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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Ursula von der Leyen wurde gestern vom Europäischen Parlament als Präsidentin der Europäischen Kommission wiedergewählt. Die deutsche Politikerin gewann entgegen den Erwartungen souverän die Mehrheit der Stimmen. In einer Rede vor der Abstimmung kritisierte sie auch die Friedensmission des ungarischen Ministerpräsidenten scharf. Ich begrüße Ministerpräsident Viktor Orbán im Studio. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Sie haben sich ja bereits im Rat der Staats- und Regierungschefs gegen eine weitere fünfjährige Amtszeit für Präsidentin von der Leyen ausgesprochen. Was erwarten Sie von der Kommissionspräsidentin in den nächsten fünf Jahren?

Ungarn hat sie in der Tat nicht unterstützt, weil die Leistung der Kommission in den letzten fünf Jahren eine sehr schwache Leistung war. Wir haben bei der grünen Transformation versagt, wir zerstören die europäische Industrie, wenn das so weitergeht. In der Frage des Krieges konzentrieren wir uns nicht auf den Frieden, sondern auf die Teilnahme am Krieg an der Seite der Ukrainer. Wir haben viel über Migration geredet, aber sie kommen auch weiterhin herein. Ich denke also, dass ein Zeitraum von fünf Jahren den Menschen in Europa viel mehr geben sollte. Aber von der Leyen ist nicht unsere politische Gegnerin. Es ist wichtig zu verstehen, dass die europäische Politik in einem spezifischen System funktioniert, das sich von dem unterscheidet, an das wir hier zu Hause gewöhnt sind. Frau von der Leyen ist ja unsere Angestellte, auch die Ihre. Vielleicht wissen Sie nichts davon, aber ich möchte Ihnen jetzt mitteilen, dass von der Leyen auch Ihre Angestellte ist. Zwar durch mich, aber das ändert nichts an der Sache. Die Aufgabe der Kommissionspräsidentin ist nämlich, die von den Ministerpräsidenten festgelegten Leitlinien umzusetzen. Und da sie eine Angestellte ist, sie ihr Gehalt aus dem europäischen Haushalt ausbezahlt bekommt, in den Sie einzahlen, also den die Mitgliedstaaten finanzieren, so dass man ruhig sagen kann, dass sie in einem Abhängigkeitsverhältnis steht. Deshalb ist das eigentliche Problem nicht, was sie getan bzw. was sie nicht getan hat, sondern dass die Ministerpräsidenten es zuließen, dass sie das tat, was sie tat, bzw. dass sie das nicht mehr tun soll. Ich suche also den Schwerpunkt der europäischen Politik im Europäischen Rat – dem Gremium der Ministerpräsidenten – und ich denke, dass er dort auch zu finden ist. Und die Kommission muss nach den Leitlinien handeln, die wir festgelegt haben. Ich habe es nicht unterstützt, weil wir regelmäßig Leitlinien herausgegeben haben – wir haben zum Beispiel keine gute Leitlinie zum Krieg herausgegeben, weil wir in der Minderheit waren –, aber zum Beispiel bei dem grünen Übergang, um sie vernünftiger zu machen, haben die Ministerpräsidenten eine gute Leitlinie gesetzt. Auch bei der Migration sind die Ministerpräsidenten weniger mutig, als sie sein sollten, aber auch da haben wir eine klare Leitlinie vorgegeben, und im Vergleich zur vorgegebenen Leitlinie war die Leistung schlecht. Wir müssen eine bessere Exekutive finden, wir sprechen von einer Art Generalsekretär, wir hätten einen besseren Generalsekretär finden müssen. Und