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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Willkommen aus Ohrid in Nordmazedonien und willkommen in unserem Satellitenstudio, Ministerpräsident Viktor Orban. Guten Morgen, Herr Ministerpräsident!

Guten Morgen!

Wie auch in der Einleitung darauf hingewiesen worden ist, sprechen wir hier, weil hier die gemeinsame nordmazedonisch-ungarische Regierungssitzung stattfindet. Was ist der Grund dafür, und welche Bedeutung hat Nordmazedonien für Ungarn?

Wir sind hier in der Tat in der Nähe einer Stadt namens Ohrid, am Ufer eines Sees. Wir wissen sehr wenig über Nordmazedonien, aber wenn jemand einmal hier ist, wird er mehr darüber erfahren wollen. Es ist ein fantastisches Land, so groß wie Transdanubien, aber mit mehr als 200 Berggipfeln, die über 2.000 Meter hoch sind. Ich empfehle einem jeden, wenn es sein Leben, seine Zeit und sein Geld erlauben, eine Reise auch hierhin zu unternehmen. Nordmazedonien ist ein komplizierter Ort, wie schon der Name des Landes andeutet, es hat sich also in einem Kampf entwickelt. Früher hieß dieses Land Mazedonien, aber dann musste es wegen des Konflikts mit den Griechen in Nordmazedonien umbenannt werden. Auch ich muss aufpassen, dass ich keinen Fehler mache, denn das könnte zu internationalem Ärger führen. Und jetzt haben sie auch einen Streit mit den Bulgaren, die ihren EU-Beitrittsprozess blockieren, auch wegen ethnischer, nationaler, die Minderheitenfrage betreffender Streitigkeiten. Ungarn hat den rotierenden Ratsvorsitz der Europäischen Union inne, und ich würde sagen, dass es eine Pflicht ist, in die Länder zu gehen, die sich in der schwierigsten Lage befinden, die sich hinsichtlich des Beitritts zur EU in einer schwierigen Situation befinden, und dabei zu helfen, die Konflikte zu lösen, die immer noch bestehen. Das ist einer der Gründe, warum wir hier sind, aber es gibt noch wichtigere Gründe, denn die EU-Ratspräsidentschaft wird vorübergehen wie eine Erkältung, aber es gibt Themen, die uns nicht so leicht loslassen, wie auch die Migration. Vielleicht erinnert sich nicht jeder daran, aber als es 2015-2016 den großen Migrationsansturm und die Invasion in Europa und Ungarn gab, führte die Migrationsroute, die von Serbien nach Ungarn führte, von hier aus, von Mazedonien, nach Serbien hinauf. Wir sprechen also über ein wichtiges Land, weil es auf der meistbefahrenen Route der illegalen Migration liegt. Und die Mazedonier haben damals eine große Hilfe für Ungarn geleistet, ohne die wir wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wären, diese Migrationsinvasion zu bremsen. Und dann haben wir eine gute Zusammenarbeit zwischen uns entwickelt, denn wir konnten ungarische Grenzschutzbeamte an die mazedonische Südgrenze schicken, damit wir gemeinsam unsere Grenzen und uns selbst vor der Migration schützen konnten. Und es gibt noch einen dritten Grund, warum wir hier sind. Es geht um die Bedeutung der geografischen Lage des Landes, und zwar in wirtschaftlicher Hinsicht. Nordmazedonien wird von sehr wichtigen Transport-, Verkehrs- und Handelsrouten durchquert. Wenn wir unsere Produkte und Waren von Ungarn zum Meer bringen wollen, führt eine der wichtigsten Routen über den Balkan, durch Nordmazedonien, nach Griechenland und zu den griechischen Häfen. Deshalb ist eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern so wichtig.

Wie passt zu diesem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen die Politik der wirtschaftlichen Neutralität, über die Sie am Mittwoch auf einer Konferenz ausführlich gesprochen haben?

