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Rede von Viktor Orbán auf dem Forum der ungarischen Abgeordneten aus dem Karpatenbecken

Vielen Dank. Nun wäre es an mir, eine optimistische in die Zukunft weisende und zum Handeln anregende Lagebeschreibung zu geben. Ich werde es versuchen. Zunächst einmal begrüße ich den Herrn Parlamentspräsidenten herzlich! Ich danke Ihnen für die Einladung.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Wenn es um das Karpatenbecken geht, und so heißt dieses Forum ja schließlich, dann ist natürlich Áron Tamási zu zitieren: „Wir sind auf der Welt, um irgendwo in ihr ein Zuhause zu haben.“ Also hier im Karpatenbecken zu sein, um irgendwo zu sein, ist keine große Leistung, für andere mag das vielleicht ausreichen, aber wir brauchen mehr, und das Karpatenbecken ist für uns mehr als nur ein Aufenthaltsort. Mit Schweiß und Blut haben wir uns über Jahrhunderte hinweg das Recht erkämpft und uns würdig erwiesen, dass das Karpatenbecken der Rahmen und Sinn unseres gesamten Daseins ist.

Forum der ungarischen Abgeordneten des Karpatenbeckens – lassen wir alle vier Begriffe für sich sprechen. Das Karpatenbecken ist für uns Ungarn nicht nur ein geografischer Begriff. Es ist unsere historische, seelische und geistige Heimat, wo Flüsse, Berge und Ebenen ebenso unsere Vergangenheit bewahren und unsere Zukunft gestalten wie unser bauliches Erbe. Sie, die ungarischen Abgeordneten des Karpatenbeckens, sind also Teil einer historischen, seelischen und geistigen Einheit. Ihre Arbeit kann letztlich nur in der Gesamtheit dieser Einheit verstanden werden. Wo auch immer Sie im Karpatenbecken leben, Sie alle vertreten das gesamte Karpatenbecken und auch die Gesamtheit des Ungarntums. Wir, die Führer im Mutterland, teilen mit Ihnen Ihre Verantwortung und haben sogar die Pflicht, Ihnen voranzugehen.

Zweitens: Wir sind ein Forum der Vertreter der Ungarn im Karpatenbecken, also sind wir auch Ungarn. Um Missverständnisse auszuräumen, möchte ich hier sagen, dass es nicht darum geht, ob Bartók oder Enescu größer ist – das ist eine Frage der Liberalen. Unsere Frage ist, wer der Ungar ist. Wer der Ungar ist, ist unser. Daraus geht auch hervor, dass die Liebe zum Vaterland keine Frage des Verstandes, sondern eine Frage des Herzens ist. Über die Folgen dieses Zustands, über das daraus resultierende Schicksal und die daraus resultierende Mission sprechen wir oft und an vielen Orten. Hier möchte ich nur kurz die wichtigsten Punkte aufzählen. Ungarisch zu sein bedeutet, dass unsere Sprache unsere Seele ist; wenn wir sie verlieren, verlieren wir uns selbst. Das Fortbestehen der ungarischen Nation ist kein Geschenk, wir müssen jeden Tag dafür kämpfen. Wer die Familien schützt, schützt die Nation. Grenzen können trennen, aber die Nation gehört zusammen. Ungarische Kinder sind die beste Investition in die Zukunft der Nation. Wenn du Ungar bist, lebst du in einer geopolitischen Zwickmühle: im Westen die Deutschen, im Osten die Russen, im Süden die Muslime. Ungar zu sein ist – wie man daraus ersieht – eine schwierige Aufgabe.

Drittens: Die ungarischen Abgeordneten aus dem Karpatenbecken. Sehr geehrter Herr Präsident, das Wesentliche in der Politik ist, mutig zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Politik – das wissen Sie alle – bedeutet Handeln. Um handeln zu können, muss man dazu befugt sein. Deshalb ist es besonders wichtig, dass es ein gesamtungarisches Gremium gibt, dessen Mitglieder demokratisch gewählte Abgeordnete sind. Sie sind bewährt, kampferprobt und für den Kampf geeignet. Wir freuen uns, dass die ungarischen Organisationen in Siebenbürgen und im südungarischen Raum Wahlerfolge erzielt haben und damit die Notwendigkeit und Wirksamkeit ethnischer Politik unter Beweis stellen.