dann gibt es noch einen weiteren Akteur in der europäischen Politik, das Europäische Parlament, das ein sehr seltsames Gebilde ist, denn obwohl es Rechte hat, die an die Rechte der nationalen Parlamente erinnern, sind es nicht sie, die der Bürokratie, die Europa leitet, das Vertrauen und die Unterstützung geben, sondern die Ministerpräsidenten. Es ist ein kompliziertes System, und es dauert ein paar Jahre, bis man sich darin auskennt. Die Quintessenz ist letztlich also doch, dass von der Leyen das tun muss, was die Ministerpräsidenten sagen, und wenn wir Veränderungen wollen, von denen wir einige im Europäischen Parlament bereits erreicht haben, dann ist der nächste Schritt der Veränderung bei den nationalen Wahlen zu erreichen, die dann, sagen wir, im September in Österreich stattfinden werden. Vielerorts existieren die Regierungen gerade noch und sie wackeln, es wird vorgezogene Wahlen, Landtagswahlen in Deutschland jetzt, im Frühherbst geben. Ich hoffe also, dass sich die Zusammensetzung der Ministerpräsidenten ändern wird, und dass wir dadurch von der Leyen bessere Anweisungen geben können als bisher, und dass wir, Ministerpräsidenten, sie besser zur Verantwortung ziehen können als bisher. Insgesamt schlage ich also vor, dass wir von der Leyen nicht als politische Gegnerin betrachten sollten, denn man sollte nicht seine eigene Angestellte als Gegner betrachten, denn das wäre ja doch absurd, sondern wir sollten jene Ministerpräsidenten als politische Gegner betrachten, vor allem die kriegs- und migrationsfreundlichen Ministerpräsidenten, von denen wir glauben, dass sie die falsche Position für Europa einnehmen, und natürlich sollten wir die Parteiführer als Gegner betrachten, die im Europäischen Parlament gegen Ungarn arbeiten. Auch hier steht ein deutscher Mann, Herr Weber, an der Spitze, ein Mann, der allgemein als Ungarnhasser, Kriegsbefürworter und Migrationsbefürworter bekannt ist, und mit ihm wird die ungarische Delegation im Europäischen Parlament ihre Kämpfe austragen müssen. So ungefähr sieht die Landkarte aus. Alles, was gerade passiert ist, ist ja der Abschluss der Europawahlen, der Abschluss dieses Prozesses, bei dem ich aus der Sicht der nationalen Kräfte sagen kann, nennen wir sie Souveränisten oder Patrioten, also aus der Sicht der Patrioten, dass wir einen großen Fortschritt gemacht haben. Unsere Fraktion ist die drittgrößte Parlamentsfraktion. Sie wird bald Bündnisse eingehen, und und sie wird bald die zweite werden, und dann werden wir sehen. Wir haben also Fortschritte gemacht, einen Durchbruch haben wir noch nicht geschafft. Der kann bei den nationalen Wahlen kommen, wie er in Frankreich ausgeblieben ist, aber es wird weitere Wahlen geben, bei denen ich denke, dass wir einen Durchbruch erzielen können. Wissen Sie, zusätzlich zu dem Durchbruch, der in Amerika erwartet wird und der bei den Präsidentschaftswahlen im November eintreten könnte. Ich halte nach wie vor – ich würde nicht sagen, es sei ein Versprechen, denn man sollte nur versprechen, was man auch halten kann – meine Vorhersage oder meinen Plan aufrecht, dass bis zum Ende des Jahres die Patrioten in der westlichen Welt, Europa und die Vereinigten Staaten hier als eine Einheit betrachtet, in der Mehrheit sein werden, wir in der Mehrheit sein werden.

