Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Vergangene Woche wurde der Bericht der Geheimdienste über die Zusammenhänge von Terrorismus und Migration an der Südgrenze Ungarns veröffentlicht. Aus dem Dokument geht unter anderem hervor, dass die Tätigkeit der Schleuser in dem betroffenen Gebiet von dem Geheimdienst der Taliban gesteuert wird und auch verschiedene Terrorgruppen Mitglieder in der Nähe der ungarischen Grenze anwerben. Ministerpräsident ist unser Gast im Studio. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Was ist hinsichtlich der Sicherheit Ungarns die wichtigste Folgerung oder was sind die Folgerungen, die man aus diesem Bericht ziehen muss?

Das ist ein Bericht, der ein en durch Angst gekennzeichneten Horizont skizziert und uns darin bestärkt, dass wir das tun müssen, was wir bisher getan haben. Für mich bedeutet dieser Bericht dies. Darüber gab es eine große Diskussion in Europa, früher durfte man den Satz nicht – wir waren die ersten, die dies getan haben, inzwischen folgen uns schon immer mehr Stimmen –, das die Migration und der Terrorismus Hand in Hand miteinander gehen. Dieser Bericht bestätigt das. Es ist offensichtlich, dass es eine Erscheinung gibt, nach der die Migranten immer aggressiver sind, häufiger Gewalt gegeneinander und auch gegenüber unseren Grenzschützern anwenden und mit immer rüderen Methoden über den die Grenze schützenden Zaun zu kommen versuchen, und hinter dieser Radikalisierung stecken in Wirklichkeit die Beauftragten, die Aktivisten von Terrororganisationen. Die Situation an unserer Südgrenze radikalisiert sich, verschlimmert sich also nicht von selbst und wird nicht von allein gewalttätiger, sondern diese wird von ausgebildeten Leuten angeheizt, gestaltet, organisiert. Das ist die wichtigste Bedeutung. Wenn man an die Migration denkt, dann gibt es einen Unterschied, ob man Kinder hat oder nicht, das ist meine Überzeugung. Wer keine Kinder hat, der denkt an die Migration als eine eigene persönliche Angelegenheit, ob er in einem Land leben möchte, in dem es auch Migranten gibt. Wer aber Kinder hat, und wir sind doch in der Mehrzahl, ich glaube, wir denken darüber nach, was für ein Land wir unseren Kindern hinterlassen. Und es gibt jene Eltern, die es nicht interessiert, dass sie die Familie verschulden, dass es in der Familie ein Durcheinander, ein Tohuwabohu, eine Unordnung gibt, die Kinder werden schon auf irgendeine Weise zurechtkommen, und es gibt Eltern, die der Ansicht sind, dass wir zumindest irgendeine Ordnung, die Chance auf ein gutes Leben unseren Kindern hinterlassen sollten. Und auch ich denke immer daran, und deshalb weiche ich auch nie auch nur einen Schritt zurück, also ich bin in der Angelegenheit der Migration nicht umzustimmen. Denn es ist nicht die Frage – ich bin 60 Jahre alt –, die Frage ist nicht, ob ich in den kommenden zwanzig-dreißig Jahren dann auf Migranten in Budapest stoße, sondern die Situation ist, dass wenn wir sie einmal hereinlassen, man sie nicht mehr hinaustun kann. Und das bedeutet, dass meine Kinder, nicht so wie ich, im Alter, sondern ihr ganzes Leben, und unsere Enkel und danach noch mehrere Generationen ihr Leben in einer Welt leben werden, die nicht gut, die unsicher sein wird, die voll mit Terrortaten, Kriminalität, Minighettos à la Ghaza voll sein wird, und das können wir, die jetzt erwachsen sind, noch verhindern, wir haben die Möglichkeit dazu. Das müssen wir tun, nicht nur wegen uns, sondern auch wegen unserer Kinder. Deshalb gibt es hier kein Pardon, ich verstehe also die Linke, die Linke Ungarns deshalb in der Hinsicht nicht, denn es kann zwar sein, dass wir in  konkreten Fragen nicht übereinstimmen, doch dass sie auf der Seite der Migration stehen und in Brüssel ständig für alles stimmen, was die Migration befördert, und ihnen nicht in den Sinn kommt, in was für einem Land auch ihre Kinder leben werden, das ist es, was ich nicht fassen kann. Meiner Ansicht nach müsste es in der Angelegenheit der Migration eine sehr breite nationale Einheit geben, die sagt, hier haben wir vor unseren Augen die Erfahrungen, es gibt eine einzige Medizin: Man darf sie nicht hereinlassen, denn das Hereinlassen der illegalen Migranten auf welche Weise auch immer, die Akzeptanz ihres Aufenthaltes hier führt dazu, dass man dann auch in Ungarn nicht in Sicherheit, ruhig, in Wohlstand, in Frieden wird leben können. In zahlreichen westeuropäischen Ländern ist dies schon so. Sie, sagen wir, starteten aus einer schwierigeren Lage, denn für die kolonialisierenden Länder rächte sich die Geschichte, denn aus der Kolonialisierung stammten wirtschaftliche Vorteile – deshalb sind sie auch reicher als wir –, doch zugleich hatte dies aus Folgen und seinen Preis: Sie mussten m it denen zusammenleben, die sie kolonialisiert haben, deshalb mussten sie sie in irgendeinem Maß in ihr Land hereinlassen. Dazu kam noch die große Welle, die Migrationswelle von 2015, das haben sie verfehlt, da haben sie sie hineingelassen und von da an war es vorbei. Von da an ist es nur noch eine mathematische Frage, wie sich der Anteil der im eigenen Land lebenden, verschiedenen Zivilisationen angehörenden Menschen im Verhältnis zur Reproduktion, der Bevölkerung, dem Kinderkriegen sich mathematisch ändern wird. Und dort sehen sie das Ende der Geschichte des eigenen Landes. Es gibt jene Länder, über die die heute dort Lebenden denken können, dass wenn sie sterben werden, wird jenes Land nicht mehr so sein, wie jenes, in dem sie geboren worden sind. Und das ist es, was man unbedingt vermeiden sollte, und hier möchten wir eine nationale Einheit schaffen, doch leider entsteht wegen der Opposition, oder ich würde eher sagen, wegen der Linken, aber den Jobbik zähle ich auch hierhin, dessen erster Mann jedes Mal für jede die Migration unterstützende Vorlage in Brüssel stimmt, kommt keine Einheit zustande, deshalb müssen wir, die Mehrheit, auf der Seite der ungarischen Interessen durchhalten.

