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Interview mit Viktor Orbán auf dem YouTube-Kanal von Patrióta

Dániel Bohár: Ich begrüße im Studio von Patrióta Ministerpräsident Viktor Orbán! Danke, dass Sie unsere Einladung angenommen haben!

Guten Abend!

Vor wenigen Tagen wurde weniger als 200 Kilometer von Budapest entfernt ein politisches Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico verübt. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie die Nachricht hörten?

Ob er gestorben ist oder nicht. Denn Ungarisch ist in Ordnung, aber es gibt immer ein Problem mit den Übersetzungen. Wenn man auf ihn geschossen hat, er angeschossen, er erschossen wurde…

Es bedeutet Unterschiedliches.

Es bedeutet Unterschiedliches. Die erste Frage war also, ob er überlebt hat, wir haben schließlich eine freundschaftlich zu nennende Beziehung. Das erste war, dass es mich ins Herz getroffen hat und ich dachte: „Nur sterben darf er nicht.” Das Zweite war, dass ich in ziemlich großen Schwierigkeiten stecke, denn jetzt werde ich bei den nächsten Gelegenheiten in Brüssel allein sein, wenn es um Krieg und einige andere wichtige Fragen geht, weil der slowakische Ministerpräsident nicht nur mit uns übereinzustimmen pflegt, sondern diese Position auch zu vertreten pflegt. Der dritte Gedanke war, dass gleich General Hajdu kommen würde und mir alle möglichen zusätzlichen Sicherheitsvorschriften auferlegen würde, die ich hasse, und dass ich einen Weg finden muss, um ihnen zu entkommen. Diese drei Gedanken kamen einer nach dem anderen.

Ist der dritte Gedanke übrigens eingetreten?

Alle sind es.

Dann sind alle drei eingetreten. Neben den politischen Attentaten ist ein Begriff, der jahrzehntelang nicht benutzt wurde, in unseren Alltag eingezogen: Atomwaffen, Atomkrieg, Atomschlag. Präsident Macron hat sich ähnlich geäußert, aber ich könnte auch den polnischen Präsidenten oder den schwedischen Ministerpräsidenten zitieren. Sie kennen diese Leute persönlich, die jetzt dieser Tage über Atomwaffen, über den Einsatz von Atomwaffen sprechen, sogar heute noch. Glauben Sie, dass es nach Hiroshima noch jemanden gibt, der das ernst meint?

Ja. Natürlich gibt es die, denn inzwischen hat sich auch die Technologie weiterentwickelt, und vor unseren Augen, wie Sie sagten, die Atombomben, erscheint der Atompilz, Hiroshima und Nagasaki, aber inzwischen gibt es die Atomtechnologie auch in einer einfacheren Form. Es gab eine Debatte darüber, dass vielleicht die Briten oder die Amerikaner irgendwie nuklear angereicherte Geräte, Munition im Grunde genommen an die Ukrainer gegeben haben. Dann gibt es die so genannten Gefechtsfeld- oder taktischen Atomwaffen, die – nicht diese riesigen, großen, ich weiß nicht, wie viele Megatonnen Kraft besitzenden Bomben, aber – gezielt eingesetzt werden können, um auf dem Schlachtfeld kämpfende Einheiten effektiver als mit anderen Mitteln zu vernichten, und natürlich gibt es diese riesigen Raketen, die kleinen und die interballistischen, großen Raketen, mit denen man Atombomben und Ladungen einsetzen kann, die um ein Vielfaches stärker sind als die in Hiroshima eingesetzte. Ich glaube also, dass europäische Politiker, wenn sie darüber sprechen, die Atombombe eher als taktisches Abschreckungsmittel betrachten, denn als etwas, das tatsächlich eingesetzt werden muss. Aber das Problem ist, dass auch niemand im Zweiten Weltkrieg dachte, dass sie eingesetzt werden müsste oder von den Amerikanern eingesetzt werden würde. Und im Allgemeinen pflegt man am Anfang von Kriegen nicht das zu denken, was man in der Mitte und am Ende des Krieges denkt. Und am Anfang neigen sie dazu, noch sehr zivilisiert zu denken, dass bestimmte Dinge natürlich nicht einmal dann passieren können, wenn die Situation an der Front im Übrigen hart werden sollte, und dann passiert alles, die schlimmstmöglichen Szenarien werden zur Wirklichkeit. Ich glaube, dass diejenigen, die so etwas sagen, sich dieser Möglichkeit nicht bewusst sind.

Gerade deshalb ist es das schon lange ein schlechtes Omen, wenn sie, wie Sie das formuliert haben, schon so darüber reden.

