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Interview mit Viktor Orbán in der Sendung „Fakten” („Tények”) von tv2

Gábor Gönczi: Ich befrüße im Studio von Tények Ungarns Ministerpräsidenten, Viktor Orbán. Wir danken Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind!

Guten Abend!

Vor einem Jahr, etwa im Januar, sagten Sie, wir seien in eine Ära der Gefahren eingetreten. Damals hat man versucht, optimistisch zu sein, dass der Krieg, der uns zu dieser Aussage veranlasst hat, zu Ende gehen könnte, aber die Situation hat sich nicht verbessert, und tatsächlich gibt es nicht einen Krieg weniger, sondern einen mehr in unserer Nachbarschaft. Wie sehen Sie die Situation jetzt?

Meiner Meinung nach quälen uns drei Probleme gleichzeitig, und die Welt und unser Leben sind gefährlicher als noch vor einem Jahr. Wir werden durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine geplagt. Terroranschläge in Israel sind auf Europa übergeschwappt, so dass die terroristische Bedrohung in Europa zunimmt, und gleichzeitig hat der Migrationsdruck aus dem Süden um ein Mehrfaches zugenommen. Es gibt also drei Gefahrenquellen, die direkt mit Ungarn verbunden sind. Wir müssen auch im kommenden Jahr wachsam sein.

Der Krieg in der Ukraine und dieser russisch-ukrainische Konflikt sind ja bereits zwei Jahre alt, fast zwei Jahre. Praktisch am Tag nach Ausbruch des Konflikts haben Sie gesagt, dass es einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen geben müsse, und seitdem hat sich die Welt geweigert, darauf zu hören, und versucht, einen ganz anderen Weg zur Lösung der Situation zu finden. Warum wohl?

Wir sind in der Nachbarschaft, und zur Verteidigung derjenigen, die nicht verstehen wollen, was wir sagen, können wir vielleicht anführen, dass unsere Nervenenden empfindlicher sind, weil wir hier an der Grenze leben. Unsere Gefahrenreflexe funktionieren auch besser als etwa die der Franzosen oder Belgier, die dort an der Nordsee oder am Atlantik sitzen. Von dort aus sieht die Welt anders aus als von Budapest oder, sagen wir, von Nyíregyháza aus. Andererseits haben wir eine Sicht auf diese slawische Welt. Wir haben also schon von Anfang an gespürt, dass dies nicht unser Krieg ist. Es gibt zwar eine Menge Propaganda, die uns glauben machen will, dass dies der Krieg der ganzen Welt ist, in dem jeder Stellung beziehen muss, aber ich habe das nie so gesehen. Ich habe gedacht, dass es verschiedene Völker auf der Welt gibt. Zum Beispiel gibt es diese slawischen Völker, Seite an Seite nebeneinander. Dies ist eine interne Angelegenheit, die sie untereinander regeln müssen. Das kommt alles daher, dass die Sowjetunion auseinandergefallen ist und die letzten Fäden der damaligen Teilung nicht vernäht wurden, und wir leiden jetzt unter den Folgen davon. Aber ich war immer der Meinung, wenn es daraus zu einem Krieg kommen sollte, müssen wir ihn in von uns fernhalten. Man sollte ihn besser isolieren. Es ist also gut für die Welt, wenn dieser Krieg nicht zu einem Krieg wird, der die ganze Welt verschlingt, sondern, wie wir zu sagen pflegten, wenn wir ihn lokalisieren. Das war keine völlig ungewöhnliche Idee von Ungarn, denn während der Krim-Krise, wenn Sie sich erinnern, vielleicht im Jahr 2014, haben wir das Gleiche getan. Nur war Europa damals noch stärker. Und dann bekamen die Franzosen und die Deutschen ein Mandat von uns, von den anderen europäischen Ministerpräsidenten, setzten sich an den Verhandlungstisch und bekamen das Minsker Abkommen unter Dach und Fach. Und deshalb blieb der Konflikt isoliert. Und das ist jetzt nicht gelungen. Und dieser Konflikt verschlingt nun langsam, wenn nicht die ganze Welt, so doch zumindest die Hälfte davon.

Aber wie viele Familien, wie viele Hunderttausende von Menschen, wie viele Millionen von Menschen, die vertrieben wurden, hätten gerettet werden können? Wie, wenn es keine Sanktionen gäbe, wie, wenn es keine Waffenlieferungen gäbe, aber wie kann man das trotzdem nicht sehen?

