Zsolt Törőcsik: Fidesz-KDNP nominiert Tamás Sulyok, den Präsidenten des Verfassungsgerichts, als Staatspräsidenten, verkündete Máté Kocsis, Vorsitzender der Fidesz-Fraktion, am Ende der Fraktionssitzung der Regierungsparteien. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Guten Morgen!
Guten Morgen!
Auf Ihren Vorschlag hin hat ja die Fraktion, haben die beiden Fraktionen der Regierungsparteien diese Entscheidung getroffen. Welche Überlegungen standen hinter der Nominierung von Tamás Sulyok?
Rechtlich gesehen ist es so, wie Sie sagen, d.h. formal gesehen habe ich der Fraktion den Vorschlag gemacht, denn so steht es in unserer Geschäftsordnung, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. In der Realität ist es so, dass es bei solch schwerwiegenden Entscheidungen immer lange Diskussionen, Verhandlungen gibt, man muss die Meinungen erfassen, man darf also nichts überstürzen. Dies ist ja doch eine wichtige Entscheidung für Ungarn, und zum einen aus Respekt vor den Kandidaten und zum anderen aus Respekt vor dem Amt und damit vor dem Land muss eine umsichtige Entscheidung getroffen werden. In der letzten Runde hat auch das Fidesz-Präsidium die Liste der möglichen Kandidaten diskutiert, und am Ende wurde Tamás Sulyok, der Präsident des Verfassungsgerichts, ausgewählt, wir haben uns für ihn entschieden, und von nun an hat auch die Fraktion grünes Licht gegeben. Sehen Sie, Ungarn ist ein starkes Land. Jetzt gibt es ein solches Problem, die vorherige Staatspräsidentin ist zurückgetreten, es blutet einem immer noch das Herz, hinzu kommt noch, dass dies im Zusammenhang mit einer Abgelegenheit geschah, in der die Entscheidung der Frau Staatspräsidentin und die Meinung des Volkes in krassem Gegensatz zueinander standen. Das sind schmerzhafte Dinge, aber in jedem Übel gibt es einen Hoffnungsschimmer. Und nun, da wir überblickt haben, welche Personen wir gefunden haben, von denen wir überzeugt sind, dass sie dieser Aufgabe, dieser Berufung, dieser Mission würdig sind, und von denen wir hoffen, dass auch das Parlament sie für würdig hält, haben wir eine gute Anzahl würdiger Ungarn gefunden, was den Glauben der Menschen an ihre eigene Nation und ihr Land stärkt. Ich war sehr froh, eine so breite Palette vor mir zu haben, und am Ende dachten wir, dass die Erfahrung, das Wissen um verfassungsrechtliche und juristische Fragen, das Wissen um internationales Recht, der Hintergrund in der internationalen Arena, das Wissen um das natürliche System und die natürliche Geschichte der politischen Institutionen und ein Lebensweg, ein Lebensweg, der ihm auch berufliche Autorität gab, alles zusammengenommen ihn als Kandidaten abzeichneten. Also haben schließlich all diese Eigenschaften ihn als den geeignetsten Kandidaten für uns erscheinen lassen, und so haben wir uns für ihn entschieden. Aber lassen Sie es mich noch einmal sagen: Ungarn ist ein starkes Land, denn in einer Zeit wie dieser hat es nicht nur eine einzige Alternative.
Und es gibt hier noch einen weiteren Aspekt: Sie haben auch auf die Begnadigungsentscheidung hingewiesen, die in den letzten Wochen für Empörung in der Gesellschaft gesorgt hat, und Sie haben ja in Ihrer Jahresbilanz auch gesagt, dass die nationale Einheit erschüttert wurde. Kann die Person von Tamás Sulyok eine Garantie dafür sein, dass diese nationale Einheit wiederhergestellt wird?
