Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Im Juni sind die Verdienste in Ungarn um 16 Prozent gestiegen – das teilte diese Woche das Zentralamt für Statistik mit –, was bedeutet, dass die Reallöhne in jenem Monat noch abgenommen haben, die Inflation betrug da nämlich noch 20 Prozent, obwohl sie einen Monat später bereits unter 18 Prozent abnahm. Vorerst ist also das Geld der Ungarn noch weniger wert als vor einem Jahr. Doch wie lange bleibt das so? Auch darüber befrage ich den Gast in unserem Studio, Ministerpräsident Viktor Orbán. Guten Morgen!

Guten Morgen! Wenn es um die Löhne geht, dann gelten die Gesänge der Fankurve: „Einer, einer, einer geht noch rein!“ Ungarn besitzt historische Nachteile. Die Jüngeren, die jüngeren Zuhörer erinnern sich nicht daran, doch 1990, als es gelang, die Kommunisten zu vertreiben und die staatliche Wirtschaft zu liquidieren, haben wir uns auf das privatwirtschaftliche System, nennen wir es eine kapitalistische Wirtschaft umgestellt und damals stellten sich die Löhne auf einem extrem niedrigen Niveau ein. Also 1990 haben bei der Umstellung die ungarischen Familien sehr viel gelitten, sie hatten mit sehr vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und die Löhne starteten von sehr tief unten. Wir haben also einen ganz bis 1990 zurückreichenden großen historischen Rückstand, deshalb kann das Maß der Lohnerhöhungen niemals genug sein. Vielleicht werden unsere Kinder schon sagen können, dass sich die Möglichkeit für eine besonnenere Lohnpolitik eröffnet, doch unserer Generation erklärt man das vergebens, wir werden immer daran denken, dass „Na, aber die Österreicher, na, aber die Deutschen“, es gibt hier einen historischen Rückstand. Es ist eine andere Sache, dass bei den Lohnerhöhungen die Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern eine Übereinkunft treffen müssen, weil wenn das eine falsch getimte Sache ist, also wenn die Lohnerhöhung falsch getimt ist, dann kann das Arbeitslosigkeit verursachen. Deshalb ist es eine richtige Sache, was die bürgerliche Regierung macht, dass wir die Verhandlungen, die Übereinkunft der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer unterstützen, und wenn es nicht irgendeinen großen Fehler gibt, dann mischen wir uns nicht ein, sondern akzeptieren lieber ihre Vereinbarung. Soviel zu den Löhnen. Nun, Sie haben genau formuliert, im Monat Juli lag, obwohl die Lohnerhöhung von zehn und einigen Prozent hoch war, lag das Tempo des Wertverlustes des Geldes noch höher, also vorerst sind wir noch nicht raus aus dem Schlammassel. Der August wird der Monat sein, soweit ich das sehe, in dem es zur Veränderung kommen wird. Ich sehe die Daten der ersten beiden Wochen, der ersten beiden Wochen des August. Soweit ich das sehe, wird die Inflation im August etwa 16-16,1 Prozent betragen und der Anstieg der Löhne erreicht da schon dieses Niveau oder kann es überschreiten. Unsere Hoffnung ist – was heißt hier Hoffnung? –, wir arbeiten unnachgiebig dafür, die Inflation nach untern ziehend und die Löhne hinaufschiebend, dass nach dem August die Löhne das Tempo des Preisanstiegs einholen sollen. Wir werden einen harten Herbst haben, dafür wird man viel tun müssen. Niemand kann schon jetzt ein Ergebnis verkünden, wir werden im Dezember sehen, doch hoffe ich sehr, dass der Lohnanstieg und das Maß der durchschnittlichen jährlichen Inflation nah beieinander liegen werden. Ich betrachte diese Sache auch deshalb als meine Herzensangelegenheit, um noch eine weitere historische Dimension zu eröffnen, die Dimension eines kürzeren Zeitraumes, denn wir haben ja 2010 die Wahlen gewonnen, damals sind wir zurückgekehrt, die nationale Regierung entstand damals, da sind zwei Jahre damit vergangen, dass wir die Trümmer weggeräumt und das durch die Sozialisten hinterlassene Chaos liquidiert haben, und seit 2012 hat sich das stabile Wirken der Wirtschaft eingestellt. Und wie ich mich erinnere, hatten die ungarischen Familien seit 2012 – und das sind schon elf Jahre! – kein Jahr, vielleicht nicht einmal ein Quartal hatten, in denen die Preise schneller gestiegen wären als die Löhne. Natürlich verspüren die Menschen häufig das Gegenteil dessen, doch ist die Wirklichkeit, dass es in Ungarn seit zehn und einigen Jahren, seit elf Jahren keine sinkenden Reallöhne gab. Im Gegensatz dazu gab es sie in der ersten Hälfte dieses Jahres, in bedeutendem Maß. Das hat das Budget der Familien zerrüttet, hat eine schwierige Situation verursacht. Die Energiepreise sind weltweit gestiegen, es kamen die Sanktionen, das hat die ungarischen Preise hochkatapultiert und damit konnten die Löhne nicht Schritt halten. Das erste Halbjahr war sehr schwer. Deshalb ist es wichtig, dass das zweite Halbjahr das erste Halbjahr korrigiert.