Wenn wir nicht durch die politische Brille schauen, wie Sie vorschlagen, wir sollten diese Brille abnehmen und eine andere aufsetzen und den menschlichen Aspekt der Dinge betrachten. Niemand sagt ja die Wahrheit, davon muss man ausgehen. In unserem Beruf gibt es das Bonmot, dass es drei Gelegenheiten gibt, bei denen eine große Lüge aufgetischt zu werden pflegt: vor einer Wahl, nach dem Fischen, nach dem Angeln und während eines Krieges. Und deshalb können wir den Zahlen nicht glauben, aber ich liege wahrscheinlich nicht falsch, wenn ich sage, dass die Zahl der Menschen, die entweder gestorben sind oder irreparable Schäden erlitten haben, inzwischen in die Hunderttausende geht. Das bedeutet mindestens ebenso viele Witwen, Mütter, die ihre Kinder verloren haben, und Waisen. Also dieser Krieg, über den wir vielleicht zu kühl und politisch gesprochen haben, besitzt also eine heiße, warme, blutige Dimension, in der Menschenleben verloren gehen, Hunderte und Tausende jeden Tag. Und es kann für einen gesunden Menschen, und da können wir uns vielleicht selbst einschließen, kein anderes Ziel geben, als zu sagen, lasst uns dem ein Ende setzen. Es gibt hier sicherlich politische Fragen, aber wir sollten versuchen, sie auf dem Verhandlungswege zu lösen, ohne Hunderttausende von Menschenleben zu verlieren.

Ja, ich denke also, es gibt keine Entschuldigung dafür. Für das, was jetzt geschieht.

Waffenstillstand und Verhandlungen. Der erste Schritt ist ein Waffenstillstand, und nach dem Waffenstillstand folgen die Friedensverhandlungen. Darauf sollten wir hinarbeiten, und in der Tat, wie Sie sagen, vertritt niemand in Europa, außer Ungarn, diese Position offen und lautstark.

Sie sprechen es nicht aus. Die vergangene Woche war ja eine ziemlich hitzige Woche in Brüssel. Es war nicht möglich, 26 Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass die Aufnahme der Ukraine in die Union zum jetzigen Zeitpunkt nicht opportun ist, und es wäre auch ein ziemlich unverständlicher Schritt seitens der Union. Warum sagen Sie das?

Wir haben so etwas noch nie gemacht. Wir haben also Länder als Mitglieder schon aufgenommen. Ungarn kennt diesen Prozess nicht nur, weil wir schon einmal aufgenommen wurden, sondern wir waren auch schon als Gastgeber an einem solchen Aufnahmeverfahren beteiligt, zum Beispiel im Fall der Kroaten, als wir schon auf der anderen Seite standen. Wir kennen also den Prozess, wir wissen, wie es ist, wenn es eine Aufnahme gibt. Wir kennen nicht nur unsere, sondern auch die der anderen. Aber wir haben noch nie mit einem Land verhandelt, das sich im Krieg befindet und mit dem wir Verhandlungen aufnehmen. Denn es werden Fragen in den einfachsten Zusammenhängen aufgeworfen, aufgrund derer jeder leicht erkennen kann, dass es absurd und unvernünftig ist, Verhandlungen aufzunehmen. Wie groß ist zum Beispiel das Land, über das wir sprechen? Nehmen wir auch den Teil der Ukraine auf, der derzeit von den Russen besetzt ist? Und von wie vielen Menschen sprechen wir? Also Verhandlungen zu beginnen, ohne auch nur die grundlegenden Parameter eines Landes zu kennen, ist also eine Versuchung Gottes. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Auswirkungen einer Aufnahme eines großen Landes mit technischer Präzision berechnet werden müssen, denn wir haben es noch nicht einmal aufgenommen, aber die Landwirte in Mitteleuropa sind bereits in Schwierigkeiten geraten. Die Landwirtschaft könnte also durch den Beitritt der Ukraine totgeschlagen werden. Oder das Gleiche gilt für unsere Spediteure. Man kann deutlich sehen, dass nicht nur die Ungarn, sondern auch die Polen und die Slowaken, die vom Transport leben, in Schwierigkeiten sind, weil wir den Ukrainern den Zugang zu unseren Märkten ermöglicht haben. Auf diese Fragen müssen wir eine Antwort finden. Bevor wir uns hinsetzen, sollten wir wissen, ob wir alle Risiken des Beitritts kennen und, wenn wir alle Risiken kennen, ob wir ihn unterstützen wollen, ob wir ihn auf uns nehmen wollen? Und wenn wir als Premierminister das wollen, will das Volk das auch? Schließlich leben wir doch in einer Demokratie, wir müssen wissen, was die Menschen denken. Es ist kein Zufall, dass die ungarische Regierung die ukrainische Frage in den Mittelpunkt der aktuellen Nationalen Konsultation stellt, denn ich denke, es ist wichtig, was die Menschen in Europa und Ungarn darüber denken. Aber niemand außer uns, außer Ungarn, will, kann oder traut sich nicht, seine eigenen Bürger zu fragen, was sie denken. Und wenn wir als Premierminister das wollen, will das Volk das auch? Schließlich leben wir in Demokratien, wir müssen wissen, was das Volk denkt. Es ist kein Zufall, dass die ungarische Regierung die ukrainische Frage in den Mittelpunkt der aktuellen nationalen Konsultation stellt, denn ich denke, es ist wichtig zu wissen, was die Menschen in Europa und Ungarn darüber denken. Aber niemand außer uns, außer Ungarn, will, kann oder traut sich nicht, seine eigenen Bürger zu fragen, was sie denken.