Auch wenn wir über den gestrigen Tag sprechen, gibt es in der Tat auch Macht- und inhaltliche Fragen. Wenn wir uns zuerst die Fragen der Machttechnik ansehen, welche Botschaft sendet es aus, dass es mehr oder weniger dieselbe Volkspartei, dieselbe sozialdemokratisch-liberale Allianz ist, die auch in den letzten fünf Jahren hinter von der Leyen stand, obwohl, nicht wahr, Sie selbst, als Sie das patriotische Parteienbündnis ins Leben riefen, erwähnten, dass die Menschen in 20 von 27 Ländern einen Wechsel wollten?

Ja. Das ist ein Problem der europäischen Politik. Seien wir froh, dass wir ein solches Problem in Ungarn nicht haben. Das Problem besteht darin, dass die europäischen führenden Politiker nicht das tun, was die Menschen wollen. Man pflegt hier also von liberaler Seite aus manchmal darüber zu spotten, wie oft ich sage, aber ich sage es nicht zufällig oft, dass die Frage ist, was die ungarischen Menschen wollen, und es ist die Aufgabe der Anführer, der gewählten Anführer ist, zu versuchen, das umzusetzen, was die ungarischen Menschen wollen. Das heißt mit anderen Worten: Wenn es ein kompliziertes Thema gibt, das die Menschen auf den ersten Blick nicht verstehen, dann müssen sie ihnen helfen, es zu verstehen, eine Position dazu haben, in der Lage sein, sie vertreten zu können, und dann sollte sich das in den Entscheidungen der Regierung widerspiegeln, denn da wir Demokratie haben, so sollte dies alles nach diesen Regeln umgesetzt, durchgeführt und durchgespielt werden. Ich glaube nicht, dass es funktioniert, oder wenn es funktioniert, ist es falsch, und es kann nur vorübergehend erfolgreich sein, wenn die Leute etwas denken, etwas wollen, ihre führenden Politiker wählen, und dann vergessen diese, warum sie gewählt worden sind, und, sagen wir, die Rechten – siehe: Herr Weber, die Europäische Volkspartei – denken sich was und gehen ein Bündnis mit der Linken ein, obwohl die Menschen eigentlich wollten, dass er das nicht tut, sondern dass er die Politik, die auch er bisher zusammen mit der Linken gemacht hat, ändert. Es lag in seiner Hand, in der Hand der Volkspartei, ob er sich der Linken öffnen oder ein Bündnis mit der Rechten eingehen würde. Da die Menschen in ganz Europa Frieden statt Krieg wollen, und die Linke ist für den Krieg. Die Menschen wollen, dass die Migration gestoppt wird. Die Linke ist für die Einwanderung. Die Menschen wollen nicht, dass ihre Familien lächerlich gemacht werden, und der für sie wichtige Familienzusammenhalt, der sich um Mann, Frau und Kindererziehung organisiert, wird durch alle möglichen anderen Formen des Zusammenlebens, die auf die gleiche Ebene gehoben werden, nennen wir es einfach Gender, verhöhnt, und die Linke ist dabei pro-Gender. Und so könnte ich die Aufzählung noch weiter fortsetzen. Nationale Souveränität, Nationalstolz, das ist es, was die Menschen wollen. Die Linke hat diese Dinge nie gewollt, sie sieht sie sogar als gefährlich an. Wir hatten also die Gelegenheit, und wir werden sie auch in Zukunft haben, sie wird nicht verschwinden, sie ist hier bei uns. Die Menschen in Europa wollen ein anderes Europa und eine andere Europapolitik als das, was die Linke ihnen im Übrigen anbietet. Es gibt ein klares Angebot der Rechten, einen Vorschlag, ein Programm, eine Vision, eine Idee für sie. Im Zentrum stehen die Patrioten, die Gruppe, die wir gerade gegründet haben, die sich ein Europa der Nationen vorstellt, das stolz, patriotisch, familienfreundlich, migrationsfeindlich und friedensorientiert ist, und sich dafür einsetzt. Die Kraft in der Mitte, die Europäische Volkspartei, die sich hätte aussuchen können, ob sie ihre ansonsten beträchtliche Stärke nach links oder nach rechts verlagert, hat sich jetzt dafür entschieden, sie weiterhin nach links zu verlagern. Die Konsequenz daraus ist, dass diejenigen, die in den Positionen waren, in denen sie bisher waren, weil sie Europa gesteuert haben – übrigens in die falsche Richtung – in diesen Positionen geblieben sind. Das ist die Situation, in der wir uns jetzt befinden. Das wird sich ändern, wir müssen daran arbeiten, es ist noch nicht vorbei. Europapolitik ist ein Prozess, denn nationale Wahlen bringen immer wieder Veränderungen mit sich, und, wie gesagt, es wird einige wichtige Wahlen in Europa geben.

Wenn wir über Inhalte sprechen, hat von der Leyen der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt, aber sie hat sich auch zum Ziel gesetzt, die europäische Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten fünf Jahren zu steigern. Was kann die Kommission in Bezug auf Letzteres tun, wenn man bedenkt, dass Analysten sagen, dass gerade der Krieg die Wettbewerbsfähigkeit Europas verringert hat?