Schauen Sie, die wirtschaftliche Neutralität ist ein neuer Begriff, an den wir uns alle gewöhnen müssen, selbst ich, der ich versuche, ihn einzuführen. Ich nehme an, dass es einige Zeit dauern wird, bis sich die Zuhörer an diesen ungewohnten Begriff gewöhnt haben und ihn verstehen und in ihr eigenes Denken einbauen können. Aber ich bin davon überzeugt, dass die vielen Veränderungen der jüngsten Vergangenheit, Epidemien, Kriege, Energiekrisen, Inflation und die inzwischen boomenden asiatischen Volkswirtschaften, all das zusammengenommen die Weltwirtschaft verändert haben, und wer sich nicht anpasst, wer sich nicht verändert, wer nicht Neues ausprobiert, wird meiner Meinung nach der Verlierer des Wandels sein. Und wir möchten, dass Ungarn, so wie es das vorangegangene Jahrzehnt, das Jahrzehnt zwischen 2010 und 2020, gewonnen hat, auch in der Lage ist, das vor uns liegende Jahrzehnt bzw. das Jahrzehnt, das gerade läuft, zu gewinnen. Dazu brauchen wir dann neue Instrumente, neue Methoden und eine neue Wirtschaftspolitik. Wir nennen diese neue Wirtschaftspolitik eine Wirtschaftspolitik der Neutralität oder eine neutrale Wirtschaftspolitik. Das bedeutet, dass Ungarn sich gegen den Trend schützen muss, den wir heute in der Welt beobachten, nämlich die Aufteilung der Weltwirtschaft in Blöcke. Ich bin wahrscheinlich nicht der einzige ältere Hörer hier im Radio, und außer mir gibt es noch andere, die sich an den Kalten Krieg erinnern. Und das, was jetzt passiert, was im wirtschaftlichen Sinn passiert, ist dem sehr ähnlich oder wird zu demselben Ergebnis führen. Die Großmächte zerreißen die Weltwirtschaft in zwei Hälften, und es scheint, dass es eine westliche Weltwirtschaft und eine östliche Weltwirtschaft geben wird. Und es wird ein großer Druck auf jedes Land ausgeübt werden, sich zu entscheiden, zu welcher Hälfte der Weltwirtschaft es gehören will. Wirtschaftliche Neutralität bedeutet, dass wir diesen Druck vermeiden müssen, dass wir ihn abwehren müssen. Ungarn kann keinem Block, keinem Wirtschaftsblock beitreten. Es liegt im Interesse Ungarns, mit beiden entstehenden Wirtschaftsblöcken lebendige, starke und intensive Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu unterhalten. Die praktische Umsetzung dieser Idee ist die wirtschaftliche Neutralität.

Aber wie kann dies erreicht werden? Und was ist nötig, damit dies auch langfristig erfolgreich bleibt? Denn es ist zwar richtig, dass sich jetzt ein deutsches Unternehmen neben einem chinesischen ansiedelt, und die Franzosen und die Russen können beim Ausbau von Paks zusammenarbeiten, aber es war schon jetzt deutlich, dass es durchaus Streitpunkte gibt, und es gibt Druck, selbst auch von staatlicher Seite, auf Unternehmen, nicht unbedingt zu kooperieren.

So ist beispielsweise die Sanktionspolitik, unter der viele, viele tausend europäische Unternehmen leiden, selbst Teil dieses Blockbildungsphänomens. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns zuerst unserer selbst bewusst werden und dann werden wir unsere Kämpfe austragen. Ich bin deshalb froh, dass es jetzt eine Debatte über den Inhalt der wirtschaftlichen Neutralität gibt, denn wenn wir uns fest entscheiden und einen Kurs festlegen, dann können wir in jedem schwierigen konkreten Konflikt eine Position entwickeln, die den ungarischen Interessen entspricht. Aber dazu müssen wir uns zuerst über uns selbst und unsere eigenen Interessen im Klaren sein. Und das Herzstück, das Herzstück der wirtschaftlichen Neutralität, ist, dass wir nicht gezwungen werden dürfen, die Wirtschaft durch eine politische Brille zu betrachten. Wir müssen die Weltwirtschaft und die Probleme, die sich in ihr stellen, ausschließlich durch die Interessen der ungarischen Wirtschaft betrachten. Das bedeutet, dass wir nur das aus dem Westen und nur das aus dem Osten übernehmen sollten, was nützlich und vernünftig ist. Was für die Ungarn nicht gut oder nützlich ist, sollte nicht übernommen werden. Und wir sollten allen Druck und alle Versuche zurückweisen, die der Zukunft des Landes schaden. Wenn wir uns darin gestärkt haben und diesen Ausgangspunkt eingenommen haben, dann werden wir von hier aus die Antworten auf alle konkreten Fragen finden, wie wir den für uns ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Druck aus dem Osten oder eben dem Westen abwehren können.

