg hineingegangen sind. Die Ukraine werde dann siegen an der Frontlinie, sie kämpft, und der Westen leistet Unterstützung, informationstechnologische, finanzielle und technologische Unterstützung, und die Ukrainer werden an der Frontlinie siegen und die Russen werden an der Frontlinie verlieren, das wird in Moskau einen innenpolitischen Wechsel hervorrufen und es wird eine neue russische Führung geben, mit der man dann besser wird verhandeln können als mit der derzeitigen. Das war die Strategie. Es hat sich über alle drei Beine der Strategie herausgestellt, dass sie eingeknickt sind, es sie nicht gibt. In solchen Momenten kann man nun zwei Dinge tun. Die eine Sache ist die, die die westliche Welt jetzt macht, entgegen unseres ständigen Widerspruchs, und dies ist, den Realitäten nicht ins Auge zu blicken und zu sagen: „Man muss alles so fortsetzen, wie wir das bisher getan haben.“ Die andere Möglichkeit ist das, was ich auf dem letzten Gipfel der Ministerpräsidenten der Europäischen Union initiiert habe, seitdem habe ich das auch schriftlich getan, eine Periode der Reflexion – so nennt man das in der europäischen Sprache – zu halten, für einen Moment einzuhalten, uns einige Wochen zu geben, die Situation zu analysieren, und nicht aus dem Schwung des Kampfes alle sich ergebenden Fragen zu beantworten, sondern wir sollten uns ehrlich und ernsthaft in geschlossenem Kreis zusammensetzen und überdenken, ob es einen Sinn hat, das fortzusetzen, was wir machen, oder ob man etwas anderes machen muss. Wir sollten zugeben, dass der Plan A gescheitert ist und wir sollten einen Plan B ausarbeiten. Es geht also nicht darum, die Ukraine allein zu lassen, sondern darum, einen Plan B auszuarbeiten, der auch für die Ukrainer besser ist, auch für die dort lebenden Ungarn besser ist und auch hinsichtlich der gesamten europäischen Sicherheit sinnvoller ist als die Fortsetzung des gegenwärtigen, hoffnungslosen Kampfes, in dem inzwischen Menschen zu Tausenden, ja zu Zehntausenden in einer Art christlichen, bürgerlichen Binnenkriegs sterben und verschwinden. Vergessen wir nicht, dass der II. Weltkrieg, den wir natürlich durch eine andere Brille zu betrachten pflegen, deshalb einen gewaltigen Schlag für die europäische Kultur bedeutete – doch war auch der I. Weltkrieg so –, denn durch eine gut gewählte Brille betrachtet war dies nichts anderes, als ein Bürgerkrieg innerhalb des Christentums, der uns so geschwächt hat, dass vor einigen Tagen in San Francisco, wo wir haben sehen können, dass es zwei Sonnen am Himmel gibt, wir keine der beiden waren. Obwohl es vor dem I. Weltkrieg, ja selbst noch vor dem II. Weltkrieg unmöglich gewesen wäre, so über die Dinge der Welt zu reden, dass darin Europa nicht mit dem nötigen Gewicht, ja mit einem bestimmenden Gewicht nicht vertreten gewesen wäre. Dass wir nicht dort sind, ist den beiden Weltkriegen und alldem zu verdanken, was wir auch jetzt machen. Es wäre also vor einem breiteren Horizont angebracht, wenn die europäischen führenden Politiker vielleicht eine andere Annäherung anwenden würden, als wir das jetzt tun.

Summa summarum möchte ich den Ungarn in Transkarpatien sagen, dass sie in jeder Hinsicht auf die Unterstützung Ungarns rechnen können. Wir halten es für bedauerlich, dass während die Ukraine einen blutigen Krieg, einen patriotischen, die Heimat verteidigenden Krieg führt, sie immer noch genügend Aufmerksamkeit und Kraft besitzt, um die Ungarn zu belästigen. Es ist also für uns unnötig, höflich zu sein. Die Situation ist die, dass sie das dort lebende Ungarntum schon seit Jahren peinigen, unsere für uns eine Schlüsselfrage darstellenden Schulen ständig belästigen, sie wollen sie praktisch schließen oder zu ukrainischen Schulen umformen, und sie sprechen den dort lebenden Ungarn das Recht ab, die ungarische Sprache zu gebrauchen, ihre Schulen zu nutzen. Ich übertreibe nicht, ich weiß, es hört sich zunächst so an, als würde ich das tun, doch ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass hinsichtlich der ungarischen Sprache und des Schulwesens die Situation zur Zeit der Sowjetunion besser war als jetzt, in den Zeiten des ukrainischen Staates. Das ist die Realität, der wir, Ungarn, ins Auge blicken müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es gibt aber auch angenehmere Orte im Karpatenbecken. Ich behaupte nicht, in Kroatien sei es nur schwer gewesen, auf die Welt zu kommen und von da an gehen die Dinge schon leicht, doch dort sind unsere dort lebenden Ungarn letztlich doch Teil einer großen Erfolgsgeschichte geworden. Schengen, das die Grenzen zwischen Kroatien und Ungarn aufgehoben hat, stellt eine fantastische, neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnende historische Veränderung dar, und ich hoffe sehr, dass der Beitritt zum Euro auch die Hoffnungen Kroatiens und der dort lebenden Ungarn erfüllt. Obwohl ich angesichts der Geschichte der bisherigen Beitritte zur Eurozone die Erfahrung gemacht habe, dass nachdem die große historische Nacht vergangen ist und der Moment eintritt, die nächsten Tage bittersüßer zu sein pflegen als die Feiern der vorhergehenden Tage, doch wünschen wir, dass im Fall Kroatiens dies anders sein soll und der Beitritt zur Eurozone auch für die dort lebenden Ungarn fassbare Vorteile und Erfolge mit sich bringt.