Die Wettbewerbsfähigkeit ist eine wichtige Sache, obwohl ich nicht glaube, dass die Menschen im Alltagsgespräch auf die Tiefe des Wortes achten. Schließlich bedeutet Wettbewerbsfähigkeit, „wie“ wir leben. Wenn wir also wettbewerbsfähig sind, leben wir gut. Wenn wir nicht wettbewerbsfähig sind, leben wir schlecht, denn wenn man nicht wettbewerbsfähig ist, kann man die Produkte, die man herstellt, nicht in der Welt verkaufen. Das ist so, als ob wir einen Audi, einen Mercedes, einen BMW oder Richter Medikamente in Ungarn herstellen und diese dann nicht verkaufen können, weil wir sie zu einem Preis herstellen, dass unsere Konkurrenten, indem sie ihre Waren zu einem besseren Preis anbieten, uns die Kunden wegnehmen. Das ist es, was Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Jetzt haben wir in dieser Hinsicht ein Problem. Also, die europäische Wettbewerbsfähigkeit… Nicht ich sage das, dem, was ich sage, hat schon die Kommission ihren Stempel aufgedrückt, es ist eine Aussage, die in einem Dokument zu finden ist, ein ehemaliger italienischer linker Ministerpräsident wurde gebeten, einen Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu erstellen, ein ehemaliger Ministerpräsident namens Letta, er wird Letta-Bericht genannt, und er wurde übrigens vom Europäischen Rat auch diskutiert. Demnächst wird es einen weiteren Bericht zum selben Thema geben. Er wird von einem anderen ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten erstellt werden, der Präsident der Europäischen Zentralbank war, von Herrn Draghi. Ich habe auch mit ihm über dieses Thema gesprochen, und ich sehe, dass auch er das Problem der Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt stellt. Wir müssen also billiger und qualitativ besser und moderner in Europa produzieren, als wir es bisher getan haben. Nun, der ungarische Ratsvorsitz, das sind wir, das ist unsere Aufgabe, das ist das zentrale Thema der Arbeit, über die ich spreche. Natürlich ist da der Krieg, dessen Frage gelöst werden muss, aber was wir als unser zentrales Thema gewählt haben, wo wir Ergebnisse erzielen wollen, ist die Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Am 8. November werden wir eine Ratstagung in Budapest abhalten, auf der wir darüber diskutieren werden, und ich werde dort einen so genannten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit vorlegen. Ich habe darüber bereits mit den Franzosen, Italienern und Deutschen gesprochen. Es gibt auch gutes Ausgangsmaterial, wie den Bericht, den ich gerade erwähnt habe. Wir werden also einen ungarischen Vorschlag auf dem Tisch haben, der die Fähigkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft verbessern kann, den wir am 8. November verabschieden können und von dem wir hoffen, dass er ein neues Kapitel aufschlägt und die bisher gemachten Fehler korrigiert. Wie hängt das nun mit dem Krieg zusammen? Leider tut es das. Lassen Sie uns Klartext reden. Bislang hat Europa aus diesem Krieg nichts gewonnen, sondern nur verloren, und das Geld fließt in die Ukraine. Es ist sehr schwierig, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, wenn man eine riesige Menge Geld für einen Krieg ausgibt, der nicht einmal unser Krieg ist, sondern ein Krieg zwischen zwei slawischen Völkern, und wir transportieren das Geld in großen Mengen von Schubkarren auf die eine Seite. Wir sind bereits weit über der Summe von hundert Milliarden. Derweil bleibt weniger Geld für die Landwirte übrig, die aus verständlichen Gründen streiken. Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge, die Subventionierung von Elektroautos, musste bereits zurückgezogen werden, weil das Geld in die Ukraine fließt. Auch für den notwendigen Ausbau der Infrastruktur, den Ausbau von Straßen, Brücken und Eisenbahnen in ganz Europa ist nicht genug Geld da, weil auch das in die Ukraine fließt. Es liegt also auf der Hand, dass, wenn die Kriegspolitik fortgesetzt wird, dann weniger Geld für die Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung stehen wird. Hätten wir eine Friedenspolitik und würden wir uns von den Haushaltsfesseln des Krieges befreien, würde auch die europäische Wirtschaft bessere Ergebnisse präsentieren. Das gilt auch für uns Ungarn. Solange es eine Zeit des Krieges gibt, muss es auch ein Kriegshaushalt angefertigt werden. Wenn es uns gelingt, Frieden zu schaffen, dann wird es auch ein Friedensbudget geben. Die einfachste Art, wie man sich das vorstellen kann, ist, dass, wenn wir zum Beispiel schon im Jahr 2025 einen Friedenshaushalt haben könnten, der in den wichtigsten Punkten bereits in der Schreibtischschublade liegt, er das Wachstum der ungarischen Wirtschaft in diesem Jahr ungefähr verdoppeln würde. Soviel zählt die Frage von Krieg oder Frieden. Nicht nur aus moralischen Gründen, um die Zahl der gefallenen, gestorbenen oder verstümmelten Menschen zu verringern, sagen wir mal aus christlicher Pflicht heraus, habe ich mich entschlossen, mich für eine Friedensmission einzusetzen – was natürlich das Wichtigste ist, denn nichts ist wichtiger als ein Menschenleben –, sondern auch, weil es im Interesse der Ungarn ist. Wenn es Frieden gibt, dann werden wir hier in Ungarn eine andere wirtschaftliche Situation vorfinden, wir können den Menschen viel mehr Möglichkeiten eröffnen. Wenn wir also für den Frieden stehen und für den Frieden arbeiten, stehen wir für Ungarn und arbeiten für Ungarn.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass von der Leyen gestern die Friedensmission scharf kritisiert hat. Sie sagte, ihre Reise nach Moskau sei nichts anderes als eine Mission des Kompromisses. Die wichtigste westliche Gruppe vertritt den Standpunkt, dass es Frieden geben wird, wenn Russland sich aus der Ukraine zurückzieht. Und Sie sind der Meinung, dass die Parteien verhandeln sollten, weil es auf dem Schlachtfeld keine Lösung gibt. Wenn Sie die letzten zwei, zweieinhalb Wochen resümieren, wenn Sie die Friedensmission resümieren, wie nahe können sich diese beiden Positionen Ihrer Meinung nach einander annähern?