Na und ob! Es gibt Wörter, die immer wieder auftauchen, die langsam allgemein gebraucht werden, und die an sich schon alarmierend sind. Also sagen wir zum Beispiel Ukraine-NATO-Mission, NATO-Mission in der Ukraine; da stellen sich einem die Nackenhaare auf. Dann sind da noch die taktischen Atomwaffen. Dann gibt es noch die angereicherte Munition. Und dann ist da noch der Weltkrieg selbst. Dann müssten wir Soldaten im Namen eines Verteidigungsbündnisses, wie der NATO, in einen Krieg außerhalb des Territoriums des Verteidigungsbündnisses schicken, der zwischen einem anderen Land oder zwischen zwei anderen Ländern geführt wird. Das sind beängstigende Dinge, nur beginnen wir uns daran zu gewöhnen. Ich lese jetzt Tagebücher und Memoiren, vom Vorabend des Ersten und Zweiten Weltkriegs, wegen der Situation, die sich entwickelt hat. Es gibt unter ihnen auch sehr ehrlich darüber berichtende, wie ein ganzer Kontinent, ein ganzes Land, die Menschen selbst, aber auch die führenden Politiker in Kriegsstimmung waren, wie unverantwortlich und unüberlegt sie versprachen, dass dies schnell enden würde, dass es begrenzt sein würde und so weiter und so fort, denn kein Weltkrieg hat jemals damit begonnen, dass die Führenden aufgestanden wären und verkündet hätten, dass es von jetzt an ein Weltkrieg sein würde. So fängt es also nicht an. Es lohnt sich, das zu tun. Irgendwie ist der Widerstand dagegen in den Köpfen der Westler weniger stark als in den unseren. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist, ich denke oft darüber nach. Vielleicht liegt es daran, dass sie Kriege wie diesen gewinnen. Sie waren auf der Seite der Sieger. Einige von ihnen in zwei Weltkriegen. Wir waren beide Male auf der Verliererseite, also sind unsere Reflexe anders. Und ich denke, wir sind näher an der Realität des Krieges. Denn die Realität des Krieges ist schrecklich. Man kann kluge Dinge über strategische Abschreckung sagen, aber wenn ein Krieg ausbricht, fehlen Hände, Beine, Köpfe, werden Frauen zu Witwen, werden Kinder zu Waisen. Im schlimmsten Fall – und wir haben jetzt einen solchen Fall in der Ukraine – werden ganze Generationen eines Volkes ausgelöscht, es kommt zu einem Verlust an Lebenskraft, den ein Volk vielleicht nicht einmal überwinden kann. Meiner Ansicht nach leiden auch wir noch immer unter den Verlusten des Ersten Weltkriegs. So kommen uns die Schrecken des Krieges hier in Ungarn sofort in den Sinn: die Bombenkrater in Pest, die zerbombte Stadt, und ich sehe es so, als ob im Westen dieser Reflex, diese erschreckenden Bilder sofort an persönliche Erlebnisse, ich meine, an die persönlichen Erlebnisse von Familien, sich zu erinnern, nicht so automatisch wäre.

Ja vielmehr glaube ich, dass diese Frage die meisten Ungarn beschäftigt, und ich möchte sie Ihnen jetzt auch stellen. Was denken Sie darüber, ob diese Prozesse, über die wir gerade gesprochen haben, zu einem dritten Weltkrieg führen könnten?

Wir sind in einen Prozess verwickelt, von dem man in zehn Jahren vielleicht sagen wird, dass er zum Vorspiel des Dritten Weltkriegs oder zu den ersten Ereignissen gehörte. Also als der Erste Weltkrieg begann, sagte man so etwas wie: Das ist der Dritte Balkankrieg. Oder als die Deutschen Polen überrannten, dann der Danzig-Konflikt, dann der Molotow-Ribbentrop-Pakt, aber sie dachten nicht, dass dies zu einem weltweiten Krieg mit zig Millionen Opfern führen würde. Aber wenn heute Historiker die Geschichte dieser Kriege schreiben, dann schreiben sie ihre Bücher mit diesen Anfangsschritten. Es ist also nicht auszuschließen, dass, wenn es schief geht, wenn wir die Kriegspsychose in Brüssel nicht in den Griff bekommen, wenn wir die europäische Politik nicht aus diesem Kriegsstrudel herausbekommen, dann kann es durchaus sein, dass die Geschichte dieser Jahre als Episoden aus dem ersten oder zweiten Jahr eines großen europäischen Weltkrieges geschrieben wird.

