Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Der Frieden war die wichtigste Botschaft im Laufe des dreitägigen apostolischen Besuchs von Papst Franziskus in Ungarn und nach seiner Rückkehr nach Rom hat sich das Haupt der katholischen Kirche auch zu einer Friedensmission entschlossen. Wie lang der Weg dorthin ist, ist vorerst ungewiss, denn gestern startete eine weitere amerikanische Waffenlieferung in die Ukraine und es kann auch ein Zeichen der Ausweitung des Krieges sein, dass vorerst Unbekannte mit Hilfe eines Drohnenangriffs auf den Kreml den russischen Präsidenten eliminieren wollten. Ministerpräsident Viktor Orbán ist unser Gast im Studio. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!

Guten Morgen! Ich grüße die Zuhörer.

Die westlichen führenden Politiker betonen ja tagtäglich, dass die Ukraine in diesem Krieg siegen muss. Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung und der darüber angefertigten Bilder: Was wäre überhaupt ein Sieg für die Ukraine? Wie sehen Sie das?

Bereits beim Ausbruch des Krieges war es schon der ungarische Standpunkt, dass dieser Krieg wohl kaum einen Sieger haben wird. Er wird Verlierer haben, aber keinen Gewinner. Einerseits stößt Russland an eine Mauer, diese ist, dass die NATO die Ukraine mit Waffen und Geld versorgt, und es hängt nur von den Westlern und von Amerika ab, wie lange sie und wieviel Geld sie bereit sind auszugeben. Und es ist sehr schwer, die modernen westlichen Waffensysteme und den Haushalt der zur Finanzierung beinahe unbegrenzt gewillten Vereinigten Staaten zu besiegen. Und auf der anderen Seite ist da Russland, das ein Land mit einer Bevölkerung von 140 Millionen Menschen ist, viel größer als die Ukraine, viel mehr Menschen, viel mehr Soldaten, eine viel kräftigere traditionelle Bewaffnung und die Atomwaffen. Das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Ich besitze keine so rege Fantasie, um mir vorstellen zu können, dass jemand in der Lage ist, eine Atommacht zu besiegen. Also zu glauben, die Russen würden mit in den Schoß gelegten Händen zuschauen, wie sie besiegt werden, wie ihr politisches System zusammenbricht, man ihren Präsidenten umbringt, einen Drohnenangriff über dem Roten Platz startet, also dass sie das dann tatenlos beobachten und sich mit einer militärischen Niederlage abfinden werden, wer das glaubt, der ist dem Kindesalter noch nicht entwachsen. Also so etwas gibt es im Märchen, in der Wirklichkeit gibt es das nicht. Deshalb war es am Anfang klar, dass trotz der großen Versprechen dies ein Krieg sein wird, der nur Verlierer haben wird. Eine ungeheure Zerstörung, ein gewaltiger Teil der Ukraine wird dem Erdboden gleichgemacht, Waisen, Witwen, hunderttausende von Toten, nie mehr genesende Versehrte und verkrüppelte Menschen. Und ihre Zahl wächst von Tag zu Tag. Langsam sind schon die Friedhöfe voll, wir sehen die Berichte, wir verfolgen besonders die ungarischen Opfer, wir achten darauf, wer jene Ungarn sind, die im Karpatenvorland leben und die zur Armee eingezogen wurden und im Krieg gestorben sind. Auch hieraus ersehen wir, wie der Konflikt sich verbreitet und stärker wird. Dies wird also keine Gewinner besitzen. Wer davon spricht, der kennt die europäische Geschichte nicht und kennt nicht die grundlegenden militärischen Gesetzmäßigkeiten. Uns ist eine einzige Möglichkeit geblieben, zunächst einmal sollten wir uns freuen, dass es hier keinen Krieg gibt, sondern Frieden herrscht. Wir sollten uns freuen, dass wir es nicht zulassen, dass wir stark genug sind, um zu verhindern, dass man uns in diesen Krieg hineindrängt. Die Amerikaner möchten das. Man geht auf die Straße und man sieht, dass Amerika eine Kriegskampagne auf dem Gebiet Ungarns führt. Dies wäre im Übrigen eine Messe wert, hier, in unserem eigenen Land darf ein anderes Land in der Sache eines bewaffneten Konflikts eine Propagandakampagne durchführen und die ungarischen Gesetze ermöglichen das. Klammer zu. Auch darüber werden wir nachdenken müssen. Man will uns also vergebens in diesen Krieg drängen, wir werden nicht an ihm teilnehmen, das ist nicht unser Krieg, und wir werden alles im Interesse dessen unternehmen, damit es möglichst rasch einen Waffenstillstand gibt und Friedensverhandlungen beginnen, denn anders kann man nicht das Leben von vielen zehn- oder hunderttausend Menschen retten. Hinzu kommt noch, dass jetzt ein jeder erwartet, der Konflikt werde sich eher intensivieren, denn ein jeder spricht über irgendeine ukrainische militärische Aktion. Wir sehen also schwierigen Wochen entgegen.