Wenn wir die langfristigen Ziele betrachten, dann sagten Sie vergangene Woche, bis zum Ende des kommenden Jahres könnten hinsichtlich der Inflation selbst 5 Prozent realistisch sein. Und Sie haben in den vergangenen Wochen auch darüber mehrmals gesprochen, dass man gegenüber den mit den Preisen spekulierenden Multis auftreten müsse, denn sie seien die Ursache dafür, dass die Inflation so hoch ist. Kann man dies auch langfristig tun, denn mit Kontrollen kann man dies sicherlich von Zeit zu Zeit zurückdrängen, doch was kann man damit langfristig anfangen?

Die Preiserhöhungen umfassten einen Teil, also ein bestimmtes Maß der Preiserhöhungen war erklärbar. Ungarn importiert ja die Energie aus dem Ausland, Öl, Gas, und wegen des Krieges traten Versorgungsstörungen auf. Die EU, Brüssel hat Sanktionen eingeführt, und beides zusammen hat die Energiepreise in den Himmel hochschießen lassen. Jetzt versuche ich, da dies sehr große Zahlen sind, die Haushalte arbeiten nicht mit solchen Zahlen, ich versuche so zu reden, damit wir alle verstehen, worum es geht. Sagen wir, im vergangenen Jahr hat Ungarn für die gleiche Menge an Gas und Öl wie jene im Vorjahr um 4.000 Milliarden Forint mehr gezahlt. Viertausend Milliarden! So, dass nichts passiert ist, wir haben nichts getan, wir haben nichts verursacht. Also war innerhalb der ungarischen Wirtschaft nicht geschehen, was dies begründet hätte, nur aufgrund äußerer Faktoren. 4.000 Milliarden Forint sind aus der Wirtschaft fortgegangen. Wenn diese hier gewesen wären, dann hätte man daraus Unterstützungen für die Familien, Löhne, Entwicklungen geben bzw. starten können, doch ist es eben nicht so gekommen. Das ist die Situation, der wir ins Auge blicken müssen. Und es gab einen Anteil an den Preiserhöhungen, besonders in den vergangenen Monaten, die ich nicht mehr als begründet ansah. Die Preise entstehen ja doch im Handel. Irgendjemand muss den Handel organisieren. Und das ist eine natürliche Erwartung seitens der Händler, dass sie einen in Relation zu ihrer Arbeit stehenden, anständigen Profit haben sollen. Meiner Ansicht nach gibt es also in Ungarn keine gegen den Markt gerichtete Stimmung, die Menschen verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert, und niemand glaubt, dass irgendwer umsonst arbeiten müsste, man muss eben jedem seine Arbeit bezahlen, auch die des Händlers muss bezahlt werden. Das bedeutet einen anständigen Profit. Doch in den vergangenen Monaten haben wir die Erfahrung gemacht, besonders bei den großen ausländischen Ketten – nennen wir sie der Einfachheit halber „die Multis“ –, dass sie das Preisniveau viel höher hielten, als was aus dem Blickwinkel des anständigen Profits möglich oder annehmbar gewesen wäre. Deshalb habe ich sie Preisspekulanten genannt. Sie hatten also ausgesprochen das Gefühl, dass jetzt die Preise sowieso losgaloppiert sind, da könne man noch ein bisschen etwas drauflegen, die Menschen werden das noch schlucken, wenn der Preis des einen oder des anderen Produktes um eine ganze Menge von Prozenten höher liegen wird, als das begründet gewesen wäre. Und dagegen muss man sich verteidigen. Und hier helfen fromme Wünsche nichts, denn es geht um Geld, und sicherlich ziehen es auch die preisspekulierenden Multis vor, lieber mehr zu verdienen als weniger, also wird es sehr schwierig, ihnen das auszureden. Die Welt wäre schön, wenn sie auf diese Weise funktionieren würde – sie tut es nicht. Hier musste die Regierung also Zähne, Stärke, die Klauen zeigen und ganz einfach gegen die Preisspekulanten auftreten, denn in dem Zustand der auch im Übrigen leidenden Familien sowie der ungarischen Wirtschaft standen wir ganz einfach unfairen, inakzeptablen, wütend machenden, empörenden Fällen gegenüber. Deshalb haben wir dem Kartellamt Zähne und Klauen verliehen, haben einige Regeln aufgestellt und das hat auch sein Ergebnis gezeigt. Und um abschließend nach diesen langen Ausführungen auf Ihre Frage zu antworten, bleiben dem Kartellamt jene Möglichkeiten für das kommende Jahr, mit deren Hilfe es ihm dieses Jahr gelungen ist, die Inflation und die Preise zu bremsen. Also wird die Anwesenheit des Kartellamtes im ungarischen Handel ständig sein, damit die Multis nicht noch einmal diesen Trick der Preisspekulation anwenden können.