Vor zwei Wochen, als wir uns in Brüssel unterhielten, sagten Sie, auch immer mehr führende Politiker der EU beginnen zu erkennen, mit welchen Problemen die Einwanderung verbunden ist. Doch was kann man tun, denn wir sehen, dass sie einerseits auch weiterhin kommen, sicherlich lässt dieser Bedarf auch die Situation entstehen, die an der Südgrenze sich herausbildet, und andererseits – worauf auch Sie hinweisen – wenn wir an die propalästinensischen Demonstrationen, die Gewalttaten gegen Juden denken, so zeichnet sich auch die Spannung immer mehr ab. Kann also z.B. der Migrationspakt, den man in Brüssel anzunehmen plant, eine Lösung hierfür bedeuten oder sollte man eher den Grenzschutz verstärken?

Ich danke dem lieben Gott dafür, dass ich nicht darüber nachdenken muss, was in einem Land getan werden muss, in dem schon eine 10-20 Prozent der Bevölkerung ausmachende Migrationsgemeinde oder -gemeinschaft lebt, denn ich weiß nicht, ob ich die Antwort auf so eine Situation finden würde oder ob wir sie gemeinsam finden würden. Wir müssen dafür dankbar sein, dass wir bei Verstand waren und das Herz am rechten Fleck hatten, als das nötig war. Also als ganz Westeuropa darüber sprach, dass der Migrant schön sei, dass das Zusammenleben mit ihm lauter gute Dinge mit sich bringen werde, dies in Wirklichkeit Vorteile besitze, dass ein moralischer und erhabener Mensch nur für die Migration argumentieren könne, ich habe diese Argumente selbst auf christlicher Grundlage gehört, da war es nötig, vernünftig zu sein und das Herz am rechten Fleck zu haben. Und da war es auch. Denn sonst wären wir heute in der gleichen Lage wie die Westler. Ich weiß nicht, was die Lösung ist. Aber das ist auch nicht meine Aufgabe. Und es ist auch nicht unsere Aufgabe. Wenn wir irgendeine gute Idee haben werden, helfen wir ihnen gerne. Unsere Aufgabe ist es, dass wir, die wir diesen Fehler nicht begangen haben, nicht in die gleiche Lage geraten sollen wie sie, mit anderen Worten heißt dies, wir dürfen nicht zulassen, dass man uns eine Politik aufzwingt, die sie kaputtgemacht hat. Der wahre Widersinn in dieser Sache ist nicht, dass sie es falsch gemacht haben und wir richtig, sondern der Widersinn in dem Ganzen ist, dass sie das, was sie falsch gemacht haben, uns aufzwingen wollen. Ich sage immer, dass wir ein Toleranzangebot haben. Das sage ich den Deutschen, den Franzosen, den Brüsseliten: „Ihr habt getan, was ihr getan habt, macht es so, wie ihr es machen wollt, wir wollen euch nicht sagen, ob dies gut oder schlecht ist. Wir bitten euch um eine Sache: toleriert, dass wir es anders machen. Weil das unser Land ist, das ist unsere Sache. Lasst uns zufrieden, ihr sollt uns nicht sagen wollen, wer sich in Ungarn aufhalten darf. Ihr sollt uns keine Migranten hierherschicken wollen, die zu euch hereinzulassen ein Fehler war und ihr sollt euch von ihnen nicht auf die Weise befreien wollen, indem ihr sie hierherschickt. Macht das nicht. Toleriert es, dass dies ein anderes Land ist, wir haben es nicht verfehlt, wir haben einen anderen Standpunkt, wir wollen auch nicht so werden wie ihr. Wir wollen keine Mini-Ghazas in den Bezirken von Budapest und wir wollen keine Terrorangriffe sowie Bandenkriege und all das, was wir in den westeuropäischen Großstädten sehen.“ Das Problem ist, dass sie das nicht akzeptieren. Sie weisen also das Toleranzangebot Ungarns regelmäßig zurück und sie sagen, es muss in ganz Europa eine einheitliche Migrationspolitik geben und diese muss so sein, wie in der westlichen Hälfte von Europa. Deshalb wollen sie jetzt ihre eigenen Migranten hierherschicken, sie wollen uns zur Errichtung von Migrantenghettos zwingen und sie lassen ein Recht Brüssels darauf entstehen, unter Hinweis auf eine Gefahrensituation jederzeit eine unbegrenzte Zahl an Migranten hierher nach Ungarn zu schicken. Jetzt muss man dagegen kämpfen. Das ist ein großer Kampf, ich führe diesen Kampf seit sehr langer Zeit. Das Land steht meiner Ansicht nach gut in diesem Kampf, doch ist das ein sich erneuernder Kampf. Die größte Auseinandersetzung der vor uns stehenden Monate wird das sein, auch bei den europäischen Wahlen – die im kommenden Juni stattfinden werden – geht es auch darum, ob wir eine Veränderung in Brüssel erreichen können, denn in Brüssel ist eine Veränderung nötig, die mit dieser die verfehlte, schlechte Migrationspolitik uns aufzwingen wollenden Annäherung aufhört. Wenn wir im Rahmen der Nationalen Konsultation die Bekräftigung auf die Weise erhalten, wie früher bei der Volksabstimmung, denn in dieser Angelegenheit gab es diese auch schon, dann wird meines Erachtens die ungarische Regierung durchhalten können. Das ist nicht einfach. Jetzt möchte ich nicht mit meinen eigenen Sorgen den Zuhörern ihren Morgen verderben, doch dort läuft ein großer Kampf unter dem Tisch, unter der Wasseroberfläche, wie bei einem Wasserballmatch, da gibt es alles, was Sie sich vorstellen können, jedwede politischen Mittel werden eingesetzt, um jene Länder, Polen, Ungarn, dazu zu zwingen, die schlechte Migrationspolitik zu akzeptieren, die dies im Übrigen nicht wollen. Da muss man durchhalten. Ich freue mich, wenn ich dazu eine Hilfe erhalte und die Nationale Konsultation stellt eine große Hilfe dar.

Wie Sie erwähnt haben, ist also auch die Migration das eine Thema der Nationalen Konsultation, und Sie haben ja mehrfach betont, dass man in Brüssel eine Veränderung erreichen müsse, spätestens bei den Wahlen im kommenden Jahr zum Europäischen Parlament. Kann hierzu auch die Nationale Konsultation ein Instrument sein, deren Fragebögen bald postalisch versandt werden?