Sehen Sie, lassen Sie uns jetzt den konkreten Fall betrachten. Wir sprechen hier also von einer Gnadenentscheidung. Eine Begnadigungsentscheidung wird getroffen, wenn es einen Antrag auf Begnadigung gibt, wenn jemand einen Antrag auf Begnadigung stellt, und dann wird er geprüft. Die Begnadigung ist nämlich völlig unabhängig von der Arbeit der Regierung, sie ist, wie das Wort schon sagt, das ausschließliche Recht des jeweiligen Staatspräsidenten, und zwar – wie dies das Wort auch schon zeigt – aus der Gnade entspringend. Und dann entscheidet der Staatspräsident auf der Grundlage der Bedingungen des Gnadengesuchs, ob er Ja oder Nein sagt. Und die Staatspräsidentin hat in einem Fall Ja gesagt, in dem es nur eine richtige Entscheidung geben konnte: nämlich das Nein. Also das Gnadengesuch abzulehnen. Und das war das Gefühl von allen im Land, von fast allen, muss ich sagen. Vor allem auf der Seite der Rechten, denn die Werte der Familie, der Schutz der Kinder, die Kinder als Wert, sind das Herzstück unseres politischen Credos. Deshalb wurde die nationale Einheit durch diese Entscheidung zerrüttet. Die einzige Möglichkeit, sie wiederherzustellen, bestand darin, dass die Staatspräsidentin – die übrigens einen fantastischen Job gemacht hat und die wir alle liebten und lieben – diesen Fehler eingestand und ging. Es wird ein neuer Präsident kommen, der diese Einheit oder dieses Gleichgewicht, das gestört wurde, wiederherstellen muss, was damit beginnt, dass es klar ist: In Fällen von Pädophilie oder damit zusammenhängenden Straftaten gibt es kein Pardon, d.h. keine Begnadigung. Ich hoffe daher sehr, dass der Präsident bei seiner ersten Ansprache an das Land deutlich macht, dass dies nicht geschehen kann, dass dies nicht geschehen darf. Ich hoffe, dass er uns auch auffordern wird, die notwendigen Gesetzesänderungen und Regierungsentscheidungen zu treffen, damit so etwas nicht passiert. Einige dieser Maßnahmen habe ich übrigens bereits ergriffen und eine umfassende Durchleuchtung und Prüfung angeordnet. In einem anständigen Land wie Ungarn darf das, was im Kinderheim Bicske passiert ist und was der Fall der Begnadigung ans Licht gebracht hat, nicht geschehen; es ist ganz einfach inakzeptabel! Und wenn man die, die sich an den Kindern vergreifen, nicht in Stücke zerhacken kann, dann ist es das Mindeste, dass wenn sie verurteilt worden sind, es kein Pardon und keine Begnadigung für sie gibt. Hier gibt es also etwas zu tun, und ich denke, dass der Herr Staatspräsident, der Jurist ist, die Aufgaben, die sich daraus ergeben, definieren kann, und er kann somit auch seine eigenen Aufgaben einteilen und die Aufgaben, die die Regierung erfüllen muss, definieren.
Sie haben die Rolle der Regierung in dieser Angelegenheit erwähnt, und natürlich hat hierin auch die Fraktion eine Rolle zu spielen. Gestern hat Máté Kocsis gesagt, dass Sie in der Frühjahrssitzung einen neuen Vorschlag vorlegen könnten, und dass die Gesetzgebung in zwanzig Punkten geändert und verschärft werden könnte. Was sind die Hauptaspekte einer solchen Überarbeitung, die Sie in diesem Zusammenhang auch angesprochen haben?
Ich möchte jetzt zuerst sehen, ob die Eignungstests bei der Ernennung der Leiter dieser Kindereinrichtungen korrekt durchgeführt wurden. Denn es ist unmöglich, dass die Person wie jene, die im Mittelpunkt dieses Falles steht, nicht die Präsidentin, sondern der Leiter des Kinderheims, der ein pädophiles Verbrechen begangen hat, dass das passieren konnte und danach die betroffene Gemeinschaft nicht sofort explodiert, sondern es zur Vernebelung, zur Verheimlichung, zum Lügen kam, und was da alles geschehen sein mag… Hier befürchte ich also, dass die Eignungsprüfung, die von Zeit zu Zeit durchgeführt werden muss, nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Dies hätte offensichtlich sein müssen, dass es hier ein Problem gibt. Deshalb müssen wir jetzt alle Einrichtungen daraufhin überprüfen, ob die derzeitigen Leiter die entsprechende Eignungsprüfung bestanden haben, ob sie die Kriterien erfüllen und ob diese Prüfung sich auf alles erstreckt hat. Sie muss sich auf die alltägliche Lebensführung, die sexuelle Abweichung und die psychologische Eignung erstrecken, so dass Personen, die eine Gefahr für Kinder darstellen, weder in Schulen noch in Kindergärten sowie Kinderheimen usw. arbeiten dürfen. Wir müssen hier also Ordnung schaffen, und wir werden auch Ordnung schaffen. Ich persönlich werde das auch weiterverfolgen und möchte es mit entsprechenden Entscheidungen abschließen.