Wenn wir den restlichen Teil dieses Jahres und das Jahr 2024 betrachten, welche Ziele verfolgt dann die Regierung noch über die Senkung der Inflation und die Anhebung der Realeinkommen? Denn obwohl das Land aus der Sicht des Arbeitsmarktes gut zu stehen scheint, scheint das GDP-Wachstum vorerst noch im Minusbereich zu liegen.

Wenn ich Ihrer journalistischen Logik folgen möchte, die das Wesentliche zu fassen versucht und im Gegenzug eine gewisse Vereinfachung akzeptiert, dann kann man entsprechend Ihrer Logik sagen, 2023 war das Jahr der Senkung der Inflation, 2024 wird das Jahr des Neustarts des Wirtschaftswachstums sein. Während wir hier gegen die Inflation gekämpft haben, wir haben hier am Hosenbein und dem Ärmel des Jacketts gezerrt, damit sie endlich niedriger wird, spielten sich in der Welt des Geldes Prozesse ab, die zur Erhöhung der Zinsen geführt haben. Und da die Zinsen der Kredite hoch sind, jetzt sollen die werten Zuhörer nicht an Ihre eigene Familienwirtschaft, also an Ihren Haushalt denken, sondern an die Welt der Unternehmen, in der die Arbeitsplätze und der Verdienst produziert wird, also die Zinsen der für die Unternehmer erreichbaren Kredite haben sich so gewandelt, dass die Wirtschaftenden diese nicht mehr auf verantwortungsvolle Weise nutzen konnten. Wenn es keinen Kredit gibt, dann gibt es kein Wachstum. Deshalb ist es 2024 die Aufgabe, dass der Neustart des Wirtschaftswachstums eintritt, hierzu sind Kredite mit niedrigeren, sinnvollen, deutbaren Zinsen nötig, und dann bekommt der Motor der Wirtschaft wieder Schwung. Davon werden wir meiner Ansicht nach bereits im dritten und vierten Quartal einen schönen Vorgesang bekommen, doch der wirkliche Schwung ist 2024 zu erwarten, 2024 ist also der Neustart des Wirtschaftswachstums das Ziel. Natürlich geht es sowohl bei der Wirtschaft als auch bei der Inflation in Wirklichkeit nicht um die Wirtschaft, sondern um die Menschen, was bedeutet, dass es die Wirtschaft gibt, damit die Menschen etwas haben, von dem sie leben können. Deshalb ist die Frage der Arbeitsplätze ein alle anderen Gesichtspunkte, auch die Inflation und das Wachstum übertreffender Gesichtspunkt, damit in Ungarn jeder Ungar arbeiten kann. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem unabhängig von Inflation und Wachstum, wir brauchen eine Wirtschaft mit der Logik, der Struktur – dies nennen wir im Übrigen auf „Arbeit basierende Wirtschaft“ –, in der jeder Ungar, der arbeiten will, auch arbeiten kann. Heute arbeiten 4,8 Millionen, d.h. 4 Millionen 800 tausend Menschen. Ich versuche mich jetzt zu erinnern, wie das 2010 gewesen war, als die Sozis die Laute niedergelegt haben bzw. das Volk sie die Laute hat niederlegen lassen, damals war es so, dass etwa 3,6-3,7 Millionen Menschen arbeiteten, jetzt arbeiten um eine Million mehr.