Auch Sie selbst haben bereits erwähnt, dass ein Krieg, auch im Falle der Ukraine, Generationen verkrüppeln und aus dem Lauf der Geschichte auslöschen kann, aber dann hat ein Krieg auch eine wirtschaftliche Dimension. Ich habe Ihnen einige Wirtschaftsdaten mitgebracht, zum Beispiel ist das GDP der Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr um 2,5 % gewachsen, das russische GDP um 3,6 %, während im gleichen Zeitraum die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,3 % gesunken ist. Wenn ich mich recht erinnere, als der Krieg ausbrach und die europäischen Staats- und Regierungschefs davon sprachen, dass die Sanktionen alle hier in die Knie zwingen würden, vor allem aber die Russen, nun, das war nicht das Versprechen. Was wird mit Europa geschehen? Wer ist für all das verantwortlich?

Nun, wenn wir über die wirtschaftliche Belastung sprechen, so haben die Länder der Europäischen Union bisher etwa 100 Milliarden Euro in diesen Krieg gesteckt, und ich denke, die Vereinigten Staaten stehen dem nicht nach, so dass wir jetzt bei etwa 200 Milliarden Euro sind. Und was die europäische Wirtschaft betrifft, so muss man zu den Kriegsverlusten auch noch die nicht stattgefundene wirtschaftliche Entwicklung hinzurechnen, die natürlich noch einmal einige hundert Milliarden ausmachen wird. Wir erleiden also bereits jetzt schreckliche Verluste. Ansonsten wissen die Menschen es nicht, aber sie zahlen bereits für den Krieg, denn wenn Sie in ein Geschäft gehen und sich die Preise ansehen, werden Sie feststellen, dass dies seltsame Preise sind. In Friedenszeiten sind die Preise nicht so. Hier ist etwas passiert, und dieses Etwas ist der Krieg. Denn in dem Moment, in dem die Wirtschaft in ein Kriegsklima eintritt, in dem sich die gesamte europäische Wirtschaft heute befindet, steigen als erstes die Kreditzinsen, dann die Energiepreise, dann die Transportkosten, dann die Beträge, die für die Versicherung von Unternehmen aufgewendet werden müssen, dann werden die Unternehmer vorsichtig, denn dies ist nicht die Zeit für Entwicklung, und alles treibt bereits die Preise in die Höhe, und Sie, ich, wir alle, zahlen den Preis. Wir sind also bereits an der Finanzierung des Krieges beteiligt, sogar Ungarn, das als einziges Land alles tut, um sich aus diesem Krieg herauszuhalten, denn alle anderen bewegen sich hinein, wir aber kommen heraus. Mir hat diese ganze Sache von Anfang an nicht gefallen. Das liegt jetzt nicht nur daran, dass einem der Krieg im Allgemeinen nicht gefällt. Und man hätte sich denken können, dass zwei slawische Nationen, wenn sie ernsthaft in einen Krieg verwickelt sind, zwei soldatische Nationen, dass das ein gewisses Gewicht haben würde. Und jetzt können wir natürlich über niemand glauben, dass er die Wahrheit sagt, also sind auch die offiziell veröffentlichten Opferzahlen nicht glaubwürdig, aber so wie wir rechnen, oder unsere Dienste rechnen, liegt die Zahl der Opfer irgendwo zwischen 500.000 bis einer Million. Jetzt schon! Es sind also erst zwei slawische Länder im Krieg, noch nicht Europa. Wenn wir Zeit haben, können wir vielleicht auch über die demografischen Auswirkungen der Weltkriege auf unseren Kontinent und auf Ungarn sprechen und darüber, wie wir bis auf den heutigen Tag immer noch den Preis in Form von fehlenden Kindern zahlen. Aber um auf den Anfang der Dinge zurückzukommen, warum mir die ganze Sache von Anfang an nicht gefallen hat, abgesehen von den Schrecken des Krieges. Es liegt daran, dass in der Politik logische Überlegungen vor schwierigen Entscheidungen erwartbar sein müssen. Und sie verkündeten mit großer Begeisterung die Strategie, dass die Ukrainer dann bereit wären zu kämpfen und wir ihnen Geld und Waffen dazu geben würden. Das ist das Wesentliche der Strategie. Woher diese Strategie kommt, ist auch diskussionswürdig, denn George Soros hat 1993 darüber geschrieben, aber lassen wir das für den Moment beiseite. Mein Problem war nicht, dass George Soros das geschrieben hat, mein Problem war, dass, wenn das die Strategie ist, dann – so fragte ich – wie viele Waffen und wie viel Geld wir ihrer Meinung nach brauchen, um das Ziel zu erreichen, die Russen aus dem Land zu vertreiben, während die Russen nicht nur untätig danebenstehen, sondern auch produzieren, d.h. Waffen hineinwerfen und Geld hineinstecken? Wie groß ist denn letztlich die Größenordnung des Geldes und der Menge an Waffen, die den Sieg, den unsere Strategie vorsieht, erreichen? Und die Antwort darauf war: Putin darf nicht gewinnen. Ich sage, Mensch, das verstehe ich! Wie hoch ist die Zahl? Über wie viele Hundert Milliarden Euro reden wir und wie viele Waffen? Denn eine Strategie, auch wenn man die Details eines Krieges nicht planen kann, eine Kriegsstrategie muss letztlich doch auf rationalen Überlegungen beruhen. Und das ist sie seither nicht mehr. Und ich stelle immer diese Frage, ich stelle sie in jedem Vierteljahr, ob es schon irgendeine Berechnung darüber gibt, vor allem jetzt, wo die Russen sich erfolgreich auf eine Kriegswirtschaft umgestellt haben, und sie produzieren Waffen, und sie haben Geld, und sie wachsen, weil sie überhaupt nicht vom Weltenergiemarkt verdrängt worden sind, sie kommen nur schwieriger dorthin, aber angesichts dessen, wie viel wird es am Ende kosten? Und es gibt keine Antwort.

