Zsolt Törőcsik: US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin haben am Mittwoch telefonisch über den russisch-ukrainischen Krieg gesprochen, und die Parteien waren sich einig, dass der Krieg beendet werden muss. Dann nahm das Tempo der Ereignisse zu und der Kreml erklärte gestern, dass die Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen begonnen hätten. Ich werde Ministerpräsident Viktor Orbán fragen, wie sich dies auf Ungarn auswirken könnte. Guten Morgen!
Guten Morgen!
Es scheint, dass sich die diplomatischen Ereignisse seit dem Telefonat beschleunigt haben. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Verhandlungen jetzt beginnen?
Wenn ich das mit einem Wort kommentieren müsste, würde ich sagen: Halleluja. Wir haben darauf gewartet, wir haben darauf gesetzt, wir haben darauf vertraut, wir haben das vorausgesagt, wir haben uns darauf eingestellt, wir haben unsere ungarische Strategie darauf aufgebaut: dass der Krieg sich nicht dahinziehen wird, sondern dass ein neuer amerikanischer Präsident kommt, nachdem sich die Europäer als lahm und gelähmt erwiesen haben, und diesen gordischen Knoten durchschlägt, und den Frieden will und auch Frieden schafft. Diese Nachricht von der Aufnahme von Verhandlungen bestätigt das. Was wir Ungarn daraus wissen sollten, ist, dass es sich gelohnt hat, an unserer Position festzuhalten. Lange Zeit, drei Jahre lang, gab es ja zwei von uns: uns und den Vatikan, die für den Frieden eintraten. Was doch eine absurde Situation darstellt, dass auf einem Kontinent, der zwei Weltkriege erlebt hat, in einem so schweren Krieg wie dem russisch-ukrainischen Krieg, nur noch zwei europäische Länder für den Frieden eintreten und sagen, dass der Frieden gut und der Krieg schlecht ist, und die anderen sagen, dass der Krieg gut und der Frieden schlecht ist. Das ist ja letztendlich doch eine absurde Situation, aber jetzt sind wir zu dritt, und dieser Dritte ist nicht irgendeine Größe, sondern ein großer Elefant, der in der Lage ist, die Kräfteverhältnisse zu verändern. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Stimme des Friedens in der westlichen Welt jetzt Donald Trump heißt.
Wenn wir die Sache aus ungarischer Sicht etwas genauer betrachten, welche Bedeutung hat diese Entspannung für das Land, sei es in Bezug auf die nationale Politik, die Geopolitik oder die Wirtschaft?
Wenn wir darüber sprechen wollen, sollten wir es in zwei Bereiche aufteilen. Es gibt eine spirituelle Dimension oder einen Bereich dieses Themas und es gibt eine wirtschaftliche Dimension. Wenn wir die spirituelle Dimension betrachten, dann geschieht Folgendes: Eine der Säulen der westlichen Welt, die stärkste Säule, die Vereinigten Staaten, haben einen Wandel eingeleitet, der die gesamte westliche Welt auf einen neuen Kurs in Bezug auf ihr System der Argumente, ihr Wertesystem, ihre Denkweise bringt. Dieser Prozess schreitet viel schneller voran, als viele gedacht hatten. Er klopft jetzt schon – wir nennen es den Trump-Tornado – an Europas Tür, ja er hämmert sogar dagegen. Schauen wir uns an, worin sich die westliche Denkweise verändert. Das erste ist, sagen wir, der Krieg, wenn Sie schon damit angefangen haben. Man hat uns bisher gesagt, dass es gut ist, in den Krieg zu ziehen, dass jeder, der Frieden sagt, ein Schoßhündchen Putins ist, eine Marionette, eine moralisch verwerfliche Position vertritt. Die Position des Friedens wurde also vom westlichen Denken als eine moralisch verwerfliche Position bezeichnet. Jetzt stellt sich heraus: Nein, Frieden ist gut und Krieg ist schlecht. Migration. Überall in Westeuropa wird gelehrt, dass die Unterstützung von Migranten gut und die Ablehnung von Migration schlecht ist. Jetzt kam der US-Präsident daher und sagte: Nein, Migration ist schlecht, und eine Grenzschutzpolitik, die Migration verhindert, na, die ist gut. Das Gleiche gilt für grüne, Klima- und Umweltthemen, bei denen sie gesagt haben, dass eine grüne Politik, die alle anderen Aspekte in den Hintergrund stellt, gut ist, und dass jeder, der einen anderen Aspekt hinzufügt, falsch liegt. Jetzt hat sich herausgestellt, dass das nicht der Fall ist. Natürlich ist es gut, wenn die Welt sauberer und gesünder und grüner wird, aber das kann nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Rationalität erreicht werden, also ist es gut, dass wir grüne Politik nicht gegen die Wirtschaft machen, sondern zusammen mit dem Geschäftsleben, mit dem Wirtschaftsleben. Genauso ist es mit Gender, wo