Sie nannten auch konkrete Punkte, die Elemente dieser Politik der wirtschaftlichen Neutralität sind. Einer davon ist, dass das Wachstum im nächsten Jahr eher am oberen Ende der Spanne von 3 bis 6 Prozent liegen sollte. Wie verhält sich dies einerseits zur Neutralität, und wie verhalten sich die Instrumente, Aktionen und geplanten Maßnahmen der Regierung, um dies zu erreichen, dazu?

Zunächst einmal lohnt es sich vielleicht, darüber nachzudenken, dass Blockbildung insgesamt immer das Wachstum der Weltwirtschaft bremst, dass sie nicht gut ist für die Weltwirtschaft und auch nicht gut für die Nationalstaaten. Was für Nationalstaaten, Nationen, Gemeinschaften, auch für Ungarn, gut ist, ist, wenn alle Akteure in der Welt so frei wie möglich Handel treiben und auf wirtschaftlichem Gebiet zusammenarbeiten. Wenn hierin Risse, Verbote und Sanktionen ins Spiel kommen, dann verlieren wir in dem Moment alle, dann verlieren wir die wirtschaftliche Dynamik. Das bedeutet, dass unsere Volkswirtschaften langsamer wachsen. Ich glaube, dass sich Europa auf einen selbstmörderischen Weg begibt, und zwar ziemlich schnell, wenn es auf den Aufstieg Asiens und seine eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit einer Blockbildung antwortet. Alle besser ausgebildeten europäischen Ökonomen sind sich einig, dass Politiker, die die Weltwirtschaft in Blöcke teilen wollen, die europäische Bevölkerung und die europäische Wirtschaft in die falsche Richtung führen. Erst kürzlich hat eine Studie des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, von Herrn Präsident Draghi, diese Tatsache deutlich in den Vordergrund gerückt. Ich versuche, meine Kollegen in Europa davon zu überzeugen, dass wir diesen Weg nicht gehen sollten, aber sie stehen unter großem Druck, und die wirtschaftliche Neutralität liegt noch nicht allen so sehr am Herzen oder ist für sie so sichtbar wie für Ungarn. Wir sollten nicht vergessen, dass unser Nachteil hier unser Vorteil ist. Wir haben in einer Weltwirtschaft gelebt, die sich in Blöcke teilte. Nun, wir erinnern uns an den Sozialismus, wir erinnern uns an den Comecon, als es eine kapitalistische Weltwirtschaft und eine sozialistische Weltwirtschaft gab, und dann gab es Cocom, was eine Technologieliste war, so dass bestimmte Produkte vom Westen nicht zu uns transferiert werden konnten, und deshalb hatte Ungarn keinen Zugang zur neuesten Technologie und blieb zurück, von der westlichen Entwicklung ausgeschlossen. Wir haben also am eigenen Leib erfahren, wozu die Blockbildung führt und wie jeder am Ende dadurch das Nachsehen hat. Nun, um auf Ihre Frage zurückzukommen, müssen wir klarstellen, dass es in unserem Interesse liegt, dass Ungarn, wie auch immer die Weltwirtschaft sich in Blöcke organisieren mag, an der Spitze der technologischen Entwicklung bleibt. Wir müssen weiterhin darauf bestehen, dass die besten Autos der Welt in Ungarn hergestellt werden, und dass auch die Autos der Zukunft in Ungarn hergestellt werden. Es ist wichtig, dass die modernsten Spitzentechnologien für die Erzeugung und Speicherung von grüner Energie in Ungarn vorhanden sind, und wenn möglich, sollten wir sie hier produzieren. Es ist wichtig, dass wir solche Energie und solche Anlagen produzieren und exportieren. Es ist wichtig, die Digitalisierung nicht zu verpassen, die die nächste große Phase in der Entwicklung der globalen