Übrigens, gibt es eine Berechnung, wie viel das die EU und Ungarn kosten würde, wenn es dazu käme?

Es wäre ja gut, wenn wir eine Zahl hätten, die diskutiert und erörtert worden wäre, wenn wir also eine gründliche Studie aus Brüssel erhalten hätten, die all diese Kosten berücksichtigt, und an deren Ende wir, sagen wir, auf der Grundlage einer objektiven Analyse argumentieren könnten. Aber wir haben so etwas nicht erhalten. Es gibt Schätzungen. Sagen wir, die Financial Times, die Briten, zum Beispiel, haben eine solche Berechnung gemacht, und auch wir haben das Ministerium für Europäische Angelegenheiten, wo wir Berechnungen angefertigt haben. Wir können also ruhig sagen, dass die Summe, die die Europäische Union irgendwoher, zusätzlich aufbringen müsste, wenn sie die Ukraine wirklich aufnehmen wollte, irgendwo zwischen 150 und 190 Milliarden Euro liegt.

Das ist dann der gesamte Haushalt, ein erheblicher Teil des Siebenjahreshaushalts, denke ich.

Sicher ist, dass, wenn wir jetzt die Ukraine aufnehmen oder wenn wir die Ukraine aufnehmen würden, alle Länder, die bisher von der EU unterstützt wurden – und Ungarn war und ist eines davon –, von der Liste der unterstützten Länder gestrichen würden, und all das Geld, das bisher nach Mitteleuropa geflossen ist, würde in die Ukraine transferiert werden. Aber das ist auch bei den Agrarsubventionen der Fall. Schließlich handelt es sich um ein riesiges Land, und es geht um Millionen von Hektar. Wenn nun eine Million Hektar großer landwirtschaftlicher Betriebe, die im übrigen zumeist in amerikanischem Besitz sind, wir sprechen also von riesigen amerikanischen Betrieben, den europäischen Markt betreten, der von kleinen Betrieben dominiert wird, dann wird das unabsehbare Folgen für die Menschen haben, die bisher von ihrer landwirtschaftlichen Arbeit leben. Ich habe also das Gefühl, dass wir in einer Frage vorpreschen, in der wir innehalten, nachdenken, kalkulieren und sogar miteinander verhandeln hätten sollen, ob wir uns auf dieses Abenteuer einlassen sollten. Das Problem war nicht, dass ich sie nicht aufhalten konnte, denn Ungarn kann 26 Länder, die sich in einem Aufruhr befinden, nicht aufhalten, und das ist vielleicht verständlich. Die Gefahr bestand nicht darin, sondern darin, dass sie uns ihren eigenen Standpunkt aufzwingen würden. Und zusammen mit ihnen müssten auch wir ja sagen. Und ich musste Ungarn davon ausnehmen, oder ich musste Ungarn davon ausnehmen lassen, weil Ungarn meint, es sei die falsche Entscheidung, und wir wollen diese Verantwortung nicht teilen. Dies ist eine Entscheidung, aus der noch viele schlechte Dinge entspringen werden. Und sie belastet das Gewissen der Ungarn nicht. Schwieriger war also eher, wie man sich aus der Sache heraushält und dabei am Leben bleibt, aber wie Sie sehen, sind wir hier. Wir haben das Problem gelöst.

