Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Napi aktuális”(„Aktuelles vom Tag”) von Hír TV (Nachrichten TV)
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Napi aktuális”(„Aktuelles vom Tag”) von Hír TV (Nachrichten TV)

Zsolt Bayer: Guten Abend, hier ist Napi aktuális, und unser Gast im Studio ist Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn. Guten Abend, Herr Ministerpräsident.

Guten Abend!

Ich wünschte, ich müsste nicht mit dem anfangen, mit dem ich anfangen muss. Wenige Stunden bevor wir uns zum Gespräch zusammensetzten, geschah in Prag eine unvorstellbare Tragödie. Soweit wir im Moment wissen, wurden bei einer Schießerei in der Karlsuniversität fünfzehn Menschen ermordet und zwei Dutzend verletzt. Was kann man auf den ersten Blick hierzu sagen?

Wir sind erschüttert. Die Leitungen, die Telefone laufen heiß, und wir versuchen zu verstehen, die Nachrichten zu sammeln, was genau passiert ist und warum das passiert ist, was geschehen ist. Alles, was ich bisher tun konnte, ist, sofort unser Mitgefühl und den Verletzten unsere guten Wünsche zu übermitteln und den Eltern, die ihre Kinder verloren haben, unser Beileid auszusprechen. Man kann nicht verstehen, wie die Welt so weit gekommen ist.

Ja, und hinzu kommt noch, dass das alles in Prag geschah.

Ja, weil es in Amerika vorzukommen pflegt. Also, auch das lässt einem das Herz erschauern, solche Dinge pflegen zu passieren, es ist eine andere Welt dort, aber hier in Europa, in unserem Nachbarland fast, in Mitteleuropa, erschüttert es uns alle…

Ja. Dann beginnen wir auch schon! Man pflegt, die Ungarn pflegen zu sagen, dass wir wissen, was passieren wird, aber bis dahin, was wird da passieren? Ich gehe noch einen Schritt weiter: Was passiert, warum passiert es? Und dann fangen wir mit dem Beitritt der Ukraine zur EU an! Lassen Sie uns einmal versuchen, unseren Zuschauern genau zu sagen, was Ungarn mit allem, was wir im Zusammenhang mit dem Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen tun und getan haben, bezweckt.

Ungarns Ziel war es, die anderen westeuropäischen Staats- und Regierungschefs davon zu überzeugen, dass die Ukraine nicht für eine EU-Mitgliedschaft bereit ist und dass auch die EU nicht vorbereitet darauf ist, die Ukraine aufzunehmen. Wenn wir jetzt unvorbereitet sind und wichtige Fragen nicht klären, wird diese Entscheidung unweigerlich eine schlechte Entscheidung sein. Stattdessen – so schlugen wir vor – sollten wir, da die Ukraine nicht erst in zehn Jahren Mitglied der Europäischen Union werden will, sondern irgendeine schnell und sofort nutzbare Hilfe benötigt, schnell – nicht in vielen Jahren, sondern schnell – ein strategisches Kooperationsabkommen mit der Ukraine abschließen, das deutlich macht, was wir ihr in verschiedenen Bereichen – Sicherheitspolitik, Landwirtschaft, Finanzsystem, Haushalt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Marktöffnung – anbieten können, und zwar in einer Weise, die sowohl den europäischen und ungarischen als auch den ukrainischen Interessen gerecht wird. Das wäre meines Erachtens viel mehr wert gewesen als das unverantwortliche Abenteuer, sich auf eine Reihe von Verhandlungen einzulassen, die zum Scheitern verurteilt sind, weil sie unvorbereitet sind. Das hat es schon einmal gegeben. Wir haben Beispiele dafür, wie wir uns bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verzettelt haben.

Was ich nicht verstehe, ist, warum diese 26 Mitgliedstaaten davon überzeugt werden mussten, wo doch der zuständige Berichterstatter dies am Ende des Sommers schwarz auf weiß festgehalten hat. Von diesen sieben Punkten hat die Ukraine in vier Punkten nichts und in drei Punkten etwas getan. Warum mussten sie danach noch überzeugt werden?