Wirtschaft darstellt. Wir sollten die größte Anzahl digitaler Dokumente und die umfangreichste digitale Verwaltung haben. Deshalb ist es für uns wichtig, dass, unabhängig davon, ob eine Idee, ein Werkzeug, eine Erfindung oder eine Innovation aus dem Osten oder dem Westen kommt, wenn sie gut oder sogar die beste ist, Ungarn irgendwie daran beteiligt sein sollte. Wenn wir über diese neue Wirtschaftspolitik, diese neue Ära, diese neue Situation, diese neue Wirtschaftspolitik sprechen, dann müssen wir an Dinge denken, die wir bisher noch nicht ausprobiert haben. Ich werde zum Beispiel eine einfache Sache sagen. Wir haben immer großen Wert auf die Unterstützung der ungarischen Studenten gelegt, die lernen wollen, und haben viel Geld dafür ausgegeben. Wir haben ein sehr umfangreiches Darlehensprogramm für Studenten. Aber bisher hat man sich nicht darum gekümmert, denjenigen einen Start zu ermöglichen, die nicht an einer Universität studieren, sondern, sagen wir, junge Menschen in der Berufsausbildung sind. Es besteht also durchaus die Notwendigkeit, ein Arbeiterkreditprogramm für junge Menschen aufzulegen. Dann geht es um den Zugang zu einer Wohnung, zu Wohneigentum. Ein neuer Ansatz, von dem ich hier spreche, bedeutet auch, dass es nicht ausreicht, hier die alten Elemente zu stärken, sondern dass man den Jugendlichen auch die Möglichkeit geben muss, mit neuen Instrumenten ein Eigenheim zu erwerben. Bzw. wir müssen auch weiterhin darauf bestehen, dass die Familie letztlich doch die Grundlage der Wirtschaft ist, und deshalb sollten wir, wenn wir die Wirtschaftspolitik richtig machen, die Steuergutschrift für Kinder in einem oder zwei Schritten bereits im nächsten Jahr, im Jahr 2025, verdoppeln. Und es wird eine Reihe anderer Elemente dieser neuen Wirtschaftspolitik geben, wie Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmer, öffentliche Kapitalzuführungsprogramme, wo wir versuchen, den traditionellen Mangel an Kapital für kleine und mittlere Unternehmer, insbesondere wettbewerbsfähige kleine und mittlere Unternehmen, zu lindern. Wenn all dies zusammenwirkt, dann kann die ungarische Wirtschaft, wie Sie hier gesagt haben, in der Größenordnung von 3-5 % wachsen. Wir liegen jetzt über 1 %, irgendwo zwischen 1 und 2 %. Selbst damit sind wir in der Spitzengruppe in Europa, was kein sehr gutes Bild von den anderen europäischen Ländern zeichnet, aber selbst mit diesem geringen Wachstum sind wir noch in der Spitzengruppe. Aber wir wollen nicht in dem Tempo der Wachstumsrate stecken bleiben, unter der Europa meiner Meinung nach in den nächsten Jahren leiden wird, wo sie nur 0-1-2 Prozent Wachstum erreichen können. Ungarn muss versuchen, trotz der ungünstigen Umstände mit Hilfe einer Politik der wirtschaftlichen Neutralität auf eine Wachstumsspanne zwischen 3 und 6 Prozent hinaufzukommen. Ich hatte die Gelegenheit, eine Regierung zu führen, der dies schon einmal gelungen ist, und ich glaube, dass sie es wieder schaffen wird. Ungarn bzw. die ungarische Regierung können es schaffen.

Ja, und ich denke, das Wichtigste ist, wie sich das auf der Ebene der Menschen niederschlägt. Aber damit dies geschieht, muss natürlich auch die Europäische Union handeln und sich ändern. Wie offen ist Europa für die Idee, dass sich die ungarische Position, etwa zur wirtschaftlichen Neutralität oder zur Wettbewerbsfähigkeit, durchsetzen kann?