Ja, das ist gelungen…. Ja, und wir haben auch erreicht, dass die 50 Milliarden Euro, die die Ukraine für die Fortsetzung des Krieges erhalten sollte, immerhin nicht fließen.

Das ist die nächste große Frage. Das ist die sehr komplizierte und schwierige Frage. Die Frage ist: Woher kommen die 50 Milliarden Euro? Woher wird dieses Geld also kommen? Denn wenn Sie davon sprechen, es aus dem Haushalt geben zu wollen, wie es der derzeitige Plan vorsieht, dann bedeutet das, dass wir der Ukraine plötzlich 50 Milliarden aus dem Haushalt geben, den wir für die anderen Länder geschaffen haben, mit anderen Worten, wir werden ihnen auch das Geld der Ungarn geben. Dem wollen wir nicht zustimmen. Also muss hier verhandelt werden. Wenn wir also der Ukraine Hilfe geben wollen, dann müssen wir darüber diskutieren, wie viel wir geben wollen, wie lange, aus welchen Quellen und mit welcher Technik. Der ungarische Standpunkt ist, dass wir diese Frage außerhalb des Haushalts klären sollten. Wir sollten es nicht mit dem Haushalt vermischen, denn dann werden die Mitglieder, einschließlich Ungarn, am Ende die Opfer der Tatsache sein, dass wir der Ukraine geholfen haben.

Der nächste EU-Gipfel findet im Februar statt. Was können wir dann erwarten?

Ein Gedonner…

Ein Sturm, ein Erdbeben. Ja, ja …

…können Sie und schwefelhaltige Blitze erwarten. Es wird schwierig werden. Wir bereiten uns vor, wir führen Gespräche, wir versuchen uns vorzubereiten, wir möchten eine Situation haben, in der, wenn wir in Brüssel ankommen, die Verhandlungen im Hintergrund die meisten Spannungen bereits gelöst haben werden, und wir mit den Verhandlungen im Hintergrund eine Situation schaffen könnten, in der wir uns in Brüssel eigentlich nur noch einigen müssen, weil eine Lösung gefunden wurde, die für alle zufriedenstellend ist.

Inwieweit kann sich die Regierung auf die ungarische Linke, inwieweit kann sie sich auf sie in diesem Kampf in Brüssel verlassen?

Und auch im Allgemeinen… Die Situation ist also so, dass es gut wäre, wenn wir uns darauf verlassen könnten, denn es gibt… In der Politik geht es ja letztendlich um den Kampf. Ich behaupte also nicht, dass, wenn eine Partei oder ein Parteienbündnis die Wahl gewonnen hat, wie jetzt der Fidesz und die Christlich-Demokratische Volkspartei, wir am nächsten Tag von Parteien mit anderen Vorstellungen über die Zukunft unterstützt werden sollten. Das wäre weder fair noch realistisch. Aber vielleicht können wir darüber nachdenken, dass es einige Angelegenheiten gibt, die nationale Angelegenheiten sind und bei denen wir nicht gegeneinander fechten, sondern uns lieber gegenseitig unterstützen sollten. Und nachdem die Regierung verhandelt hat, sollte die Regierung in Wirklichkeit natürlich in eine Position gebracht werden, die nicht schwierig ist, zumindest nicht wirklich. Aber was ich sehe, ist, dass, wenn es um Stipendien für Studenten geht, die Erasmus genannt werden, wenn es um die Gehälter von Lehrern geht, für die ich versuche, Geld zu beschaffen, damit wir die Gehälter mehr anheben können, also wenn diese Themen in Brüssel zur Sprache kommen, spricht dort die Linke immer gegen Ungarn. Es hat sich also die Situation ausgebildet, dass die Linke in Brüssel offen, vielleicht sogar mit Stolz, darüber spricht, wie sie dafür arbeitet, dass die Ungarn das Geld, das ihnen sonst aus dem Haushalt zusteht, nicht bekommen. Ich denke, das ist jenseits des Bereichs vernünftiger und normaler politischer Duelle.