Ja, aber es ergibt sich dann die Frage, wenn niemand gewinnen kann, in wessen Interesse ist es, dass die Kämpfe fortgeführt werden, so wie Sie das auch erwähnt haben, vielleicht auch noch mit einer größeren Intensität als bisher?

Ein Krieg ist immer so, dass er eine Ursache besitzt, wegen der er ausgebrochen ist. Im Allgemeinen deuten die kriegführenden Parteien dies unterschiedlich. Das ist auch jetzt so. Die Russen sagen, der Krieg sei ausgebrochen, weil sich die Ukraine der NATO anschließen wollte. Und die Ukrainer sagen, das sei geschehen, weil die Russen ihnen ihr Land, ihr Gebiet wegnehmen wollen und sie verteidigen nur ihre Heimat. Doch schließen sich immer verschiedene Interessen an einen Krieg an. Waffen kann man nun einmal verkaufen. Das Waffengeschäft blüht in solchen Momenten. Wenn Sie sich den Börsenkurs der Waffen produzierenden Firmen betrachten, dann können Sie sehen, dass es ein riesiges Wachstum gibt. Irgendjemand gelangt also, nur weil es Krieg gibt, bereits an einen riesigen Profit. So etwas ist eine Goldgrube für Spekulanten. Der Krieg ist eine Goldgrube für die Schmuggler. Sehr viele geschäftliche Interessen schließen sich hier an und wir sollten nicht vergessen, dass es große westliche wirtschaftliche Interessenkreise gibt, George Soros steht unter diesen auch vielleicht an der ersten Stelle, die schon immer davon geträumt haben, auf irgendeine Weise ihren Fuß in die Ukraine zu bekommen, dann ist das auch gelungen, und an die natürlichen Kraftressourcen Russlands heranzukommen. Ich erinnere mich gut an die 1990-er Jahre, als der Westen mit einer großen Begeisterung – besonders die Amerikaner nutzten die Möglichkeiten der Ära Jelzin – in Russland zu investieren begannen, um auf wirtschaftlicher Grundlage der natürlichen Kraftressourcen Russlands habhaft zu werden, dem dann der Jelzin ablösende Präsident Putin ein Ende setzte und sie aus dem Land drängte und die Verfügung über die wirtschaftlichen Ressourcen des Landes zurücknahm. Das ist auch seitdem so ein Schaden in der Politik der Weltwirtschaft, dass viele danach streben, jene Zeiten zurückzubringen, in denen man an die wirtschaftlichen Potenzen des eine Niederlage erlittenen Russlands herankommen konnte. Das ist ein großes und reiches Land.

Der Standpunkt der ungarischen Regierung ist also klar, dass ein Waffenstillstand und Frieden nötig sind, diesen Standpunkt teilt auch im Übrigen Papst Franziskus. Und es war auch vielleicht eine der wichtigsten Fragen des apostolischen Besuchs, wo die dem Frieden dienenden kreativen Kräfte sind. Nicht wahr, er hat ja die Frage auf diese Weise gestellt. Wie sehen Sie es, wo sind diese Kräfte, und was noch wichtiger ist, ob sie einen Weg in Richtung auf die Lösung finden können? Was war in dieser Hinsicht die Bedeutung des päpstlichen Besuches?