Wir verfügen über zwei Mittel. Zuerst einmal gibt es die Nationale Konsultation und die nationale Einheit. Es gibt einen Zweifrontenkampf: Man muss an unseren Südgrenzen den Zaun schützen und die Grenzen des Landes im wahrsten Sinne des Wortes, und wir müssen unsere Positionen, unseren Standpunkt in Brüssel verteidigen. Das ist der eine Kampf. Der andere ist, dass wir ständig auch die ungarischen Rechtsvorschriften untersuchen müssen, denn so wie der Druck zunimmt, der Migrationsdruck, so muss sich dem auch das ungarische Rechtssystem anpassen. Was bisher bestand oder was bisher besteht, die Rechtslage, diese war bisher geeignet. Sie ging gut mit der Krise von 2015 um, sie war ein gutes Instrument im Kampf in den Schlachten mit Brüssel, doch der Migrationsdruck nimmt zu und da muss man die Rechtsvorschriften strenger gestalten. Es ist also eine strengere Herangehensweise im ausländerbehördlichen Bereich notwendig. Bisher haben wir das so gemacht, dass wir immer durch die Modifizierung des alten, ich glaube 17-18 Jahre alten ausländerbehördlichen Gesetzes strengere Regeln eingeführt haben, doch das wäre jetzt schon eine Pfuscharbeit, die Flicken sind schon mehr als das Kleid selbst. Also müssen wir deshalb ein neues ausländerbehördliches Gesetz schaffen, das strenger als das frühere ist, das klar bestimmt, wer mit welchem Rechtstitel sich in Ungarn aufhalten darf, und dahinter auch eine starke zwingende ausländerbehördliche Kraft setzt, damit man über jeden, der sich in Ungarn aufhält, weiß, mit welchem Rechtstitel er sich wie lange hier aufhalten darf, denn ansonsten werden sie im Übrigen uns das eigene Wohnrecht im Land streitig machen. Also Ungarn gehört den Ungarn, die Arbeitsplätze stehen den Ungarn zu, die Regeln, wie wir in diesem Land leben, müssen die Ungarn festlegen, und ein diesem Zweck dienendes, dies unterstützendes neues ausländerbehördliches Gesetz ist notwendig, das wir dem Parlament auch vorgelegt haben, wir werden es noch in diesem Jahr annehmen.

Wenn wir auf die Nationale Konsultation zurückkommen, worin konkret erwartet die Regierung eine Bekräftigung? Wir kennen ja die Themen, jetzt wird langsam jede Frage klar, doch was ist das konkrete Ziel, das man damit wird erreichen können?

Einheit. Das nennt man Einheit. Das hier ist nicht die halbe Stunde der ihre Profession verfehlten Philosophen, deshalb will ich auch gar nicht irgendwelche philosophische Ausführungen machen, aber die Macht und das Wesen des Gemeinschaftslebens eines Staates ist die Fähigkeit des gemeinsamen Handelns. Die Macht ist also dazu da, man gibt sie über Wahlen bestimmten Menschen, damit sie diese Mittel, die Machtmittel dazu benutzen, damit in den wichtigsten Fragen einheitliche Meinungen entstehen und danach im Spiegel der entstandenen Meinungen ein dementsprechendes gemeinsames Handeln entsteht. Das Wesen der Macht ist die Fähigkeit des gemeinsamen Handelns. Die Volksabstimmung, die Parlamentswahlen, die Nationale Konsultation geben alle bzw. bekräftigen die Fähigkeit des gemeinsamen Handelns für Ungarn. Das ist der Sinn der Konsultation.

Na, aber wenn wir diesen Gedanken weiterführen, dann bedeutet dies, dass Brüssel derzeit seine Macht nicht richtig nutzt?