Es gibt auch rätselhafte Länder im Karpatenbecken, in denen es schwer zu verstehen ist, unabhängig davon, dass die Ausmaße nicht groß sind, man würde meinen, das Land sei leicht zu überblicken, doch ist es schwer zu verstehen, was geschieht. So ein Land ist Slowenien, in dem man sich zusammennehmen muss, um sich auszukennen. Dort ist ein derart eigentümliches Drehbuch des ganzen Übergangs aus dem Kommunismus zur Geltung gekommen und es besitzt eine derart eigentümliche innere Dynamik, dass man gar nicht weiß, wann man sich im tatsächlichen Leben befindet und wann man bei einem Puppenspiel zusieht. Jedenfalls wünschen wir unseren in Slowenien lebenden Ungarn, dass man sie zuerst nicht so belästigt, wie das in letzter Zeit geschieht. Sie sollten diese unglücklichen und dummen Anklagen der Unvereinbarkeit lieber fallenlassen und aus dem Erfolg der serbisch-ungarischen Zusammenarbeit lernen, nach der, wenn wir keinen Grund haben, das historisch entstandene gespannte Verhältnis aufrechtzuerhalten, warum könnten wir es dann nicht in ein freundschaftliches Verhältnis umwandeln? Mit Slowenien hätten wir alle Möglichkeiten dazu. Ich langweile Sie nicht mit der Tatsache, dass den kompliziertesten Mechanismus der Regierungsbildung im gesamten Karpatenbecken, aber ich wage zu behaupten, vielleicht in ganz Europa, gibt es gerade in Slowenien. Dort ist der Austausch, die Ernennung eines Ministers mit äußerst komplizierten parlamentarischen Prozeduren, von hier aus betrachtet unergründlich komplizierten parlamentarischen Prozeduren verbunden, doch wünschen wir unseren slowenischen Freunden, dass sie der dort jetzt entstehenden immer größeren Unisicherheit Herr werden sollen. Dies wäre auch das Interesse der dort lebenden Ungarn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich glaube, ich habe niemanden vergessen, im Hinblick darauf, dass ich mich mit den Ungarn aus dem Burgenland gestern getroffen habe. Aus irgendeinem unergründlichen Grund pflegen wir die Burgenländer Ungarn im Rahmen des Ungarischen Diasporarates anzuhören. Ich habe nie verstanden, warum das so ist, aber es kann sein, dass der Fehler in mir liegt. Es mag sein, dass dies eine konservative Regierung ist und wir die Traditionen in Ehren halten, auch wenn das nicht allzu logisch ist. Aha! Sie sind zusammen mit den Wienern! Ja, das ist auch ein Argument. Doch das sollten wir irgendeinmal überdenken, meiner Ansicht nach.