Die Zuschauer sollten sich vielleicht darüber im Klaren sein, dass um den Kandidatenstatus zur Europäischen Union zu erlangen, bereits bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen. Nicht weil die EU etwas vorschreiben will, sondern weil es nur dann Sinn macht, über eine Mitgliedschaft zu sprechen, wenn die Kluft zwischen dem Bewerberland und der aufnehmenden EU überbrückt werden kann. Deshalb gibt es in der Regel sehr klare Kriterien. Wir haben vor acht Monaten darauf verzichtet und gesagt, dass sie das nicht sein sollen, dass sie Zeit haben, sie auch zwischendurch zu erfüllen. Sieben Monate sind vergangen, wir haben uns angesehen, welche der sieben Kriterien erfüllt wurden, und es hat sich herausgestellt, dass die Hälfte davon nicht erfüllt wurde. Wir sind sogar der Meinung, dass es ernsthafte Zweifel daran gibt, was die Kommission als erfüllt erklärt hat. Wie üblich bei der Erweiterung der Union hätten wir also nur eine Antwort geben können: „In Ordnung, wir verstehen die Absichten der Ukrainer, aber wir können keine Verhandlungen aufnehmen, weil bestimmte Schritte unternommen werden müssen.” Aber das haben wir nicht getan. Das wäre die logische Konsequenz gewesen, und das war auch meine Position. Hier kam die Idee ins Spiel, dass wir stattdessen eine strategische Partnerschaft anbieten sollten, wenn die Ukrainer vorerst nicht liefern können, aber die Mehrheit, 26 von 27, sagte, dass dies im Moment nicht interessant sei, weil wir eine Geste machen müssten, es sei ein geopolitisches Signal, die Bedingungen interessieren uns nicht, das wird schon irgendwie werden, und wichtig sei jetzt, dass die Ukraine nicht das Gefühl habe, wir hätten sie im Stich gelassen. Das ist es, was ich gesagt habe, dass Hilfe auf die falsche Art und Weise oft mehr Probleme verursacht als keine Hilfe. Denn die Ukraine ist noch gar nicht der Europäischen Union beigetreten, aber in zwei Bereichen – und da wir in der Nähe sind, können wir das sofort spüren – sind die Dinge bereits in Aufruhr. Die ungarischen Landwirte sind in ihren Interessen durch die massenhafte Einfuhr von Agrargütern aus der Ukraine zutiefst verletzt, und auch unsere Spediteure sind in Schwierigkeiten, weil die Ukrainer sie preislich unterboten und ihnen einen beträchtlichen Teil ihres Geschäfts abgenommen haben. Und das wird Tag für Tag so weitergehen, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten und sagen, na ja, Freunde, erst gibt es Bedingungen, erst gibt es Regeln, die einzuhalten sind, und dann können wir Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Aber ich konnte die 26 Ministerpräsidenten nicht überzeugen, und es bestand die Gefahr, dass sie mich überreden oder, wenn sie mich nicht überreden, dann, sagen wir, niederringen würden. Und dann blieb Ungarn nur noch die Möglichkeit, wenn wir ehrlich und ernsthaft der Meinung sind, dass dies eine schlechte Entscheidung ist, sich herauszuhalten. Lassen wir sie die Entscheidung ohne uns treffen, lassen wir sie die Konsequenzen ohne Ungarn tragen, und schaffen wir uns selbst die rechtliche Grundlage, damit Ungarn, wenn diese schlechte Entscheidung Probleme verursacht, und davon wird es genug geben, immer aufstehen kann, um seine eigenen Interessen zu verteidigen, indem es darauf hinweist, dass wir im Voraus gesagt haben, dass wir unsere Interessen hier verteidigen werden, wenn nötig, auch gegen die Ukraine. Wir waren in der Lage, diese Möglichkeit zu schaffen. Wir können von niemandem erwarten, dass er akzeptiert, dass wir ihn vor sich selbst beschützen sollen. Ungarn oder der ungarische Ministerpräsident können also nicht 26 Premierminister vor sich selbst schützen. Das pflegt uns nicht einmal bei unseren eigenen Kindern zu gelingen, geschweige denn bei erwachsenen Ministerpräsidenten, also mussten wir einsehen, dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind.

