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Rede von Viktor Orbán auf der 10. Lámfalussy-Konferenz

Nun gut, aber worüber zum Teufel soll ich nach Jeffrey Sachs noch reden?

Welcome to All of You. Good morning to Everybody. If you allow me, I will use one of the secret weapons of the Hungarian nation, the Hungarian language, which is not just a language, but the first defense line of our national sovereignty as well.

Also, guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frauen und Herren Professoren, meine Damen und Herren!

Wir danken Jeffrey Sachs für seine Worte über die Ungarn, die uns sehr berührt haben; die Ungarn glauben nämlich wirklich, Herr Professor, dass wir der Welt mehr gegeben haben, als wir von ihr erhalten haben. Es war eine schöne Liste, die Sie zu unseren Gunsten geschrieben haben, und wir danken Ihnen dafür. Ich möchte noch zwei Punkte ergänzend hinzufügen, wenn Sie gestatten. Ich habe hier in meiner Hand dieses Instrument, das in Amerika Biro genannt wird. Es ist die Erfindung eines ungarischen Mannes, der Biró-Stift. Und auch wenn Sie es nicht wissen, der Illy-Café und der Espresso sind ebenfalls eine ungarische Erfindung, dank Ferenc Illy. Es gibt nur wenige gute Dinge in Kriegen, dies ist ein kleines Beispiel dafür, dass wir noch etwas darin finden können, denn er war ein Kriegsgefangener, der im Ersten Weltkrieg von den Italienern gefangen genommen wurde, ein Ungar aus Temeswar, der eine italienische Kaffeehändlerin heiratete, und daraus wurde der Illy-Café, nachdem er den Hochdruck-Dampf-Espresso erfunden hatte. So sind die Ungarn eben, meine Damen und Herren.

Sehr geehrter Herr Professor!

Nochmals vielen Dank für Ihre ermutigenden Worte.

