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Pressekonferenz von Viktor Orbán nach dem nordmazedonisch-ungarischen Regierungsgipfel

Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich kann doch Ungarisch sprechen, oder? Wir freuen uns, hier in Nordmazedonien zu sein, wir danken der mazedonischen Regierung für die Einladung, und ich möchte dem mazedonischen Volk die Grüße des ungarischen Volkes übermitteln, denn wir sind zwei befreundete Länder. Die Journalisten mögen mir erlauben, Ihnen mitzuteilen, dass dies heute das achtzehnte Treffen zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten und mir war. Ich möchte nicht verhehlen, dass die Partei des Ministerpräsidenten, die VMRO, und die ungarischen Regierungsparteien, die Fidesz und die Christlich-Demokratische Volkspartei, in einem brüderlichen Verhältnis zueinander stehen. Wir vermischen nie Parteiangelegenheiten mit Staatsangelegenheiten, aber es ist immer gut, wenn in zwei befreundeten Ländern zwei Schwesterparteien an der Regierung sind, weil das die Zusammenarbeit erleichtert, und ich erwarte, dass das auch in den nächsten Jahren der Fall sein wird. In diesem Sinne habe ich den Herrn Ministerpräsidenten und seine Regierung nach Ungarn eingeladen, damit der nächste Regierungsgipfel zu dem vom Herrn Ministerpräsidenten genannten Termin in Ungarn stattfinden kann. Nach mehr als einem Jahrzehnt bin ich zum richtigen Zeitpunkt offizieller Gast in Ihrem Land, denn in diesem Jahr feiern wir den 30. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Dies gibt mir die Gelegenheit, Ihnen zu sagen, dass aus ungarischer Sicht beide Völker eine lange Geschichte haben, und die Geschichte beider Völker ist im Wesentlichen durch den Kampf für Freiheit und gegen fremde Unterdrückung im Interesse unserer Nationen geprägt. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern und den beiden Völkern sind der Lebenswille – Klammer auf, auch die Liebe zum Leben – und der Nationalstolz. Ich bin davon überzeugt, dass auch sie hier das denken, was wir in Ungarn denken, dass für ein Land, für eine Nation, der Nationalstolz der größte Wert ist.

Unser Hauptthema ist, wie Sie bereits vom Herrn Ministerpräsidenten gehört haben, der Beitritt Ihres Landes zur Europäischen Union. Ungarn hat in diesem Semester den rotierenden Ratsvorsitz inne, daher war es nur natürlich, dass wir ausführlich darüber sprechen. Der ungarische Standpunkt ist bekannt: Die Stabilität der gesamten westlichen Balkanregion und ihre Integration in den europäischen Raum liegt nicht nur im Interesse Ungarns, sondern der gesamten Europäischen Union. Die Erweiterung, der Beitritt eines neuen Landes, ist weder ein Problem noch eine Herausforderung, sondern eine große Chance. Im Falle der Länder, die bereits in der Europäischen Union sind, einschließlich Ungarns, können wir alle sehen, dass sie an Entwicklungsdynamik verloren haben, wie Herr Draghi in seinem gerade veröffentlichten Bericht elegant sagt: Wir haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren, aber in Wirklichkeit hat die Europäische Union die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung verloren, und eines der offensichtlichsten Mittel, diese Dynamik wiederzuerlangen, ist die Erweiterung. Wir sind nicht glücklich darüber, dass der Ukraine und der Republik Moldau aus rein geopolitischen Überlegungen ein beschleunigtes Verfahren zugestanden wurde und dass der leistungsbezogene Ansatz völlig in den Hintergrund getreten ist. Wir verstehen die geopolitischen Erwägungen, und sie müssen auch berücksichtigt werden, aber es ist unfair und ungerecht, dass Länder, die jahrelang darauf hingearbeitet haben, der Europäischen Union aufgrund ihrer Verdienste beitreten zu können, nun eine Zurückstufung erleben. Das ist nicht fair, das ist nicht gerecht, das ist nicht europäisch. Daher halten wir es für unseren Teil während des ungarischen Ratsvorsitzes für sehr wichtig, dass die Integration des westlichen Balkans in die Europäische Union auf der Tagesordnung bleibt und dass wir konkrete Schritte in diese Richtung unternehmen. Dementsprechend möchten wir auch den Integrationsprozess in Mazedonien und Nordmazedonien beschleunigen. Wir sind bereit, eine kapiteleröffnende Regierungskonferenz oder, falls dies nicht möglich ist, eine politische Regierungskonferenz abzuhalten.