Nicht das war vielleicht am wichtigsten am päpstlichen Besuch, obwohl dies Bedeutung besitzt, so wie Sie das gesagt haben. Ich habe seit langem mit den politischen Angelegenheiten des Landes zu tun, doch erinnere ich mich nicht an derart heitere drei Tage in den vergangenen dreißig Jahren. Ein jeder sagt, unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit, dass der Papst hierhergekommen ist – und es sind lauter gute Dinge geschehen. Keine einzige schlechte Sache ist passiert und ich habe auch so etwas kaum gesehen, dass jemand allein durch seine Anwesenheit uns gebremst hätte – erlauben Sie mir, dies so zu formulieren –, also die miteinander kämpfenden politischen Kräfte gebremst hätte, dass wir das jetzt diese Dinge für einige Tage vergessen sollten. Also alle ungarischen oppositionellen, von der Seite der Regierungspartei erfolgende, linke, rechte Diskussionen, Angriffe, jede böse Absicht wurde in Klammern gesetzt, irgendwie verloren sie ihre Bedeutung und etwas anderes erhob sich darüber. Irgendetwas anderes, das der Heiliger Vater hierhergebracht hat. Man muss also kein gläubiger Mensch sein, um es so zu empfinden, dass das Land für diese drei Tage in einen anderen Zustand geraten war. Und dafür können wir dem Heiligen Vater auch dankbar sein, dass er gekommen ist, auf uns aufpasst, ihn interessiert, was hier geschieht, und um auch auf Ihre Frage zu antworten, darüber hinaus, dass wir dieser Gnade teilhaftig wurden, zählt er auch auf uns. Ich habe das Gefühl, der Vatikan hat sich entschlossen und wird seine Kräfte, seine Verbindungen und seinen Einfluss mobilisieren, und wir versuchen, das Blutvergießen einzudämmen. Der Papst selbst hat auch gesagt, dass er zur Friedenmission bereit ist. Und sicherlich muss er jene Akteure sammeln – und auch Ungarn gehört zu diesen –, bei denen die Stimme des Friedens stärker ist, jene Länder, führenden Politiker, politischen Kräfte, die Frieden wollen und bereit sind, diese Position, diesen Standpunkt auch auf dem internationalen Parkett zu vertreten, denn sehr viele in Europa wollen den Frieden, doch ist heute die Politik derart, dass der amerikanische Einfluss, der über verschiedene Kanäle zur Geltung kommt, der Stimme des Friedens ganz einfach keinen Raum lässt. Es sollte also niemand annehmen, in Westeuropa würden die Menschen die Kriegsnachrichten mit Freude aufnehmen. Es mag sein, dass es so etwas auch noch zu Beginn gegeben hat, doch so wie die Zeit voranschreitet und es offensichtlich wird, dass es hier keinen Gewinner geben wird, jedoch die Verluste immer weiter zunehmen werden, auch die finanzielle Last wächst immer weiter, die europäischen Menschen stehen dort nicht hinter der Kriegspropaganda. Das ist in diesem Moment nicht ersichtlich, denn seitens Amerikas ist eine sehr kraftvolle diplomatische Offensive im Gang, wie ich das erwähnt habe, selbst auf den ungarischen Straßen, und stellen Sie sich vor, was in Europa los sein mag, und die gesamte Mainstream-, die liberalen Medien sind einheitlich, beinahe konzertartig, aufeinander abgestimmt auf der Seite des Krieges. Deshalb hören wir nicht die Stimme der Menschen. Doch der Papst weiß genau, dass dies nicht die europäische Stimmung ist. Nur gibt es keine führenden Politiker, außer den Ungarn gibt es beinahe kaum jemand, der das damit einhergehende Risiko auf sich zu nehmen bereit wäre, um sich offen für den Frieden einzusetzen. Ungarn ist so ein Land, wir sind ein christliches Land, hinzu kommt noch, dass wir das, was wir denken, auch sagen, das ist ein Land, das geradeheraus spricht, was wir denken, das pflegen wir auch auszusprechen, daraus ergeben sich für uns auch häufig Probleme, besonders in der internationalen Politik, man muss deshalb also bei Sinnen sein, doch wir setzen uns eindeutig und klar für den Frieden ein. Und ich glaube sehr daran, dass wenn wir diese ukrainische neue militärische Offensive, diesen Gegenangriff, wie auch immer wir es nennen, hinter uns haben werden, dann wird sich vor uns ein vollkommen anderes Bild abzeichnen, die Lage wird sich klären, für viele, auch für uns wird offensichtlich werden, überhaupt welche militärischen Möglichkeiten noch in diesem Krieg geblieben sind. Nun, jetzt weiß das niemand genau, doch wenn diese letzte, denn ich glaube, das ist die letzte große Möglichkeit der Ukrainer, um irgendeinen militärischen Erfolg zu erringen, wenn sie diese Patrone abfeuern, wenn das geschieht, dann werden wir sehen, wie das tatsächliche Kräfteverhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden Seiten ist, und in einer klareren, deutlicheren Situation eröffnen sich auch mehr Möglichkeiten für die dem Frieden dienenden diplomatischen Aktionen.