Schauen Sie, man kann an verschiedenen Horizonten messen, ob eine derart komplizierte Organisation wie Brüssel seine Macht richtig nutzt. Es gibt einen historischen Horizont; wozu haben wir überhaupt die Europäische Union geschaffen? Wir haben sie gegründet, damit es Frieden und Wohlstand in Europa gibt. Heute gibt es Krieg in Europa, es gibt Unfrieden in Europa und im Wettlauf der großen Wirtschaftsblöcke der Welt, China, Asien, Vereinigte Staaten, sind wir zurückgeblieben. Also das, was heute geschieht, ist nicht das, wofür wir die Europäische Union geschaffen haben. Deshalb haben wir ein historisches Argument, warum unbedingt eine Veränderung in Brüssel notwendig ist. Doch hinzu kommt noch, dass die Brüsseler Führung derart falsche konkrete Entscheidungen trifft, deren nachteilige Auswirkungen wir alle erleiden. Ein Beispiel dafür ist die Migration. Doch gibt es hier noch einige andere, jetzt geht es gerade um die Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union, es geht um das Verhältnis zum ukrainisch-russischen Krieg, hier sind überall falsche Entscheidungen getroffen worden. Jene Führung, die es heute in Brüssel gibt, erfüllt die Aufträge einer globalistischen Elite, sie sind also nicht unsere Leute. Also wenn wir in den Berichterstattungen die Brüsseler Bürokraten sehen, da sollte kein einziger Ungar glauben, diese seien jene, die wir dorthin platziert hätten und sie würden unseren Interessen dienen. Das sind Leute, die nicht das tun, was wir möchten. Und nicht nur nicht das tun, was die Ungarn möchten, sondern auch das nicht, was die europäischen Menschen im Allgemeinen möchten. Die Menschen wollen keine Migration. Sie wollen keinen Krieg, sie wollen keinen Unfrieden. Sie wollen einen gut geplanten grünen Übergang, keinen, der ihre Industrie kaputtmacht. Ich kann unzählige Beispiele nennen. Also ich kann mit Sicherheit sagen, dass jene Führung, die heute in Brüssel ist, durch eine globalistische Elite, Finanzgruppen, große wirtschaftliche Gruppen als Geisel genommen worden ist, und ihre Entscheidungen sind motiviert durch die Interessen dieser Gruppen, und nicht durch das Interesse der ungarischen, deutschen, französischen oder etwa der italienischen Menschen. Deshalb muss man eine Veränderung erreichen. Nicht in der EU muss diese Veränderung erreicht werden, denn die EU sind ja wir, nicht wahr, das wäre ja ein Widerspruch. Was nötig ist, ist das notwendige Erreichen einer Veränderung in der Welt der Brüsseler Bürokraten, damit diese endlich das tun, was im Interesse der europäischen Menschen ist.

Sie haben die Ukraine zur Sprache gebracht und auch in der Konsultation wird es um die Unterstützung der Ukraine gehen, denn unter anderem bittet ja Brüssel unter anderem auch deshalb um zusätzliche Einzahlungen durch die Mitgliedsstaaten, um mit weiteren 50 Milliarden Euro die Ukraine zu unterstützen. Zugleich hat der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder unlängst in einem Interview darüber gesprochen, dass es bereits im März 2022 in Istanbul den Friedensplan gab, nur haben diesen die Ukrainer auf amerikanischen Druck hin nicht unterzeichnet. Wenn wir bis 2015 zurückschauen, dann gelang es damals noch auf den Vorschlag der deutschen Bundeskanzlerin und des französischen Präsidenten hin, das Minsker Abkommen abzuschließen. Fehlte im März 2022 seitens der europäischen Führer die Absicht oder die Kraft, damit es gelingt, etwas Ähnliches unter Dach und Fach zu bekommen?