Forum der ungarischen Abgeordneten des Karpatenbeckens, also Forum. Das Forum ist ein Ort, an dem Dinge diskutiert werden können. Nicht wie in einem Parlament, wo die Debatte eher einem Kampf gleicht. Eher wie ein öffentlicher Ort des gemeinsamen Nachdenkens, der Inspiration, der Vermutungen und Intuitionen, der Suche nach Wegen. So werde ich heute auch zu Ihnen über die Lage in Ungarn und Europa sprechen. Heute muss ich hier wahrscheinlich fast ausschließlich über die größte Herausforderung sprechen, vor der die Ungarn im Karpatenbecken stehen. Diese Herausforderung ist der Krieg, genauer gesagt die den Krieg nährende Kriegspolitik Brüssels.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Diese Politik, die Kriegspolitik, bringt uns nur Schlechtes und gefährdet unsere Zukunft. Sie verteuert die Energie und damit fast alles, was wir im täglichen Leben brauchen, und deshalb leidet heute die europäische Wirtschaft. Die Kriegspolitik bürdet ganz Europa riesige Lasten auf, also auch den Ländern des Karpatenbeckens. Die Kriegspolitik entzieht der Entwicklung und den Investitionen, mit denen das wirtschaftliche Leben und die Zusammenarbeit aller Ungarn belebt werden könnten, Ressourcen. Das ist nicht jene Europäische Union, der wir beigetreten sind. Die Europäische Union wurde bisher durch ihre Erfolge legitimiert. Diese Erfolge haben ihr auch eine Identität gegeben. Diese Identität beruhte darauf, dass die Union nach der blutigen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Frieden und Wohlstand auf dem Kontinent schaffen konnte. Doch inzwischen ist der Wohlstand verschwunden. Als Mitteleuropäer ist das seltsam zu sehen, denn diese Länder sind reicher als wir. Dennoch ist die legendäre Lebensqualität des Westens dahin. Die Lebensqualität kann nicht gut sein, wenn es massenhaft Migranten gibt und man das Gefühl verloren hat, zu Hause zu sein. Die Lebensqualität kann nicht gut sein, wenn man zwei- bis viermal so viel für Energie bezahlen muss als noch vor zwei oder drei Jahren. Das heißt, meine Damen und Herren, die Erfolge legitimieren die Union nicht mehr. Es muss etwas anderes her. Laut Brüssel ist es das neue Ziel Europas, im Osten gegen Russland zu kämpfen.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der neuen europäischen Kriegsidentität ist die Verstärkung der Kriegspsychose im europäischen Bewusstsein. Der Kriegspropaganda zufolge könnte Russland EU- und sogar NATO-Länder angreifen. Die russische Bedrohung für ganz Europa wird ständig auf der Tagesordnung gehalten. Der Brüsseler Propaganda zufolge kann nur ein Präventivschlag Russland aufhalten, und in ihren Köpfen ist der Krieg in der Ukraine selbst dieser Präventivschlag. In ihrer Vorstellung hindert die ukrainische Armee bereits heute die Russen daran, Europa zu besetzen. All dies ist meiner Meinung nach jedoch nicht wahr, Europa kann auch ohne die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine verteidigt werden. Brüssel vertraut auch darauf, dass die Erhöhung der Militärausgaben und die Aufrüstung die Wirtschaft ankurbeln werden. Der Gedanke dahinter ist, dass durch Ausgaben für den Krieg sowohl die Verteidigung als auch die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden, als ob die Aufrüstung Wohlstand bringen würde. In Wirklichkeit handelt es sich um einen neuen Wirtschaftskreislauf: Wir finanzieren einen Krieg, nur nicht auf unserem eigenen Territorium. Die Europäische Union liefert Waffen an die Ukraine, die Ukraine kauft diese mit EU-Krediten, und die EU kauft ukrainische Waren. Man glaubt, oder zumindest sagt man, dass der Krieg so an der russisch-ukrainischen Grenze bleibt und nicht an den Grenzen zum Baltikum und zu Polen, zur Slowakei, Ungarn oder Rumänien.

