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Rede von Viktor Orbán anlässlich der Eröffnungsfeier des neuen Filmstudios des Nationalen Filminstituts

Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Für mich ist der Film wie das Wasser für die Fische, ich kann ohne ihn nicht leben“, sagte einmal ein hervorragender ungarischer Regisseur. Aber so geht es uns allen, uns Ungarn. Wir können nicht ohne Filme leben. Wir wollen dabei sein, wir wollen im großen Meer der Filme schwimmen. Wir wollen mit dem Strom schwimmen, in der pulsierenden Welt der Kunst. Wir wollen nicht nur Filme sehen, wir wollen sie machen. Die Fakten zeigen, dass die Ungarn das Filmemachen im Blut haben. Schon als die ersten Stummfilme auf den Markt kamen, waren wir dabei, und zwar ganz vorne mit dabei. Es ist bekannt, dass die Ungarn bei der Geburt Hollywoods dabei waren, aber weniger Leute wissen, dass auch in Budapest und Kolozsvár bereits in den 1910er Jahren jedes Jahr Filme herauskamen, von denen der eine besser als der andere war. Ich glaube nicht, dass dies ein Zufall ist: Das ungarische Denken ist auf Geschichten ausgerichtet. Die ungarische Gedanken-, Seelen- und vielleicht sogar Sprachwelt ist weniger philosophisch, weniger seelenlos, weniger metaphysisch und besteht mehr aus lebendigen und anschaulichen Geschichten. Der ungarische Mensch will Geschichten erzählen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies mit unserem östlichen Erbe zusammenhängt. Wir haben uns schon immer zu den großen Erzählungen des Orients hingezogen gefühlt, zu seinen epischen Heldentaten, zu seinen geheimnisvollen Wahrheiten, die tausend und eine Nacht andauern. Woody Allen sagte einmal: „Ich habe noch nie von jemandem so viel gelernt wie von diesem charismatischen Ungarn“. Er sprach über das Buch von Lajos Egri, das das grundlegende Werk des Drehbuchschreibens ist. Kein Wunder, dass wir uns schnell in den Film verguckt haben und seitdem nicht mehr davon loskommen. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts machten sich die ungarischen Filmemacher auf den Weg zur Eroberung der Welt, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts half uns der Film, das Unerträgliche zu ertragen und das Unsagbare auszusprechen. Ich bin davon überzeugt, dass die unter dem Kommunismus entstandenen Filme auch wesentlich zum Sturz des Kommunismus beigetragen haben. Ich erinnere mich, dass in den achtziger Jahren jede Oppositionsgruppe, die etwas auf sich hielt, einen Filmklub hatte. Wir hatten auch einen. Die Filme halfen uns zu verstehen, was Freiheit bedeutet, d.h. was uns genommen wurde. Wir kamen durch die Filme zu dem Schluss, dass mit langsamen Reformen nichts zu erreichen ist, dass wir aufhören müssen, im Sandkasten herumzulaufen, und dass wir diejenigen aufhalten müssen, die uns die Freiheit genommen haben. Nieder mit den Kommunisten, Sowjets raus!

Meine lieben Freunde!