Gleich betrachten wir auch das andere Ereignis, bei dem Sie bereits ein Veto eingelegt haben, aber ich muss noch einen Moment hier bleiben, weil ich sicherlich nicht möchte, dass wir hier hinsichtlich dessen, was dort, auf den Fluren geschieht, vertraulich tun, aber es gibt eine Tatsache. Drei Tage vor dem Gipfel hat der österreichische Bundeskanzler zu Hause öffentlich erklärt, dass die Ukraine derzeit in keiner Weise in die EU aufgenommen werden kann, und dann ist er zum Gipfel gegangen und hat ohne einen einzigen Mucks zusammen mit den anderen dafür gestimmt. Wie lässt sich das erklären? Oder darf man zumindest so viel darüber ausplaudern, dass wenigstens privat jemand zu Ihnen hingeht, und sagt: Wir wissen, du hast Recht, aber mein Gott, was sollen wir denn machen?

Sie sahen dies nicht als ein so ernstes Problem an, wie wir es taten. Denn ihre Position – auch die des österreichischen Bundeskanzlers – war, dass es jetzt vielleicht eine schlechte Entscheidung ist, das können wir aber nicht mit Sicherheit wissen, aber da wir einen langen Prozess vor uns haben und es viele Gelegenheiten gibt, diesen Prozess zu stoppen, und es eine ganze Reihe von Leuten gibt, die auf dieser Entscheidung bestehen, sollten wir ihnen diese Geste geben. Der Ministerpräsident der Slowaken hat dies übrigens auch gesagt, dass er mit dieser ganzen Eile nicht einverstanden ist, dass es eine überbewertete Geste ist, dass sie jetzt nicht notwendig sei, aber wenn so viele von ihnen darauf bestehen und denken, dass diese Geste notwendig ist, dann wird er sie eben geben. Ich denke also, dass diejenigen, die inhaltlich die gleiche Meinung wie wir hatten, sich gut benommen haben, sie haben nur nicht wie ich daran geglaubt, dass es möglich ist, ein Spiel, das 26:1 für den Gegner ausging, zu drehen. Aber ich hatte Zuversicht, denn es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. In der Angelegenheit der Migration ist genau dasselbe geschehen. Wenn du also alleine da sitzt, und dir gegenüber sitzen 26 Leute, die den gleichen Standpunkt vertreten, und du stehst auf deinem Standpunkt, dann musst du dir die Frage stellen, ob nicht du dem Verkehr in entgegengesetzter Richtung entgegenfährst? Und man muss sich ständig selbst hinterfragen. Und ich habe darauf hingewiesen, dass dies auch bei der Migration der Fall war, dort waren sechsundzwanzig von ihnen auf der einen Seite und wir Ungarn waren hier. Und am Ende stellte sich heraus, wie jeder weiß, dass wir Recht hatten. Sie sind dorthin gelangt, wo sie hinkamen, und wir sind dort, wo wir sind. Dort gibt es ein großes Problem, und wir haben uns erfolgreich verteidigt und vorhergesagt, dass dies geschehen würde. Ich sagte ihnen also, dass ich nicht als eine Art Kassandra daherkommen will, die vorhersagen kann, was passieren wird, aber glauben Sie mir, man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu erkennen, dass diese Entscheidung Konsequenzen haben wird, die eine Menge Ärger verursachen werden. Wir sind nicht vorbereitet. Wir kennen keine Berechnungen. Wir sprechen über ein Land, auf dessen Territorium russische Soldaten stationiert sind. Werden wir auch sie aufnehmen? Wenn wir also über die Ukraine sprechen, über ein wie großes Gebiet reden wir dann? Wie groß ist die Bevölkerung? Und inzwischen denken die Ukrainer, dass sie einen entscheidenden Schritt getan hätten. Und wenn wir dann diese Fragen zwischendurch stellen werden und der Prozess sich verlangsamt und sich herausstellt, dass wir keine Fortschritte machen können, ist das eine große Enttäuschung. Es wäre besser gewesen, dies zu verhindern. Gut, nun ja…

…das ist nicht gelungen. Schien die finanzielle Unterstützung der EU für die Ukraine eine ernstere, größere Bedrohung zu sein? Ich frage das, weil Sie diese jedoch mit einem Veto abgelehnt haben.