Um uns ein wenig in innenpolitische Gewässer zu begeben: Letzte Woche wurde das Gesetz zum Schutz der Souveränität verabschiedet. Warum war das wichtig?

Früher dachten wir, dass wir beginnend irgendwann ab dem Jahr 2011 mit einer neuen Verfassung und der darauf basierenden Gesetzgebung ein Verfassungssystem geschaffen hätten, das ein Rechtssystem, ein Schutzsystem sei, das die Sicherheit und die Freiheit Ungarns garantieren könne, das garantiere, dass in diesem Land immer das geschieht, was das Volk mit seiner Stimme bei den Wahlen beschlossen und bestimmt hat. Bei den letzten Wahlen hat sich jedoch gezeigt, dass dies nicht der Fall ist, dass dieses System versagt oder dass es Löcher in diesem Käse gibt. Und da sind die Dollars hineingerollt, oder irgendwie sind dort Dollars aus dem Ausland hereingekommen und in die Kassen der linken Parteien, die bei den Wahlen kandidieren, hineingerollt.

Warum ist dies im Übrigen gefährlich?

Ich weiß nicht, ob Sie jemals jemandem Geld gegeben haben? Wenn man also jemandem Geld gibt – und nicht einmal einen Kredit – dann nicht, weil…

…nicht aus reiner Nächstenliebe…

Natürlich gibt es Obdachlose, und es gibt… Aber wenn jemand einem politischen Akteur Geld gibt, dann gibt er es, weil man eine Gegenleistung erwartet. Derjenige, der das Geld gibt, bestellt die Musik, weil er sie bezahlt. Wenn also politische Parteien Geld aus dem Ausland erhalten, können wir sicher sein, dass dahinter eine Erwartungshaltung steht, und die wird auch von ihnen eingefordert. Es handelt sich also nicht um eine unschuldige, schief gelaufene Spendensammlung, sondern um Verrat in dem Sinne, dass die Linke sehr wohl wusste, dass sie Geld aus dem Ausland erhält und dass sie im Gegenzug dafür einmal, nach einem Wahlsieg die Erwartungen des Auslands erfüllen muss. Und das ist völlig gegen die Interessen Ungarns, gegen die Ideale, die Werte, die tausendjährige Geschichte, in deren Geist wir leben wollen. Dieses Land gehört den Ungarn, wir wollen entscheiden, gut oder schlecht, wie es eben gelingt, aber wir selbst wollen entscheiden, was in diesem Land geschehen soll, und wir wollen nicht, dass Ausländer unsere Entscheidungen mit Geld beeinflussen. Deshalb mussten wir ein weiteres Gesetz machen, das dieses Schlupfloch, dieses Käseloch, irgendwie stopft.

Glauben Sie, dass die ungarische Bevölkerung im Übrigen diesen Zusammenhang versteht? Also ist offensichtlich der Grund für die Nationale Konsultation, damit sich herausstellt, ob sie es verstehen.

Ja, so wie ich die Ungarn kenne, denn, lassen wir eine kleine Ungewissheit, wir kennen unser eigenes Land vielleicht nicht hundertprozentig gut, aber so wie ich die Ungarn kenne, wenn sie etwas verstehen, dann verstehen sie dies sicher. Denn das haben wir doch im Laufe der Geschichte gelernt. Es ist eine Tatsache, die sich durch die ungarische Geschichte zieht, dass es Patrioten gibt, die für ihr Land kämpfen, dass es Soldaten gibt, die manchmal ihr Leben dafür geben, dass es nicht nur Staatsmänner gibt, sondern auch einfache Ungarn, die ihr Blut für die Freiheit geben, wenn es sein muss, und dass es immer diejenigen gibt, die ihr Land verraten. Das ist also ein vertrautes Muster in Ungarn, nur dass es diesmal keinen Krieg gibt, sondern nur einen politischen Krieg, in dem Geld gegeben wird, nicht Blut. Jeder in diesem Land versteht das.

2023 war das große Jahr der Bekämpfung der Inflation. Das war also ein großer Kampf. Wie stehen wir jetzt in diesem Kampf? Wer scheint zu gewinnen? Die Inflation oder die ungarische Wirtschaft?