Zwischen den Staats- und Regierungschefs der europäischen Länder gibt es große Debatten. Ungarn nimmt an diesen Debatten teil, und wir vertreten die ungarischen Interessen und den ungarischen Standpunkt. Ich habe den Eindruck, dass die Chancen gutstehen, dass wir als Ergebnis dieser Diskussionen im November eine Vereinbarung zwischen den europäischen Staaten abschließen können, die die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft verbessern kann. Wir nennen es Wettbewerbsfähigkeitspakt, wir verhandeln bereits über seine Elemente, und ich hoffe, dass wir am Ende des ungarischen Ratsvorsitzes, spätestens Ende Dezember, kurz vor seiner Verabschiedung stehen werden, und dass es vielleicht sogar möglich ist, es auf dem EU-Gipfel im November in Budapest zu verabschieden.

Wenn Sie schon die Debatten erwähnt haben, gibt es noch ein weiteres Thema, über das zwischen Budapest und Brüssel ein Streit herrscht. Die Kommission hat ja vor kurzem angekündigt, dass sie die 80 Milliarden Forint Strafe wegen der Migration von den Zahlungen an Ungarn abziehen wird. In der Zwischenzeit sehen wir auf der Ebene der Nationalstaaten, dass auch Länder, die bisher sehr offen waren – Schweden, die Niederlande, Deutschland – ihre Einwanderungspolitik verschärfen. Wo besteht jetzt der Gegensatz in der Frage der Migration innerhalb der Europäischen Union?

In der Migrationsdebatte gilt besonders die ungarische Weisheit: „Sprich die Wahrheit und sie nehmen dir deinen Kopf”, und damit sind wir nicht allein. Kürzlich hatte ich Besuch vom zweiten Mann der italienischen Regierung, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Herrn Matteo Salvini, dem es noch schlechter ergeht als mir, denn ich wurde nur geschlagen, werde geschlagen und kritisiert, gezerrt, aber ihn wollen sie sogar wegen seiner Haltung zur Migration ins Gefängnis sperren. Als er noch Innenminister war, hat er den illegale Migranten transportierenden Schiffen nicht erlaubt, in Italien anzulegen, und jetzt will man ihn zu sechs Jahren Gefängnis verurteilen. Diese Prozessreihe hat in Italien begonnen. Wir stehen mit ganzem Herzen an der Seite von Herrn Salvini. Er ist unser Held, und wir brauchen europäische Politiker wie ihn, die die illegale Migration um jeden Preis und unter persönlichem Risiko stoppen wollen. Richtig ist auch, dass inzwischen trotz der Kritik an Ungarn, trotz der Gerichtsverfahren gegen den italienischen Ministerpräsidenten, immer mehr Länder sagen: „Nun, diese Jungs hatten doch Recht“. Es ist also mittlerweile ein Gemeinplatz in Brüssel und in Europa, dass wir zwar auf die Ungarn einschlagen, sie prügeln und bestrafen, aber gleichzeitig wissen wir alle, dass sie Recht hatten, ja sogar Recht haben, denn die einzige Chance auf eine bessere Zukunft haben wir, wenn wir keine Migranten hereinlassen, wenn wir keine illegalen Migranten auf den europäischen Kontinent lassen. Und während sie uns im Übrigen mit der einen Hand kritisieren, also sagen wir, sie blasen kalt aus dem Mund, machen sie mit der anderen Hand eine ähnliche Politik wie wir, und sie blasen warm aus dem Mund. Deutschland übernimmt von Europa die Politik der strengen Grenzkontrollen. Deshalb habe ich der deutschen Bundeskanzlerin gesagt: „Willkommen im Club“. Willkommen im Club der Politiker, die ihr Land verteidigen wollen.

Nicht nur die Migrationsdebatten spitzen sich in diesen Tagen zu, sondern auch die Kriegsdebatten, ob wir sie nun im Inland oder im Ausland betrachten. Was könnte das Ergebnis dieser zunehmend hitzigen Debatten und Konflikte zwischen Kriegsbefürwortern und Friedensbefürwortern sein?