Ich habe 2014 zum ersten Mal auf dieser Konferenz gesprochen. Ich habe meine damalige Rede gelesen, bevor ich heute zu Ihnen gekommen bin, und das hat an sich schon die Bedeutung dieser Konferenz bewiesen, denn nicht nur in meinen damaligen Ausführungen, sondern auch in den Reden der anderen Redner fanden wir die Warnungen und Signale, die heute die wichtigsten Herausforderungen für die Geopolitik darstellen. Und dann war ich auch 2017 hier bei Ihnen, als ich darüber sprach, dass sich die Welt verändert und es dafür deutliche Anzeichen gibt. Viele Menschen haben das damals bezweifelt, aber seit 2017, wenn Sie sich an jenes Jahr zurückerinnern, hat sich die Welt so sehr verändert, dass man sie kaum noch wiedererkennen kann. Dies ist die zehnte Lámfalussy-Konferenz. Wir haben hier schon von mehreren Jubiläen gehört, aber unser heutiges Zusammensein hat noch eine weitere Besonderheit, denn in der natürlichen Ordnung der Dinge, wie dies auch Frau Präsidentin Lagarde sagte, kommt jedes Mandat zu einem Ende. Ich beziehe mich natürlich nicht auf mein eigenes, denn man hofft, dass es nie endet, aber die Realität ist, dass alle Mandate enden, auch die der Zentralbank. Heute war es also das letzte Mal, dass György Matolcsy auf der Lámfalussy-Konferenz das Publikum als Zentralbankpräsident begrüßte. Wir können dem Präsidenten der Zentralbank sagen, dass dies noch nicht das Ende der Geschichte ist. Wir haben aus dem Film ‘Terminator’ gelernt, dass es kein Ende gibt, außer man schafft es selbst. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Ich bin zuversichtlich, dass der Herr Präsident auch weiterhin ein wichtiger und einflussreicher Akteur im ungarischen wirtschaftspolitischen Denken sein wird. In dieser Eigenschaft – einschließlich auch der heutigen Konferenz – schulden wir ihm für die vergangenen mehr als zehn Jahre Dankbarkeit. Das Erbe, das der Herr Präsident hinterlässt, erhebt ihn unter die größten, und im ungarischen Kontext muss ich Kálmán Széll, Sándor Wekerle oder auch den ersten Präsidenten der Zentralbank, Sándor Popovics, nennen. György Matolcsy ist ein epochaler Wirtschaftspolitiker und ein epochaler Zentralbankgouverneur. Wir danken ihm sehr für seine Arbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Neben dem Präsidenten muss ich heute auch Sándor Lamfalussy, wie er von den Ausländern genannt wird, Alexandre Lamfalussy, würdigen. Ich habe gesagt, dass dies die erste Verteidigungslinie ist, und sie werden es niemals aussprechen können: Lámfalussy Sándor, so sehr sie sich auch bemühen. Als echter Mitteleuropäer hatte er einen großen Anteil daran, dass der Beitritt der mitteleuropäischen Länder zur Europäischen Union so reibungslos wie möglich verlief. Er war so hilfreich, dass er mir zwischen 1999 und 2002, als ich ebenfalls Ministerpräsident sein durfte und wir den Beitritt vorbereiteten, als Berater zur Seite stand. Dafür bin ich ihm dankbar. Ich erinnere mich an unsere Diskussionen über den Euro zu dieser Zeit. Was ist das denn eigentlich, was wird daraus werden? Lámfalussy kannte die Funktionsweise des Euro besser als jeder andere, es war schließlich doch seine eigene Erfindung, er sah das Potenzial, aber – darüber reden wir heute nur noch selten – er sah darin auch die möglichen funktionellen Fehler. Ich erinnere mich, dass ich ihn gefragt habe, ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler, ich habe Jura studiert, aber ich habe ihn gefragt, als unzuständiger Interessierter: Und wie, mein lieber Sándor, wird es eine gemeinsame Währung ohne einen gemeinsamen fiskalischen Hintergrund geben? Einem Ökonomen mag es nicht absurd erscheinen, dass es ein gemeinsames Geld ohne einen gemeinsamen fiskalischen Hintergrund gibt, aber für einen Juristen, der sich in die Wirtschaftspolitik einmischt, ist das eine seltsame Sache, so etwas haben wir noch nie gesehen. Wie wird dies sein? Und Sándor sagte, dass mit der Einführung des Euro die Frage der gemeinsamen Fiskalpolitik entschieden ist. Sie ist unaufhaltsam. Der Euro wird die gemeinsame Fiskalpolitik der Mitglieder der Eurozone mit sich bringen. Es kann nicht anders sein. Herr Professor Lámfalussy war ein sehr kluger Mann, und er mag Recht haben, dass es nicht anders sein kann, er hat nur eines vergessen zu sagen: Wie viel Zeit braucht man dafür? Es ist 25 Jahre her, dass wir miteinander gesprochen haben, und es gibt keine gemeinsame Fiskalpolitik hinter dem Euro. Diese kleine Geschichte macht uns nur darauf aufmerksam, dass es keinesfalls eine gute Idee ist, sich auf den gesunden Menschenverstand von Politikern zu verlassen, wenn es um Dinge von so großem Ausmaß geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Lámfalussy hat auch einige kritische Anmerkungen gemacht. Er sagte, wenn wir, die europäischen Staats- und Regierungschefs, nicht geschickt genug sind, wenn wir keine wichtigen Schritte unternehmen, wird keine Situation entstehen, in der alle Mitglieder der Eurozone vom Euro profitieren können. Ich habe dies vielleicht einmal auch von Frau Präsidentin Lagarde gehört, Herr Lámfalussy habe gesagt, dass, wenn wir keine Änderungen vornehmen, dann nur die Reichsten von der Eurozone profitieren werden. Die weniger großen und weniger reichen Länder in der