Sie erwähnten, dass die Nebenkostenrechnung oder Energierechnung des Landes im vergangenen Jahr um 4.000 Milliarden Forint höher war und in den vergangenen Wochen haben die Gaspreise erneut wieder zu schwanken begonnen und Experten warnen auch vor weiteren Preisbewegungen. Sind die Quellen zur Aufrechterhaltung der Senkung der Nebenkosten auch unter diesen Umständen vorhanden?

Der Finanzminister schwitzt Blut, ich behaupte auch nicht, dass er immer begeistert wäre, wenn er die Zahl sieht, was für eine Unterstützung wir im Interesse der Hilfe für Familien aus dem Budget unter dem Siegel der Senkung der Nebenkosten ausbezahlen. In den ersten sieben Monaten des Jahres haben wir den Familien 1.078 Milliarden Forint in Form der Senkung der Nebenkosten gegeben. Es steht nicht auf dem Lohnzettel der Menschen, vielleicht nicht einmal auf der Rechnung, also, der Gasrechnung, aber ich sage das immer, dass jede ungarische Familie in jedem Monat eine Unterstützung in der Höhe von 181 tausend Forint erhält, über den Lohn hinaus. Also wäre die Energierechnung um so viel, um 181 tausend Forint höher, wenn es keine Senkung der Nebenkosten gäbe. Deshalb ist es ein sehr großes Problem, dass die Europäische Union dies attackiert. Die EU ist mit dem System der Senkung der Nebenkosten nicht einverstanden, das in Ungarn existiert. Sie hält das für zu viel, ihrer Ansicht nach müsste man dafür weniger ausgeben, die Familien sollten mehr zahlen. Und sie will uns das aufzwingen. Sie schreibt uns alle möglichen Briefe, mit Drohungen, und so weiter. Wir müssen also ständig bzw. der Finanzminister muss kontinuierlich in Brüssel die ungarische Senkung der Nebenkosten verteidigen, denn wenn wir das nicht machen, dann werden die monatlichen Ausgaben je Familie sich monatlich um 181 tausend Forint erhöhen, was sie nicht werden bezahlen können. Ich verstehe natürlich, warum die Brüsseler das ungarische System irritiert. Das ungarische System stört sie, weil im europäischen Vergleich die Menschen in Ungarn die niedrigsten Strom- und Gaspreise zahlen. In ganz Europa! Es gibt nicht noch ein Land, in dem das Preisniveau derart niedrig wäre. Was aus dem Grund für andere Länder ein Problem ist, weil wenn man das hier machen kann, warum kann man es dann dort nicht tun? Hinzu kommt noch, dass wir auf die Weise am wenigsten zahlen, dass es zahlreiche Länder in der Europäischen Union gibt, die eigene Öl- und Gasfelder besitzen. Sie haben also eigene Energiequellen. Sie importieren nicht, so wie wir, denn wir importieren das alles so. Wir geben es auf die Weise billig, dass wir es teuer kaufen bzw. es so kaufen, wie das der Weltmarktpreis erlaubt, und der ist jetzt teuer. Die anderen haben eine eigene Förderung und trotzdem lassen sie ihre Bürger einen höheren Preis, mehr zahlen als wir. Worauf die Menschen sagen: „Na gut, aber wenn sie das in Ungarn hinbekommen, warum wird das, liebe Mitbürger, liebe Politiker, nicht hier bei uns gelöst?“ Und dann attackiert uns Brüssel, dass es die Ungarn nicht gut machen. Ich verstehe also, was ihr Problem ist, doch können wir darauf keine Rücksicht nehmen, also müssen wir gegenüber Brüssel die ungarische Senkung der Nebenkosten verteidigen.