man gesagt hat, die binäre Welt – so nennt man das elegant –, wo die Welt aus Männern und Frauen besteht, ist vorbei, weil es alle möglichen Zwischen-, Übergangs-, Wahlzustände gibt, und das nennt man Gender, und das ist gut, und jeder, der sich dagegen wehrt, ist mittelalterlich, konservativ, rückschrittlich irgendsoetwas. Und die Amerikaner sagen, nein: der Mensch ist entweder männlich oder weiblich, das ist die gute Position, und das andere ist unnatürlich. So ist es auch mit der Familie. Die Familie, die traditionelle Familie, wurde als eine Form des Zusammenlebens dargestellt, die aus der Vergangenheit übriggeblieben ist, und es wurden andere Konfigurationen popularisiert. Jetzt sagen die Amerikaner: Nein, die traditionelle Familie ist gut, aber alles, was davon abweicht, ist mit Vorsicht zu genießen. Und so ist es auch mit dem Christentum und der Gemeinschaft der Gläubigen, denn das Christentum wurde, ebenso wie die Familie, ständig als Gegenpol zur Vernunft verspottet, als blinder Glaube, als etwas, das noch aus dem Mittelalter stammt, aber nicht zum modernen Leben dazugehört. Und der US-Präsident sagt: Nein, der Glaube ist gut, die Gemeinschaft des Glaubens ist gut, das Christentum ist eine wertvolle Tradition. In diesen sechs Fragen macht das westeuropäische Denken also meiner Meinung nach einen sehr schnellen Wandel durch. Europa widersetzt sich. Ungarn natürlich nicht, denn wir haben immer das gedacht, was der Präsident jetzt sagt, wir waren schon Trump vor Trump, wie man in Amerika sagt, also ist es für uns eine Bestätigung, aber in den meisten europäischen Ländern bringt dies eine bedeutende Veränderung mit sich. Und wenn wir uns die Wirtschaft ansehen, Ungarn hat durch die Sanktionen 6,5 Milliarden Euro pro Jahr verloren, insgesamt sind wir irgendwo bei 20 Milliarden Euro. Das ist eine riesige Menge von Geld! Wenn also der US-Präsident kommt, Frieden schafft und eine Einigung erzielt, wird Russland meiner Meinung nach wieder in die Weltwirtschaft, in das europäische Sicherheitssystem und sogar in das europäische Energie- und Wirtschaftssystem integriert, was der ungarischen Wirtschaft einen enormen Auftrieb geben wird. Das ist eine große Chance. Wir haben viel vom Frieden zu profitieren.
Sie haben erwähnt, dass Europa sich wehrt, und dass, wenn wir noch eine weitere Frage im Krieg verharren, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik geschrieben hat, dass Europa auch einen Platz am Verhandlungstisch fordert, und Sie haben geantwortet, dass man sich das verdienen muss. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Europa in der Frage der Beilegung des Krieges ein Mitspracherecht bei den Geschehnissen in seiner Nachbarschaft haben wird?
Ich versuche, am Morgen keine schockierenden Sätze zu formulieren, um die Zuhörer zu schonen, denn jeder möchte den Morgen bei der Arbeit nett und freundlich beginnen, aber die Wahrheit ist, dass die Welt der Politik nicht so ist. Sie ist nicht nett und sie ist nicht freundlich, ich meine die internationale Politik. Es gibt das also nicht, dass jemand nicht für sich selbst eintritt und dann wird ein anderer für ihn eintreten. Es ist nicht so, dass jemand nichts für den Frieden tut, dass jemand den Krieg an die erste Stelle setzt, und dann kommt jemand, der den Frieden will und sagt, wisst ihr, ihr auch, kommt trotzdem nur her – so funktioniert das nicht. Die Welt der internationalen Politik ist also hart, interessengeleitet und oft unerbittlich. Die Einsicht ist eine große Tugend, aber nicht immer gültig in der internationalen Politik. Daher muss ich sagen, dass die Plätze am Verhandlungstisch nicht vergeben werden, sondern dass man dorthin kommt, weil man für sich selbst eingetreten ist, weil man für ihn sich selbst erkämpft hat und weil man gebraucht wird. Ich muss also sagen, dass es nicht klar ist, warum Europa, das bisher den Krieg unterstützt hat und den Krieg sogar jetzt noch unterstützt, einen Platz an einem solchen Verhandlungstisch haben sollte. Was uns Ungarn betrifft, so kann ich Ihnen sagen, dass wir dort, wo wichtige ungarische Interessen auf dem Spiel stehen, an der richtigen Stelle, an einer Stelle, die unserem Gewicht entspricht, dabei sein werden, und wir werden für die ungarischen Interessen eintreten, und ich werde Ungarn alles verschaffen, was wir brauchen. Aber wir haben immer auf der Seite des Friedens gestanden, die anderen auf der Seite des Krieges. Wenn sie einen Platz haben wollen, müssen sie sich ranhalten.