Sowohl Sie als auch Máté Kocsis haben darauf hingewiesen, dass es Rechtsvorschriften gibt, die im Bereich des Kinderschutzes verschärft werden könnten. Wir erinnern uns ja daran, dass die Änderung des Kinderschutzgesetzes 2021 bereits zu ernsthaften Debatten in Brüssel geführt hat, und Sie haben ja wiederholt gesagt, dass dies eine der roten Linien sei, eines der Themen, bei denen die Regierung dem Druck aus Brüssel nicht nachgeben wird. Könnte eine neue Verschärfung der Regeln zu neuen Streitigkeiten mit Brüssel führen?
Sicher, das könnte es, aber wenn wir von dem ausgehen, was den Brüsseler Bürokraten nicht gefällt, würden wir so aussehen wie sie. Und wir wollen nicht so aussehen wie sie, und wir wollen nicht so leben wie sie, und wir wollen nicht nach solchen Regeln leben wie sie. Wir wollen also keine Migranten, wir wollen keine Gender-Aktivisten in der Schule, wir wollen keinen Krieg, ich kann also vier oder fünf Dinge nennen, in denen wir unser Leben anders gestalten als die Leute in Brüssel, oder wie sie es gerne hätten, dass wir unser Leben gestalten. Deshalb können wir nicht von dem ausgehen, was sie wollen, wir müssen von dem ausgehen, was die Ungarn wollen, wie die Ungarn leben wollen, und in bestimmte Dinge kann sich niemand einmischen außer dem Herrgott – in manchen Fällen laut der Ungarn nicht einmal er. Die Ungarn werden dann also entscheiden, wie sie die Kinderschutzeinrichtungen regeln, wie sie die Schulbildung regeln, die Ungarn werden, denke ich, wieder sagen, dass die sexuelle Erziehung der Kinder die Verantwortung, die Pflicht und die Möglichkeit der Eltern allein ist, und dieser können nicht irgendwelche LGBTQ-Propagandisten vorausgehen, die wir nicht in der Nähe von Schulen sehen wollen, geschweige denn in Schulen. Wir haben also unsere eigene Vorstellung vom Leben und wir werden sie durchsetzen. Wir werden es nicht zulassen, dass irgendjemand, egal von woher – ein Botschafter oder ein Bürokrat aus Brüssel – sich in unser Leben hier einmischt.
Es gibt aber Versuche, dies von Brüssel aus doch zu tun, weil beispielsweise die Umsetzung der so genannten LGBTQ-Gleichstellungsstrategie oder des Migrationspakts vor den Wahlen zum Europäischen Parlament in Brüssel beschlossen werden soll. Besteht die Möglichkeit, dass diese Themen ohne die Zustimmung der Ungarn angenommen oder verabschiedet werden, und warum hat es Brüssel so eilig, sie zu regeln und zu verabschieden?