Was der ehemalige deutsche Bundeskanzler sagte, ist in der Welt der Diplomatie eine allgemein bekannte Tatsache. Ich habe es nicht sehen können oder ich habe es nicht gesehen, dass dies die gerade amtierende deutsche Führung oder jemand bestätigt hätte, doch was der ehemalige Bundeskanzler sagte, der aber doch kein leichtgewichtiger Spieler ist, das sollten wir einsehen, ich habe vier Jahre lang mit ihm gearbeitet, er war mein Kollege zwischen 1998 und 2002, ich erinnere mich gut daran, Gerhard Schröder ist ein Schwergewicht, er redet also nicht einfach daher. Und auch wir wissen das aus allen möglichen Berichten und nachrichtendienstlichen Quellen, dass tatsächlich 2022 in Istanbul, wo alle möglichen verdeckten Verhandlungen liefen, die Vereinbarung im Wesentlichen fertig war, die – das sagt der diplomatische Tratsch – auf amerikanische Anweisung hin die Ukrainer nicht unterschrieben haben. Es wird sich eines Tages lohnen, wenn Historiker erkunden werden, wie die ganze Wahrheit mit all ihren Nuancen im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit aussah, doch ist sicher, dass Europa eine Richtlinie schon 2015, in der Zeit der Krimkrise, besaß, laut der man den Konflikt isolieren, ihn eindämmen muss. Es ist nicht in unserem Interesse, dass daraus ein großer gesamteuropäischer Konflikt wird. Es ist unser Interesse, dass daraus ein lokaler, ein russisch-ukrainischer, ein Konflikt zwischen zwei slawischen Völkern wird, zu dessen Eindämmung wir Hilfe leisten. Das war das Abkommen von Minsk. Die Amerikaner sind in dieses Match eingestiegen und seitdem ist nicht die Isolierung, die Lokalisierung, die Abgrenzung die Richtlinie, sondern die Ausweitung. Immer mehr Akteure werden einbezogen, es werden immer mehr Waffen geliefert, immer mehr Geld wird ausgegeben, die Europäer nehmen immer mehr Kredite auf und schicken sie rüber in die Ukraine, ich muss also sagen: Der Konflikt globalisiert sich. Das ist meiner Ansicht nach nicht im Interesse Ungarns. Was im Interesse der Ukrainer steht, dies werden sie dann selbst entscheiden, doch ich riskiere die Aussage, dass es auch nicht das Interesse Europas ist, was geschieht: Es macht uns kaputt. Der russisch-ukrainische Krieg macht Europa kaputt. Das, was wir jetzt machen, ist nicht aufrechtzuerhalten. Man darf das nicht fortsetzen, deshalb hat Ungarn auch die Lieferung von Waffen nicht unterstützt und ich unterstütze auch jetzt nicht, dass wir das Geld der ungarischen Steuerzahler in die Ukraine schicken sollen. Humanitäre Hilfe leisten wir gerne, denn auch wir sind Menschen, wir haben ein Herz, wir sind ein christliches Land, wo man helfen kann und muss, dort helfen wir, aber dass wir den ukrainischen Staat finanzieren sollen, dass sie mit aus unserem Geld gekauften Waffen kämpfen sollen, das hätte für Ungarn sehr schwerwiegende, mit dem wirtschaftlichen Bankrott gleichbedeutende Folgen. Deshalb gebe ich dazu nicht meine Zustimmung, solange es eine nationale Regierung gibt, wird dies auch nicht geschehen.

Als wir uns zuletzt über die ungarische Wirtschaft unterhielten, da sagten Sie, man müsse sich jetzt für das nächste Jahr auf das Starten des Wirtschaftswachstums konzentrieren, denn die Inflation wird bis zum Ende des Jahres unter 10 Prozent liegen. Und Gergely Gulyás sagte gestern auf der Regierungsinfo, dass ab dem Januar eine bedeutende Anhebung des Minimallohns kommen könnte. Kann dies dabei helfen, das Wachstum anzukurbeln?