Nun zu einem anderen Thema, der Migration: Auch dazu haben Sie gesagt, dass Europa sich immer noch gegen die Wende in der Welt wehrt. Gestern gab es Nachrichten über einen weiteren Anschlag, diesmal in München, bei dem mindestens 30 Menschen verletzt wurden, aber in den letzten anderthalb Monaten gab es auch ähnliche Berichte aus Belgien, Schweden und den Niederlanden. Wie wirkt sich das, was sie in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, auf das tägliche Leben der Menschen in Deutschland und Westeuropa aus?
Es ist oft so, dass man nicht glücklich ist, wenn man Recht hat. Dies ist eine solche Situation. Wir sagen seit 2015 allen, nicht nur den Deutschen, sondern ganz Europa, dass sie ihren gesunden Menschenverstand nicht verlieren sollen. Also zu glauben, dass ihr Millionen von Menschen in euer Land hineinlasst, als Ergebnis eines illegalen internationalen Geschäfts, das von Menschenschmugglern organisiert wird, das viel Geld mobilisiert hat, und dass etwas Gutes dabei herauskommen wird, dies widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Und ich verstehe, dass der auf ihnen lastende Druck groß war, George Soros hat ja einen Soros-Plan veröffentlicht, dessen Existenz die Linke hier in Ungarn aus unerfindlichen Gründen ständig leugnet, obwohl er in schriftlicher Form veröffentlicht und von George Soros unterzeichnet worden war und das jeder mit den eigenen Augen sehen konnte, auch ich mit meinen eigenen Augen, so ist das, der Soros-Plan existiert, und in diesem hat unser wackerer Landsmann niedergeschrieben, dass die Europäische Union jedes Jahr eine Million Migranten hereinlassen muss. Neun Jahre sind vergangen und 9 Millionen Migranten sind nach Europa gekommen. Dieser Plan funktioniert, und die europäischen Führer, Politiker, Menschenschmuggler, Kriminelle, NROs, illegale Netzwerke arbeiten daran, in einem großen System, um Ausländer zu produzieren und einzuschleusen, die nicht hierhergehören, die in den meisten Fällen nicht mit friedlichen Absichten kommen, die hier nicht arbeiten wollen, sondern von unserem Geld leben wollen. Das ist das, was passiert. Dabei kann nichts Gutes herauskommen. Lange Zeit haben die Deutschen behauptet, dass dann etwas Gutes dabei herauskommen würde, dass sie es lösen würden, dass es gut wäre, dass es vorteilhaft wäre. Der Terrorismus trat auf, die Gewalt ist in Europa eingezogen, die öffentliche Sicherheit ist erodiert, die wirtschaftlichen Belastungen beginnen unerträglich zu werden. Wir Ungarn sind nicht glücklich darüber, dass uns die Zeit in Allem bestätigt hat. Worüber wir uns freuen, oder weshalb wir uns freuen, ist, dass wir außen vor geblieben sind. Wir sprechen jetzt über eine europäische Krankheit und ein europäisches Problem, das Ungarn nicht angesteckt hat. Es scheint, dass der liebe Gott uns nicht vernichten will. In der Politik gibt es ein bekanntes Sprichwort: Wenn Gott jemanden zerstören will, nimmt er ihm zuerst den gesunden Menschenverstand. Unseren hat er uns nicht genommen, sondern uns gelassen, und vom ersten Moment an standen wir mit beiden Beinen auf der Erde und wussten, dass dies eine Gefahr war und wir uns dagegen schützen mussten. Ich weiß nicht, wie viele Jahre lang wir getreten wurden und auf unserem Brustkorb herumgetrampelt wurde, wir zahlen eine Million Euro pro Tag dafür, dass wir sie nicht reinlassen, wir leisten gegenüber dem europäischen Migrationspakt Widerstand, wir haben gegen ihn rebelliert, aber wir haben durchgehalten. Und es ist immer noch billiger, die Strafe zu zahlen, die tägliche Strafe, als sie hereinzulassen und danach dann die Folgen mit Geld zu finanzieren. Ich denke also, dass Ungarn hier auf dem richtigen Weg war, und der Wandel in den USA bestätigt uns darin ebenfalls. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika macht an den Grenzen der Vereinigten Staaten genau das, was wir an den Südgrenzen Ungarns gemacht haben und machen. Welche Auswirkungen wird das nun haben? Das, worüber wir jetzt sprechen, und ich interpretiere Ihre Frage so, dass diese auch ein Demokratieproblem aufwirft. Denn, wie Sie es auch sagen, die Mehrheit der Deutschen, ich habe die letzten Umfragen gesehen, sie zeigten eine Mehrheit von 69-70% für eine strengere Einwanderungspolitik, die übrigens von den gewählten Volksvertretern in einer parlamentarischen Debatte in Deutschland abgelehnt wurde. Dabei geht es nicht nur um die Migration, sondern auch um die Frage, in welcher Situation wir dann heute leben: Ist der Parlamentarismus noch eine Demokratie? Nun ist es natürlich so, dass es in technischen Detailfragen – Haushalt, Wirtschaftsregulierung – oft vorkommt, dass sich eine Regierung und die Mehrheit des Volkes nicht einig sind. So etwas kommt vor. Aber in grundsätzlichen Existenzfragen, wenn die Bedürfnisse, Positionen und Forderungen des Volkes und die Positionen der von ihm Gewählten, sprich der Elite, auseinanderklaffen, dann wirft das ein Demokratieproblem auf. Und es gibt kein wesentlicheres und fundamentaleres Problem als die Migration. Wenn also die Regierenden des Landes und das Volk hier unterschiedlicher Meinung sind, muss das früher oder später irgendwelche Konsequenzen haben. Das demokratische System hält diesen Meinungsunterschied nicht aus. Irgendjemand muss einlenken, das System wird sich selbst korrigieren, und ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass, obwohl [wie es der Dichter Petőfi formuliert hat] das Volk unten ist, immer noch das Wasser der Herr ist, und auch wenn die Führer oben sind, werden sie sich am Ende anpassen müssen.
Nun ist es in Deutschland die AfD, die die strengste Einwanderungspolitik fordert, und Sie haben diese Woche die Kanzlerkandidatin der Partei, Alice Weidel, empfangen. Was war der eigentliche Zweck dieses Treffens am Mittwoch und wie könnte es die ungarisch-deutschen Beziehungen beeinflussen, auch nach den Wahlen?
Das erste Ziel, was ich hier ausgeführt habe, war, dass ich glaube, dass das deutsche politische System sich selbst korrigieren und diejenigen Akteure stärken wird, die in grundlegenden Fragen auf der Seite des Volkes stehen – ob in einem Schritt, in zwei Schritten, plötzlich oder langsam, das können wir nicht wissen, die Politik ist voller solcher rätselhaften Dinge, doch wissen wir, dass dies eintreten wird. Und die AfD ist eine solche Partei. Bei der Migration sagt sie genau das, was die Menschen hören wollen und was sie wollen. Aber das gilt auch für die Wirtschaft: Sie wollen Steuersenkungen, sie wollen die Kaufkraft der Mittelschicht retten und erhalten, sie wollen, in der internationalen Politik das, was die Menschen wollen. Jeder spürt ja, dass Brüssel seine Macht missbraucht, die Bürokraten, wie Frau Weidel sagte: Das Brüsseler UFO nimmt den Nationalstaaten Befugnisse weg und macht einen Fehler nach dem anderen, und die Befugnisse müssen an die Nationalstaaten zurückgegeben werden, denn nach den ursprünglichen EU-Regeln gehörten viele der Befugnisse, die weggenommen wurden, auch nie zu Brüssel, sondern waren immer Teil der nationalen Befugnisse. Sie sagen lauter Dinge, die meiner Ansicht nach mit der Meinung der Deutschen übereinstimmen. Nebenbei bemerkt, die Ungarn sehen das auch so, aber sie ist nicht unsere politische Anführerin, sondern sie wird eines Tages dann die Anführerin der Deutschen sein. Ich dachte also, dass sie die Zukunft ist und dass die AfD und ihre Frau Vorsitzende die Zukunft sind. Ich wollte also wissen, welche Folgen das, wofür sie steht, für Ungarn haben würde. Und das wollte ich nicht nur auf dem Papier herausfinden, sondern auch persönlich, also habe ich alle Fragen gestellt, die sich darauf beziehen. Und es hat sich für mich herausgestellt, dass wenn die Wirtschaftspolitik, die sie sich für Deutschland wünscht, die Außenpolitik, für die sie sich einsetzt, die Migrationspolitik, für die sie kämpft, die Europapolitik, die sie vorschlägt, wenn diese in Deutschland umgesetzt werden würden, das alles wäre gut für Ungarn. Ich muss also sagen, dass der Vormarsch der AfD, der in der deutschen Presse als eine Art Strafe Gottes beschrieben wird, dass die extreme Rechte auf dem Vormarsch sei, ich möchte mich da auch nicht einmischen, das ist ihre Sache, aber der Vormarsch, das Erstarken und das Fußfassen dieser Kraft ist aus der Perspektive Ungarns eine gute Sache.