Überhaupt nicht, denn von der Leyen und die europäischen Liberalen sind naive Leute. Ich werfe ihnen also keine Geschäftemacherei vor, schon gar nicht Dummheit. Natürlich gibt es immer diejenigen, die an einem Krieg Gewinne machen. Wenn ein Krieg beginnt, erscheinen dort die Falken oder die Geier und kreisen, und dann erscheinen diese Dollarspekulanten, Kriegsspekulanten und versuchen, aus dem Krieg Geld zu machen. Aber ich beschuldige weder von der Leyen noch die europäischen Kriegsbefürworter, in den Händen von Dollar-Spekulanten vom Typ George Soros zu sein. Vielleicht hat es auch Beispiele dafür gegeben, aber das ist sicher nicht der bestimmende Faktor. Der bestimmende entscheidende Faktor ist Naivität. Sie glauben also, dass man Frieden erreichen kann, indem man die Parteien überzeugt, die Dinge anders zu sehen. Also reden wir ihnen ins Gewissen. Wir gehen dorthin und sagen ihnen, dass das nicht schön ist und dass es besser wäre, wenn ihr euch für den Frieden statt für den Krieg einsetzen würdet. Und sie erwarten, sagen wir mal, von einer Friedensmission, dass vom nächsten Tag an dann nicht mehr geschossen wird. Aber das ist ein Missverständnis! Und dann ist da auch noch die Sache mit dem Kinderkrankenhaus. Es muss eine Friedensmission durchgeführt werden, denn wenn es keine Friedensmission gibt, wird der Krieg weiter eskalieren, sich ausweiten und intensivieren, und die Menschen, die dort leben, werden immer schlimmere Verluste erleiden. Ich habe mit beiden Seiten gesprochen. Ich bin der Einzige in Europa, der mit beiden Seiten gesprochen hat, und ich habe meinen Bericht geschrieben, in dem ich die Ministerpräsidenten darüber informiere, dass beide Seiten keinen Frieden wollen. Wir sollten also nicht naiv sein! Es geht also nicht darum, dass von der Leyen oder jemand anderes den Russen oder jemand auf der anderen Seite den Ukrainern ins Gewissen redet, und sie werden einsehen, dass Frieden besser ist als Krieg. Beide Seiten glauben, dass sie an dem Krieg gewinnen können. Sie glauben, dass die Zeit auf ihrer Seite ist und dass die Fortsetzung des Krieges für sie einen Vorteil bringen wird. Und natürlich wird es eines Tages Friedensgespräche geben, aber die Frage ist, wer in welcher Stärke dann am Tisch sitzen wird. Und jede Seite hofft, dass sie in der nächsten Zeit auf Kosten der anderen und zu ihrem eigenen Vorteil Raum gewinnen wird und dass dies die Situation bei den Friedensgesprächen verbessern wird, die in wer weiß wann, eines Tages, wenn wir nichts unternehmen, in vielen Jahren, stattfinden werden. Und währenddessen denken diese naiven Europäer, dass wir Präsident Putin sagen sollten, er solle aufhören, ich weiß nicht welche Stadt zu bombardieren, oder dem ukrainischen Präsidenten sagen, dass wir ihm natürlich Waffen geben, aber er soll nicht so weit in das russische Hoheitsgebiet hineinschießen, denn das ist nicht nett. So geht das nicht. Die Realität ist also die Stärke. Krieg ist eine Frage der Stärke. Und wenn die Kriegsparteien keinen Frieden wollen, dann