Welche Rolle kann Ungarn hierbei spielen, etwa in der Friedensmission des Vatikan, denn einerseits ist ja, so wie Sie das ja gesagt haben, der Standpunkt der ungarischen Regierung klar, andererseits sind vielleicht wir hier in Ungarn am nächsten zu diesem Konflikt.

Mit Sicherheit können wir sagen, dass am Frieden wir am meisten interessiert sind. Erstens einmal auch deshalb, weil die Ukraine unser Nachbar ist. Und ein jeder weiß, der eine Immobilie besitzt, dass der Wert der eigenen Immobilie dadurch beeinflusst wird, in welchem Zustand das Haus, der Garten, der Hof des Nachbarn ist. In unserem Interesse wäre also eine gut gehende und erfolgreiche Ukraine, das steigert den Wert Ungarns. Und eine in Problemen steckende, im Krieg stehende, zerstörte, ein Risiko bedeutende, Menschenleben zu hunderttausenden verlierende Ukraine mindert auch die Anziehungskraft Ungarns. Dazu könnte ich Ihnen auch alle möglichen statistischen Zahlen nennen, doch jetzt ist das vielleicht sekundär. Für uns ist es also auch von unserem eigenen Interesse ausgehend – jetzt über den christlichen und humanen Standpunkt hinaus – um jedes verlorene Menschenleben schade, sie sind unersetzbar, und deshalb sind die Verluste der Ukrainer auch unsere Verluste, aber auch unser Eigeninteresse lässt uns sagen, unser Nachbar sollte eine erfolgreiche Ukraine sein. Deshalb sind wir also betroffen. Eine zweite Sache ist, dass dort auch Ungarn leben. Also ein Teil der Ukraine ist alter ungarischer Boden, der jetzt zur Ukraine gehört und dort leben als alteingesessene Gemeinschaft die Ungarn, die dorthin nicht eingewandert sind, die dorthin nicht der Wind hingeweht hat, sie lebten schon immer dort, das ist ihre Heimat und ihr Boden. Und sie fallen auch in dem Krieg. Das Leid der Ukraine ist auch das Leid der dort lebenden Ungarn. Wir, Ungarn, sind also mindestens doppelt so motiviert, stärker als jedwedes Volk in Europa, damit es in der Ukraine Frieden gibt. Deshalb suchen wir auch immer die Möglichkeit, um zum Frieden beizutragen, und wir verschließen uns vor keiner Friedensmission, so wie wir auch vor dem Krieg hierzu einen Versuch gemacht hatten.

Beschäftigen wir uns mit einer praktischen Konsequenz des Krieges. Brüssel versucht neben der Lieferung von Waffen auch dadurch der Ukraine zu helfen, dass es den von dort kommenden Getreideimport von Zoll und von Quoten befreit hat, doch in vielen Ländern, so auch in Ungarn, verursachte dies ernsthafte Störungen auf dem Markt. Die betroffenen Mitgliedsstaaten haben selbständig die Einfuhr verboten, schließlich hat auch Brüssel Maßnahmen ergriffen. Wie sehen Sie es, wird es mit der Vereinbarung, die zustande gekommen ist, gelingen, die ungarischen Landwirte zu schützen?