Über jene aus der Woiwodina habe ich schon im Zusammenhang mit István Pásztor gesprochen. Dort habe ich vielleicht nur so viel zu tun, Bálint Pásztor viel Erfolg zu der Arbeit zu wünschen, die er jetzt auf sich genommen hat, besonders im Hinblick darauf, dass die Zeit drängt, denn im Dezember gibt es drüben Wahlen. Sie können auf uns zählen, wir kommen auch gerne, um in dem Wahlkampf selbst zu helfen. Rechnen Sie damit, rechne damit Bálint, dass es sicherlich auch Einladungen von der serbischen Regierungspartei geben wird, um hinzugehen und sie zu unterstützen, was wir natürlich tun werden, doch tun wir dies niemals so, dass wir über die Woiwodina bzw. über die Ungarn der Woiwodina hinwegschreiten oder sie auslassen würden. Also wenn wir gebraucht werden, dann ruft uns und wir werden selbstverständlich kommen. Ich möchte nicht die Katze im Sack verkaufen, mit der gegenwärtigen serbischen Regierung ist es gelungen, eine strategische Zusammenarbeit auszubilden. Im Lichte der Vergangenheit und in der Hoffnung auf die Zukunft kann sich dies im vor uns stehenden Zeitraum als besonders wertvoll erweisen, das werden immer mehr Menschen erkennen. Deshalb ist es nicht in unserem Interesse, dass dort Veränderungen geschehen, die jene Ergebnisse in Frage stellen, die wir im vergangenen Zeitraum gemeinsam mit den sich an der Macht befindlichen Gruppen, serbischen politischen Gruppen ausgebildet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Hier nach möchte ich auch über unsere breitere Umgebung einige Worte sagen. Ich würde diese Debatten geistiger und politischer Natur, in denen wir uns in Europa befinden, als die Diskussion von – jetzt werde ich diese Brüsseler Sprache benutzen – Connectivity und Decoupling beschreiben. Denn Europa wird heute angesichts der Entwicklung der Weltwirtschaft durch die Frage gequält, angesichts der Abnahme des europäischen Einflusses, dieses sehend und auch symbolisch erlebend oder sich auch symbolisch vor unseren Augen entfaltend – ich glaube, bei dem letzten Treffen der G7 in San Francisco, dessen Höhepunkt gar nicht das Treffen der G7 war, sondern das Treffen des chinesischen und des amerikanischen Präsidenten, es mag auch sein, dass das gar nicht die G7 waren, sondern die Zusammenkunft der Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber das ist auch egal, das Wesentliche der Sache ist –, dass es zwei Sonnen am Himmel gibt, und wie ich es sagte, davon ist keine eine europäische. Es entstand also so ein System der Weltmacht und der Weltwirtschaft, in dem Europa keinen Platz mehr hat, in dem Europa abgewertet worden ist. Bei der Entscheidung der großen Angelegenheiten spielt die Meinung der Europäer höchstens noch als Fußnote eine Rolle, jedoch keinesfalls als einzukalkulierender, bedeutender, einen Einfluss besitzender Faktor. Es scheint so, dass das ein die westliche Welt langsam, aber sicher hinter sich zurücklassendes Wirtschaftswachstum produzierende China jene Vereinbarungen mit den Vereinigten Staaten etablieren wird, die die großen Dinge der Welt regeln. Das ist für uns hier in Europa eine Krise, eine Krise des Selbstwertgefühls und der Selbstachtung, wir waren nicht an solches gewöhnt. Wir waren daran gewöhnt, dass wir die schönsten, die klügsten und die reichsten waren. Davon ist bestenfalls etwas vom Ersten geblieben, doch mit dem Vergehen der Zeit nimmt auch die Bedeutung dessen ab, auch der Vorsprung nimmt ab.

Die Situation sieht also so aus, dass Europa die Frage beantworten muss, was für den Kontinent in so einem für ihn unvorteilhaft sich verändernden Raum das sinnvolle Verhalten ist. Und hier kommt das, worüber ich vorhin gesprochen habe, dass es gegenwärtig zwei Schulen in Europa gibt. Die eine Strömung sagt, das sind die Anhänger der Konnektivität, hierher gehören auch wir, dass wir auf den Wettbewerb eingehen sollten. Treiben wir Handel, nehmen wir am Wettbewerb teil, versuchen wir uns zu stärken und in jene Höhen zurück zu klettern, auf jene Höhe, damit wir uns wieder auf dem Regal finden, wo wir einmal schon waren. Doch das geht nur, wenn wir uns verändern, am Wettbewerb teilnehmen, und in den verschiedenen Formen des Wettbewerbs in den verschiedenen industriellen, kulturellen, wirtschaftlichen, technologischen Disziplinen möglichst viele gewinnen oder zumindest auf dem Siegertreppchen bleiben können. Die andere Schule sagt, wir sollten uns lieber verteidigen, einschließen, es ist auch schön, wenn wir das bewahren, was wir haben, es lohnt sich nicht, größere Ambitionen als diese zu hegen.