Eurozone werden davon nicht profitieren. Wenn man sich die Daten ansieht, ergibt sich ein ziemlich trauriges Bild. Seit der Einführung des Euro haben sich die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der USA wesentlich schneller verbessert als die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität des Euroraums. Seit dem Jahr 2000 ist das GDP der USA um etwa 170 % gestiegen, das des Euroraums dagegen um 140 %. In seiner jetzigen Form begünstigt der Euro, wie Lamfalussy uns davor warnte, die an sich schon starken und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften, trägt aber nicht zur Stärkung der aufholenden Volkswirtschaften bei. Dies ist eine ernste Warnung und vielleicht das wichtigste Vermächtnis von Lámfalussy für die Ungarn, die noch nicht Mitglied des Euroraums sind. Gerade weil wir seine Mahnung beherzigt haben, sind wir nicht Mitglied der Eurozone. Das Vermächtnis des Vaters der Eurozone ist der Ratschlag an Ungarn: Seid vorsichtig, wenn eure Wirtschaft nicht auf den Beitritt vorbereitet ist, wird der Beitritt euch umbringen.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diesen Rat befolgt. Abschließend möchte ich noch eine Bemerkung zu Sándor Lámfalussy machen. In einem Interview hat ihm ein frech provozierender liberaler Journalist die in dieser Gegend gefährliche Frage gestellt: Lieber Professor Lamfalussy, sind Sie Christ? Ich erinnere mich an dieses Interview. Hierzulande – ich weiß nicht, wie es in Amerika oder in den Ländern unserer Gäste ist, aber hierzulande – ist das keine angemessene Frage. Ein Gentleman interessiert sich nicht für drei Dinge, von denen eines die Religion des anderen ist. Aber es ist passiert, die Frage wurde gestellt, sie wurde später auch gedruckt. Eine der größten Lektionen meines Lebens war die Antwort, die Lámfalussy darauf gab. Er antwortete auf folgende Weise: „Sind Sie ein Christ, Herr Lámfalussy?“ „Ich versuche es, aber es gelingt mir nicht immer.“ Und das erinnert uns Christen daran, dass das Christentum keine Theorie ist, sondern eine Praxis, die vielleicht sogar in der Finanzpolitik ihren Platz haben kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Und es gibt einen weiteren Wirtschaftsprofessor hier unter uns, über den ich ein paar Worte sagen möchte. Es handelt sich um Herrn Professor Jeffrey Sachs, dem ich gerne meine Anerkennung ausspreche, da wir uns seit Jahrzehnten kennen. Herr Professor, lassen Sie uns Ihnen unser Geheimnis verraten. Es war eine sehr aufregende Zeit in unser beider Leben, als Sie während der Systemwechsel in Mitteleuropa beschlossen, in die Länder des Ostblocks zu gehen. Damals tauchten Sie an unserem Horizont, auf unserem Radar, in unserem Leben auf. Sie waren der prominenteste westliche Wirtschaftswissenschaftler, der in unsere Region kam, um den wirtschaftlichen Übergang zu unterstützen. Der Herr Professor und ich sind also alte Soldaten in der Verwestlichung und Aufholjagd Mitteleuropas. Und wie es bei Waffenfreunden üblich ist, haben wir einige freundschaftliche Schlagabtausche gehabt. Aber wir waren uns immer darin einig, und ich glaube, wir sind uns seither einig, dass wir Ungarn uns so schnell wie möglich und so tief wie möglich mit der ganzen Welt verbinden müssen. Wenn ich mich richtig erinnere, Herr Professor, trafen wir uns zum ersten Mal in Ihrem Haus in der Nähe von Washington, D.C. Ich erinnere mich, dass unsere Positionen in einer Reihe von Fragen erheblich voneinander abwichen, und wenn ich auf die letzten dreißig Jahre zurückblicke, kann ich feststellen, dass sich unsere Positionen angenähert haben. Ich sehe, dass dieselben Globalisten – lassen Sie mich diese politische Sprache verwenden –, die einst die Öffnung der Grenzen forderten, dieselben sind, die heute zu Blockaden, Schließungen und Krieg aufrufen. Hier muss ich den Namen eines anderen berühmten Sohnes unseres Landes erwähnen, George Soros, der hierbei an vorderster Front dabei war, denn es gibt Finanzkreise, die es immer gab und immer noch gibt, nennen wir sie Globalisten, die vor dreißig Jahren mit der Verbreitung neoliberaler Prinzipien dumm und dämlich verdienen konnten und heute mit dem Krieg viel Geld verdienen können. Der Rest ist nur leeres Geschwätz, ja viel mehr Augenwischerei oder volksverdummendes Schauspiel, das ist die nackte politische Wahrheit. Professor Sachs hingegen hat immer darauf bestanden, dass die Welt durch Freihandel, Zusammenarbeit und Vernetzung im gemeinsamen Interesse zu einem besseren und friedlicheren Ort gemacht werden kann. Für diese Meinung ist er in den letzten Jahren exkommuniziert worden, sicherlich nicht unabhängig vom Charakter der US-Regierung, aber er ist hartnäckig geblieben, er hat immer dieselbe Position vertreten, und wir schulden ihm dafür unseren Respekt. Lassen Sie mich sogar noch ein kleines Werkstattgeheimnis lüften: Bevor die ungarische Regierung ihre offizielle außenpolitische Strategie, die wir Konnektivität nennen, vorstellte, ging ihr ein langer und intensiver Meinungsaustausch mit dem Herrn Professor voraus. Ohne ihn wären wir wahrscheinlich auch gar nicht so weit gekommen. Ich würde also sagen, dass wir im Laufe von dreißig Jahren vom Washingtoner Dissens zum Budapester Konsens gekommen sind.