Das ist ein lehrreicher Fall. Das ist immer das Problem des Ungarn. Wir sind also ein gutmütiges Volk, nicht wahr? Man hat uns fünfmal betrogen, irgendwie haben wir uns auch das sechste Mal betrügen lassen. Wir hätten es wissen können, auch ich hätte es wissen können, dass dies das Ende sein wird. Da wir aber Frieden wollen und die Ukrainer in Problemen stecken sowie wir helfen wollten und die Kommission darum gebeten hatte, sagten wir, gut, stellen wir die Zölle ein, man solle Getreide aus der Ukraine durch Ungarn herausbringen können, obwohl wir wussten, diese Praxis könnte in Ungarn Störungen verursachen, wenn das Getreide hierbleibt, aber gut, so sei es, denn der Transport über das Meer ist wegen des Krieges – der Frontlinie am Schwarzen Meer – nicht möglich. Und die Kommission hat uns schon so oft übers Ohr gehauen und sie haben schon so oft unser Vertrauen missbraucht, dass wir wirklich uns hätten denken können, dass das wieder am Ende so sein wird. Aber, nicht wahr, wir kennen uns ja, ein jeder kennt aus seiner eigenen Familiengeschichte solche auf unverständliche Weise positiven und auf Vertrauen aufbauenden Geschichten, glaubten wir der Kommission. Wenn es darum geht, dann bringen wir den in Afrika Hungernden dieses Getreide, das nicht über das Meer transportiert werden kann, dann über Ungarn hindurch. Was ist geschehen? Es ist gar nicht nach Afrika gegangen! Es ist gar nicht zu den Hungernden gelangt! Die Spekulanten haben es schön genommen, nach Mitteleuropa hereingebracht. Hier haben sie es verkauft, die Preise niedergeschlagen, die Aussichten der polnischen, der ungarischen, der rumänischen, der bulgarischen Landwirte kaputtgemacht und das Geschäft lief, die Geschäftemacherei geschah. Und die Kommission wusste das ganz genau, sie unternahm nichts. Sie sagte keinen einzigen Ton! Wenn die Polen nicht Alarm geschlagen und diesen mitteleuropäischen Aufstand initiiert und nicht fünf Länder zusammengerufen hätten, unter ihnen auch uns, dann würde noch immer das Kaputtmachen der Landwirte in ganz Mitteleuropa, so auch in Ungarn, im Gange sein. Doch die Polen sind ja zum Glück doch ein Land mit 40 Millionen Einwohnern, es ist ihre Aufgabe, sich in solchen Situationen an die Spitze Mitteleuropas zu stellen und unsere Sache ist es, uns anzuschließen, und diese Koalition kam zustande und wir haben in Brüssel erkämpft, dass dies sofort eingestellt werden soll. Und wenn Brüssel nicht bereit ist, Schritte zu unternehmen, und es war dazu nicht bereit, dann werden wir in nationaler Zuständigkeit, uns Brüssel und den Brüsseler Entscheidungen widersetzend, es physisch verhindern, dass diese Waren nach Ungarn hineingelangen. Wir sprechen über Weizen, Mais, Sonnenblumenkerne und Rapskerne bzw. über daraus gewonnenes Öl. Und die Kommission konnte nichts tun, sie musste mit uns übereinkommen. Das zeigt sehr gut, dass wenn sich die mitteleuropäischen Länder zusammenschließen, wie das vor dem Krieg war, dann erreichen wir unsere Ziele auch in Brüssel. Brüssel sagte auch, es werde 100 Millionen Euro als außerordentliche Unterstützung den Landwirten geben. Das glauben wir natürlich nicht, denn sie pflegen nicht die Wahrheit zu sagen, wenn es um Geld geht, sie versprechen es, dann geben sie es nicht her. Meiner Ansicht nach werden wir von diesem Geld nichts sehen, so funktioniert Brüssel, aber wenigstens haben wir unsere Landwirte geschützt und das ist eine Lektion darüber, dass du für deine eigenen Interessen einstehen musst. Du darfst nicht glauben, dass irgendwo, in irgendeinen Teil der Welt, so sehr du das auch glauben möchtest, zum Beispiel in Brüssel dann irgendjemand deine Interessen beachtet und dir dann hilft. Nein, du kannst nur auf dich selbst zählen, du musst dich für deine Interessen einsetzen.