Sie benutzen zwei Wörter: Decoupling, Derisking. Decoupling ist ehrlicher und rüder, es bedeutet, dass wir unsere Kontakte liquidieren sollen, also das trennen, was zustande gekommen ist, z.B. die mit China oder mit Asien etablierten Wirtschaftsbeziehungen. Das Derisking ist die höflichere, die europäischere Form dessen, die nicht sagt, dass wir trennen sollten, sondern nur sagt, das Risiko sollte minimiert werden, wenn wir diese Beziehungen ausbilden. Doch die Richtung von beiden ist die gleiche. Das ist die Debatte, in der wir stecken. Diese Debatte ist nicht entschieden, diese Debatte kommt auf jeder Sitzung des Europäischen Rates, auf jedem Gipfel der Ministerpräsidenten vor, auf die eine oder die andere Weise, in irgendeinem Zusammenhang, was müssen wir tun: den Wettbewerb eingehen, uns verteidigen, uns einschließen, öffnen oder Handel treiben? Angesichts der historischen Gegebenheiten Ungarns, angesichts der Struktur seiner Industrie, von der Tatsache ausgehend, dass es unmöglich ist, das heutige oder ein höheres Lebensniveau auf einen Binnenmarkt von zehn Millionen Menschen wirtschaftlich aufrechtzuerhalten, müssen wir mit der ganzen Welt kooperieren und Handel treiben, denn nur dann können wir ein Einkommen erreichen, aus dem man einen Staat wie Ungarn, ein Lebensniveau, wie das heute im ungarischen Leben vorhanden ist, aufrechterhalten bzw. anheben kann, mit der Abschottung geht auf jeden Fall die Verarmung und das Absinken des Lebensniveaus einher. Deshalb sollten wir anstelle der Abschottung unseren Platz im Lager der die Konnektivität unterstützenden Länder einnehmen. Das tun wir auch, das haben wir auch in den vergangenen Monaten getan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nur um die tatsächliche Dimension der Abwertung auch aus europäischem Blickwinkel zu verdeutlichen, 1990 waren sechs von den zehn größten Wirtschaften der Welt noch westliche Länder. Sechs von zehn! Heute sieht die Lage so aus, dass laut den bis 2030 vorausblickenden Prognosen aus den zehn größten Wirtschaften England ausscheidet und es scheidet Frankreich aus. Ein einziges europäisches Land bleibt unter den ersten zehn, das auch gerade an zehnter Stelle, das ist Deutschland. Die ersten zehn Wirtschaften der Welt sind dann nicht europäisch. Eine darunter ist westlich, das sind sicherlich die Vereinigten Staaten, die anderen stammen aus den anderen Teilen der Welt. Das ist die neue Situation! Das ist die Welt, in der wir leben, an diese müssen wir uns anpassen. Darin müssen wir erfolgreich sein, daraus müssen wir die Schlussfolgerungen ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Hiernach würde ich vielleicht einige Wörter darüber sagen, ob die europäischen Diskussionen Ungarn helfen oder ob sie nur das Übel verschlimmern. Außer der Debatte über die Konnektivität, also dem Verbinden, der Zusammenarbeit versus Trennung belasten auch andere große Dilemmata und Diskussionen die europäische Politik, und jener automatische Zusammenhang, dass die Europäische Union Ungarn eher hilft, ihr Mehrwert höher ist als die durch sie verursachten Dilemmata, dieses Verhältnis scheint sich auszugleichen. Wir müssen also heute Kämpfe in der Europäischen Union ausfechten, die die Entwicklung Ungarns nicht fördern. Zwei große Diskussionen werden sich in den kommenden Monaten ereignen, ich bitte Sie, hierauf zu achten, deren Ausgang wird den Bewegungsspielraum Ungarns für die kommenden Jahrzehnte weitgehend bestimmen.

In der einen Debatte geht es darum, ob wir in bestimmten, jetzt schon eingeengten, aber immer noch wichtigen Fragen das immer noch bestehende Prinzip der Einstimmigkeit bei der Entscheidungsfindung in der EU aufrechterhalten, oder ob wir zu dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung übergehen sollen. Die Großen drängen auf darauf, also auf das zweite, auf das Übergehen. Diese Debatte hätte sich nicht ergeben – ohne jetzt historische Exkurse anzustellen –, diese Diskussion wäre gar nicht entstanden, wenn die Briten nicht aus der Europäischen Union ausgetreten wären. Die Grundmachtstruktur der Europäischen Union befand sich zwischen den Föderalisten und den Anhängern der Souveränität auf die Weise im Gleichgewicht, dass die Engländer oder Briten und Mitteleuropa immer für breitere nationale Zuständigkeiten argumentiert haben, und die Franzosen und die Deutschen immer für eine stärkere Zentralisierung. Das sind zwei europäische Traditionen. Hierauf kann man in diesem Kontext schon gar nicht mehr eingehen, aber die Traditionen der durch das Römische Reich und durch die nach dem Römischen Reich entstandenen verschiedenen Stämme geschaffenen europäischen Staaten sind ständig und gleichzeitig in der europäischen Politik präsent. Beide Traditionen werden durch jemand vertreten und das Gleichgewicht der beiden, das Verhältnis der beiden zueinander bestimmt, was für Zustände es in Europa gibt, ob wir in die Richtung irgendeines Föderalismus, irgendeiner Zentralisierung uns bewegen oder ob wir einen derartigen Gleichgewichtszustand finden, in dem die Nationalstaaten nicht innerhalb Europas um ihre eigene Souveränität kämpfen müssen. Indem die Briten ausgetreten sind, ist dieses Gleichgewicht umgestoßen worden. Es war ein ausgezeichnetes Gleichgewicht, ich habe selbst sechs oder sieben Jahre in diesem Umfeld mitgemacht, als wir mit den Briten und den V4 gemeinsam einen Gleichgewichtszustand aufrechterhalten konnten und Ungarns Souveränität durch keinerlei föderalistischen, zentralen Versuch des Typs einer Vereinigten Staaten von Europa bedroht war. Aber da die Briten gegangen sind, haben die Vertreter