Ich dachte, es wäre ein kühnes Ziel, wenn wir die Inflation bis Ende des Jahres unter 10 Prozent bringen könnten, wir also im einstelligen Bereich liegen würden. Ich dachte das, weil die Energiepreise durch die Decke gegangen sind und die Sanktionen, die in Brüssel verhängt wurden, die Situation leider noch verschlimmert haben. Und ich hielt 10 Prozent für ein Bravourstück. Aber jetzt schließe ich nicht aus, dass wir Ende Dezember, wenn sie uns im Januar die Dezemberzahlen geben, bei 7 Prozent liegen. Und auch für das nächste Jahr haben wir den Haushalt mit 6 Prozent geplant, die Höhe der Rentenerhöhung ist zum Beispiel so festgelegt worden, aber heute scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass sie weniger sein wird – das hat natürlich keine Auswirkungen auf die Renten, aber – die Inflation könnte im nächsten Jahr zum Beispiel 5 Prozent betragen und nicht 6. Das ist auch mit europäischem Maß gemessen eine anerkennenswerte Leistung. Ich habe also das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wir können also stolz auf die Leistung der Wirtschaft sein.

Sehen Sie, wir können stolz sein, weil wir am Leben sind. Für Ungarn jedoch – wie soll ich sagen – lassen sich die historischen Ambitionen trotzdem darin zusammenfassen, dass wir nicht von den Großen erdrückt werden sollen, dass wir unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten können und dass wir nicht von Krankheiten, Kriegen oder wirtschaftlichen Problemen hinweggefegt werden. Wir haben jetzt die Inflation in den Griff bekommen, aber das reicht nicht, denn das bedeutet nur eine schlechte Nachricht weniger, aber das ist nicht dasselbe wie eine gute Nachricht. Eine gute Nachricht ist, wenn auch das Wirtschaftswachstum einsetzt. Dafür gibt es Anzeichen, das dritte Quartal sah nicht schlecht aus. Zum Feiern ist es noch ein bisschen zu früh, aber für 2024 ist es ein realistisches Ziel, dass das Wirtschaftswachstum wieder anzieht. Wenn ich das ins Ungarische übersetze, bedeutet das, dass wir 2023 dafür gekämpft haben, dass es nicht schlechter wird, 2024 können wir daran arbeiten, dass es besser wird. Das ist eine andere Perspektive. So gesehen erscheint jetzt 2024 als ein viel hoffnungsvolleres Jahr als es 2023 war.

Worauf können wir im Übrigen im Jahr 2023 noch sehr stolz sein? Also die guten Nachrichten aus der Wirtschaft kamen ja täglich…

Die Wirtschaft auch, aber das Leben ist reicher oder breiter oder bunter als das. An erster Stelle würde ich die Nobelpreise nennen. Und das nicht nur, weil der Nobelpreis eine große Sache ist, sondern weil es eine Botschaft beinhaltet, dass der Nobelpreis für Biologie an jemanden verliehen wird, der irgendwo in der Region Jászság-Kunság in einer Familie geboren wurde, deren Vater gerade, glaube ich, Metzgermeister war. Und unser anderer Nobelpreisträger kommt aus Mór, aus einer Familie, ich kenne auch den Nobelpreisträger, wo die Mutter das Kind zu Hause erzogen hat und der Vater die Familie durch physische Arbeit ernährt hat. Und dann kommt plötzlich jemand von dort, geht in Ungarn zur Schule, und zuerst ist man den eigenen Eltern dankbar, dann den Lehrern, die einem das Lesen und Schreiben beigebracht haben, man absolviert die ungarischen Schulen, geht ins Ausland, bekommt die Möglichkeit zu forschen, erhält Geld, alle Möglichkeiten, ein Labor, akademische Lehrer, und von hier, von der ungarischen Brache, von Mór und von dort, von Jászság, kommen zwei Nobelpreise. Ich glaube nicht, dass wir uns etwas Inspirierenderes vorstellen können als das.

Ja, hierüber können wir sagen, dass man das auch schon vom Mond aus sehen kann, nicht wahr?

Ja.

Während wir es zur Fußball-Europameisterschaft geschafft haben.

Ja, aber das war eher eine Pflichtaufgabe.

Das ist mehr Pflicht. Wir haben das Obligatorische erfüllt. Wie stark war der Schlag des Herzens? Weil unsere Herzen schlugen doch dabei.