Ich denke, wir sollten damit rechnen, dass sich diese Debatten in den nächsten Tagen und Wochen noch verschärfen werden. Ganz einfach, weil wir uns einem Ereignis und einem Zeitpunkt nähern, der für die ganze Welt kritisch entscheidend ist. Und das sind die US-Präsidentschaftswahlen. Die US-Präsidentschaftswahlen Anfang November könnten darüber entscheiden, ob die Welt den Weg der Kriege fortsetzt, der zu immer erbitterteren Kämpfen führt, oder ob sie innehält, umkehrt und den Frieden erklärt und versucht, Waffenstillstände zu schließen, nicht nur im Krieg zwischen der Ukraine und Russland, sondern auch in allen anderen Krisenherden, den Krisenherden der Welt und versucht, Frieden zu schaffen. Als Präsident Trump im Amt war, war er ja der Präsident des Friedens, er hat keine Kriege angezettelt und hat Schritte unternommen, um alte Konflikte durch Frieden zu lösen. Es ist also kein Zufall, dass der friedliebende, friedenssuchende Teil der Welt, egal welche politischen Ansichten er vertritt, dem Mann des Friedens die Daumen drückt, damit er wieder Präsident der Vereinigten Staaten wird. Aber es gibt auch Kriegsbefürworter, nicht nur in Amerika, sondern überall auf der Welt, die den Demokraten die Daumen drücken, weil sie den Krieg fortsetzen wollen. Bis zur Wahl wird sich diese Debatte weiter aufheizen. Und auch wir können uns dem nicht entziehen, denn auch in Ungarn sehe ich, dass es Kriegsbefürworter gibt, typischerweise Politiker auf der linken Seite, und es gibt Friedensbefürworter, Politiker auf der rechten oder auf unserer Seite, und auch die Debatte zwischen ihnen wird immer schärfer. Jetzt, in jüngster Zeit, sehe ich, dass es ihnen gelungen ist, die Revolution von 1956 in diese Krieg-Frieden-Debatte einzubringen. Auch wir müssen vernünftig sein. Wenn man also über so heikle Themen spricht, muss man sehr präzise formulieren und keinen Zweifel an seiner eigenen Position lassen. Mein politischer Direktor hat sich gerade missverständlich geäußert, was in diesem Zusammenhang ein Fehler ist, denn unsere Gemeinschaft hat ihre Wurzeln in der Revolution von 1956 und ist aus ihr hervorgegangen. Es gäbe unsere politische Gemeinschaft nicht, wenn es nicht die Helden von ’56 gegeben hätte, und deshalb sollte die Debatte über Krieg und Frieden die Ereignisse und Helden der ungarischen Geschichte, die uns heilig und unantastbar sind, wie 1956 und die Helden von ’56, nicht mit einbeziehen, sondern sie lieber außen vor lassen. Ich möchte also nicht, dass der Schatten des ukrainisch-russischen Krieges auf die Erinnerung an die Freiheitskämpfer von 1956 fällt, denen wir zu Dank verpflichtet sind, sondern wir sollten vielmehr ihren Ruhm auf der Tagesordnung behalten, denn wo Helden nicht vergessen werden, können auch neue Helden geboren werden. Ich habe keinerlei Zweifel an den politischen Ansichten der führenden Fidesz-Persönlichkeiten. Ich bin sicher, dass auch Balázs Orbán, sollte sich die Geschichte so wenden, dass wir wieder für unser Land kämpfen müssen, mit uns in der Corvin Köz sein wird. Auf jeden Fall müssen wir aufpassen, dass die internationalen Debatten über Krieg und Frieden, wenn sie in Ungarn ankommen, die ansonsten sinnvollen innenpolitischen Debatten nicht ablenken, zerstören oder entgleisen lassen.

Ja, ich wollte in diesem Zusammenhang übrigens auch fragen, ob man aus dieser Rede schließen kann, dass Ungarn sich nicht verteidigen würde, wie es einige Medien übersetzt haben?

Ungarn verteidigt sich immer. Es hat sich in der Vergangenheit verteidigt, es verteidigt sich auch heute, und es wird sich auch in Zukunft mit allen Mitteln verteidigen, so wie es übrigens die ungarische Verfassung für alle Menschen in Ungarn auch zur Pflicht macht.

Wir haben uns in den letzten Wochen schützen müssen, und dann lassen Sie uns über das Hochwasser sprechen, das wir gerade erlebt haben, denn es waren die Überschwemmungen an der Donau in den letzten zwei Wochen, die die öffentliche Debatte und den Schutz im Allgemeinen beherrscht haben. Wie bewerten Sie die vergangenen zwei Wochen im Hinblick auf Menschenleben, den Schutz von Sachgütern und die Organisation des Schutzes?