der anderen Tradition im Laufe eines Moments neue Instrumente geschaffen. Wenn die Briten in der EU drin wären, müssten wir uns mit solchen Wörtern wie Rechtstaatlichkeitsverfahren, Konditionalität, Wirtschaftsregierung, mit diesen müssten wir uns nicht beschäftigen, diese gäbe es nicht. Diese hätten nicht entstehen können, denn die Briten und die V4 waren immer in der Lage, die Schaffung solcher Instrumente zu verhindern. Nur sind die Briten nicht mehr da, so besitzen die mitteleuropäischen Länder keine blockierende Minderheit mehr und nacheinander entstehen jene Instrumente, die immer irgendeinen ideologischen Grund und irgendein spektakuläres, zeitweilig auf moralischer Grundlage verankertes Motiv besitzen, doch in Wirklichkeit zeigen alle Instrumente in die gleiche Richtung: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dazu zu drängen, immer mehr Entscheidungskompetenzen der Zentrale, Brüssel zu übergeben. Die schärfste Äußerungsform dessen ist jene Debatte, über die zu sprechen ich jetzt begonnen habe, ob wir das noch bestehende System der einstimmigen Beschlussfassung in ein Mehrheitssystem umwandeln sollen. Das ist kein einfaches Dilemma, da dies einer Vertragsmodifizierung bedarf, und dazu ist Einstimmigkeit notwendig. Also zur Abschaffung der Einstimmigkeit wäre ein auf Einstimmigkeit fußender Beschluss nötig. Also solange es auch nur ein einziges Land gibt, das widersteht, wird es dies nicht geben. Jetzt gab es zuletzt in Berlin eine Beratung, auf der im Kanzleramt dies das Thema war, wo ich den ungarischen Standpunkt vorstellte, wortwörtlich so, wie ich das jetzt hier tun werde. Für Ungarn ist dies tabu. Ungarn betrachtet die einstimmige Beschlussfassung als die letzte Garantie des nationalen Interessenschutzes und in den kommenden einhundertzwanzig Jahren ist in Ungarn kein Parlament zu erwarten, wie auch immer seine Zusammensetzung sei, das dafür stimmen würde. Es ist also besser, wenn wir dies von der europäischen Tagesordnung nehmen. Das sind starke Argumente, doch auch die andere Seite kann ihre Fragen auf der Tagesordnung halten, also trotz dieses Husarenstreichs, mit dessen Hilfe wir dies vorerst in Klammern gesetzt haben, dies wird immer wieder hervorkommen, es wird immer wieder auftauchen.

Besonders deshalb, und das ist der zweite große Themenkreis, auf den zu achten es sich für Sie lohnt, weil Sie auch als ein Apropos in dieser Debatte benutzt werden, und in dieser geht es um die Erweiterung der Europäischen Union. Sie haben sicher bemerkt, wieviel wir, wieviel auf einmal in Brüssel begonnen wurde, über die europäische Erweiterung zu sprechen. Das ist nicht das Zeichen der Erkenntnis der Wahrheit, das möchte ich klarstellen, damit es keine Missverständnisse gibt, sondern wir sind Zeugen eines politischen Manövers, das sagt, da wir mit der Ukraine zusammen jetzt schon zehn Kandidaten für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union haben, dann würde sich die jetzige EU von 27 auf 37 erweitern, darin sind natürlich auch die Türken mit inbegriffen. Und wenn sie auf 37 erweitert wird, dann kann sie mit dem Mechanismus, mit dem wir sie derzeit betreiben, hier die Frage der Stimmen, die Zusammensetzung der Körperschaften, die Zuständigkeiten inbegriffen, mit dem eine EU von 27 Staaten noch irgendwie funktioniert, mit 37 Mitgliedsstaaten aber nicht mehr funktionieren. Also geht es in Wirklichkeit darum, dass sie die Erweiterung als eine Art moralisches Argument benutzen wollen, um die innere Umformung vorzunehmen. Sie sprechen es auch aus, dass es solange keine Erweiterung geben wird, bis wir die innere Struktur nicht geeignet machen zur Aufnahme der Länder. Und darüber begann eine große Debatte. Die läuft auf so europäische Weise. Dies geschieht so auf europäische Weise, dass die Franzosen und die Deutschen im Übrigen herausragende Köpfe hervorgeholt haben, verdiente, alte Diplomaten, die einen Weisenrat gegründet haben, die als Ergebnis einer einjährigen Arbeit ein Dokument produziert haben, das keinen offiziellen Status besitzt, wir wissen nicht, was es ist, kein einziges Land steht dahinter, aber es schwebt so wie Mohameds Sarg im Raum. Das ist ein Papier, es ist voll mit allen möglichen inneren Umformungen der Europäischen Union. Niemand muss die Verantwortung für die Vorschläge übernehmen, denn sie haben Akteure verfasst, die außerhalb der Politik stehen, doch im Wesentlichen betrachten schon die Regierungen aller Länder dies als einen informellen französisch-deutschen Vorschlag und schauen schon, worauf sie sich ungefähr vorbereiten müssen. Ich empfehle auch Ihnen, sich das anzuschauen, wenn Sie Zeit haben, auch im Hinblick darauf, dass ganz gleichgültig, was auch der Ausgang der Diskussion sein wird, das wird mit Sicherheit die ungarischen Gemeinschaften jenseits der Grenzen und die mitteleuropäischen Staaten betreffen. Ich sehe in diesem Augenblick keinen einzigen Vorschlag auf dem Tisch, den zu unterstützen im Interesse Ungarns stünde. Keinen einzigen! Ich denke, es lohnt sich, hier einen konservativen, einen begründeten konservativen Standpunkt einzunehmen: Wenn du schon nicht helfen kannst, wenn du schon nicht verbessern kannst, dann schade wenigstens nicht! Auch das ist eine schöne politische Leistung in einem gegebenen Kontext. Wir würden also empfehlen, dass dies nicht die Zeit für frische Ideen in der europäischen Politik ist, sondern wir sollten uns darüber freuen, dass das noch funktioniert, was funktioniert. Wo wir etwas ändern müssten in Europa, das ist vielmehr die Handelspolitik und am wenigsten die Welt der Arbeitsweise der Institutionen.