In der ungarischen Sprache gibt es einen Ausdruck, der die Situation in Brüssel treffend beschreibt. Die Ungarn nennen es eine ‘Torschlusspanik’. Das Lied ist also zu Ende, das Mandat ist abgelaufen oder wird zumindest im Juni ablaufen, und die guten Herren in Brüssel werden noch eine letzte Runde drehen und denken, dass sie das, was sie in jungen Jahren versäumt haben, jetzt noch in Ordnung bringen können. Es ist ja bekannt, das geschieht jetzt dort, plötzlich ist deshalb LGBTQ ein Thema, Migration ist ein Thema, sie treiben den Krieg voran, das muss man also jetzt überstehen. Jetzt haben wir also einen solchen Zeitraum, das ist eine schwierigere, aggressivere politische Zeit in Brüssel, und Ungarn muss das abwehren. Jetzt ist nicht mehr so viel Zeit, im Juni sind Wahlen. Ich sehe den Migrationspakt als ein größeres Übel an. Zum Thema LGBTQ: Ich glaube, wenn man in Ungarn zehn Leute auf der Straße fragt, werden elf von ihnen sagen, wohin jene verschwinden sollen, die so einen Vorschlag machen, dass nicht die Eltern entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen. In der Frage der Migration ist die Situation etwas gespaltener, denn obwohl es in Ungarn eine massive Mehrheit für die nationale Souveränität auch in der Frage der Migration gibt, d.h. nur die Ungarn sollen entscheiden können, mit wem sie zusammenleben wollen. Es steht eine sehr große Mehrheit dahinter, und es hat darüber auch ein Referendum gegeben, das hat das deutlich gezeigt, und es hat eine Konsultation gegeben, die das auch gezeigt hat. Aber es gibt hier eine große Anzahl von bezahlten Agenten, um es ganz offen zu sagen, an einem Freitagmorgen. Also, George Soros hat, wenn ich mich richtig erinnere, 2015 oder 2016 ein Programm veröffentlicht, das auch im Druck erschienen ist. Dies ist der berühmt-berüchtigte Soros-Plan, in dem er beschrieb, was getan werden müsse. Und er enthält genau die gleichen Vorschläge, die derzeit auf der Tagesordnung der Brüsseler stehen, die wegen der Torschlusspanik nervös sind: Nämlich, dass Migrantenghettos geschaffen werden sollen, dass mindestens eine Million Menschen pro Jahr hereingeholt werden sollen, dass sie bezahlt werden sollen, und so weiter und so fort, dass die Migration gemanagt und nicht zurückgewiesen werden soll – das ist das Szenario des Soros-Plans. Und wir haben dies bisher verhindern können. Seit 2015 kämpfe ich, zuerst allein, dann sind wir immer mehr geworden, am Ende waren wir schon in der Mehrheit, die wir in Brüssel die idiotischen migrationsfreundlichen Regeln verhindern konnten. Jetzt werden wir noch einen letzten Angriff erleiden müssen, aber wir sind nicht allein, es gibt noch mehr Länder, die die Pro-Migrationsregeln nicht unterstützen. Es gibt diejenigen, die sich ausdrücklich und mutig dagegen ausgesprochen haben, wie die Slowaken, die mitgemacht haben, und es gibt diejenigen, die Nein gesagt haben, indem sie sich enthalten oder nur bestimmte Teile davon abgelehnt haben, darunter die Tschechen, vielleicht sogar die Polen, obwohl dort jetzt ein anderer Wind weht. Aber auch die Italiener sind bei klarem Verstand und auch die Griechen leiden. Es gibt also hier nicht wenige von uns, die ihr Leben inmitten in der Migrationswelle leben, und wir haben uns bisher gut gewehrt, und wir wollen das Ergebnis der Kämpfe der letzten Jahre, dass wir ein migrationsfreies Land geblieben sind, nicht im Interesse oder wegen eines letzten Brüsseler Ansturms vor dem Wahlkampf aus dem Fenster werfen.
Es gibt noch ein weiteres Thema, bei dem sich die Einstellung der Gesellschaft zumindest in letzter Zeit stark verändert hat, und zwar das Thema des russisch-ukrainischen Krieges, der leider den traurigen Anlass hat, dass der Konflikt gestern vor zwei Jahren begann, als Russland die Ukraine angriff. Neulich hat der Europäische Rat für Außenpolitik eine Umfrage durchgeführt, aus der hervorging, dass nur 10 % der Europäer glauben, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann. Vor kaum zwei Jahren lag dieser Prozentsatz jedoch noch viel höher, und die westeuropäische Gesellschaft war wesentlich optimistischer. Was hat sich geändert?