Wenn Sie schon die Beschaffung der Energie erwähnt haben, so war es auch eines der besonders akzentuierten Themen des diplomatischen Hochbetriebs am vergangenen Wochenende, die Energiepolitik; einerseits der Einkauf und andererseits die Sicherung des Transports. Welche Ergebnisse gelang es, zu erreichen? Ist die ungarische Versorgung zu einem bezahlbaren Preis im kommenden Zeitraum gesichert?

Tatsächlich ist dazu, damit wir sinnvoll über den Preis der Energie und die Nebenkosten reden können, zunächst einmal Energie notwendig. Denn wenn es keine Energie gibt, dann zahlen wir logischerweise nicht für sie, doch dann bleibt das Land, bleibt die Wirtschaft und bleiben die Haushalte stehen. Also die Versorgungssicherheit, die Politik gebraucht dieses Rotwelsch, die Versorgungssicherheit geht allen Gesichtspunkten voran. Darin hat meiner Ansicht nach Herr Außenminister Szijjártó vollkommen recht. Es ist seine Sache, obwohl wir einen für die Energie verantwortlichen Minister haben, doch für den Einkauf der Energiequellen, für die internationalen Verhandlungen ist der Außenhandelsminister verantwortlich, der im Übrigen seine Sache bisher glänzend gelöst hat. Nun, jetzt wissen die Ungarn nicht viel darüber, weil früher die Situation einfach war, und jetzt ist sie kompliziert. Vielleicht erinnern sie sich an die einfache Situation: Wir haben mit den Russen eine Übereinkunft getroffen, von dort kam über die Ukraine, durch eine Pipeline das Gas, guten Tag, wir haben es bezahlt und alles war in Ordnung. Jetzt führt Brüssel gegenüber den Russen Sanktionen ein, wir mussten davon uns eine Ausnahme erkämpfen, und wir müssen diese noch über Jahre aufrechterhalten, andererseits stellen sich die Ukrainer quer, also da kommt das Gas in einer viel geringeren Menge, und jetzt haben sie gesagt, 2024 werde es überhaupt nicht mehr kommen. Und hier ist ja das Problem von Nord Stream, wo noch aus Russland Gas nach Europa kam, aber sie wurde ja gesprengt. Jetzt gehe ich auf den Detektivroman erst gar nicht ein, wer sie gesprengt hat, das weiß sowieso jeder, der diese Sendung hört, dass sie gesprengt worden ist, man hat sie gesprengt, man hat verhindert, dass aus Russland Energie in großer Menge nach Europa kommt. Was musste die ungarische Regierung tun, da wir auch weiterhin das Gas aus dem Import einkaufen? Wir mussten eine andere Route finden. Die andere Route kommt aus dem Süden. Und das erklärt auch die Gäste, jenen diplomatischen Hochbetrieb, den wir das Apropos der Weltmeisterschaft, der Leichtathletik-WM nutzend in den vergangenen Tagen ausgeübt haben. Über die Türkei fällt einem vieles ein, doch da die Türkei keine eigene Gas- und Ölförderung besitzt, denkt niemand an sie wie an einen Schlüsselakteur hinsichtlich der ungarischen Energieversorgung. Dabei ist das die Situation. Also in der Hand der Türkei ist der Hahn, über den wir früher gesagt hatten, er sei in der Hand der Russen und der Ukrainer, hat sich geändert. heute ist der