Das ist der Punkt, an dem ceterum censeo über die schwerwiegendste politische Herausforderung gesprochen werden muss, der heute Europa ins Auge blickt, nicht in historischer und nicht in strategischer Zeit, sondern kurzfristig, und das ist die Frage der Migration. Ich erinnere mich noch gut an jene Debatten, noch zu Beginn der 2010-er Jahre, die große Migrationswelle von 2015 hatte noch gar nicht begonnen, doch die Probleme der Migration waren in den einstigen Kolonialländern schon vorhanden, in denen es darum ging, welche Integrationsfähigkeit die Europäische Union wohl besitzt, wie sie die von außerhalb der EU kommenden Volksgruppen und Massen aufnehmen kann. Und ich erinnere mich auch noch an jene Diskussionen, die aus der selbstbewussten Position des damals noch sich in einem besseren Zustand befindenden und stärkeren Europa ausgeführt wurden, laut denen wir stark genug seien, um jene zu integrieren, die nach Europa kommen, hinzu käme noch, dass wir wegen der europäischen demografischen Prozesse auch auf sie angewiesen seien, um unsere Wirtschafts- und Wohlstandssysteme aufrechtzuerhalten. Und ich erinnere mich gut daran, dass ich es in jenen Diskussionen immer merkwürdig fand, dass man über die nach Europa Kommenden so sprach, als wären sie bloß irgendwelche wirtschaftspolitischen oder wirtschaftstechnischen Zellhaufen, die dann hierherkommen und arbeiten, und wenn sie arbeiten und wir sie versorgen können, wenn sie eine Unterkunft haben, wir ihnen eine Wohnung geben können, wir sie einschulen können, dann würde das Problem im Grunde gelöst sein, die Integration wäre vollzogen. Doch die Wahrheit ist, dass wir nicht sprechende Maschinen oder Roboter in die Europäische Union hereingelassen haben, sondern Menschen – so wie sie sind: mit ihrer Kultur, ihrer Geschichte, ihrer Seele, ihrer Denkweise. Die Migration ist kein rationaler Arbeitskräfteexport, sondern das Öffnen der Tore vor einer kulturellen Erscheinung, deren Folgen jene nicht im Geringsten ermessen hatten, die dies taten. Ich sage auch weiterhin, dass man uns zwar geschlagen, getreten, gehauen, gekniffen, gebissen hat, weil wir einen Zaun errichtet haben und weil wir sagten, „no migration“, Zero, das wollen wir nicht, die beste Migrationszahl lautet Null und wir wollen von jedweder Verteilung, Weiterleitung und Ähnlichem verschont bleiben. Und wir bestehen darauf, dass die Entscheidung darüber, wer in unser Land eintreten darf, mit wem wir zusammenleben und mit wem nicht, im nationalen Zuständigkeitsbereich verbleibt, dies darf niemand statt uns entscheiden, also wir loben unser Glück, wir danken dem lieben Gott, dass er uns genügend Kraft gegeben hat, um trotz des ständigen Drucks an unserem ursprünglichen Standpunkt festzuhalten. Denn jetzt ist nach den Terroraktionen in Gaza deutlich zu sehen, dass jene Bedingung, jene anthropologische Annäherung, die wir angewandt hatten, laut der jene, die kommen und hereinkommen nicht einfach nur ihre Arbeitskraft – bestenfalls – mitbringen, nicht nur ihre demografische Bedeutung hereinbringen, sondern sie bringen ihre Kultur, ihre Zivilisation, ihre Auffassungen herein. Und da aus religiösem – dies wird mir der Herr Kardinal vielleicht nachsehen, doch da aus religiösem – oder seelischem Gesichtspunkt im gegenwärtigen Augenblick die muslimische Welt stärker ist als die christliche, können wir deshalb nicht einmal darauf hoffen, dass wir mit Hilfe der christlichen Religion und Weltsicht die Integration unterstützen können. Ein säkulares, liberales Europa besitzt diese Fähigkeit nicht. Zu glauben, wir könnten dann auf dieser traditionellen Linie, auf der Linie der Tradition des Christentums und der Bekehrung irgendeine Integrationsleistung erreichen, dazu ist ein starker Glaube nötig. Ja, ich sehe hier eine beinahe schon irrational erscheinende Position. Hinzu kommt noch, dass jene, die an der Spitze der westeuropäischen Länder