stellt sich die Frage, ob die großen Machtzentren der Welt bereit sind, sich gemeinsam für den Frieden einzusetzen. Nicht um den Kriegsparteien ins Gewissen zu reden, sondern um ihnen mitzuteilen, dass die ganze Welt den Frieden will, weil dieser Krieg für alle schlecht ist, für die, die nah sind, ist er besonders schlecht, und für die, die fern sind, für die ist er auch schlecht, deshalb erwarten die europäischen und die Weltmächte, dass Friedensverhandlungen beginnen. Ich sage nicht, dass sie gezwungen werden müssen, denn das ist nicht der richtige Ausdruck, aber sie müssen geführt werden, ihnen muss zu verstehen gegeben werden, dass die ganze Welt erwartet, nicht bittet, fleht, sondern Verständnis verlangt, erwartet und mit Nachdruck durchsetzen wird, dass es Friedensverhandlungen geben muss. Es gibt drei solche Akteure: die Chinesen, die Amerikaner und uns, die Europäische Union. Wenn diese drei Machtzentren die gleiche Sprache sprechen und sich einig sind, dass es Frieden geben muss, dann können wir die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch bringen und einen Waffenstillstand herbeiführen. Die Chinesen sind im Übrigen sowieso auf dem den Frieden bewahrenden Standpunkt. Die Amerikaner ändern ihren jetzt. Jetzt haben wir einen Pro-Kriegs-Präsidenten, wenn Herr Präsident Trump kommt, wird er ein Pro-Friedens-Präsident sein, das sind dann schon zwei von drei. Alles, was wir jetzt brauchen, sind wir, die Europäische Union. Wir sind im Übrigen am nächsten dran, denn wir sprechen über einen europäischen Konflikt. Dieser Konflikt findet nicht in Amerika und China statt, sondern in Europa. Wenn also die Europäische Union einsehen würde, dass sie nicht den Krieg unterstützen, sondern den Parteien helfen sollte, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, dann wären es drei von drei. Und wenn drei von drei sagen, dass die Welt einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen erwartet, dann wird das auch geschehen. Das ist die Lösung! Wir brauchen also Stärke, wir müssen also eine ernsthafte Stärke dem Frieden an die Seite stellen, und nicht den Kriegsparteien ins Gewissen zu reden. Das ist der Unterschied zwischen den naiven Europäern, die seit weiß Gott wie vielen Jahrzehnten in diesem Wohlstand, in diesem Frieden und ich weiß nicht was leben, und den Mitteleuropäern, die nicht in Frieden gelebt haben, die unter Besatzung standen, die die Sowjetunion kennen, die die Russen kennen, die die Ukrainer kennen, die sie gut kennen, und die genau wissen, wie Krieg funktioniert, wenn diese beiden im Krieg sind. Deshalb glaube ich, dass Mitteleuropa, und damit auch der ungarische Ratsvorsitz, heute eine besondere zusätzliche Verantwortung hat, und ich glaube, es ist auch eine christliche Pflicht, die wir erfüllen. Wenn Gott dir die Mittel gibt, etwas Schlechtes zu stoppen und etwas Gutes zu tun, dann ist es deine Pflicht, sie zu nutzen. Der ungarische Ratsvorsitz ist so, deshalb bin ich, bin ich und werde ich in Zukunft in einer Friedensmission sein.