Die Folge des Krieges und der wegen ihm verhängten Sanktionen wurde ja der hohe Energiepreis, der ganz Europa betraf. Jetzt hat die Regierung auch nach dem 30. April den Schutz der Nebenkosten verlängert, so bleiben auch nach dem 1. Mai die aufgrund des Schutzes der Nebenkosten gesenkten Preise für die Familien. Was ist die Bedeutung dessen? Denn wenn wir jetzt den Gaspreis an der Börse betrachten, dann könnten wir auch sagen, dass es im gegenwärtigen Moment zumindest keine so großen Probleme gibt.

Die ganzen wirtschaftlichen Folgen des Krieges sind zu einem eigenständigen Wissenschaftszweig geworden, auch hinsichtlich der Energie, doch vorhin haben wir schon gesehen, was für eine Wirkung der Krieg auch auf die Landwirtschaft hat. Es ist eine Warnung, dass ein jeder darüber spricht, wir sollten die Ukraine in die Europäische Union aufnehmen, und nur eine kleine Aufhebung des Getreidezolls hat schon beinahe die Agrarwirte von fünf Ländern kaputtgemacht. Also nur vorsichtig mit dieser ukrainischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union, denn sonst holen wir ein Übel über uns, dass wenn wir nicht das Tempo drosseln, wenn wir nicht rational sind, wenn wir es nicht überdenken, dann werden wir deshalb betteln gehen müssen. Ich verstehe also, dass wir der Ukraine helfen wollen, aber es ist keine Hilfe, wenn wir uns selbst, unsere Unternehmen, unsere Landwirte und unsere eigenen Familien kaputtmachen. Nun, was die Energiepreise betrifft, als die andere wirtschaftliche Folge des Krieges, das ist ein großes Übel für Ungarn. Also vor dem Krieg hat Ungarn für die hierher eingeführte Energie, ich sage das bezogen auf die ganze Wirtschaft, 7 Milliarden Euro bezahlt und nach den wegen des Krieges und der Sanktionen in den Himmel steigenden Preise haben wir im vergangenen Jahr 17 Milliarden Euro gezahlt. Man musste von irgendwoher 10 Milliarden Euro hervornehmen. Die Lösung, die ja am meisten auf der Hand liegend gewesen wäre, und die Linke hat das ja auch gefordert, die liberalen Ökonomen ebenfalls, wenn die Preise hochgehen, dann sollten wir die Preise erhöhen. Nun, das hätte bedeutet, dass heute jede ungarische Familie monatlich 180 tausend Forint mehr bezahlen müsste. Nicht im Laufe eines Jahres, sondern monatlich! Hier wären Familien zu Millionen zugrunde gegangen, wenn wir das getan hätten, was die Linke gesagt hat und was die liberalen Ökonomen fordern. Also ist jeder Tag eine lebendige Herausforderung für die Regierung, wie lange wir die Senkung der Nebenkosten aufrechtzuerhalten in der Lage sind. Und wir verbinden das immer mit einer zeitlichen Beschränkung, da wir bis zu einem gewissen Zeitpunkt voraussehen. Und deshalb müssen wir immer untersuchen, ob wir auch für die nächsten Monate in der Lage sind, die geschützten Nebenkostenpreise aufrechtzuerhalten. Und die Regierung hat entschieden, dass wir noch immer in der Lage dazu sind, und das wird auch im kommenden Zeitraum so sein, also müssen sich die Familien nicht sorgen, die Preise werden nicht galoppieren, sie bleiben auch weiterhin bis zum Maß des Durchschnittsverbrauchs in dem durch die Senkung der Nebenkosten geschützten Bereich. Das ist die beste Nachricht, die ich heute den Familien neben den schlechten Nachrichten des Krieges mitteilen kann. Und wir sind bestrebt, dass auch die Klein- und mittleren Unternehmen, für die die hohen Energiepreise ihr Ende