Da Sie die Wirtschaft angesprochen haben, die Wirtschaft in Deutschland stagniert seit zwei Jahren praktisch oder ist rückläufig, und ähnliche Aspekte oder ähnliche Entwicklungen sind in diesem Jahr in Berlin zu erwarten. Und wir sehen, dass auch in Deutschland die Industrieproduktion im Dezember um mehr als 6 Prozent gesunken ist und die Inflation im Januar angezogen hat. Wie kann die Regierung diesen deutschen Effekt ausgleichen?
Das ist die größte intellektuelle Herausforderung für die derzeitige Regierung, die ungarische nationale Regierung, aber wir sind uns dessen bewusst, nicht erst seit gestern Morgen, sondern schon seit 2010-2011. Damals habe ich mich persönlich davon überzeugt, dass es mit der Europäischen Union vorbei ist. Wenn also die Deutschen und die Franzosen sich hier nicht etwas einfallen lassen und die Europäische Union auf einen neuen Kurs bringen, sind ihre Tage gezählt. Es gibt keinen Grund, aus ihr auszutreten, sie wird schon von selbst auseinanderfallen, wenn das so weitergeht. Deshalb ist der Austritt oder vorzuschlagen, dass wir das tun sollten, also ein sinnloser Vorschlag. Die Europäische Union hat eine positive Mission, und wenn sie gut organisiert wäre, würde sie den Interessen der Mitgliedstaaten gut dienen. Ich würde immer noch sagen, dass Ungarn lieber drinnen sein sollte, aber man muss auch sehen, dass die Europäische Union so nicht erhalten bleiben kann. Wenn also jemand den Bericht des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten, des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Herrn Draghi, gelesen hat, dann beschreibt er dies. Was ich gerade gesagt habe, ist also nicht die ungarische Position, es ist keine ungarische Kritik an der EU, es ist keine ungarische Absicht, die EU zu verlassen, und das ist auch nicht das, worüber wir reden, sondern worüber wir reden, ist, dass einer der angesehensten Wirtschaftswissenschaftler Europas sagt, dass die EU am Ende ist, wenn sie nicht dringend einige Dinge radikal ändert – und das Zeitfenster der Gelegenheit ist kurz, zwei oder drei Jahre. Wir haben dieses Dokument unter den europäischen Ministerpräsidenten diskutiert. Wir haben uns darin einig, was getan werden sollte, ich werde ein paar Worte dazu sagen, und dann haben wir nichts getan. Das geschah im Oktober und November, jetzt haben wir Februar und nichts ist geschehen. Wenn wir also nicht dringend zwei Dinge unternehmen, ist die Europäische Union meiner Meinung nach am Ende. Erstens: Die Energiepreise müssen unbedingt gesenkt werden. Die derzeitige Situation ist schlecht für die Familien, aber vielleicht noch schlimmer ist, dass die europäischen Unternehmen zugrunde gehen. Wenn ein europäisches Unternehmen zwei- bis dreimal so viel für Strom und vier- bis fünfmal so viel für Gas zahlt wie seine Konkurrenten in China oder Amerika, dann geht diese Wirtschaft kaputt. Und heute ist der Preis wegen einer europäischen Regelung hoch. Natürlich spielt der Krieg auch eine Rolle, aber es gibt eine schlechte Energiepolitik, die Green Deal, grüne Vereinbarung genannt wird, die meiner Meinung nach tot ist. Wenn wir ihn forcieren, werden wir die europäische Wirtschaft zerstören. Hier muss etwas geändert werden, denn es bringt uns unter die Erde. Der zweite Punkt, der sich ändern muss, ist die Schaffung eines europäischen Kapitalmarktes. Das hört sich kompliziert an, aber es bedeutet einfach, dass unsere Rivalen, die arabischen Länder, die Amerikaner, die Asiaten, heute eine Wirtschaftspolitik betreiben, die das europäische Kapital dazu ermutigt, Europa zu verlassen und anderswo zu investieren. Die neue US-Regierung steht dabei an vorderster Front, indem sie die großen europäischen