Das haben Sie ja auch in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union geschrieben. Welche Reaktionen haben Sie erhalten? Weil Sie darin zum Beispiel die Schaffung einer unabhängigen Außenpolitik vorgeschlagen haben, einer Außenpolitik, die sich von der der Vereinigten Staaten unterscheidet, die aber natürlich sowohl Bereitschaft als auch, wie Sie sagten, Stärke erfordert.

Und die Fähigkeit zur Einsicht. Was ich also allen europäischen Staats- und Regierungschefs sage – und ich habe auch gestern mit mehreren von ihnen gesprochen, und gestern fand irgendwo in England ein Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs statt, das als Europäische Politische Gemeinschaft bezeichnet wird – ist Folgendes: China ist für den Frieden. In Amerika wird es einen Wechsel geben. In Amerika finden im November Wahlen statt. Bis dahin sind alle mit dem Wahlkampf beschäftigt. Die Amerikaner werden nichts tun, weil sie in den nächsten drei Monaten nicht in dieser Position sind, aber danach kann es eine ganz neue amerikanische Politik geben, die für den Frieden sein wird. Davon spricht der designierte Herr Präsident Trump, der ehemalige Präsident, der designierte Präsident – ich weiß nicht, welcher –, der überlebende Präsident – ich weiß nicht, wie viele Titel der arme Mann hat –, der vor Gericht gestellte Präsident, der Präsident, den man von der Bühne der Demokratie stoßen wollte, er spricht also ziemlich klar darüber, was er tun wird. Er redet von Frieden. Warum wollen wir zurückbleiben? Das wird die Situation für die Europäer verändern. Wir Europäer müssen also vorausdenken. Die Fußball-Europameisterschaft ist gerade zu Ende gegangen. Ich sage immer, die Kinder auf dem Hof sind, wenn sie Fußball spielen, in einem Haufen, weil jeder dorthin rennt, wo der Ball ist. Wenn Profis spielen, geht niemand dorthin, wo der Ball ist, sondern jeder dorthin, wo der Ball sein wird. Aber das ist auch das Wesen der Politik. Wir müssen wissen, wo das Epizentrum der Ereignisse sein wird, wo der Schwerpunkt liegen wird. Und wir wissen genau, dass es wegen der Chinesen und der Amerikaner nach November eine politische Ära mit einem friedensfreundlichen Schwerpunkt geben wird. Und wir bleiben außen vor, anstatt zu wissen, wo der Ball ist, und uns schon jetzt dorthin zu positionieren, und wir wären, denn jetzt geht es um unseren Kontinent, die stärkste friedensfördernde Weltmacht, als Europäische Union. Das wäre die Aufgabe! Nur, da die Herren und Damen sich bis zum Hals in einen Schützengraben hineingegraben haben, ist es schwer, da wieder herauszukommen und eine Friedenspolitik am Verhandlungstisch statt einer Grabenkriegspolitik zu betreiben. Das ist ihr Problem. Das braucht Zeit. Aber das Wesentliche der Friedensmission ist Beharrlichkeit. Es ist nicht so, dass man hinausgeht, zwei Predigten hält, und dann kommt der Frieden und alle kommen zu einer besseren Einsicht. Es ist eine Stückwerkarbeit, sie muss kontinuierlich, systematisch und jeden Tag geleistet werden. Jeden Tag verhandele ich mit jemandem über eine Möglichkeit, ein Detail, eine neue Initiative. Und das muss man während der gesamten sechs Monate bis zum Waffenstillstand tun. Die Beharrlichkeit ist das entscheidende Wort. Und Europa wird sich ändern, es ist nur sehr schwierig, aus diesem Schützengraben herauszukommen, in dem sie sich jetzt befinden, und die Situation zu ändern. Doch ist sicher: Spätestens am Tag der US-Präsidentschaftswahlen wird sich das Blatt wenden. Es wäre nur besser, wenn es sich nicht um eine panikartige, überstürzte Kehrtwende handeln würde, sondern um einen durchdachten Prozess des Übergangs von einer kriegsfreundlichen zu einer friedensfreundlichen europäischen Politik. Das wäre im Interesse von allen.

Sie haben erwähnt, dass die Friedensmission weiterläuft und dass Sie in dieser Angelegenheit in ständigem Gespräch sind. Was ist der nächste Schritt, kann man das jetzt schon wissen?

Ich informiere die Öffentlichkeit immer erst hinterher. Das geschieht nicht aus übertriebener Vorsicht, sondern es ist eine begründete Vorsicht. Da es so viele Gegner dieser Friedensmission gibt, werden viele, wenn man im Voraus weiß, was der nächste Schritt sein wird, alles dafür tun, dass er nicht gemacht werden kann. Deshalb tue ich immer erst etwas und spreche dann darüber, so dass ich auch Ihre Frage gerne später beantworten werde.

Es ist interessant, dass Sie die Gegner der Friedensmission erwähnt haben, denn ansonsten gab es eine sehr starke Reaktion, sowohl von der Kommission als auch vom Europäischen Parlament, und wir haben auch gesehen, dass einige Tage nach Ihrem Treffen mit Donald Trump ein Attentat auf ihn verübt wurde. Die Motive sind noch unbekannt, aber es geschah fast auf den Tag genau zwei Monate nach dem Attentat auf Fico. Was ist der Grund für diese Wut gegen die friedensbewegten Politiker und Politikerinnen?