Schauen Sie, um sinnvoll über das Jahr 2024 sprechen zu können müssen wir das Jahr 2023 auf eine gute Weise beenden. Und hier haben wir noch anderthalb Monate vor uns. Das werden zwei äußerst schwierige Monate für die ungarische Politik. Für die ungarischen Menschen vielleicht nicht, denn soweit ich das sehe, gibt es bereits seit dem September einen Anstieg der Reallöhne, und ich habe mit Überraschung einen Bericht der OECD gesehen – die doch die die entwickeltesten Länder der Welt umfassende Gemeinschaft ist –, der aussagte, nicht hinsichtlich der Löhne, sondern hinsichtlich des Realeinkommens habe es bereits im zweiten Quartal in Ungarn einen Anstieg gegeben. Hinsichtlich dessen habe ich meine Zweifel, aber da nicht wir das gesagt haben, sondern eine der angesehensten internationalen Organisationen, deshalb kann ich es keinesfalls außer Acht lassen. Doch die kommenden anderthalb Monate werden für die Politik schwierig sein. Denn hier sind jene schwierigen Fragen, über die wir zuvor gesprochen haben: Die Frage des Krieges, die Frage der Migration, in der aus Brüssel Attacken kommen, die man abwehren muss, und so ist auch die Frage der mit der Ukraine geführten, auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union abzielenden Verhandlungen, die man meiner Ansicht nach nicht beginnen darf, denn die Ukraine ist in keinerlei Hinsicht bereit dafür, um mit der Ambition der Mitgliedschaft in der Europäischen Union verhandeln zu können. Ich könnte auch mit dem ungarischen Sprichwort sagen, die Ukraine ist so weit von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union entfernt wie Makó von Jerusalem. Man darf die Verhandlungen nicht eröffnen, das ist der klare ungarische Standpunkt. Und hier sind ja auch die uns politische Dilemmata verursachenden Nachrichten aufgekommen, dass die Europäische Union Ungarn Geld schuldet, viel Geld, 3-4, vielleicht auch schon 5 Milliarden Euro. Das schulden sie uns, denn dieses Geld steht uns zu. Sie wollen es uns aus verschiedenen Gründen nicht geben. Es würde einer eigenständigen Sendung bedürfen, jetzt begebe ich mich nicht in diese Niederungen – wenn Sie erlauben –, aber es gibt diese Diskussion. Und ich möchte es klarstellen, dass die Ablehnung der Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union, die Ablehnung der Aufnahme der Verhandlungen stellt von ungarischer Seite keine Verhandlungsbasis dar. Man kann das mit keinerlei finanzieller Frage koppeln. Was sie uns schulden, müssen sie uns geben. Darüber kann man verhandeln, in budgetären Zusammenhängen kann man auch irgendeine Vereinbarung abschließen, doch die Finanzierung der Ukrainer, die an die Ukraine gesandten Gelder aus dem Haushalt, die Aufnahme der Verhandlungen mit der Ukraine, dieser gesamte Fragenkomplex kann nicht mit der Angelegenheit der Ungarn zustehenden Gelder verbunden werden. Ich bin aufs Schärfste dagegen, dass es zu irgendeiner Koppelung kommt. Wir drängen nicht auf so etwas, wir werden das auch nicht tun