Lassen Sie uns das genauer betrachten! Gehen wir von dem Punk aus, dass die Ukraine finanzielle Unterstützung braucht. Ich denke, darüber kann man sprechen. Die Ukraine wurde also angegriffen, die Ukraine steckt in ernsten Schwierigkeiten, sie haben die Ungarn zwar nicht gut behandelt, ja sie haben sie sogar ausgesprochen gequält, aber in einer solchen Situation kann man die Frage stellen, ob wir einem Land, das in Schwierigkeiten steckt, eine finanzielle Hilfe geben sollten. Alle 26 oder 27 Mitgliedstaaten zusammen können so denken. Das ist etwas, was man diskutieren kann. Es ist jedoch nicht mehr klar, warum wir jetzt, vier Jahre im Voraus, eine Entscheidung über 50 Milliarden Euro treffen sollten, wenn wir nicht einmal wissen, was in, sagen wir, zwei Monaten an der Front passieren wird. Ist das vernünftig? Offensichtlich nicht! Außerdem wird vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten das Geld, das sie der Ukraine geben wollen, nicht einfach nur geben, sondern vorher in den EU-Haushalt einzahlen, und dass die EU dieses Geld dazu verwendet, weitere Kredite aufzunehmen und aus dem Haushalt zu bezahlen. Nun, an dieser Stelle habe ich gesagt, dass wir einen Moment innehalten sollten, denn da Ungarn nicht die ihm zustehenden Mittel aus dem EU-Haushalt erhält und wir nun der Ukraine Geld geben wollen, das heute nicht vorhanden ist, werden wir am Ende an den Punkt gelangen, dass das Geld der Ungarn am Ende auf einmal in der Ukraine landet. Ich kann also dem nicht zustimmen, dass eine solche undurchsichtige Haushaltsauszahlung, eine solche finanzielle Auszahlung, damit endet, dass die Ukrainer ihr Geld bekommen, und es stellt sich heraus, dass das Geld der Ungarn bereits aufgebraucht ist. Drittens, oder vielleicht viertens, wollen wir nicht gemeinsam mit den anderen Staaten der EU Kredite aufnehmen. Das ist ein Abenteuer, auf das wir uns einmal eingelassen haben. Es gab eine große Debatte darüber im ungarischen Parlament, und es fiel mir schwer, einige meiner Kollegen davon zu überzeugen, dass wir es versuchen sollten, aber während der COVID-Epidemie kamen wir in der Europäischen Union zu dem Schluss, dass wir versuchen sollten, gemeinsam Kredite aufzunehmen, einen so genannten Recovery Fund zu schaffen und ihn zu nutzen, um Länder, die aufgrund von COVID in Schwierigkeiten geraten sind, schnell zu unterstützen. Wir haben diesen Kredit aufgenommen, COVID läuft langsam aus, und es gibt Länder, darunter auch Ungarn, die überhaupt keinen Pfennig erhalten haben, so dass sich herausgestellt hat, dass dieser gemeinsam aufgenommene Kredit und das gemeinsam verteilte Geld eigentlich gut für die Großen und schlecht für die Kleinen ist, weil wir irgendwie in die Warteschlange zurückbeordert werden und nicht die Mittel bekommen, die uns zustehen. Außerdem müssen wir sogar Zinsen für Geld zahlen, das wir ansonsten gar nicht erhalten haben. Deshalb glaube ich nicht, dass es jemanden gibt, der das ungarische Parlament beim nächsten Mal davon überzeugen kann, dass wir zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der Union ein Darlehen aufnehmen sollten. Also, kein Darlehen, kein Beitrag der Mitgliedstaaten, nicht über den Haushalt, nicht für fünf Jahre, sondern ein viel begrenzterer, sinnvoller definierter Betrag: darüber können wir reden. Aber das wollten sie nicht, sie hielten an ihrer größenwahnsinnigen, großen Idee fest, und da blieb mir nichts anderes übrig, als mein Veto einzulegen.