Zunächst sollten wir beachten, dass die Zahl der Attentate, die Zahl der spektakulären Attentate, die die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich ziehen, zunimmt. Zweitens werden alle Anschläge gegen antikriegs- und friedensorientierte Politiker verübt. Die kriegsbefürwortenden Kräfte sind also so aufgewühlt, so angespannt, so aufgehetzt, so organisiert, dass sie versuchen, die friedensfreundlichen Kräfte von der Bühne oder aus dem Zentrum des politischen Lebens wegzuputzen. Aber ich habe tatsächlich zwei Tage vor dem Attentat mit Herrn Präsident Trump gesprochen. Wir haben mehr als zwei Stunden lang eine Unterredung geführt. Der Präsident ist in guter Verfassung, ich meine, er ist bereit zu kämpfen, das konnte man vielleicht daran sehen, wie er das Attentat überlebt hat. Gott sei Dank dass er es nicht zugelassen hat, dass sie ihn töten. Das bedeutet, so hoffe ich, dass Gott einen Plan für den Präsidenten hat, und was sonst könnte Gottes Plan in einer Zeit des Krieges wie dieser sein, als dass jemand Frieden bringt, und er war ein Präsident des Friedens. Aber ich habe mit ihm auch über wirtschaftliche Fragen gesprochen, denn wir haben eine sehr gute Beziehung zu dem Team, das hinter dem US-Präsidenten steht und das für ihn das Wirtschaftsprogramm und das außenpolitische Programm schreibt, und ich würde sagen, dass wir an der Erstellung dieses Programms beteiligt sind. Es gibt einige Themen, wie die Familienpolitik oder die Beendigung der Migration, bei denen wir über ein ziemlich hohes Ansehen verfügen. Aber ich habe mit dem Herrn Präsidenten zum Beispiel auch über wirtschaftliche Fragen gesprochen, und es gab einige Punkte in seinem Programm, die ich lieb und gerne nächstes Jahr auch in Ungarn einbringen würde. Es gibt kleine und große Dinge, man kann natürlich nicht sicher sein, was in der Wirtschaft klein und was groß ist, aber die Tatsache, dass Trinkgelder in Amerika nicht besteuert werden, wenn Präsident Trump gewinnt, ist zum Beispiel äußerst bemerkenswert. Hier in Ungarn sehe ich auch keine Notwendigkeit, Trinkgelder zu besteuern. Ich hoffe also sehr, dass wir auch aus Herrn Präsident Trumps Wirtschaftsprogramm einige gute Impulse bekommen werden. Auch dort steht die Wettbewerbsfähigkeit im Mittelpunkt, steht die industrielle Entwicklung im Mittelpunkt, steht der Gedanke, „die Wirtschaft stark zu machen“ im Mittelpunkt. Ich denke, wir geben ihnen nicht nur Erfolgsrezepte mit, die bei uns schon erprobt sind, sondern wir werden auch Ideen von ihnen bekommen, und wir bekommen ständig Ideen von ihnen, zum Beispiel dieser Vorschlag „keine Steuer auf das Trinkgeld“ ist eine davon, aber es wird noch mehr geben, ich habe noch mehr davon in ihrem Programm gefunden, und ich habe das auch ziemlich ausführlich mit dem Herrn Präsidenten besprochen. Wir drücken ihm sehr fest die Daumen für den Erfolg. Und nach langer Zeit, nach sehr langen vier Jahren, die sich nicht wie vier Jahre angefühlt haben, sondern fast vierzig, kann es endlich wieder einen ungarnfreundlichen Präsidenten der Vereinigten Staaten geben. Manchmal könnten auch wir jetzt schon wirklich Glück haben.

Wir haben nicht viel Zeit, aber lassen Sie uns über eine andere bedauerliche Sache sprechen, die in den letzten Tagen geschehen ist. Der Kindesmissbrauch im Erlebnispark in Szolnok war in den letzten Tagen in der Presse. Was halten Sie von dem, was wir gesehen haben? Es war übrigens schockierend, es gab schockierende Bilder, und wer sollte was tun, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen?

Diese Sache ist unerträglich, es ist nicht zu tolerieren, und es schreit nach Konsequenzen. Haben Sie Kinder?

Ich habe sogar zwei, so ist es.

Und wo bringen Sie sie im Sommer unter?

Sie sind noch klein, also versuchen wir, mit den Großeltern zurechtzukommen, aber dann, ja, im Ferienlager…

Ich sage Ihnen jetzt schon, Sie werden sie ins Ferienlager geben. Ich habe auch fünf Kinder, die jetzt natürlich erwachsen sind, die ich immer ins Ferienlager gegeben habe. Man muss die Dinge also nicht verkomplizieren. Dies ist eine einfache Angelegenheit. Wenn ich mein Kind in das Lager gebe, weiß ich, wer das Lager organisiert. Und derjenige, dem ich mein Kind anvertraue und der das Lager organisiert, ist für mein Kind verantwortlich. Er kümmert sich um es, er sorgt für das Kind, er sorgt für seine Unversehrtheit und dafür, dass es seine Zeit nützlich verbringt. Und es darf nicht passieren, dass jemand in diesem Lager meinem Kind, etwas antut, also ein Erwachsener – denn Kinder unter Kindern: das ist eine andere Geschichte. So etwas darf also einfach nicht passieren. Es ist eine klare Haftungssituation. Wer auch immer das Lager leitet, hat eine Verantwortung gegenüber den Eltern. Und es ist die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass Leute, die dieser Verantwortung nicht gerecht werden können – und sie konnten ihr hier offensichtlich nicht gerecht werden – keine Lager organisieren, denn wir wollen unsere Kinder nicht solchen Leuten anvertrauen, und wir können sie solchen Leuten auch nicht anvertrauen. Dem muss Geltung verschafft werden.

Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch nach der Wiederwahl der Präsidentin der Europäischen Kommission, der Friedensmission und dem Kindesmissbrauch im Erlebnispark in Szolnok gefragt.

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