Dabei hätten sie damals noch weniger Grund gehabt, so zu denken. Dies ist ein sehr schwieriges Thema, denn Russland hat die Ukraine angegriffen, und das wirft auch eine Reihe von prinzipiellen und moralischen Fragen auf, aber der Krieg ist im Grunde dennoch eine Frage der Realpolitik. Es gibt also Zahlen, es gibt Kräfteverhältnisse, und nicht die Absicht ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, die Konsequenz und das Ergebnis. Das ist also der schwierige Teil unseres Berufs, die Unterscheidung zwischen Frieden und Krieg, wann man gewaltsame Mittel zur Erreichung von Zielen wählen darf, wann man keine gewaltsamen Mittel wählen darf, wie man sie vermeidet und so weiter. Aber die Realitäten waren vom ersten Moment an offensichtlich. Deshalb hat Ungarn immer gesagt, was es gesagt hat. Natürlich hat Russland die Ukraine angegriffen, und diese Frage muss geklärt werden, aber man darf nicht in einen Krieg hineingeraten. Der Westen kann also nicht in einen Krieg verwickelt werden, bei dem aufgrund grundlegender mathematischer und realer Fakten offensichtlich ist, dass es auf dem Schlachtfeld keine Lösung gibt, weil die Ukraine nicht in der Lage sein wird, die Russen zu besiegen, egal wie viele Werkzeuge und Waffen wir ihnen geben. Wenn sich die westlichen Länder nicht mit ihren eigenen Armeen in diesen Krieg einmischen, dann wird diese militärische Überlegenheit auf russischer Seite bestehen bleiben, aber wir können zumindest mit Sicherheit sagen, dass es keine militärische Überlegenheit auf Seiten der Ukraine geben wird. Die westeuropäischen Länder aber, da die NATO durch ihre allererste Entscheidung deklariert hat, dass sie keine Truppen entsenden will, dass sie nicht miteinbezogen werden will, dass sie keinen NATO-russischen Krieg will, dass sie nicht will, dass westeuropäische Truppen auf ukrainischem Boden stationiert werden und mit den Russen in einen Kampf kommen, also nachdem wir das ausgeschlossen hatten, war von da an klar, dass ein Waffenstillstand und ein Frieden angestrebt werden muss, weil bei einer solchen Arbeitsteilung Russland militärisch nicht in die Knie zu zwingen ist. Wer das versucht, glaube ich, der schlägt mit seiner Axt in einen Baum, den er nicht fällen oder die Axt dann nicht mehr aus dem Baum herausziehen kann, sie wird darin steckenbleiben. Und hier geht es nicht um Kindereien, denn es sterben Hunderttausende von Menschen, wir sprechen von Witwen, wir sprechen von Waisen, wir sprechen von zerstörten Städten, sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite, es gibt schreckliche Zerstörungen, Werte gehen verloren, unersetzliche Menschenleben gehen verloren, dies ist also eine schwere Verantwortung. Und im Namen Ungarns glaube ich, dass die moralisch richtige Position auch darin besteht, die Realität offensichtlich zu machen: Es gibt keine Lösung für diesen Konflikt auf dem Schlachtfeld. Wir brauchen einen Friedensprozess, einen neuen Friedensprozess, der diesen Konflikt beendet und gleichzeitig ein Europa für uns schafft, das langfristig lebenswert ist. Ich verstehe, dass es zwischen den Deutschen und den Russen noch uns und die Polen gibt, und die Franzosen sitzen an der Atlantikküste, und die Briten sitzen in der Sicherheit einer Insel, so dass das Leben aus dieser Perspektive ein anderes Bild bietet. Aus ungarischer Sicht sieht es jedoch so aus, dass eine Weltmacht auf dem Territorium eines Nachbarlandes einen schweren Krieg führt, einen Krieg, der Hunderttausende von Menschenleben fordert, und wenn dieser Krieg näher an uns herankommt, dann können wir mit Sicherheit sagen, dass er rascher und unmittelbarer eine Auswirkung auf uns haben wird, als auf die Franzosen oder die Deutschen oder die Briten. Deshalb können wir, wir Ungarn, den britischen, französischen und deutschen Standpunkt nicht teilen, der darauf abzielt, eine militärische Lösung zu erzwingen. Wir brauchen den Frieden in unserer Nachbarschaft. Das ist für uns eine existenzielle, eine menschliche Seinsfrage, dass hier Frieden und Sicherheit herrschen sollen. Und das ist unmöglich mit einem Krieg in der Nachbarschaft, und einer der Teilnehmer an diesem Krieg ist noch dazu Russland, das eine Atommacht ist. Das ist ein gewaltiges Risiko für die Völker Mitteleuropas, unter ihnen auch für Ungarn. Die richtige moralische Haltung aus ungarischer nationaler Sicht ist also ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.