Bekommt das Ganze nicht zusätzlich zu dem, was Sie gerade gesagt haben, noch einen Beigeschmack, wenn der US-Außenminister, Herr Blinken wenige Tage vor dem Gipfel auch noch öffentlich erklärte, vor der ganzen Welt deklarierte, dass 90 Prozent der Hilfe für die Ukraine bei US-Unternehmen landen?

Das hat nur diejenigen überrascht, die das Wesen der Außenpolitik nicht kennen. Ich für meinen Teil war überhaupt nicht überrascht. Erstens: Wo Amerikaner sind, da ist auch Geld, und wo Fleisch ist, gibt es Fliegen. Ich mag es also nicht, die Ereignisse nachträglich in eine logische Abfolge zu bringen, die alles im Stile einer Verschwörungstheorie erklärt, aber ich schließe nicht aus, dass einzelne Schritte der verschiedenen Ereignisse zusammenhängen. Ich sehe es so, dass – jetzt, wo wir unter uns sind, kann ich das sagen – jeden Tag Abgeordnete des Europäischen Parlaments und eine Gruppe von ihnen die anderen Institutionen der Union erpressen, damit sie Ungarn nicht das Geld geben, das ihm zusteht. Wenn wir uns anschauen, wer diese Leute sind, sehen wir zwei Gruppen: Es gibt die Ausländer und die Ungarn, die sich dafür einsetzen, dass, sagen wir, die ungarischen Lehrer das Geld nicht bekommen, das zur Erhöhung ihrer Gehälter verwendet werden kann. Aber sowohl die ungarischen Akteure als auch die Ausländer verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie sind alle Leute von George Soros. Heute erpressen also die von George Soros kontrollierten Abgeordneten des Europäischen Parlaments die Europäische Kommission ständig, damit sie das Geld nicht an Ungarn weitergibt. Und sie tun dies offensichtlich, weil sie dieses Geld in die Ukraine bringen wollen. Wir sprechen hier über keine kleine Summe.

Ungarn stehen insgesamt 32 Milliarden Euro zu. Wenn sie diese in die Ukraine schicken können, und es ist so, wie das der US-Außenminister sagte, dass 90 Prozent davon an US-Firmen gehen, dann ist das kein so schlechtes Geschäft. Ungarn ist hier also umzingelt, einerseits von den Soros-Vertretern, andererseits von der erpressten Kommission und drittens von den Amerikanern, die die 32 Milliarden Euro, die Ungarn eigentlich zustehen würden, in die Finger bekommen wollen. Der Grund, warum es so viel lautes Gekeife oder Geseiere gibt – ich will sie nicht beleidigen, aber – ist, dass die 32 auf 22 runtergegangen sind, weil die Europäische Kommission, nachdem sie keine andere Wahl hatte und die ganze Situation sich so entwickelt hat, wie sie sich entwickelt hat, 10 an Ungarn geben musste. 10:0 für uns, aber 22 hängen noch in der Luft.

Aber steht das im Past Perfekt? Oder hat die Kasse geklingelt? Oder sollen wir noch warten?

Das ist EU-Geld. EU-Geld ist eine mysteriöse Sache, aber ich denke, es ist mehr als wahrscheinlich, dass es als eine eingenommene Ressource betrachtet werden kann.

Gut. Noch ein letztes Wort, wenn wir schon über Geld reden. Ist es nicht ein bisschen seltsam, dass, wenn das Geld, das uns geschuldet wird, uns gegeben werden muss, Sie sprachen gerade darüber, es immer Einwände gibt, und die meisten Einwände sind, Sie wissen schon, dass es eine Diktatur, Autokratie sei, es Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit usw. usw. gibt, also können wir dieses Geld nicht haben? Aber wenn wir Unsummen an Geld auszahlen müssen oder auszahlen sollten, z.B. an die Ukraine, dann ist das Geld der Diktatur willkommen?