bedeuten könnten, eine Hilfe erhalten. In der vergangenen Woche haben wir sehr viele Entscheidungen getroffen, die ihnen helfen. Die Energiegebühren für mehrere zehntausend Mikro- und Kleinunternehmen sind halbiert worden, Friseure, Kosmetikerinnen, Schuster, also auch Kleinunternehmer sind betroffen. Die Tarife haben im Bereich der Gasdienstleistung um die Hälfte abgenommen, dies betraf 14 tausend Unternehmen, und in der Gasversorgung 17 tausend Unternehmen, die derartige eigentümliche, sogenannte wechselnde Fixverträge besaßen. Wir versuchen also auch in diesen Kriegszeiten den Familien zu helfen. Und wir haben auch noch diese neue Monatskarte – Komitatskarte, Landeskarte –, eingeführt, also die Pendler, die zur Arbeit fahren oder die Schüler sparen wegen dieser Maßnahmen viele zehntausende Forint. Hier kann man ja sofort sehen, dass ein neuer Minister eingetreten ist, János Lázár hat das Portefeuille des Verkehrs übernommen und die ersten Maßnahmen – denn wenn der Herr Minister irgendwo erscheint, dann wird dort etwas geschehen – haben auch hier ihre Ergebnisse gebracht und die Unterstützung, die bisher im Übrigen nur die Budapester erhalten haben, hat sich sofort ausgeglichen. Jetzt bedeutet diese Komitatskarte im Wesentlichen, dass die Menschen in der Provinz eine Unterstützung in der gleichen Höhe erhalten wie die Menschen in Budapest. Der Herr Minister sieht es sehr richtig, dass das anständig ist, und deshalb konnten wir diese Monatskarten einführen. Ich möchte damit also nur sagen, dass während es Krieg gibt, es Sanktionen gibt, müssen wir ein Kriegsbudget benutzen, auch der Haushalt des nächsten Jahres wird solcher Natur sein. Denn der Krieg wird dieses Jahr nicht zu Ende gehen, das bleibt nach allem menschlichen Ermessen auch im kommenden Jahr so, trotzdem versuchen wir alle Maßnahmen zum Schutz der Familie aufrechtzuerhalten, damit der Krieg und die Sanktionen nicht das Budget der Familien mit sich reißen, nicht kaputtmachen. Was die Energiepreise angeht, so steht die Sache derart, dass der Preis der von den Russen kommenden Energie, die MVM einführt, das ist also ein – nennen wir es so – geschäftlicher Vertrag, da gibt es so eine Gleitwirkung. Der Preis der hierherkommenden Energie ist also an Börsenpreise gebunden, doch der Preis ändert sich immer mit einer Verschiebung von zwei Monaten. Wenn also die Preise hinuntergehen, dann wird das nach zwei Monaten in Ungarn spürbar, wenn sie dann zu steigen beginnen, dann wird auch das zwei Monate später in Ungarn ankommen. Das ist aus dem Grund wichtig, damit die ungarische Energiepolitik stabil bleiben kann, wir Zeit haben, um zu reagieren, wenn es notwendig ist. Jetzt sehen die Preise besser aus als früher, sie sind immer noch um das Anderthalbfache, aber eher noch um das Doppelte höher, als sie es noch vor dem Krieg gewesen waren, das Gute ist also relativ, und man muss befürchten, dass so wie wir uns der Heizungssaison nähern, das größere Auffüllen der Speicher und auch die Käufe in größerer Menge beginnen, der Preis der Energie steigen wird und es überhaupt nicht sicher ist, das es ausreichendes Gas und elektrische Energie in Europa im Winter geben wird. Das ist ein wichtiges Problem, doch für uns ist am wichtigsten, dass es davon genügend in Ungarn geben soll, und ich kann sagen, das wird es auch geben, also wir werden dieses Problem auch in diesem Winter lösen.