stehen, gar nicht in einer Integration dieses Typs denken. Sie denken eher so, dass so wie man uns, wie die traditionellen europäischen Gemeinschaften säkularisiert hat, sie dann die mit einer anderen religiösen Basis Ankommenden werden säkularisieren können. Doch jene akzeptieren vorerst nicht gerne diesen ausgezeichneten Gedanken, sie wollen sich überhaupt nicht säkularisieren, sie fühlen sich in einer ganz anderen Lebensphilosophie zu Hause und sie empfinden ihr Leben als vollständig, das sie – das kommt noch hinzu – als höherwertig ansehen als jenes säkularisierte Leben, das wir hier in Europa leben. Deshalb ist die Möglichkeit der Integration, die Wahrscheinlichkeit der wirklichen Integration entsprechend unserer Beurteilung, übereinstimmend mit unserer früheren Beurteilung heute in Europa äußerst niedrig. Und hierauf eine Einwanderungspolitik aufzubauen, ist unserer Ansicht nach eine Versuchung Gottes. Also ist es am besten, wenn man sich nicht daran versucht. Auch wir dürfen so etwas nicht tun, wir müssen den Standpunkt aufrechterhalten, dass nur die Ungarn sagen dürfen, wer und wie sich auf dem Territorium Ungarns aufhalten darf. Wir müssen die Regeln strenger fassen. Die derzeitigen Regeln lassen zu viel zu, wir haben ein aus dem Jahr 2007 stammendes Gesetz über den Umgang mit Fremden, das noch weit vor dem Zeitalter der Migrationsinvasion entstanden war, und dieses ist nicht luftdicht, es schließt nicht richtig, deshalb muss ein neuer fremdenpolizeilicher Kodex geschaffen werden. Ich glaube, das Parlament hat dies bereits auf dem Tisch, hat vielleicht auch schon mit der Debatte darüber begonnen, und man muss auf alle Fälle deutlich machen, dass sich kein einziger Mensch auf dem Gebiet Ungarns aufhalten darf, der kein ungarischer Staatsbürger, kein Staatsbürger der Europäischen Union ist und wir nicht sagen könnten, aufgrund welchen Falltyps des Ausländerpolizeigesetzes er die Berechtigung besitzt, sich in Ungarn aufzuhalten. Wir müssen also ein sehr transparentes, klares, sauberes, nachvollziehbares und vollstreckbares System anwenden, im entgegengesetzten Fall werden uns die Westler hinwegfegen. Vergessen wir nicht, dass man dort, dass die Westeuropäer ein derartiges neues Migrationspaket angenommen haben, das beachtenswerte und positive Elemente besitzt. Z.B. jenes, dass wir mit den Ländern auf der anderen Seite des Mittelmeeres eine Zusammenarbeit etablieren müssen, die das Heraufströmen von dort beschränkt, in der auch Ungarn eine Rolle übernimmt, nicht nur finanziell, sondern auch unter Sicherheits- und militärischen Gesichtspunkten, deshalb wird es auch eine ungarische militärische Präsenz in der Sahelzone geben, das sind also sinnvolle Vorschläge, das sind keine schlechten Richtungen, doch leider ist der Vorschlag insgesamt doch nicht akzeptabel, weil er die ankommenden Migranten verteilen will. Zwar kann man sich mit Geld von einem Teil dieser freikaufen, doch im Fall einer Gefahrensituation, die vollkommen unabhängig von den Mitgliedsstaaten durch die Kommission festgelegt wird, können die Umsiedlungen in eine unbegrenzte Form umgeändert werden, was unser Ansicht nach inakzeptabel ist. Und sie wollen auch, dass wenn wir von anderswo keine Migranten übernehmen, dann sollen wir dafür zahlen. Und dieser Pakt zwingt uns auch dazu, was wir aber nicht tun, eine entsprechend einer europäischen Quote verteilte Migrantenlager-, Migrantenghettokapazität zu schaffen. Also unabhängig davon, ob es einen Migranten in Ungarn gibt oder nicht, müssten wir laut des neuen Pakets, des Migrationspakets Migrantenlager errichten, die geeignet sind, mehrere tausend Menschen unterzubringen. Diese Dinge können wir nicht akzeptieren, wir wollen sie auch nicht vollstrecken. Es wird also einen großen Konflikt geben, der im kommenden halben Jahr jene Konfliktsituationen weiter steigert oder schattiert, die ich vorhin beschrieben habe.