Jetzt ist die Situation die, dass das niemand ernsthaft meint. Jeder weiß also ganz genau, dass die Qualität des öffentlichen Lebens in Ungarn als Land nicht ein Jota schlechter ist als die Qualität des politischen Gemeinschaftslebens in irgendeinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Darüber bestehen keine Zweifel. Die Europäische Kommission hat gerade gesagt, dass zum Beispiel unser Justizsystem alle europäischen Standards erfüllt. Ungarn hat also heute das modernste, das zuletzt geprüfte, das hochwertigste Justizsystem in der ganzen Union. Aber das gilt auch für alle anderen Bereiche. Also nimmt das niemand ernst. Es geht in Wirklichkeit darum, nach einem Vorwand zu suchen, mit dessen Hilfe sie dieses Geld woanders hin senden wollen und nicht an die Ungarn. Wir können eines sagen, was vielleicht auch hinter Ihrer Frage steckt. Wenn wir uns den Zustand der westlichen Demokratien ansehen, dann sehen wir, um den Dichter Petőfi zu paraphrasieren, dass dort die Zähne eines geheimen Wurms kauen.

In Amerika versuchen sie also, den am meisten unterstützten Kandidaten durch ein Gerichtsurteil daran zu hindern, bei der Wahl anzutreten. In Deutschland steht eine der am stärksten oder am zweitstärksten unterstützten Parteien unter Beobachtung der nationalen Sicherheit und steht mit anderen im Wettbewerb, während sie unter Beobachtung der nationalen Sicherheit steht. In Polen, dessen Wahlergebnisse im Westen gefeiert werden, wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen von der Polizei mit Gewalt übernommen. Und ich könnte Ihnen noch einige weitere Beispiele für das politische Leben in Westeuropa nennen, die deutlich zeigen, dass niemand ernsthaft glauben kann, dass die Art und Weise, wie wir dieses Land regieren, die Art und Weise, wie dieses Land sein eigenes Leben organisiert, schlechter oder minderwertiger ist als die Art und Weise, wie es in Westeuropa geführt wird. Es ist ein Vorwand, es lohnt sich nicht, dies ernst zu nehmen, dies ist ein politisches Instrument.

Lassen Sie uns geografisch ein wenig von der Ukraine weggehen. Warum wäre es wichtig und gut für die Europäische Union oder sogar für Ungarn im Besonderen, den Westbalkan in die EU aufzunehmen, und wenn es gut wäre, warum wurde der Westbalkan im Gegensatz zur Ukraine auf den Parkplatz abgeschoben?

Wenn wir es in einem breiteren Kontext betrachten, sehen wir, dass die Europäische Union in den letzten Jahren schwächer geworden ist, sie hat an Wettbewerbsfähigkeit verloren, ihre Bürger und ihre Mittelschicht kämpfen täglich darum, ihren Lebensstandard zu halten. Das Leben ist für sie schwieriger geworden als es früher war. In der Frage des Krieges hat die EU gezeigt, sie hat bewiesen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Frieden zu schaffen. In Konflikten wie dem Kosovo ist sie offensichtlich nicht in der Lage, als Problemlöser aufzutreten. Die gesamten fünf Jahre, die wir hinter uns gelassen haben, waren also eine Zeit der Schwäche und eine Zeit der verlorenen Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Jetzt sind wir beim Balkan angekommen, und jeder weiß, wenn man auf die Karte blickt, dann sieht man, dass hier die Südgrenze Ungarns ist, daneben Rumänien, dann Bulgarien und unten Griechenland. Und zwischen der Nordgrenze Griechenlands und der Südgrenze Ungarns befindet sich ein weißer Fleck. Diese Länder sind Mitglieder der EU, und zwischen Griechenland und Ungarn gibt es ein Gebiet, das nicht in die Europäische Union integriert ist und das, wie jeder weiß, schon längst hätte integriert werden müssen. Aber die Europäische Union ist eine unendlich bürokratische, schwerfällige und gespaltene Institution, die ihrer grundsätzlichen Fähigkeit nicht gerecht werden kann, zumindest denjenigen ihrer Nachbarn, die der Union beitreten wollen, und zwar geografisch begründet, weil es sich um eine unvollendete Erweiterung handelt – siehe Griechenland und Ungarn – nicht einmal diese Arbeit können wir verrichten. Dies ist ein Zeichen von Schwäche. Es ist also nicht der Wille, der fehlt, sondern die Fähigkeit.

Es vergeht kein Tag, an dem die westliche Presse und die heimischen Zeitungen nicht darüber berichten, dass Viktor Orbán Ungarn aus der Europäischen Union herausführt und mit dem Westen bricht. Herr Ministerpräsident, treten Sie mit Ungarn aus der Europäischen Union aus?