Hahn in der Hand von Herrn Präsident Erdoğan. Alles Gas, das wir aus dem Süden importieren können, kommt durch die Türkei. Wenn er ihn schließt, gibt es kein Gas. Wenn er offen ist, gibt es Gas. Deshalb muss man mit den Türken unbedingt übereinkommen, man muss mit ihnen gut stehen, man muss den Respekt zeigen und man muss mit ihnen auch auf anderen Gebieten kooperieren, wenn wir wollen, dass wir eine für uns vorteilhafte energiepolitische Beurteilung erhalten. Also ist die Türkei das Schlüsselland. Und in die Türkei kommt jetzt die Energie zum Teil aus Aserbaidschan, auch der Präsident von Aserbaidschan war hier, auch Ungarn kauft übrigens von den Aserbaidschanern Gas und aus allen anderen Richtungen, selbst aus Russland kommt noch einiges in die Türkei. Die Turkmenen haben sich in der Situation wiedergefunden, dass sie früher das Gas – dort finden sich einige der größten Gasressourcen der Welt – nach China verkaufen konnten, da aber sich Europa vom russischen Gas abgekoppelt hat, ist das russische Gas nach China gegangen, deshalb hat auch Turkmenistan Störungen, Probleme, es will Gas nach Europa bringen, das kommt uns zupass, denn wir benötigen es. Und für wichtig halte ich in dieser Hinsicht jenes in Ausarbeitung befindliche große Programm, dass wir in Aserbaidschan in riesiger Menge elektrischen Strom produzieren würden, diesen können wir über Leitungen, über Leitungen unter dem Meer nach Europa holen, er kommt also aus Aserbaidschan nach Georgien, dort kommt es unter dem Schwarzen Meer hinüber nach Rumänien, und aus Rumänien nach Ungarn. Es gibt so eine, vier Länder beinhaltende Zusammenarbeit und den großen Plan, billig auch Strom – nicht nur Gas, sondern auch Strom – aus Richtung Aserbaidschan zu importieren. Und wenn jemand die Nachrichten der vergangenen beiden Wochen verfolgt hat, dann konnte er sehen, dass in Katar die großen Jungs einander die Klinke in die Hand gegeben haben, selbst der deutsche Bundeskanzler war gezwungen, dort hinzugehen, damit auch die europäischen Staaten von dem auf Schiffen transportierbaren Gas kaufen können. Auch ich habe in dieser Angelegenheit verhandelt, in drei Runden. Auf der Fußball-WM war ich auch da und habe sie hierzu genutzt, um mit dem Emir zu verhandeln, ich bin dieses Jahr im Mai dorthin gefahren, um einen Schritt in diese Richtung zu machen, und jetzt hat der Emir diesen Besuch erwidert, und wir sind darüber auch übereingekommen, auf welche Weise das Gas aus dem Katar auf Schiffen – das heißt über Kroatien – nach Ungarn gelangt.

Das hat man übrigens den Nachrichten der vergangenen Wochen und Monate ansehen können, dass sich praktisch das Interesse von ganz Europa der mittelasiatischen und nahöstlichen Region zugewendet hat, denn von dort versucht man die aus Russland entfallenden Energieträger zu ersetzen. Kann es irgendeinen Vorteil bedeuten, dass Ungarn im Rahmen der Öffnung nach Osten praktisch seine Verbindungen bereits seit mehr als zehn Jahren ausbaut?