Wenn wir schon darüber sprechen, dann muss man als erstes vielleicht einmal Danke sagen, denn Ungarn hat wieder einmal vorbildlich zusammengearbeitet. Irgendwie ist das in Friedenszeiten weniger möglich, aber in Zeiten der Not und im Falle von Unruhen sind die Ungarn vielleicht die, die in ganz Europa am meisten zusammenhalten können. Wenn wir sagen, dass sich das Land in vorbildlicher Weise zusammengeschlossen hat, verwenden wir noch eine schwache Formulierung. Das erste Wort des Dankes gilt also den Freiwilligen, den Fachleuten der Wasserbehörden, der Polizei, den Helfern des Katastrophenschutzes, den Feuerwehrleuten, den Soldaten, kurzum, allen, die bei der Verteidigung geholfen haben. Ungarn hat es wieder einmal geschafft, sich zu verteidigen. Und es gab viele Menschen, die im Hintergrund arbeiteten und sich um die Versorgung, den Transport und so weiter für die Hochwasseropfer kümmerten. Dies war wahrscheinlich das zweitgrößte Donauhochwasser in der Geschichte Ungarns. Der Vergleich, den ich anstellen kann – denn ich war während des größten Donauhochwassers im Jahr 2013, dem größten aller Zeiten, für den Schutz verantwortlich, wie auch jetzt – ist, dass der ungarische Staat in einem viel besseren Zustand ist als im Jahr 2013. Wir haben es geschafft, uns gegen das große Hochwasser zu schützen, aber dieses Mal konnten wir die Katastrophe leichter abwenden. Im Vergleich zu vor zehn Jahren ist der ungarische Staat heute also effizienter, besser organisiert und besser vorbereitet. In den letzten zehn Jahren haben wir unsere Verteidigungslinien ergänzt, mehrere Kilometer mobiler Barrieren gebaut und uns auf den schnellen Aufbau von temporären Verteidigungsstrukturen vorbereitet. Selbst jetzt, in nur wenigen Tagen, haben wir 2.000.000 Sandsäcke in das Überschwemmungsgebiet gebracht und die Deiche verstärkt, 55.000 Tonnen Sand verbraucht, Tausende von Menschen haben gearbeitet, und das hat auch Ergebnisse gezeigt, denn Sie sehen, dass die Überschwemmungen in den umliegenden Ländern viele Schäden verursacht und auch Opfer gefordert haben. Es sind ja doch zwischen 20 und 30 Menschen in den Nachbarländern durch die Überschwemmungen, die Donauüberschwemmungen ums Leben gekommen, und es hat sehr große Sachschäden gegeben. In Ungarn gab es keine Todesopfer und nur moderate Sachschäden. Ich kann sagen, dass Ungarn den Hochwasserschutz mit Bravour gemeistert hat, es hatte das zum Erfolg nötige Herz und es hatte auch das Fachwissen.

Es ist erst wenig Zeit verstrichen, ich weiß nicht, wie viel Zeit für eine Zusammenfassung zur Verfügung stand, aber wo sehen Sie Punkte, an denen Verstärkungen erforderlich sein könnten, entweder an den Deichen oder in anderen Bereichen? Was sind also die Lehren, die aus der nächsten Zeit gezogen werden können?

Ich möchte die Zuhörer nicht mit den Details unserer Arbeit langweilen, aber wenn wir eine Überschwemmung hinter uns haben, erhält die Regierung immer einen Bericht von den Wasserbehörden, der jedes Mal ein ernsthaftes Expertenmaterial ist, in dem die Wasserbehörden klar beschreiben, was gut war, wo die Schwachstellen waren, was in der nächsten Zeit schnell getan werden muss und was mittelfristig getan werden muss. Und die Regierung setzt dann die Empfehlungen der Wasserkommissare in einen Aktionsplan um, und wir ergreifen die notwendigen Maßnahmen. Das war bei allen Überschwemmungen der Fall und wird auch diesmal wieder der Fall sein.

In der letzten halben Stunde habe ich Ministerpräsident Viktor Orbán auch zur wirtschaftlichen Neutralität, zur Migration und zum Hochwasserschutz befragt.

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