Man kann also sagen, dass das 20. Jahrhundert, obwohl es aus zwei verschiedenen Halbjahrhunderten bestand, auch ein glorreiches Jahrhundert des ungarischen Kinos war. Seltsamerweise wurde dieser unvergleichliche Bogen, diese treibende Dynamik, nach dem Regimewechsel unterbrochen. Zwanzig Jahre lang dauerte der Kampf zwischen den Regimewechslern wie wir und dem Ancien Régime. Das hat dem ungarischen Film nicht gutgetan. Das konnte aus dem Grunde so sein, da auch der Staat eine Verantwortung für den jeweiligen Zustand der ungarischen Filmproduktion trägt. Es ist keine Frage der Filmkreativität, und glücklicherweise ist die Regierung in dieser Hinsicht überhaupt nicht zuständig. Der Film ist nicht nur eine Industrie, er ist auch Kunst, und die Kunst ist frei. Die Filmemacher wissen das am besten. Aber um die Filmindustrie zu entwickeln, braucht man schon den Staat. Es ist aufschlussreich, dass der neue US-Präsident, der mit einem großen Mandat gekommen ist, sich mit so viel Elan in die Erneuerung der dortigen Filmindustrie gestürzt hat. Es scheint, dass der Staat als Partner in der Filmindustrie überall gebraucht wird. Die ehemals erstklassige ungarische Filminfrastruktur hat man verkommen lassen. Und so geschah das Hässliche: Ungarn verschwand vorübergehend von der Weltfilmkarte, von der Weltfilmleinwand. Ausländische Filmschaffende wählten andere Städte als Budapest, obwohl die ungarische Filmkompetenz wie jede andere ungarische Kompetenz ist. Sie erstrahlt nur dann in ihrem eigenen Glanz, wenn sie in der Lage ist, auf dem Niveau der Zeit zu schaffen, wenn sie sich im Mainstream befindet. Wir müssen uns immer wieder mit Ausländern treffen, sehen, wie sie es machen, und herausfinden, was wir dazu beitragen können, wie wir dies besser machen können. Wenn ausländische Crews Ungarn fernbleiben, geht die treibende Kraft verloren und die ungarische Filmproduktion wird provinziell.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es wird geschätzt, dass Ungarn aufgrund der fehlgeleiteten Filmpolitik der 2000er Jahre 200 Millionen Dollar an Einnahmen verloren hat. Das ist bereits fünfzehn Jahre her, wir können uns kaum noch daran erinnern, aber es ist wichtig zu wissen, dass die ungarischen Menschen daran verloren haben, die ungarischen Filmemacher verloren haben und der ungarische Film in all seinen Großbuchstaben verloren hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die nationale Regierung weigerte sich, dies zu akzeptieren. Der liebe Gott half uns, denn wir fanden einen Ungarn, der verstand, was einen guten modernen Film ausmacht und wie man das fehlende Wissen ausgleichen kann. Dieser Ungar war Andy Vajna, dessen Andenken wir auf ewig in unseren Herzen bewahren und für dessen unvergleichliche Verdienste wir dankbar sind. Als Regierungskommissar schuf er das institutionelle System um das Nationale Filminstitut, das für die Erneuerung des ungarischen Films verantwortlich war. Ohne ihn wären wir heute nicht da, wo wir sind. Wir stehen buchstäblich auf den Schultern von Giganten. Ruhm gebührt Andy Vajna!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Film ist sowohl eine Kunst als auch eine Industrie. Andy wusste das. Infolge dieser Entwicklungen zieht Ungarn jedes Jahr Einnahmen von mehr als 100 Milliarden Forint aus Serviceproduktionen an. Selbst im Jahr des COVID erwirtschaftete die ungarische Filmindustrie einen Umsatz von 220 Milliarden Forint, und heute übersteigen die registrierten Gesamtausgaben 250 Milliarden Forint. Nicht nur die Kameras laufen, sondern auch die Registrierkassen. Die Filmindustrie beschäftigt heute mehr als 20.000 Menschen. Das entspricht der gesamten Bevölkerung von Fót. Wir sind auch endlich an einem Punkt angelangt, an dem Filme, die auf eigenen Füßen stehen, ohne staatliche Unterstützung produziert werden. Denn das ist es, was wir wollten: Filme für alle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Heute stehen in Ungarn weltberühmte Studios zur Verfügung: Korda, Origo, Stern. Damit kann unser Land nach London das erfolgreichste Filmproduktionszentrum in Europa werden. Aber natürlich wollen wir auch die britische Hauptstadt schlagen, und auch das ungarische Parlament ist eineinhalb Meter länger als das in London. Die Entwicklung in Fót ist Teil dieses Plans. Sie hebt die ungarische Filmindustrie auf ein neues Niveau. Es wird Sie wohl nicht überraschen, wenn ich sage, dass es in der Filmwelt eine ganze Reihe von Liberalen gibt, die nicht gerade Freunde der derzeitigen Regierung sind. Ihnen möchte ich sagen: Auch der Filmemacher, der uns nicht wählt, profitiert von den Investitionen der nationalen Regierung. Allein das Ausmaß der Investitionen ist fantastisch. Wir haben ein 42-Milliarden-Dollar-Projekt gestartet, eine der größten öffentlichen Studioentwicklungen aller Zeiten. Die neuen Studios, die große Zahl der hier gedrehten Filme und die sich ständig weiterentwickelnden Arbeitskräfte zeigen, dass Ungarn wieder zu einem wichtigen Standort für die weltweite Filmproduktion geworden ist. Dies ist nicht nur den großen internationalen Produktionen zu verdanken, sondern auch den ungarischen Filmen und den ungarischen Filmemachern, die immer mehr Zuschauer im In- und Ausland gewinnen. Wir hoffen, dass dies der Beginn einer Ära ist, auf die wir alle stolz sein können.

Sehr geehrte Anwesende!

Die Botschaft dieses Studios ist, dass wir Ungarn uns nicht mit Mittelmäßigkeit zufriedengeben dürfen. Dazu sind wir nämlich nicht groß genug. Wir können es uns nicht leisten, mittelmäßig zu sein. Wir scheren uns nicht um die letzte Reihe oder den Behelfssitz. Wir wollen die große Bühne. Wenn wir etwas machen, müssen wir es so gut machen, wie wir können. Ich wünschte, die ungarischen Filmemacher würden die Chance nutzen und zu den Besten gehören. Ich übergebe hiermit das Studio!

Vorwärts, Ungarn!

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