Einen riesigen Vorteil. Ich habe immer… Wir haben wenig Zeit, ich will nicht vom Thema abkommen, aber ich sage immer, ein Land der Größenordnung Ungarns kann es sich nicht erlauben, dumm zu sein und es darf auch seine politischen Führer nicht aus diesem Kreis wählen. Wir haben das bereits versucht, aber es hat nicht funktioniert. Also bei einem Land der Größe Ungarns liegt seine Kraft in seinem Verstand, denn der Verstand bedeutet die Fähigkeit vorauszuschauen und schnell zu sein. Und wer früher sieht, was geschehen wird, wird früher verstehen, wird früher Pläne anfertigen, wird sich früher anpassen, wird einen Schritt voraus sein, z.B. im Vergleich zu den Großen. Tatsächlich beginnt jetzt Mittelasien aufgewertet zu werden. Ich erinnere mich daran, wie man auch schon in der ungarischen Presse seit Jahren darüber gespottet hat, was wir bei dieser Zusammenarbeit mit den Turkstaaten suchen. Warum zum Teufel müssen wir uns mit den Türken, den Aserbaidschanern, den Usbeken, den Kirgisen, den Turkmenen, den Kasachen anfreunden? Und es ist vollkommen offensichtlich, dass in dem kommenden Jahrzehnt diese Region eine bestimmende Rolle spielen wird. Nicht nur in der Energie – auch die ist wichtig –, aber, sagen wir, eine große ungarische Bank hat Besitz in Usbekistan. Und dort finden wir eine in gewaltigem Tempo sich wachsende Wirtschaft. Und da wir jetzt schon seit mehr als einem Jahrzehnt die beinahe schon als brüderlich zu bezeichnenden freundschaftlichen, auf die gemeinsame Herkunft, auf die gemeinsame Vergangenheit aufbauenden, also kulturell gut fundierten Beziehungen aufgebaut haben, bringen diese jetzt ihre Früchte. Also sind wir weiter voran, um mehrere Jahre, ja um ein ganzes Jahrzehnt, als andere, und aus dieser Schnelligkeit, diesem Vorausblicken entspringen sehr ernsthafte wirtschaftliche Vorteile für uns. Langsam und dumm dürfen nur die Großen sein, denn sie sind sowieso groß, sie werden das schon irgendwie hinkriegen. Doch in unserem Fall muss man ganz anders denken und man muss ganz anders handeln. Das gleiche finden wir auch in der Waffenindustrie. Wir haben jetzt eine gewaltige, eine der modernsten Waffen der Welt herstellende Fabrik in Ungarn übergeben. Wir haben nicht zu der Zeit mit der Entwicklung der Rüstungsindustrie begonnen, als der Krieg ausbrach, und jetzt jeder kopflos herumlief. Wir haben bereits 2016-2017 jene strategischen Vereinbarungen abgeschlossen, die jetzt schon auf dem Produktionsband ihre Verwirklichung erleben. Die Schnelligkeit, das Verstehen der Zukunft ist also eine wichtige Sache. Das ist eine schöne Aufgabe der ungarischen Politik, deshalb kann die Opposition in diesem Sinn zur Leistung des Landes beitragen, denn wenn man darüber nachdenken muss, was die Zukunft bringen wird, dann ist das keine Frage der Macht, das Denken ist keine Frage der Macht, sondern die von Ambition, Wünschen, Veranlassung. wer den Wunsch verspürt, die Welt zu verstehen, der kann an diesem Diskurs teilnehmen, der die vor Ungarn stehenden Möglichkeiten zu verstehen hilft. Und wenn uns die Opposition zu guten, niveauvollen Debatten verhilft – jetzt möchte ich darüber nichts sagen, ob dies auch so sich erfüllt, doch wenn dies gelänge –, dann tut dies insgesamt, trotz der Rolle und Wirkung der Diskussionen, die Stimmung zu verderben, dem Land gut.

Das Apropos für den diplomatischen Hochbetrieb lieferte im Übrigen die Leichtathletik-WM und Sie sagten die letzte Woche, Sportereignisse würden die Aufmerksamkeit der Welt lenken, und Budapest sei die Hauptstadt einer Nation, die man besuchen muss, das möchte Ungarn zeigen. Heute haben wir bereits den siebten Tag der Leichtathletik-WM. Sehe Sie Ihre Aussage bestätigt?