Natürlich, aber wir sind so eine Nation, und das dürfen wir nie vergessen, denn die Tatsache, dass wir zwei oder drei schlechte Jahrzehnte hinter uns haben, darf uns nicht dazu verleiten, uns selbst zu entwerten. Wir müssen also wissen, wer wir sind. Und wir sind nicht irgendwer, wir sind die Ungarn. Wir haben zweimal im Finale der Fußballweltmeisterschaft gestanden. Davon gibt es doch nicht viele auf der Welt. Das ist also unsere Messlatte. Und von einer ungarischen Auswahl, die zweimal im Finale einer Weltmeisterschaft stand, darf erwartet werden, dass sie sich für eine Europameisterschaft qualifiziert. Ich betrachte die Leistung von dieser Warte aus. Es ist eine große Sache, aber wir sollten verstehen, dass es fast schon Pflicht ist.

Herr Ministerpräsident, ich denke, wir haben bis jetzt gearbeitet. Lassen Sie uns jetzt ein bisschen nicht arbeiten, gut? Es sind nur noch ein paar Tage bis Weihnachten, und in den ungarischen Haushalten duftet es wahrscheinlich schon nach Beigli. Wie verläuft Weihnachten bei Ihnen? Was ist das, ohne dem es keine Weihnachten in der Familie Orbán gibt? Gibt es irgendwelche Rituale oder Traditionen, die speziell für diesen Abend gelten?

Es gibt welche, und meine Frau hält sie streng ein oder lässt sie auch streng einhalten. Weihnachten dreht sich ja, wie alle Feiertage in Ungarn, um die Frauen. Ohne die Frauen gibt es also weder Weihnachten noch Ostern, es gibt nichts. Und meine Frau kennt all diese Bräuche, wann man was macht, wie man den Baum schmückt…

Was ist Ihre Aufgabe?

Ich muss vor allen Dingen den Ofen anheizen, damit ich den Raizenkarpfen, den meine Frau immer für das Abendessen an Heiligabend vorbereitet, dort hineinschieben kann. Ich muss den Ofen in aller Herrgottsfrühe anheizen, zum Beispiel, oder die oberste Baumdekoration, zum Beispiel…

Das ist Ihre Aufgabe. Mein kleiner Sohn hat mir aufgetragen, Sie zu fragen, wie Sie und die Enkelkinder mit Jesuskind korrespondieren? Jetzt, wo Sie doch schon sechs Enkelkinder haben, gibt es sicherlich eine Menge an Korrespondenz.

Wir schreiben nicht viel, wir sprechen mit den Kindern darüber, was sie sich vom Christkind wünschen, und dann, wenn sie Glück haben und wir genug Zeit und Aufmerksamkeit haben, kommen diese Geschenke auch an, und dann warten sie draußen, und dann läutet die Glocke drinnen – das bin meistens ich im Geheimen –, weil das Christkind da ist, und dann kommen die Enkel und übernehmen den Weihnachtsbaum.

Und vielleicht ist das der wichtigste Sinn des Lebens, dieser Moment.

Deshalb tun wir das alles, nicht wahr?

Deshalb tun wir das alles. Herr Premierminister, etwa 700-800 tausend Menschen schauen uns gerade in diesem Moment zu. Wir haben ja ein schwieriges Jahr hinter uns, aber Sie glauben immer an die ungarischen Menschen, Sie glauben immer an die ungarische Spiritualität und daran, dass wir irgendeine besondere Fähigkeit haben, die uns irgendwie durch unsere Schwierigkeiten hilft. Woran können wir uns festhalten? Worin bestehen diese Fähigkeiten? Und was kann so die wichtigste Botschaft für ungarische Familien an Heiligabend sein?

Es gibt Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen und die theoretischen Grundlagen dieser Ideen nachzeichnen, ich gehöre nicht dazu, ich habe nur Erfahrung, so mit sechzig Jahren. Und ich sage mir, und ich kann allen Ungarn und auch Ihnen soviel sagen, dass, egal welche Schwierigkeiten es gibt, wenn man sich für eine gute Sache einsetzt, wenn man nicht aufgibt, sondern es tut und dranbleibt, dann wird es am Ende gut ausgehen. Und ich denke, die Ungarn wissen das, sie müssen nur durchhalten.

Vielen Dank, dass Sie bei uns waren, und ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes Weihnachtsfest!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit!

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