Das, worüber wir bisher gesprochen haben, der Schutz der Familien, der Standpunkt der Friedenshaltung, waren auch besondere Themen auf der CPAC, auf der Sie gestern in ihrem Vortrag dahingehend formulierten, es sei das Rezept des konservativen Erfolges, nein zur Migration, nein zu Gender und nein zum Krieg zu sagen. Im Laufe eines unserer Gespräche im März haben sie gerade diese drei Themen hervorgehoben, in denen – wie Sie das formulierten – es einen als unversöhnlich erscheinenden Gegensatz zwischen den Brüsseler Demokraten und Ungarn gibt. Diese stellen jetzt die Hauptbruchlinien zwischen den Konservativen und dem westlichen Mainstream dar?

Um die Sprache des Konkreten zu sprechen: Heute oder morgen wird jene Initiative von neun Ländern öffentlich gemacht, an der Spitze natürlich mit Deutschland – es sind also nicht unwichtige Mitglieder in dieser Gruppe! –, die vorschlagen werden, in Zukunft solle man von der im Grundlagendokument der Europäischen Union niedergelegten Ordnung abweichen und die Mitgliedsstaaten sollen nicht die Möglichkeit zu einer selbständigen Außenpolitik besitzen. Wenn also die Europäische Union mit einer Zweidrittelmehrheit beschließt, eine außenpolitische Entscheidung zu treffen, dann kann sich dem kein einziger Mitgliedsstaat entziehen. Dies bedeutet, dass die selbständige ungarische Außenpolitik eliminiert wird. Heute garantieren es ja die europäischen Rechtsvorschriften, dass jedes Land das Recht auf eine eigene Außenpolitik besitzt, eine gemeinsame Außenpolitik kann nur auf die Weise entstehen, wenn es in der jeweiligen Angelegenheit eine vollkommene Einstimmigkeit gibt. Das will man aufheben. Dieses Konkretum zeigt sehr wohl, worauf hier abgezielt wird. Das ist in der gesamten westlichen Welt im Fall der amerikanischen demokratischen Regierung ebenso wahr wie im Fall der Brüsseler Bürokraten, sie versuchen die Selbständigkeit, die Zuständigkeit, die Souveränität der Nationen einzuschränken, und ihnen möglichst viele Angelegenheiten wegzunehmen, um dann diese irgendwo anders, über ihre Köpfe hinweg zu regeln. Heute nimmt man auch die Strafsachen weg – Europäische Staatsanwaltschaft –, dann wollen sie eine europäische Medienregulierung, oder hier ist dieser konkrete Fall: Statt einer einstimmigen Außenpolitik könnte die große Mehrheit auch die Außenpolitik der widerstehenden, nicht zustimmenden Länder bestimmen. Das ist die Bruchlinie. Wir glauben an das Europa der Nationen. Die einzige Medizin ist es, wenn wir die Nationen stärken, nicht nur Ungarn, sondern im Allgemeinen die Nationen. Das ist die Grundlage der westlichen Kultur, das ist die Grundlage des westlichen Wettbewerbsvorsprungs, das hat den Westen groß gemacht, die Nationen, und diese wollen jetzt die globalistischen Kräfte – das bedeutet zum einen Teil die Leiter und Bürokraten internationaler politischer Institutionen, zum anderen Teil globale Wirtschaftskräfte – liquidieren. Für die Finanzleute und die im Weltmaßstab arbeitenden Geschäftsleute ist es gut, wenn die Staaten schwach sind, ihre eigenen Interessen nicht zur Geltung bringen können und sie die Rechtsprechung, die Aufstellung von Regeln und die Durchsetzung des Rechtes der Länder ihren persönlichen finanziellen Interessen unterordnen können. Die Nationen müssen bei Sinnen bleiben, besonders Nationen der Größe wie Ungarn. Wenn wir nicht wollen, dass man uns niedertrampelt, dann müssen wir für die Konzeption des Europas der Nationen einstehen. Das haben wir getan, deshalb waren unsere konservativen Freunde hier, jene haben sich getroffen, die dieser Gedanke verbindet und dazu bereit sind, diesen politischen Kampf gegen die Welt der globalen Elite und die Spekulanten auszutragen.

Unter anderem über den russisch-ukrainischen Krieg, die Friedenshaltung, das Getreideabkommen und die Erhaltung der Senkung der Nebenkosten befragte ich in der vergangenen halben Stunde Ministerpräsident Viktor Orbán.

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