Vielleicht ist es nicht unbegründet, den Begriff „Budapester Konsens“ zu verwenden, denn der vorherige Konsens, der liberale Washingtoner Konsens, scheint gerade seine Seele ausgehaucht zu haben, wenn ich die Welt richtig verstehe. Er ging schon in den vergangenen Jahren seinem Ende zu, aber seit dem Sieg von Donald Trump kann er auch nicht einmal mehr auf eine Wiederauferstehung hoffen. In Ermangelung eines Washingtoner Konsenses lohnt es sich zu definieren, woran wir alle glauben und woran wir uns orientieren können, was wir als Budapester Konsens bezeichnen könnten, eine auf die ganze Welt projizierte normative Vision, die kurz gesagt als das Recht jeder Nation definiert werden kann, sich selbst als Mittelpunkt der Welt und als wichtigsten Bezugspunkt zu betrachten. Wir akzeptieren zwar mit größtem Respekt die Sachs-Doktrin, die wir gerade gehört haben, dass es auf die Größe ankommt, aber ich muss sagen, zum Beispiel für uns, dass die Ungarn denken, dass Ungarn der Mittelpunkt der Welt ist, Größeneffektivität hin oder her. Genauso wie wir akzeptieren, dass jede Nation ihre eigene Heimat als das Zentrum der Welt ansieht. Und daraus folgt, dass wir für jede Nation, auch für Ungarn, die Antwort auf die Frage suchen müssen, wie wir unser Überleben, wenn möglich unseren Wohlstand in dieser neuen Welt sichern können. Damit ein Land diese Frage beantworten kann, muss es zunächst einmal klären, wie die zukünftige Welt aussehen wird. Das ist etwas, worüber der Herr Professor vor mir in einer tiefgründigen Art und Weise gesprochen hat. Wenn ich meine eigene Antwort auf die Frage, wie die Welt aussehen wird, mit der wir konfrontiert sind und die jetzt Gestalt annimmt, zusammenfassen möchte, würde ich in meiner eigenen Sprache, die nicht die Sprache der Wirtschaft ist, sagen, dass das liberale Zeitalter durch ein souveränistisches Zeitalter abgelöst wird.