Fabriken, die Eigentümer des Kapitals, durch Regulierung und Verlockung dazu bringt, sich nicht in Europa weiterzuentwickeln, ihre Arbeit nicht hier fortzusetzen, sondern woanders zu tun, zum Beispiel in Amerika. Das ist der Grund, warum zum Beispiel die deutsche Automobilindustrie in großen Schwierigkeiten steckt. Die Verteidigung dagegen ist, dass wir dem europäischen Kapital, dem europäischen Großkapital, ein besseres Angebot machen als das, was sie aus Amerika, China und anderen Teilen der Welt bekommen. Dazu brauchen wir einen einheitlichen Kapitalmarkt, um dies tun zu können. Aber das ist nur eine Frage des Willens. Wir sitzen zu 27 am Tisch, und wenn wir uns darauf einigen könnten, was Ungarn übrigens von ganzem Herzen unterstützt, wenn wir uns darauf einigen könnten, dann würde der Kapitalmarkt geschaffen, und wir wären schon jetzt in der Lage, die für die Wirtschaft notwendigen Finanzmittel, also das Geld selbst, hier zu behalten. Wenn wir das nicht tun, wird es Probleme geben. Also Energiepreissenkungen und das Geld hier in Europa behalten, sonst ist die Europäische Union am Ende.
Gleichzeitig versucht die Regierung, die heimischen kleinen und mittleren Unternehmen oder Kleinstunternehmen zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurde die Schwelle für die Steuerbefreiung von 12 Millionen Forint auf 18 Millionen Forint angehoben. Wie viele Unternehmen sind davon betroffen? Welche praktischen Vorteile ergeben sich für sie und für die Wirtschaft?
Wenn Sie mir gestatten, werde ich meine Antwort auf die vorhergehende Frage beenden, denn was ich gesagt habe, war nur eine Analyse und keine politische Entscheidung. Wir sehen also, wie Europa herumhampelt, wie es ertrinkt, wie es vom Wasser des Rhein und der Donau getragen wird, wie es ums Überleben kämpft, und es ist nicht sicher, dass es überleben wird. Aber wir dürfen nicht an Europa denken, wir müssen an Ungarn denken. Denn wir sind nicht in erster Linie Europäer, wir sind Ungarn. Wir sind Europäer, weil wir Ungarn sind. Das ungarische Interesse steht also an erster Stelle, und ich könnte den amerikanischen Präsidenten paraphrasieren: „Hungary first!“ Wir müssen also eine Wirtschaftspolitik betreiben, die auch dann funktioniert, wenn die Europäische Union erfolgreich ist, und die auch dann funktioniert, wenn sie nicht erfolgreich ist. Das ist das, was ich vorhin als die intellektuelle Herausforderung bezeichnet habe, das, was Sie den deutschen Effekt nennen, also wir dürfen nicht der europäischen Wirtschaft ausgeliefert sein. Natürlich können wir uns ihrem Einfluss nicht entziehen, aber es ist nicht gleichgültig, wie groß er ist und in welche Richtung er geht. Wir können nicht so tun, als wären wir nicht da, wo wir sind, nämlich Teil des europäischen Binnenmarktes, aber es ist möglich, eine Wirtschaftspolitik zu gestalten, die die negativen Auswirkungen der europäischen Schwäche und Fragilität abmildert und Möglichkeiten in andere Richtungen eröffnet. Dazu müssen wir zuallererst unsere Denkweise ändern. Wir müssen verstehen, dass die wirtschaftliche Zukunft der Welt nicht in Europa geschrieben wird. Daran sind wir nicht mehr gewöhnt. Wir dachten, das war seit Hunderten von Jahren so, und wir dachten, das würde auch so bleiben, dass die Ereignisse und die Politik, die das Schicksal der Erde und der Weltwirtschaft bestimmen, in Europa gestaltet werden, vielleicht in Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Aber das ist nicht der Fall. Die Zukunft wird nicht in Europa geschrieben, sie wird in Asien geschrieben, sie wird in der arabischen Welt geschrieben, sie wird in den Schwellenländern geschrieben, und wenn Herr Präsident Donald Trump erfolgreich