Unter Berufung auf die Kriegssituation, meine Damen und Herren Abgeordneten, haben sie eine Referenzgrundlage für die weitere Zentralisierung der Union und die Beseitigung des souveränistischen Elements gefunden. Dies ist eine Abkehr von der bisherigen Logik der europäischen Integration, in Wirklichkeit ist es ein Putsch. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist zum Katalysator geworden, auf den sich Brüssel beruft, um immer mehr Befugnisse an sich zu reißen. Die EU-Elite drängt auf neue europäische Antworten, aber wenn ich ihnen zuhöre, geht es nicht mehr um Zusammenarbeit, sondern um die Übertragung von Befugnissen. Nach Ansicht der EU-Spitzenpolitiker ist das auf Konsens basierende System der 27 EU-Mitglieder zu langsam, um Krisen zu bewältigen. In Klammern möchte ich nur anmerken, dass es eine gewisse Ironie hat, dass in Ungarn Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit kritisiert werden, während in Brüssel Einstimmigkeit als Bedrohung angesehen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die intellektuelle Grundlage für ein Europa im Krieg wird gerade gelegt. Das sehe ich. Ich beobachte, höre zu, verfolge die Konferenzen und stelle fest, dass die liberale Think-Tank-Welt ihre Arbeit aufgenommen hat. Es entstehen nacheinander Analysen und Expertenmeinungen, die die Notwendigkeit einer Zentralisierung betonen. Es gibt ein renommiertes Institut namens ECFR, das beispielsweise die Idee eines EU-„Notfallvorsorgegesetzes” skizziert. Ein solches Gesetz würde es der EU ermöglichen, im Krisenfall industrielle Kapazitäten zentral zu mobilisieren und kritische Infrastrukturen zu schützen. Außerdem würde sie die Lieferketten und den Zugang zu strategischen Rohstoffen sichern. Andere Think-Tanks schreiben darüber, welche institutionellen Reformen mit der Erweiterung der EU einhergehen sollten. Im Klartext – so lautet die Schlussfolgerung aller Beiträge – muss der Kreis der Fragen, die Einstimmigkeit erfordern, verkleinert werden, beispielsweise indem sie aus der Außenpolitik verbannt werden. Letztendlich kommen alle liberalen Interpretationen zu dem gleichen Schluss: Die Logik des Krieges erfordert Zentralisierung. Das Endergebnis des Brüsseler Plans wäre im Wesentlichen die Abschaffung der nationalen Souveränität.

Aber nicht nur die Souveränität, sondern auch die Freiheit und die Demokratie würden abgeschafft. Denn in der Integration waren immer die Nationalstaaten die wahren und letzten Garanten der Demokratie. Schon die Gründerväter waren von dem Gedanken geleitet, dass die supranationale Ebene – die zwangsläufig bürokratisch ist – nur von der nationalen Ebene kontrolliert werden kann. Mit anderen Worten: Die Bürokratie muss unter der Kontrolle demokratisch gewählter Führer und Vertreter bleiben. Das war der Kerngedanke der Gründerväter. Das Programm der Föderalisierung bedeutet daher zwangsläufig die Abschaffung der Volksherrschaft aus dem Funktionieren der EU. Hinzu kommt, dass die Instrumente in Brüssel bereits jetzt undemokratisch sind. Wir alle erleben es am eigenen Leib: Sie mischen sich in Wahlen ein, beobachten souveränistische Parteien, verbieten rechtsgerichtete, konservative Veranstaltungen und finanzieren in ganz Europa föderalistische und kriegstreiberische Pseudozivile und Medien. Das heißt, die Vereinigten Staaten von Europa, denn das ist schließlich das Ziel – zumindest in ihren Köpfen –, würde eine undemokratische und nicht rechenschaftspflichtige politische Struktur schaffen.

Eine neue Entwicklung, meine Damen und Herren, ist, dass Brüssel nun auf der Grundlage einer Kriegslogik auch eine massive Finanzstruktur aufbauen will. Denn es braucht Milliarden Euro, um Geld für die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine zu schicken. Deshalb ist es nun das Ziel Brüssels, das Geld der europäischen Steuerzahler zu föderalisieren. Es will eine Ordnung schaffen, in der Brüssel selbst über die Ressourcen verfügt, ohne dass die Mitgliedstaaten Einfluss darauf haben. Heute fließt fast jeder Forint oder Euro über die nationalen Haushalte in die Union. Das wollen sie ändern. Gleichzeitig gestalten sie die institutionelle Struktur, also die Struktur der Union, so um, dass die den Mitgliedstaaten zustehenden Mittel in die Ukraine umgeleitet werden können.