Nach innen. Wir gehen also nach innen, zur Mitte hin. Unser Plan ist es also nicht, sie zu verlassen, sondern zu besetzen. Unsere Idee ist also, dass die Grundidee der Europäischen Union gut ist. Sie dient, sie dient gut, könnte gut den Interessen Ungarns dienen. Also die Zusammenarbeit der europäischen Völker, die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, die Bündelung unserer Stärken, die gemeinsame Beseitigung unserer Schwächen – all das sind gute Ideen. Es wäre auch notwendig, dass wir unsere Kräfte bündeln. Was wir nicht brauchen, ist dass wir einen Superstaat in Brüssel schaffen, der die Mitgliedstaaten ständig entmachtet, erpresst, bestraft, belehrt, schlichtweg als Provinz behandelt. Das ist die heutige Praxis in der Europäischen Union. Das heißt aber nicht, dass wir das Instrument wegwerfen sollten, sondern dass wir es wieder dafür geeignet machen, wofür es erfunden wurde, wofür wir es erfunden haben, schließlich sind wir alle Anhänger der europäischen Zusammenarbeit. Das kann aber heute nicht geschehen, weil diejenigen, die in Brüssel das Sagen haben, über die Welt etwas denken, was wir nicht denken, ja etwas das für uns ausgesprochen schädlich ist.

Sie glauben, dass das Zeitalter der Nationen vorbei sei. Anstelle von Nationen sollten Brüssel und die Europäische Union als ein neuer Superstaat, als neue Vereinigte Staaten existieren. Sie denken, dass unser Konzept der Familie, unser Kinderschutzsystem, steinzeitlich ist, dass die Welt jetzt aus gleichgeschlechtlichen Ehen und geschlechtsspezifischen Lebensexperimenten besteht. Sie meinen, es sei gut, dass Europa keine geschützten Grenzen hat, denn wie schön ist es doch, wenn alle Mittellosen der Welt nach Europa kämen und sich mit den Einheimischen vermischten, um dadurch eine neue Qualität der Zivilisation zu schaffen. Jetzt denken Sie, ich mache Witze.

Nein.

Aber nein, sie nehmen diese Sachen alle ernst. Und das sind die Kräfte, die Brüssel heute beherrschen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten in der Lage sind, fast alle ihre Interessen in Brüssel ohne große Schwierigkeiten durchzusetzen. Das ist nicht das Brüssel, das wir wollen. Was wir brauchen, ist ein Brüssel, das sich für die Achtung der Nationen einsetzt, für die Achtung, die den Nationen entgegengebracht werden muss, für die nationale Souveränität. Es lässt die Länder entscheiden, wie sie nach ihren eigenen kulturellen Traditionen leben wollen, es reguliert den Markt, aber es will einem Polen nicht vorschreiben, wie er zu leben hat, oder einem Ungarn, wie er zu leben hat, oder, horribile dictu, einem Portugiesen, wie der zu leben hat. Es ist also möglich, ein gutes Instrument daraus zu machen, aber – um es einfach auszudrücken – man muss die nächsten Wahlen in Brüssel gewinnen und die politische Leitung über Brüssel übernehmen. Das wäre die Aufgabe.

Viele Jahrzehnte lang war es das Leitprinzip der westlichen Mainstreampolitik, mit dem Osten Handel zu treiben und eine wirtschaftliche Zusammenarbeit aufzubauen, unabhängig von Ideologien und im gegenseitigen Interesse. Nun sind wir aus irgendeinem Grund an einem Montag so aufgewacht, dass wir feststellen mussten, dies ist verboten. Und auch in dieser Angelegenheit stellt man uns in die Ecke, denn wir bauen zum Beispiel mit China wirtschaftliche Kooperationsbeziehungen auf der Basis gegenseitiger Interessen auf. Was hat sich geändert?