und akzeptieren das auch seitens Brüssels nicht. Das ist eine andere Geschichte, mit ihr muss anders umgegangen werden. Die mit der Ukraine zusammenhängenden Angelegenheiten erscheinen am Horizont der Zukunft, an dem historischen Horizont unserer Kinder, unserer Enkel, und man kann sie nicht mit taktischen, mit finanziellen Fragen verknüpfen. Nun, wenn wir all das hinter uns haben werden und wir das in den anderthalb restlichen Monaten des Jahres gelöst haben werden, kommen dann die wirtschaftlichen Fragen. Und wie ich auf das Jahr 2024 blicke? 2023 hatte das Land und die Menschen, die Familien den Krieg, die durch die Sanktionen verursachte Energiekrise, die unwahrscheinlich hohe Inflation und alle Lasten dieser Dinge am Hals. In solchen Situationen muss man entscheiden, wozu man sich verpflichtet. Ich mag ab ovo in der Politik den Ausdruck „etwas versprechen“ nicht, weil das eine so verdächtige Sache ist; der Politiker soll nicht versprechen, sondern sich zu Dingen verpflichten, denen einen Termin zuordnen, und dann schauen wir, ob er das erfüllt hat – der Ungar mag diese Annäherung mehr. Wir haben uns zu drei Dingen für das Jahr 2023 in der Wirtschaft verpflichtet. Dass der Wert der Rente der Rentner keinen einzigen Forint abnehmen darf, das werden wir verteidigen. Dass wir die Arbeitsplätze verteidigen werden. Und da der Kampf gegen die Inflation die Kräfte der Notenbank überstieg, hat die Regierung sich dazu verpflichtet, statt der Notenbank – seien wir höflich: lieber „neben“ – der Notenbank die Inflation bis zum Jahresende auf ein einstelliges Maß zu reduzieren. Wir haben uns in der Wirtschaft zu drei Dingen verpflichtet, wir haben alle drei Verpflichtungen erfüllt. Jetzt ist die Frage, wozu wir uns für 2024 verpflichten. Für das Jahr 2024 ist, wozu wir uns verpflichten und was wir auch erfüllen können, dass wir das Wirtschaftswachstum wieder aufrichten, denn im Jahr 2023 ist das Wirtschaftswachstum auf Null zusammengeschrumpft, oder ist vielleicht noch weiter darunter gefallen, das werden wir dann am Ende des Jahres genau sehen. Also 2024 müssen wir das Wirtschaftswachstum wieder aufrichten. Das Wirtschaftswachstum ist eine gute Nachricht. Das Wirtschaftswachstum ist mit dem Schutz der Arbeitsplätze, ja sogar der Zunahme der Arbeitsplätze verbunden und das Wirtschaftswachstum bringt Lohnerhöhung, es bringt den Anstieg des Lebensniveaus. Deshalb müssen wir im Jahr 2024 schon über das Wachstum den Familien eine ernsthafte Hilfe geben. Und die Erhöhung des Minimallohns, die Erhöhung des Lohns der Facharbeiter, der Start des „Csok Plusz“, das sind alles schon Angelegenheiten, die zum Jahr 2024 gehören, bei denen allen es darum geht, wie sich die Situation Ungarns, die der ungarischen Wirtschaft, und dadurch die der ungarischen Familien und der ungarischen Menschen 2024 verbessern soll. Dazu besteht eine reale Chance, dazu verpflichte ich mich, dazu verpflichten wir uns, dass wir 2024 das Wirtschaftswachstum wiedererrichten.