Drittens werden die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionsfonds entsprechend den Kriegszielen umgeschichtet. Wer die ersten Vorschläge zum nächsten Siebenjahreshaushalt der Union gesehen hat, kann sehen, dass das, worüber ich spreche, bereits schriftlich festgehalten wurde. Seit Ausbruch des Krieges wollen sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament kontinuierlich eine Aufstockung ihrer eigenen Haushaltsmittel erreichen, die derzeit recht minimal sind. Eigene Mittel bedeuten, dass die Brüsseler Bürokraten direkt Steuern erheben und einziehen. Damit wird natürlich auch eine Verringerung der nationalen Steuerbasis erreicht. Insgesamt wollen sie den Mitgliedstaaten auf diese Weise jährlich mindestens 37 Milliarden Euro indirekt entziehen. Da machen sie auch keinen Hehl daraus. Zuletzt sagte die Präsidentin der Kommission, dass der Haushalt der Europäischen Union für andere Zwecke verwendet werden müsse. Ich zitiere: „Weil auf die geopolitischen Herausforderungen eine Antwort gegeben werden muss.”

Ein solches Finanzinstrument ist auch die gemeinsame Kreditaufnahme. Der gemeinsamen Kreditaufnahme haben wir einmal zugestimmt, als die Union beschlossen hat, einen Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der Folgen der Pandemie einzurichten. Das Versprechen war, dass mit diesem Geld die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten wieder auf die Beine gebracht werden sollen. Heute sehe ich, dass die Hälfte der auf diese Weise zusammengetragenen Mittel an die Mitgliedstaaten ausgezahlt werden konnte. Die Hälfte! Vier Jahre nach der Pandemie!

Meine Damen und Herren!

Wenn wir weitere Kredite aufnehmen, stärken wir damit die Föderalisierung. Wenn wir dem Druck aus Brüssel nachgeben, kommen wir zum Hamilton-Moment Europas. Wie in der Geschichte der Vereinigten Staaten wird auch in Europa die gemeinsame Kreditaufnahme die Föderalisierung unumkehrbar machen. Das hat die Geschichte gezeigt. Im Brüsseler Bruegel-Institut beispielsweise ist man der Meinung, dass da Europa sich bewaffnen muss, es „kurzfristig keine Alternative zur gemeinsamen Schuldenfinanzierung gibt”.

Meine Damen und Herren!

Die vielleicht größte Errungenschaft der ungarischen Präsidentschaft war die Verabschiedung des Wettbewerbsfähigkeitspakts. In Brüssel will man nun aber alle verfügbaren Mittel in die Rüstungsindustrie stecken, die dann nach Quoten verteilt werden können. Das ist eine militärische Quotenwirtschaft, deren Produkte dann an die Ukraine verkauft werden können, natürlich von europäischen Geldern. Grüne Quote, Migrantenquote, Genderquote, und jetzt gibt es auch noch die Kriegsquote. In Brüssel sprechen Experten und Veteranen offen über eine Kriegswirtschaft. Zuletzt sagte der berühmte, bekannte und angesehene Berater des ehemaligen Ratspräsidenten Van Rompuy in einem heiteren Gespräch, dass die Umstellung Europas auf eine Kriegswirtschaft nur eine Frage der Entschlossenheit sei.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Das Einsatzgebiet des Brüsseler Kriegsplans ist die Ukraine. Einsatzgebiet allererstens in dem Sinne, dass hier Krieg geführt wird. Aber auch Einsatzgebiet in dem Sinne, dass die Ukraine mit Gewalt in die Europäische Union als Mitglied hineingedrängt wird. Die Europäische Kommission erklärt in ihren jüngsten schriftlichen verteidigungspolitischen Plänen, dass die Ukraine für Brüssel ein Einsatzgebiet ist. Ich zitiere: „Die Unterstützung der Ukraine ist eine unmittelbare und dringlichste Aufgabe der europäischen Verteidigung. Die Ukraine steht derzeit an der Frontlinie der europäischen Verteidigung.“ Dementsprechend wurde die Propaganda gestartet, dass die Integration der Ukraine in die Europäische Union mit minimalen Kosten realisierbar sei. Das ebenfalls renommierte Centre for European Policy Studies in Brüssel fasst zusammen, ich zitiere erneut: „Die junge und gut ausgebildete Arbeitskraft der Ukraine ist auch eine wertvolle Ressource, und auch im Bereich der Dienstleistungen und des Kapitalflusses eröffnen sich eher neue Möglichkeiten. Die Einbindung des ukrainischen IT-Sektors in die europäischen Märkte und die bedeutenden Agrar- und Rohstoffproduktionskapazitäten der Ukraine können zur Versorgungssicherheit der EU beitragen.” Das Bruegel-Institut behauptet sogar, dass die Ausweitung der Kohäsions- und Agrarbeihilfen aufgrund des Beitritts der Ukraine jährlich nur 0,13 Prozent des GDP der EU kosten würde.