Nachdem wir diese souveränistische Ära seit fünfzehn Jahren hier in Ungarn, allein in der westlichen Welt, allein hier in Ungarn aufbauen, können wir das eine und das andere über die Merkmale der Ära, die vor uns liegt, sagen. Auch ich werde jetzt ein paar Dinge sagen. Die erste wichtige Erfahrung ist die Stabilität und die Sicherheit. Die Sicherheit wird in der vor uns liegenden Zeit immer wichtiger werden. Wer sich nicht selbst verteidigen kann, ist kein Partner, nicht einmal ein Verbündeter, bestenfalls ein Untergebener. Deshalb wird es für jede Nation von zentraler Bedeutung sein, ihre eigene Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu bewahren. Interessanterweise steht dabei heute nicht nur der ukrainisch-russische Krieg im Mittelpunkt, sondern die Migration. Die Sicherheit und Stabilität der westlichen Länder, insbesondere in Europa, wird heute durch die Migration und ihre mathematisch vorhersehbaren Folgen bestimmt. Diejenigen, die sich damit nicht beschäftigen, werden nicht in der Lage sein, ihren Platz, ihren positiven Platz in der neuen Welt zu finden.

Die zweite Erfahrung ist die eines funktionierenden Staates. Das klingt in Ihren Ohren natürlich seltsam, denn, wie wir das auch von Frau Lagarde gehört haben, wird unter Unabhängigkeit auch die Unabhängigkeit der Zentralbank von den Regierungen verstanden. Aber glauben Sie mir, einer der großen Wettkämpfe der kommenden Zeit wird ein Wettstreit zwischen den Modellen der Staatsorganisation sein, oder ist es vielleicht auch jetzt schon. Da die neoliberalen Modelle der Staatsorganisation gerade jetzt scheitern, in Amerika sind sie bereits gescheitert, aber auch in Europa scheitern sie gerade jetzt, stellt sich die Frage, welche anderen Modelle der Staatsorganisation aus den verschiedenen nationalen Kulturen kommen werden, die in nationale Besonderheiten verpackt sind. Wir werden sehen, welches Modell der Staatsorganisation in den nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahren am erfolgreichsten sein wird.

Unsere dritte Erfahrung ist eine auf Konnektivität basierende Außenpolitik. Ein Land, das nicht bereit ist, sich mit anderen wichtigen Akteuren zu vernetzen, kann nicht erfolgreich sein. Aber diejenigen, die mit allen in Verbindung treten können, werden an Gewicht und Rolle gewinnen. Werfen wir einen Blick auf Ungarn. Unsere liberalen Gegner pflegen Ungarn als ein isoliertes Land darzustellen. Im Vergleich dazu haben wir heute in ganz Europa die besten Beziehungen zur neuen republikanischen Administration in den USA, wir haben die besten Beziehungen zu China und wir haben die besten Beziehungen zu Russland. Nicht Ungarn ist isoliert, sondern die Europäische Union: Die Europäische Union hat sich mit der neuen US-Regierung zerstritten, die noch nicht einmal im Amt ist, die Europäische Union hat sich von China isoliert, weil sie einen Zollkrieg begonnen hat, und sie hat sich von Russland isoliert, mit dem sie sich im Krieg befindet. Wer ist hier isoliert? Ich muss also sagen, dass wir das Gefühl haben, dass wir uns auf der Hauptstraße der Geschichte befinden, während die Europäische Union irgendwo in den schlammigen Seitenstraßen herumirrt und herumstolpert.