ist, wird sie in Amerika geschrieben werden, aber keinesfalls in Europa. Deshalb dürfen wir uns nicht in dem Gedanken verlieren, dass wir schon immer die Besten waren, dass wir jetzt die Besten sind und dass wir auch die Besten sein werden. Wir müssen einsehen, dass das vorbei ist. Deshalb muss die ungarische Wirtschaft besondere Beziehungen zu den wirklich erfolgreichen und reich werdenden Machtzentren der Welt aufbauen. Solche sind die Vereinigten Staaten, China selbst, viele Länder Asiens, die arabische Welt und so weiter. Wir müssen aus der europäischen Isolation ausbrechen und eine Außenwirtschaft betreiben, die auf, wie wir das nennen, Konnektivität, auf Beziehungen aufbaut. Die ungarische Wirtschaft ist in der Lage, den Menschen den Lebensstandard zu bieten, den sie haben, weil sie die in Ungarn hergestellten Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen kann. Das nennen wir ja eben eine exportorientierte Wirtschaft. Und unsere Exporte machen 80 bis 85 Prozent des gesamten ungarischen BIP aus. Wir müssen also produzieren und Handel treiben und verkaufen, sonst kommen wir in Schwierigkeiten und können unseren Lebensstandard nicht halten. Und am besten Handeltreiben und Verkaufen kann man heute nicht in und mit Europa, sondern mit anderen aufstrebenden Teilen der Welt. Was bedeutet das nun in der erdnahen Realität? Es bedeutet, dass die ungarischen Klein- und mittleren Unternehmer unterstützt werden müssen, damit sie zum Beispiel Kontakte ins Ausland knüpfen können. Wir unterstützen sie zum Beispiel dabei, ihre Geschäfte endlich zu digitalisieren, online zu gehen, sich mit dem internationalen Handel zu verbinden. Kleine und mittlere Unternehmer müssen dabei unterstützt werden, auf eigenen Beinen zu stehen. Deshalb legen wir ein Kapitalspritzenprogramm auf, das Demján-Programm. Und wir müssen – und hier komme ich nach einer langen, langen Abschweifung zu Ihrer Frage – die Unternehmer unterstützen, die wir als Selbständige bezeichnen. Die ungarische Wirtschaft gibt ihnen die Möglichkeit dazu, und sie werden in dieser bürokratischen Sprache mehrwertsteuerbefreite Unternehmen genannt. Derzeit gibt es in Ungarn zwischen 850 und 900 Tausend von ihnen. Jetzt werden sie besteuert, indem sie eine vereinfachte, niedrigere Steuer bis zu einem bestimmten Betrag ihres Einkommens zahlen, sie bekommen eine große Steuererleichterung. Von wem ist die Rede? Friseure, Bäcker, Taxifahrer, kleine Bauunternehmer, das ist die Welt, über die wir jetzt sprechen, und in Ungarn gibt es sehr wohl zwischen 850 und 900 Tausend von ihnen. Wenn ich sie zusammen mit ihren Ehepartnern zähle, ich gehe davon aus, dass die meisten von ihnen nicht allein leben, und ich zähle nicht einmal die Kinder mit, aber das sind immer noch 1 Million 800 Tausend Menschen. Und jetzt sagen wir, dass die steuerfreie Einkommensgrenze von bisher 12 Millionen auf 18 Millionen steigen wird. Eine Erhöhung um 50 Prozent! Und es lohnt sich, jetzt darüber zu sprechen, denn das geschieht nicht automatisch. Diese Unternehmer müssen also einen Antrag stellen, sie müssen sich hier registrieren lassen. Hierfür gibt es eine Frist, die Ende Februar abläuft. Wir haben jetzt Mitte Februar. Ich möchte diese Menschen, Hunderttausende von Ungarn, auffordern oder ermutigen oder daran erinnern, dass es sich lohnt, sich für diese Unternehmensform zu entscheiden, und dass sie die Frist nicht versäumen sollten, da sie dann ihre Rechte verlieren und nicht in dieses System aufgenommen werden können, also bis Ende Februar sollte ein jeder, der zu dieser Welt gehört, darüber nachdenken und seine Entscheidung treffen, und sich diesem System des steuerlichen Nachlasses anschließen.