Auch wir haben das nachgerechnet. Für uns ist klar, dass die ungarische Wirtschaft unter einem Beitritt der Ukraine zusammenbrechen würde. Die vollständige Integration des Landes, also der Ukraine, würde über mehrere Jahre verteilt etwa 2.500 Milliarden Euro kosten, was dem Zwölffachen des diesjährigen Haushalts der Europäischen Union entspricht. Die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine sind enorm. Konservative Schätzungen gehen von 500 Milliarden Dollar aus, ukrainische Quellen sprechen –die Differenz ist auf diese Weise verständlich – von 1.000 Milliarden Euro. Darüber hinaus kostet der Betrieb der Ukraine als Staat bereits jetzt 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Für Ungarn würde dies insgesamt eine finanzielle Belastung von 20 tausend Milliarden (also Billionen) Forint bedeuten. Darüber hinaus würde Ungarn zu einem Nettozahler werden, und das ist für uns insgesamt zu viel.

Summa summarum ist ein zentralistischer, von Brüssel aus gesteuerter europäischer Superstaat nicht im Interesse der in dem Karpatenbecken lebenden Ungarn und anderer Völker. Wir hatten schon viele Imperien im Nacken, wir wissen, wie das ist, und obwohl diese alten Imperien alle untergegangen sind und wir noch da sind, möchten wir das, wenn möglich, nicht noch einmal erleben. Wir sind geblieben, sie sind untergegangen, aber die Wunden, die die Imperien den Ungarn zugefügt haben, sind bis heute nicht verheilt. Die Entvölkerung während der türkischen Herrschaft, der Weltkrieg, der Gebietsverlust durch den Vertrag von Trianon. All dies sind Werke, ja sogar die Verbrechen der jeweiligen Imperien. Wenn es irgendwie möglich ist, sollten wir in Brüssel um keinen Nachschlag bitten. Deshalb besteht meiner Meinung nach die Aufgabe darin, dass wir uns dieses derzeit im Aufbau befindliche Brüsseler Reich nicht aufhalsen lassen.

Aber wie können wir das vermeiden? Das ist hier die Frage! Ich glaube, wir brauchen einen echten Husarenritt. Kurz gesagt: Solange der Kaiser Krieg führt, müssen wir Brüssel besetzen, à la András Hadik in Berlin. Während Brüssel sich auf den Krieg vorbereitet, müssen wir die europäischen Initiativen gegen den Krieg verstärken. Denn der Krieg kommt nicht nur uns Ungarn teuer zu stehen. Seine Last spürt jeder Europäer. Das ist unsere Chance. Nach unseren Umfragen lehnt die öffentliche Meinung in elf europäischen Ländern einen beschleunigten Beitritt der Ukraine unabhängig vom Kriegsverlauf ab, und nur in zehn Ländern befürwortet die öffentliche Meinung einen Beitritt eindeutig. Ebenso wissen wir, dass die Hälfte der europäischen Bürger gegen die Lieferung europäischer Waffen an die Ukraine ist. 67 Prozent der Europäer lehnen die Entsendung europäischer Soldaten in die Ukraine ab. Es gibt also reichlich politischen Spielraum.