Wir haben nur noch wenig Zeit, doch wie kann es sich auf die Situation der Familien auswirken, wenn – wie die Regierung darauf aufmerksam macht – man von Brüssel aus versuchen würde, die Senkung der Nebenkosten, den Zinsstopp und die Extraprofitsteuer abzuschaffen?

Brüssel hält ja ein Instrument in den Händen, das in der komplizierten Sprache der Eurokraten einen unaussprechbaren Namen besitzt, doch das Wesentliche ist, dass wenn sie den Eindruck haben, bestimmte Wirtschaftsdaten, vor allem zwei – das Maß der Staatsverschuldung und das Maß des Haushaltsdefizits – würde sich nicht gut gestalten, dann können sie Vorschläge für bestimmte Maßnahmen machen, und wenn ein Mitgliedsstaat die Vorschläge nicht akzeptiert, dann verfügen sie über Instrumente, um diese trotzdem von ihm zu erzwingen. Jetzt wissen diese armen Brüsseler, die so weit von hier entfernt sind, dass sie keine Ahnung vom ungarischen Leben und den Gesetzmäßigkeiten der ungarischen Wirtschaft haben, nur so viel über das ungarische Leben wissen, wie das aus den Zahlen, aus den Papieren ablesbar ist, und das ist nicht identisch mit unserem Leben. Wir haben eine Wirtschaftsgeschichte, aufgrund der wir genau wissen, wie man – sagen wir – das Wirtschaftswachstum wieder steigern, die Staatsverschuldung, das Haushaltsdefizit senken muss usw. Sie betrachten uns aus der Ferne, legen sich die Zahlen vor und machen Vorschläge. Nun gibt es unter den Vorschlägen auch solche, die treffend, die gut sind, die wir mit Freuden annehmen, vielen Dank. Und es gibt solche, die das Leben der ungarischen Familien ruinieren. Jetzt haben sie mindestens drei solche Vorschläge: Wir sollen die Extraprofitsteuer, die Unterstützung der Nebenkosten und den Zinsstopp einstellen. Doch das ruiniert das Leben der ungarischen Familien. Hier müssen wir widerstehen. Also werden wir auch in wirtschaftspolitischen Fragen eine große Diskussion haben. Das wird eine lange Diskussion werden, das ist nicht die Angelegenheit der kommenden anderthalb Monate, das wird eher die große Frage des Zeitraumes zwischen Januar 2024 und September 2024 sein, doch hängt sie mit den im Juni anstehenden europäischen Wahlen zusammen. Mit einer guten, verständigen, mit beiden Beinen auf dem Boden stehenden europäischen Führung können wir in beinahe allen Fragen zu einer Vereinbarung gelangen, doch ist das nicht die gegenwärtige Führung. Diese muss abgelöst werden, und eine neue, für Ungarn glücklichere, bessere und freundschaftlichere Führung der Europäischen Union in Brüssel ist nötig.

Über die Migration, die Nationale Konsultation, über die Ukraine und auch die Lage der ungarischen Wirtschaft befragte ich in der vergangenen halben Stunde Ministerpräsident Viktor Orbán.

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