Kann sich die Position der Europäischen Union überhaupt in diese Richtung ändern? Denn wenn wir uns die letzten zwei Jahre anschauen, haben sich die Ziele der EU geändert, denn zu Beginn des Krieges war das Hauptziel, Russland zu schwächen und die Sanktionspolitik. Danach scheinen jetzt Waffen und materielle Unterstützung die Hauptpriorität zu sein.
Der Westen steckt mit dem Fuß in dieser Grube fest. Er ist hineingetreten und kann ihn nicht wieder herausziehen. Die öffentliche Meinung wird es schon richten. Ich sehe also nicht, dass die führenden Politiker, die ich kenne, zu der Schlussfolgerung kommen, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Wir haben eine Kalkulation angestellt, wir haben dabei einen Fehler gemacht, es stimmt zwar, dass wir das, was wir getan haben, auf Wunsch und Ermutigung der Ukrainer getan haben, aber wir haben die Situation falsch eingeschätzt. Daraus folgt, dass wir mit dem Risiko eines andauernden Krieges, einer ständigen Ausweitung des Krieges ins Auge blicken müssen. Das ist schlecht für Europa, es wird uns auch wirtschaftlich ruinieren. Dieser Krieg verschlingt enorm viel Geld, ohne jede Aussicht auf militärischen Erfolg, und er muss beendet werden. Denn der Steuerzahler wird nach einiger Zeit doch noch fragen: Warum schickst du, mein lieber Freund, Geld in einen Krieg, den derjenige, den du unterstützt, keine Chance zu gewinnen hat? Was ist das für eine Verantwortung gegenüber Deinen eigenen Bürgern oder ist das Verantwortungslosigkeit? Dieser Moment wird kommen. Und dann werden die führenden Politiker Westeuropas keine andere Wahl haben, als sich irgendeine Ausrede auszudenken und zu sagen, dass es jetzt wirklich keine Chance mehr für eine militärische Lösung gibt, lasst die Politiker wieder kommen, lasst die Diplomatie kommen, lasst einen Waffenstillstand zu und lasst Friedensgespräche zu. Es wird nicht leicht sein, diesen Irrtum einzugestehen. Den Irrtum bei der Migration zuzugeben, war auch nicht einfach, denn jetzt gibt es Millionen von Migranten, und irgendjemand muss immer noch sagen: Ich habe die Entscheidung getroffen, ich habe sie hereingelassen, ich habe die Gesetzgebung geändert, ich habe die Gesetzgebung im Parlament vorgeschlagen, also gibt es eine persönliche Verantwortung seitens der führenden Politiker. Irgendjemand hat doch den westeuropäischen Völkern die Migranten an den Hals gebracht oder zugelassen, dass sie zu ihnen kommen mit der Bedrohung durch Terrorismus, Kriminalität und unkontrollierbaren wirtschaftlichen Problemen. Dasselbe gilt für den Krieg. Irgendjemand muss sagen: Ich habe den Fehler gemacht. Früher oder später wird dies auch im Westen jemand sagen müssen. Deshalb erwarten wir die US-Präsidentschaftswahlen. Denn sie bieten die Chance, denn dort sind die führenden Politiker ja auch nur Menschen, und sie geben nur ungern ihre Irrtümer zu, doch die Wahlen werden dieses Problem lösen, denn der derzeitige Präsident wird hoffentlich gehen, Präsident Trump wird zurückkehren und man wird ihm freie Hand lassen, um Frieden zu schaffen. Er kann auch ohne ein Eingeständnis Frieden schaffen. In der Politik ist es also sehr schwierig, die Fehler einzugestehen, die man gemacht hat, und dann zu sagen, wir sind in die eine Richtung gegangen, und jetzt müssen wir die andere wählen. Und das geht in Europa nicht von alleine. Wir brauchen dazu eine europäische Parlamentswahl, und in Amerika brauchen wir eine Präsidentschaftswahl. Und wenn es eine neue Aufteilung gibt, dann können die europäischen Institutionen und führenden Politiker, die aus einer friedensfreundlichen europäischen Wahl hervorgehen, und ein Donald Trump, der in Amerika gewinnt, zusammen Frieden schaffen, im Grunde mit einer amerikanischen Initiative, wie ich mir das vorstelle.