Die Pläne aus Brüssel können mit geschicktem Manövrieren vereitelt werden. In den letzten Jahren haben wir die organisatorischen Grundlagen für einen solchen Plan geschaffen. Wir haben die Patriotische Parteienfamilie gegründet, die mittlerweile die drittgrößte Fraktion im Europäischen Parlament ist. Die Europäischen Konservativen, das Europa der Souveränen Nationen und wir sind alle antiföderalistische Parteienfamilien. Zusammen könnten wir die größte Fraktionsallianz Europas bilden. Irgendwann einmal. Irgendwann einmal ist Geduld die wichtigste Tugend, und dieses Irgendwann ist jetzt. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, wenn wir die Brüsseler Pläne durchkreuzen wollen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf die mitteleuropäische Zusammenarbeit eingehen. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs hat sich die Machtdynamik in der Europäischen Union verändert. Die deutsch-französische Achse kann heute, wenn sie funktioniert, alles in der Union erreichen. Die souveränitätsorientierten mitteleuropäischen Länder, sagen wir mal die Visegráder, haben ihren einzigen großen Verbündeten, England, verloren. Deshalb haben die liberalen Regierungen die Visegráder Zusammenarbeit aufgegeben, auch Tschechien und Polen haben so gehandelt. Das war ihre Antwort auf die neue Situation, und meiner Meinung nach war es die falsche Antwort, denn genau das Gegenteil ist der Fall: Man sollte sich nicht der deutsch-französischen Achse anschließen, sondern die V4 stärken, das hätte man tun müssen und das sollte man auch heute tun. Die sich neu formierende mitteleuropäische Zusammenarbeit könnte der Schlüssel dazu sein, dass die ungarische Nation nicht erneut unter ein imperiales Provisorium gestellt wird. Aus dieser Perspektive ist das Ergebnis der polnischen Präsidentschaftswahlen ausgesprochen ermutigend.

Meine Damen und Herren!

Auch den ungarischen Abgeordneten jenseits der Grenze kann dabei eine wichtige Rolle zukommen. Gute Beziehungen zu den Nachbarländern auszubauen ist gut für die ungarische Bevölkerung vor Ort und gut für die mitteleuropäische Zusammenarbeit. Es wäre wichtig, innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Million Menschen im Karpatenbecken Ungarisch beizubringen. Dazu sind Schulungen und die Vermittlung der Werte der ungarischen Welt notwendig. Eine solche Initiative würde den Dialog erleichtern – sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne. Ich möchte anmerken, dass es auch den Ungarn in der Mutterland nicht schaden würde, mindestens eine oder zwei Sprachen der Nachbarländer zu lernen. Gute Nachbarschaft ist die beste Chance für die Ungarn jenseits der Grenze, um zu gedeihen. Aber wir dürfen nicht den Fehler begehen, den die linksliberalen Regierungen begangen haben, nämlich die nationalen Interessen für gute Beziehungen zu opfern. Die Grundlage für gute Nachbarschaft kann nur Stärke und gegenseitige Anerkennung sein. Es bedarf einer klaren Sprache und einer verständlichen Nationalpolitik.

In der Denkweise der ungarischen Regierung besteht eine klare, verständliche nationale Politik aus vier Punkten. Sie kennen diese Punkte, aber ich möchte sie hier kurz wiederholen, Der erste Punkt ist, dass für uns die Ungarn jenseits der Grenze an erster Stelle stehen. Es gibt keine guten Nachbarschaftsbeziehungen, wenn die Rechte der Ungarn verletzt werden. Der zweite Punkt ist, dass wir gute Beziehungen zu den Regierungen unserer Nachbarländer anstreben – ausgehend davon, dass unsere geopolitischen Interessen in Europa übereinstimmen, d. h. es wäre ein Fehler, sich nicht zusammenzuschließen. Dieser Ansatz hat bereits in zwei Fällen zum Erfolg geführt: Serbien und die Slowakei sind unsere guten Verbündeten, und die Lage der dortigen Ungarn ist auch besser als früher. Der dritte Punkt ist, dass jeder, der sich den Ungarn feindlich gegenüberstellt, in der europäischen Politik keine Unterstützung von den Ungarn erhalten kann. Und der vierte Punkt: Mitteleuropa kann nur mit Ungarn stark sein, unser Fortbestand liegt auch im Interesse aller anderen hier lebenden Völker.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir unsere Arbeit gut machen, werden wir hier in Mitteleuropa die föderalistische und kriegstreiberische Politik Brüssels stoppen. Mitteleuropa ist nicht der Hinterhof Brüssels, sondern die Hauptstraße des Kontinents. Unsere Aufgabe ist es, den Verkehr dort wieder in Gang zu bringen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

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