Und das vierte und letzte, was ich über die neue Welt sagen möchte, ist, dass sie zur Mittelschicht gehört oder mit ihr verbunden ist. Unsere vierte Erfahrung ist, dass wir nur mit einer starken Mittelschicht widerstandsfähige Gesellschaften aufbauen können. Denn in Europa werden wir in den kommenden Jahrzehnten mit sehr ernsten sozialen Schocks konfrontiert werden. Ich habe über die Migration gesprochen, aber wir können noch viele andere vorhersehbare Schocks benennen. Und ich bin davon überzeugt, dass in dieser neuen Welt nur diejenigen überleben werden, bei denen diese Probleme und Schocks keine interne politische Instabilität verursachen. Es wäre unhöflich von mir, Frankreich oder Deutschland zu erwähnen, und ich werde das jetzt auch nicht tun, aber nur die Länder, in denen die auf der Mittelschicht basierende Gesellschaftsordnung unerschütterlich und unzerstörbar ist, werden Erfolg haben. Eine starke Mittelschicht wird die Schlüsselfrage der nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahre sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn ich in diesem Zusammenhang ein paar Worte zu Ungarn sagen darf, so kann ich sagen, dass wir nicht zugelassen haben, was im Westen passiert ist, wo das liberale Modell der Staatsorganisation die westlichen Mittelschichten geschwächt hat. Das ist es, was heute westlich von uns passiert, so dass, während die europäischen Mittelschichten schrumpfen, in der ostasiatischen Welt Hunderte von Millionen riesiger sozialer Schichten von unten in die Mittelschichten gehoben werden – und sich damit nicht nur Stabilität, sondern auch wirtschaftlichen Wohlstand schaffen. Im Jahr 1998 lag das Durchschnittseinkommen der chinesischen Stadtbewohner in der unteren Hälfte der Einkommensverteilungsskala, heute liegt es im oberen Drittel, während es in vielen westeuropäischen Ländern zu sinken begonnen hat. Wir arbeiten hier seit 2010 daran, die starke Mittelschicht zu schaffen. Die hier Anwesenden wissen es vielleicht nicht, aber es gibt heute eine Million mehr Menschen in Arbeit als 2010. In einem Land mit 10 Millionen Einwohnern – ich spreche von der Gesamtbevölkerung – gibt es seit 2010 eine Million mehr Menschen, die arbeiten. Die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen liegt jetzt bei 81 %, gegenüber 64 % im Jahr 2010. Das Finanzvermögen der privaten Haushalte hat sich vervierfacht und liegt nun bei rund 90 Milliarden Forint. Das ist die 13. größte finanzielle Ersparnis in der gesamten Europäischen Union, wobei 45 Jahre Kommunismus hinter uns liegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen hier nicht von der Akkumulation über Generationen historischer Familien, weil der Kommunismus das unmöglich gemacht hat, aber trotzdem hat es eine Politik des Mittelstandes geschafft, dass wir heute auf Platz 13 in der Europäischen Union stehen. Und neun von zehn Ungarn – und das sage ich unseren Gästen, das ist in Ungarn selbstverständlich – wohnt in seinem ihm selbst gehörenden Eigentum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Kleinstunternehmen – von den großen wollen wir gar nicht reden – haben ihren Umsatz in zehn Jahren verdoppelt, von 10 Milliarden Forint auf 20 Milliarden Forint, und diese Tendenz ist immer weiter steigend. Und dies ist in Ungarn auf die Weise geschehen, dass gleichzeitig die Brüsseler Bürokratie aufgrund unserer engen Beziehungen zu den amerikanischen Republikanern Ungarn mit Finanzsanktionen belegen will, und der russisch-ukrainische Krieg die ungarische Wirtschaft in drei Jahren 19,5 Milliarden Euro gekostet hat. So viel hat der russisch-ukrainische Krieg Ungarn bisher gekostet. Vor diesem Hintergrund ist die Mittelschicht gestärkt worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Seit 2010 sind die Realeinkommen von 60-70% der Arbeitnehmer in Ungarn jedes Jahr gestiegen. Jedes Jahr! Die einzige Ausnahme ist das Kriegsjahr 2023, das zweite Jahr des russisch-ukrainischen Krieges, der 2022 begann, in dem es zwar insgesamt einen kleinen, aber dennoch leichten Rückgang der Realeinkommen in Ungarn gab. Wenn es also ein Land gibt, das am Frieden interessiert ist, dann ist es Ungarn. Wenn es ein Land gibt, das ein Interesse daran hat, dass es Donald Trump gelingt, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, dann ist es Ungarn. Der Erfolg der Friedensbemühungen der US-Administration ist für Ungarn kein ideologisches und nicht einmal ein geostrategisches Interesse, sondern ein vitales, alltägliches wirtschaftliches Interesse. Deshalb hoffen wir, dass es Frieden geben wird, dass die souveränistische weltpolitische Umgestaltung stattfindet und dass wir das große amerikanisch-ungarische Wirtschaftsabkommen abschließen können, das der ungarischen Wirtschaft Auftrieb geben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich sage nicht, dass ich am Ende meiner Ausführungen angelangt bin, aber ich werde hier aufhören. In unserer Gemeinde, bei den Calvinisten, ist es eine bekannte Geschichte, als ein kleines Kind während einer langen, langen Predigt seinen Vater fragte: Wann kommt er denn endlich zum Ende? Wann wird er fertig sein? Der Vater antwortet: „Er ist schon fertig, er kann nur einfach nicht aufhören.“ Diesen Fehler möchte ich jetzt vermeiden, also höre ich jetzt auf und möchte denjenigen meinen großen Respekt und meine Anerkennung aussprechen, die diese Konferenz ins Leben gerufen haben und uns mit ihren Ideen helfen, Ungarn erfolgreich durch die globalen Herausforderungen zu navigieren. Mit Ihrer Hilfe haben wir gute Chancen, dass Ungarn seinen Platz nicht nur auf der Landkarte der alten Weltwirtschaft, sondern auch auf der Landkarte der neuen Weltwirtschaft, die jetzt entsteht, finden wird. Ich möchte Sie ermutigen, uns allen zu sagen, was die ungarische Regierung von Ihren Ideen nutzen kann.

Vielen Dank für die Einladung! Respekt an Sándor Lámfalussy! Glückwunsch an Frau Präsidentin Lagarde! Danke an Herrn Professor Jeffrey Sachs, und danke an György Matolcsy, den Präsidenten der Zentralbank! Danke, dass ich hier sein durfte!

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