Summa summarum wollte ich Ihnen insgesamt sagen, dass die Welt, die uns umgibt und die für uns äußerst wichtig ist, denn ein sich isolierendes Ungarn besitzt meiner Ansicht nach keine Zukunft, also nur das sich klug in die Ordnung der Weltwirtschaft, der sich verändernden weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Ordnung eingliedernde Ungarn besitzt eine Zukunft, im Zeichen der Konnektivität, doch diese Welt, die uns umgibt, ist heute im Zustand der Desintegration. Alles, was bisher stabil um uns herum war, befindet sich offensichtlich im Zustand des Auseinanderdriftens. An diesem Abbau ist nichts Heroisches. Also die Europäische Union, die sich meiner Ansicht nach in Richtung des Zerfalls bewegt, wird nicht zusammenbrechen oder zusammenstürzen oder explodieren, dieser Prozess wird also keine heroische, dramatische, epische Stimmung besitzen, nicht einmal das wird er haben, sondern das ist ein ganz einfaches Auseinanderrutschen. Was so geschieht, dass wir eine Entscheidung treffen, und die dann nicht umsetzen. Auch die Institutionen vollstrecken sie nicht und auch die Mitgliedsstaaten nicht, es hat auch keine – am Anfang kleine noch – Konsequenzen, dann gar keine, und langsam gewöhnen wir uns daran, dass weder die Institutionen noch die Mitgliedsstaaten unsere eigenen Beschlüsse umsetzen. Die Zahl solcher Fälle – es gibt sehr viele von ihnen, diese versuchen wir zu verfolgen –, die Zahl solcher Fälle nimmt zu, was der deutlichste Beweis für das Auseinanderrutschen der Form der Integration ist. Das ist nicht spektakulär, doch zermürbt es jeden Tag die Kultur der Zusammenarbeit.

Also ist die Welt, die uns umgibt, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Ungarn von jenseits der Grenzen, ist die Welt des Auseinanderrutschens. Die Frage ist, was wir tun müssen? Meiner Ansicht nach müssen wir dagegenhalten. Wir können jetzt nicht hoffen, denn die derzeitige Größe und Kraft des Landes reichen dazu nicht aus, um zusammenzuhalten, was im Begriff ist, auseinanderzurutschen, denn das ist zu groß, dazu haben wir keine Kraft, eher würden wir vorher zerreißen. Versuchen wir es nicht! Was wir versuchen können, und das muss in den kommenden Jahren sein, dies empfehle ich als das Wesen der ungarischen Nationalstrategie in den kommenden Jahren, dass während um uns herum die Welt auseinanderrutscht und sich desintegriert, wir die Mechanismen der ungarischen Kooperation, der ungarischen Einheit, des ungarischen Zusammenwirkens stärken sollten. Unsere Antwort auf das Auseinanderrutschen soll also die Einheit sein. Versuchen wir unsere Zusammenarbeit zu stärken! Das Jahr 2023 war nicht leicht, ich konnte nicht mehr versprechen und mehr auf mich nehmen, vielleicht erinnern Sie sich daran, als unsere früher entstandenen Institutionen, die durch Sie geschaffenen Institutionen vom Sport über die Kultur bis zur Wissenschaft und dem gemeinschaftlichen Leben, die wir geschaffen haben, wir aufrechterhalten werden, doch würde es keine Möglichkeit zur Expansion geben. Und es gab sie 2023 auch kaum. Obwohl wir sehr viele Dinge eröffnet haben, der Schein scheint meine Aussage zu widerlegen, doch das waren früher begonnene Projekte, die wir jetzt übergeben haben. Und wir haben auch jedes begonnene beendet, denn wir lassen nichts als Torso stehen. Doch neue konnten wir 2023 nicht mehr mit dem Schwung beginnen, wie wir das in den früheren Jahren getan hatten. 2024-2025 müssen wir zur Expansion, zum Wachstum, zur Erweiterung, zur Stärkung zurückkehren. Die finanzielle Basis dafür wird vorhanden sein. Es ist eine gute Nachricht, dass gestern die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, also nicht die Regierung, sondern die die Wirtschaft tatsächlich betreibenden Akteure darüber übereingekommen sind, für das nächste Jahr eine Erhöhung des Minimallohns um 10 bzw. 15 Prozent zu vollziehen, was sie auch nicht erst ab dem Januar machen werden, wie es ansonsten in Ungarn Sitte ist, sondern wir möchten dies bereits ab dem 1. Dezember tun, was zeigt, dass das Leben in die ungarische Wirtschaft zurückzukehren beginnt und es uns gelingen wird, die Wirtschaft aus der Rezession herauszuholen. Es wird also wieder ein Wachstum geben und dies wird auch den Neustart der ungarischen Entwicklungsprogramme jenseits der Grenze ermöglichen. Nicht nur, weil das richtig und moralisch so in Ordnung ist und dies aus unserer tausendjährigen Geschichte folgt, sondern auch weil wir die dem Auseinanderrutschen der uns umgebenden Welt entspringenden Herausforderungen mit der Stärkung des ungarischen Zusammenwirkens, der ungarischen Zusammenarbeit beantworten können.

Ich danke Ihnen, dass Sie mich angehört haben! Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Beratung!

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