Es war eine Folge des russisch-ukrainischen Krieges bzw. eine Reaktion darauf, dass Schweden, das übrigens 210 Jahre Neutralität aufgegeben hat, um den Beitritt zur NATO gebeten hat. Das ungarische Parlament kann am Montag darüber abstimmen. Und heute werden Sie Ihren schwedischen Amtskollegen empfangen. Wie haben Sie die Regierungsparteien davon überzeugt, den Beitrittsantrag Schwedens zu unterstützen?
Wir hatten auch noch ein-zwei offene militärische und rüstungspolitische Fragen. Und ich habe der Fraktion gesagt, dass ich ihren Widerstand verstehe, dass ich ihn für gerechtfertigt halte, sie sollen mir Zeit geben, um mit dem schwedischen Ministerpräsidenten einen vertrauensbildenden Prozess einzuleiten, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich der Fraktion ein greifbares Argument vorlegen kann, um Schwedens Beitritt zu unterstützen. Und ich habe mehrmals mit dem schwedischen Ministerpräsidenten gesprochen, und dieser Prozess wird heute hier in Budapest abgeschlossen. Wir werden alle offenen Fragen klären, wir werden ein militärisch-industrielles Militärabkommen abschließen, ein ernsthaftes, für unsere Größe, für die Größe unseres Landes, und wir werden auch einige Entscheidungen oder Richtungen oder Ziele für die militärische Zusammenarbeit festlegen. Und wir müssen akzeptieren, so wie die Schweden auf der anderen Seite akzeptieren müssen, dass wir nicht gleich sind. Schweden organisiert sein Leben also nach anderen Werten als Ungarn es macht. Aber Ungarn ist immer noch – unabhängig von persönlichen Überzeugungen – ein Land mit einer christlichen Kultur, ein christliches Land, und christliche Werte sind grundlegend in unserer Gesellschaft. Es gibt eine lange Liste dieser, aufgrund derer wir alle unser persönliches, familiäres und nationales Leben gestalten. Wir sind ein familienzentrisches Land, und die modernen Konfigurationen, die hier in Europa vorherrschen, werden von den Ungarn nicht akzeptiert, in Schweden gehen diese, und wir sind für den Frieden, und die Schweden sind für den Krieg im russisch-ukrainischen Konflikt. Es gibt also offensichtlich deutliche Werteunterschiede zwischen den beiden Ländern. Aber damit kann man umgehen, denn wir wollen den Schweden nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, und wenn sie es uns auch nicht vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben, dann ist die Tür für eine Zusammenarbeit offen. Und da wir jetzt keine Ehe miteinander eingehen wollen, weil da die Werteproblematik uns Schwierigkeiten bereiten würde, sondern ein Militärbündnis, bei dem es darum geht, dass, wenn der eine angegriffen wird, der andere ihm zu Hilfe kommt, das kann man auf unterschiedlichen Wertegrundlagen machen, ein Militärbündnis kann man auf der Basis von Interessen schließen. Schweden ist ein ernstzunehmendes Land. Das ist Ungarn auch. Wir sind erwachsen, wir sind in der Lage, auf der Grundlage von Interessen eine Zusammenarbeit einzugehen. Ich denke, wir werden den Vertrag heute besiegeln, und am Montag kann das ungarische Parlament sein endgültiges Siegel oder seine Unterschrift daraufsetzen und den Vertrag unterzeichnen.
Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán zur Ernennung des Präsidenten der Republik, zum Kinderschutz und auch zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine befragt.