Wir haben nur sehr wenig Zeit, aber lassen Sie uns auf jeden Fall noch unbedingt zwei wirtschaftliche Themen ansprechen. Zum einen haben die Rentner in dieser Woche ihre dreizehnte Monatsrente erhalten, zum anderen haben mehrere Oppositionsparteien angesichts der Inflationszahlen vom Januar von der Notwendigkeit einer Rentenanpassung gesprochen. Wie beurteilen Sie nun die aktuelle Situation der Rentner?
Wir haben ein System, ein recht ehrliches System, das besagt, dass wir zu Beginn des Jahres auf der Grundlage der von der Nationalbank veröffentlichten Zahlen die Inflationsrate ermitteln und die Renten mindestens um diesen Betrag erhöhen werden. Wenn wir die Inflation unterschätzen und sie höher ansetzen, nehmen wir das Geld nicht zurück. Das war im Jahr 2024 der Fall, als wir die Renten um 2-2,5 % höher angesetzt haben, als die Inflation am Ende des Jahres tatsächlich war, weil wir die erwartete Inflation als höher eingeschätzt haben. Dies führte damals zu einem Anstieg des realen Wertes der Renten. Und es gibt Zeiten, in denen wir die Inflation unterschätzen oder die Nationalbank die Inflation unterschätzt, aber im November, im November des laufenden Jahres, korrigieren wir das immer, und die Rentner bekommen im November den Betrag, den sie eigentlich bekommen sollten und auf den sie aufgrund der höheren Inflation Anspruch haben. Wie der Spruch sagt: genaue Abrechnung – lange Freundschaft. Es gibt ein starkes Bündnis zwischen den Rentnern und der Regierung, mich persönlich hierin miteingeschlossen. Man muss wissen, dass das ungarische Rentensystem einem ständigen Angriff ausgesetzt ist. Nicht nur von der ungarischen Opposition, damit können wir umgehen, sondern auch von Brüssel. Ich habe jetzt zurückgeblättert: Bereits 2017 erhielten wir die erste Aufforderung, das Rentensystem zu reformieren, was die Streichung der dreizehnten Monatsrente, die Anhebung des Rentenalters und so weiter bedeutet. Dann wiederholten sie dies 2022, und wir stehen unter ständigem Druck, teils durch Experten, teils durch Brüsseler Bürokraten, die dreizehnte Monatsrente aufzugeben, sie umzustrukturieren, zu kürzen, sie für die Rentner ungünstiger zu gestalten. Die ungarische Regierung widersetzt sich dem. Ich persönlich habe dies zurückgewiesen und weise das zurück, und wir werden die Renten verteidigen. Die Frage der Renten ist nicht nur eine Frage des Geldes, sie ist eine Frage der Wertschätzung, der Anerkennung, und die älteren Menschen – wir sprechen von 2,5 Millionen Ungarn, die dieses Land auf ihrem Rücken getragen, aufgebaut und am Leben erhalten haben – können nicht so behandelt werden, wie Brüssel es gerne hätte. Das muss zurückgewiesen werden, und sie müssen geschützt werden.
In der Zwischenzeit hat Brüssel Ungarn auch aufgefordert, „die EU-Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vollständig in internationales Recht umzusetzen“. Was bedeutet das für die Senkung der Nebenkosten?
Das ist eine Nachricht von gestern oder vorgestern. Ich dachte, ich sehe falsch. Brüssel fordert also, dass die Energieversorger ihre Preise frei festlegen können sollen. Na, da gäbe es aber hier einen Zirkus! Wenn wir zulassen würden, wenn ich zulassen würde, dass die Energieversorger den Menschen die Preise aufhalsen, die sie wollen, dann wären die Nebenkostenrechnungen der Familien heute mindestens eineinhalb Mal, vielleicht sogar doppelt so hoch. Heute zahlen ungarische Familien die niedrigsten Nebenkosten in der Europäischen Union, und das ist auch so nicht einfach. Stellen Sie sich vor, wir würden nur den europäischen Durchschnitt zahlen. Die Haushalte müssen unbedingt geschützt werden, und man muss jene Versuche Brüssels zurückdrängen, durch die sie versuchen, die Preise für die Nebenkosten zu erhöhen. Wir sind deswegen verklagt worden und werden uns vor Gericht behaupten müssen, aber wir werden nicht nachgeben und wir werden die Familien schützen.
Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zu den Friedenschancen, zur Migrationssituation in Europa und zu den Aussichten für die ungarische Wirtschaft befragt.