Erstens: Verwechseln Sie nicht das Reden mit dem Praktizieren. Wenn ich mir also die Handelsbilanz der europäischen Länder mit, sagen wir, China oder Vietnam oder sogar Russland anschaue, dann sehe ich, dass es eine lange Reihe von EU-Mitgliedstaaten vor uns gibt, die mit diesen Ländern, in diesen Ländern, in viel größerem Umfang und in viel größeren Werten Handel treiben, investieren und anlegen als wir. Weshalb man uns angreift, ist der Aspekt, dass man uns von dieser Sache ausschließen will. Je weniger wir da sind, desto mehr haben sie für sich übrig, sie wollen keine Konkurrenz. Und dieses ganze Phänomen – diese Debatte, das ist in Wirklichkeit ein Köder – wird von einem großen Teil der ungarischen Intelligenz sofort aufgegriffen, weil sie darin eine fantastische Gelegenheit sehen, über die Identität Ungarns zu diskutieren. Ich habe diese Debatten nie besonders gemocht, und ich habe nie die – wie soll ich sagen – umwerfend starken Bilder von Endre Ady geteilt, der sagte, Ungarn sei ein…

Fährenland.

Ungarn sei ein Fährenland. Ich habe das nie gedacht, warum sollte Ungarn auch ein Fährenland sein? Nun, es kann nicht hin- und herfahren, es ist festgebunden. Wenn schon, dann doch eher ein Stegland.

Der Heilige Stephen hat schon vor langer Zeit eine wichtige Entscheidung getroffen.

Ja. Es ist also dort, wo es ist. Das ist der Punkt. Es liegt im Interesse Ungarns, immer zu akzeptieren, dass in der ungarischen Kultur und auf dem ungarischen Territorium das, was wir den Osten nennen, und das, was wir den Westen nennen, aufeinandertreffen. Das gilt auch dann, wenn wir Mitglieder der NATO und der Europäischen Union sind. Wir befinden uns nicht in einer Geschichtsstunde, aber es war kein Zufall, dass der Heilige Stephan sich für das lateinische Christentum entschied, während er das byzantinische Christentum in Ungarn nicht verfolgte, weil er genau wusste, dass der Osten – wohin er lieber seine Tochter oder die Prinzessinnen der Árpád-Dynastie verheiratete – genau wusste, dass der Osten und der Westen gleichzeitig in Ungarn präsent waren, und dass dies kein Nachteil oder keine Bedrohung, sondern eine Quelle der Stärke war. Wir dürfen das also nicht leugnen, wir dürfen es nicht abtun, wir dürfen nicht die Fährenlandkarte spielen, sondern wir müssen sagen, dass wir das Land sind, das wir sind. Wir haben eine kulturelle Gegebenheit. Ost und West können sich in Ungarn treffen. Beide fühlen sich in Ungarn wohl. Wir verstehen beide. Wir können mit beiden und an beiden Orten zusammenarbeiten, Handel treiben, investieren. Warum sollten wir dieses Potenzial aufgeben? Ich sehe also in der Ost-West-Überschneidung, die uns neben der Westintegration kennzeichnet, keine Identitätsbedrohung, sondern eine große Chance, auf die eine Strategie aufgebaut werden muss.

Ich muss Sie am Ende fragen, um zu einem etwas leichteren Thema zu kommen, aber wir hatten viele Zuschauer, die sich an uns gewandt haben, um es von Ihnen zu erfahren. Was ist das Schicksal von Főúr? Wie wird er in die Türkei kommen?

Die Situation ist die, dass Főúr jetzt schon im Besitz des türkischen Sultans ist, also ist er für Istanbul bestimmt, wie die Prinzessinnen der Árpád-Dynastie. Und jetzt kümmert sich bereits die türkische Seite darum, und man sollte eigentlich nicht viel über das Eigentum anderer sprechen, das ist meine Auffassung, aber ich kann Ihnen soviel doch sagen, dass wir wissen, wie er transportiert werden wird. Es wird in einen Container getan und mit dem Flugzeug transportiert. Irgendwann bewahrheitet sich dann der Gedanke doch, dass dieses Pferd fliegen kann.

Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen sehr und erlauben Sie mir, Ihnen und Ihrer Familie ein gesegnetes und friedliches Weihnachtsfest zu wünschen.

Frohe Weihnachten für Sie und für alle unsere lieben Zuschauerinnen und Zuschauern.

Ich danke Ihnen sehr!

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