Es gibt geeignetere und berechtigtere Personen als mich, sich darüber zu äußern, meiner Ansicht nach wird es lohnenswert sein, den Präsidenten des Internationalen Leichtathletikverbandes und die Mitglieder des ungarischen Organisationskomitees anzuhören, denn sie verfügen über ausreichendes Material an Erlebnissen. Ich beobachte die Ereignisse, ich war auch draußen, ich verfolge jeden Tag, was geschieht. Was ich sehe, ist das Folgende. Die Anlage ist fantastisch. Und nicht nur weil sie impressiv ist oder einen großen Eindruck auf den Betrachter macht, sondern auch weil sie freundlich ist. Wenn also jemand draußen bei irgendeinem der Wettbewerbe war, so konnte er sehen, dass dort irgendwie am Tor die Böswilligkeit verschwindet, dabei laufen drin große Wettbewerbe, und irgendwie findet sich das Publikum und auch die Wettbewerbsteilnehmer in dieser Fairness, wegen der man den ganzen Sport erfunden hat, also in der Welt einer gentlemanlike Großzügigkeit wieder, in der wir uns über den Erfolg des anderen freuen. Natürlich auch über unsere eigenen, ich gratuliere Bence Halász und allen Mitgliedern der ungarischen Mannschaft, doch freuen wir uns auch über die Erfolge der anderen, über die Rekorde der anderen, wir freuen uns, hier sein zu dürfen, wir freuen uns, zusammen zu sein dürfen, der ganze Raum funktioniert aufgrund einer ganz anderen Logik als die Welt außerhalb des Athletikstadions. Soweit ich das also sehe, beweist diese WM, dass der Sport sehr hilfreich zur Lebensqualität der Menschen beitragen kann, nicht auf der Seite der Gesundheit, sondern auch auf der seelischen Seite, sie organisiert, sie errichtet eine Gemeinschaft, schafft gemeinsame Erlebnisse. Und meiner Ansicht nach gehört unser Stadion und auch selbst die Veranstaltung zu den besten der Welt. Ich habe den Eindruck, die Sportler verbreiten den guten Ruf Ungarns, also ich treffe nur auf ausgesandte Botschaften, wenn ich nachfrage, wie das Echo der WM ist, dass die Sportler selbst in Superlativen über Budapest, über die Ungarn reden. So etwas sehen wir selten, denn wir pflegen uns eher unsere Unvollkommenheiten und unsere Mängel vor Augen zu halten, doch stellt es sich heraus, das sagen uns jetzt die Ausländer, dass wir auch ein recht schönes Gesicht besitzen, wir können uns auch gut verhalten, sind gute Gastgeber. Das ist ein anständiges Land, in dem ein jeder gerne empfangen wird, es ist ein freundliches Land und, sprechen wir es ruhig aus, es ist ein Land, wo die christlichen Wurzeln der Liebe noch existieren, und deshalb können auch wildfremde Mitmenschen Teil des Lebens der ungarischen Gemeinschaft mindestens für die Dauer einer Woche werden. Das ist eine große Sache, das ist nicht in allen Ländern der Welt so. Und wenn ich das Ganze noch aus etwas größerer Ferne betrachte, diese ganze Errichtung der Sportanlagen, die Sportdiplomatie, dann sehe ich, dass die Welt tatsächlich hierherschaut, aber ich sehe auch, dass inzwischen auch das Leben außerhalb des Sports in diesen Anlagen läuft. Ich habe gerade nachgezählt, in diesem Jahr gab es mehr Konzerte in der Puskás Aréna, der Ferenc Puskás Aréna als Fußballspiele. Also jene Schwarzmalerei, dass das hinausgeworfenes Geld sei und es nur um den Sport ginge und nur das Hobby einiger Menschen sei, den Ministerpräsidenten hier mit inbegriffen, ist ganz einfach nicht wahr, denn diese gemeinschaftlichen Räume dienen unabhängig vom Sport allen gutwilligen ungarischen Menschen, bieten kulturellen Events, Konferenzen, riesigen Veranstaltungen einen Schauplatz. Der Strom der kulturellen Vorstellungen der westlichen Welt bleibt nicht bei Wien stehen, der kommt jetzt schon bis nach Budapest.

Über die Inflation, den Anstieg der Löhne, den diplomatischen Hochbetrieb der letzten Tage und auch die Leichtathletik-WM befragte ich Ministerpräsident Viktor Orbán.

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