Wenn der Herr Ministerpräsident es mir erlaubt, möchte ich ein paar Worte zu den letzten Jahren sagen. Die Völker und Länder des westlichen Balkans haben also mehr verdient als die Behandlung, die sie heute von Brüssel erfahren. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Länder bereits in der Europäischen Union sein müssten. Nordmazedonien zum Beispiel ist seit 2005 ein Beitrittskandidat, und ist es zusammen mit Kroatien geworden. 2008 erhielten sie bereits eine positive Antwort auf die Frage nach einer Mitgliedschaft, zur gleichen Zeit wie Kroatien. Und seitdem ist Kroatien dabei, und die Verhandlungen mit Nordmazedonien haben noch nicht einmal begonnen. Das ist ein Fehler der Europäischen Union, den ich nur als einen Fehler von historischem Ausmaß bezeichnen kann. Und dieser Fehler kann sich noch verschlimmern, denn jetzt geht es darum, dass Sie hinter Albanien eingereiht werden und die Verhandlungen mit Albanien vor denen mit Nordmazedonien beginnen, wofür es keinerlei moralische und politische Rechtfertigung gibt. Diese ungerechte Zurückstufung in Europa ist ein schweres Erbe für die derzeitige Regierung. Ungarn ist bereit, Nordmazedonien gegen diese ungerechte Behandlung Unterstützung zu leisten.

Lassen Sie mich nun ein paar Worte zur bilateralen Zusammenarbeit sagen. Zunächst möchte ich daran erinnern, dass wir bereits im Sommer bei den Waldbränden Hilfe geleistet haben. Wir haben 46, fast 50 Feuerwehrleute und Katastrophenhelfer mit schwerem technischen Gerät geschickt, und ich hoffe, dass sie gut gearbeitet haben und Ihnen helfen konnten. Ich erwähne, dass wir Ihnen geholfen haben, weil es eine Gegenleistung für die Hilfe ist, die wir von Ihnen im letzten Jahrzehnt, insbesondere 2015-2016, im Kampf gegen die Migration erhalten haben. Damals haben wir, Ungarn, wirklich verstanden, dass Mazedonien über die historische Sympathie hinaus nicht nur ein freundliches und nettes Land ist, sondern auch ein wichtiges Land für die ungarische Sicherheit. Sie spielen also eine Schlüsselrolle für die Sicherheit der ungarischen Nation, da Ihr Land an der Route der illegalen Migration liegt. Und wenn Sie Ihre Grenzen nicht schützen, werden wir diesen Kampf an der serbisch-ungarischen Grenze führen müssen. Es ist also in unserem Interesse, dass Sie eine stabile Regierung haben, eine erfolgreiche Regierung, eine Regierung, die die illegale Migration stoppen will, und wir werden Ihnen jede Hilfe geben, die Sie brauchen, um eine solche Regierung zu haben, wenn diese Hilfe nötig ist. In unseren Gesprächen haben wir darauf hingewiesen, dass im vergangenen Zeitraum 2.400 ungarische Polizeibeamte an den südlichen Grenzen Mazedoniens, Nordmazedoniens, im Einsatz waren und 17.000 illegale Grenzübertritte von unseren Polizeibeamten in Zusammenarbeit mit Ihrer Polizei verhindert worden sind. Dies ist eine gute Leistung und eine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit. Das ist auch der Grund, warum Ungarn zu einer finanziellen Zusammenarbeit bereit ist und wir das Darlehen an Sie, wenn Nordmazedonien es braucht, als eine Investition in die Sicherheit Ungarns betrachten. Ich möchte noch einmal wiederholen: Wir, Ungarn, sind daran interessiert, dass Nordmazedonien ein stabiles Land ist, das eine stabile Regierung und einen berechenbaren Partner in Ihrer Person hat. Ebenso sind wir zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit bereit, und wir haben Erfahrung in diesem Bereich; wir wissen, wie man gut zusammenarbeiten muss und wie man schlecht zusammenarbeiten kann. Deshalb verfolgen wir überall auf dem Westbalkan eine Politik der Zusammenarbeit, nicht nur in Nordmazedonien, sondern überall, wobei wir von Ihnen, Ihrer Regierung, erwarten, dass Sie die Richtung der Zusammenarbeit vorgeben und auch die Form der Zusammenarbeit wählen. Ungarn ist ein Land in guter Verfassung, es wächst, es hat investierbares und zu investierendes Kapital, aber Nordmazedonien gehört den Mazedoniern, und wo und mit wem die Ungarn hier in Ihrem Land zusammenarbeiten können, ist allein Ihre Entscheidung, und wir werden diese Entscheidung respektieren. Wir sind auch froh, dass wir über Kultur, Wissenschaft und Bildung sprechen konnten. Ungarn gewährt Studenten aus Mazedonien, aus Nordmazedonien, staatliche Stipendien, damit sie in Ungarn studieren können, und wir würden uns wünschen, dass mehr von ihnen kommen, damit wir langfristig Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den beiden Völkern aufbauen können.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir erwarten Sie in Ungarn!

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