Warum gibt es keine Antwort?

Weil sie es selbst nicht wissen.

Es ist also ein Fass ohne Boden.

Europa treibt in einen Krieg, ohne auch nur die Größenordnung der Kosten oder der Mittel zur Erreichung des durch ihn gesteckten militärischen Ziels zu kennen. Ich habe in meinem Leben noch nie etwas Verantwortungsloseres gesehen.

Was Sie gesagt haben, war sehr interessant, lassen Sie uns darüber reden. Wie kann ein Krieg wie dieser die Gesellschaften entzweien?

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg haben wir – wenn ich mich richtig an meine Studien erinnere – fünfzig oder vierzig, vielleicht 57 Millionen Menschen in Europa verloren, und wir, Ungarn, sind auch über 1,5 Millionen, was die Zahl der Opfer der beiden Kriege angeht. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um junge Menschen mit Familien oder solchen, die schon fast Familien hatten. Ungarn hat also in den letzten etwa hundert Jahren, in hundert Jahren, auch 1,5 Millionen junge Männer verloren. Sie fehlen alle, und auch ihre Kinder und Enkelkinder fehlen. Wären sie geboren worden und hätten sie ein normales Familienleben führen können, hätte Ungarn heute keine demografischen Probleme. Und ich glaube, auch Europa hätte keine solchen Probleme, denn 57 Millionen Großeltern und Eltern sind eine hohe Zahl. Und dann wäre noch die ganze Frage der Migration, dass es einen leeren Raum gibt, in den illegale Migranten von der anderen Seite des Mittelmeers kommen und sich niederlassen können, weil es hier sowieso nicht genug weiße Christen gibt, das alles gäbe es nicht, dieses Problem. Diese haben wir im Krieg verloren. Denn natürlich ist der Krieg in Europa in erster Linie ein Zusammenstoß der Nationen. Wir wissen, wer zur Entente gehört, und so weiter, wir wissen, verbündete Zentralmächte, wir verstehen also, worum es geht, Zentralmächte, aber in Wirklichkeit, wenn wir darüber hinausschauen, wenn wir es von einem höheren Horizont aus betrachten, dann ist jeder europäische Krieg auch ein europäischer Bürgerkrieg, wo wir uns gegenseitig ausrotten, im Gegensatz zu anderen Zivilisationen, wo es keinen solchen Krieg gibt, oder wo sie sich nicht in diesem Ausmaß ausrotten, und deshalb nimmt ihre Zahl und ihr Anteil auf dem Globus zu, während unsere als Folge des Krieges stagnieren. Kriege bedeuten also für uns alle eine schwere wirtschaftliche Belastung im Alltag, Schmerz durch den Verlust von Familien, Schrecken für Familien, in denen junge Menschen in den Krieg ziehen, und am historischen Horizont entwerten sie das, was wir als weiße, christliche europäische Zivilisation bezeichnen, weil ihr die Kraft ausgeht, denn Kraft kommt ja schließlich von den Menschen, und nicht von der Technologie. Deshalb sollte der erste Reflex von uns europäischen Verantwortlichen in jedem Krieg, denn Konflikte können immer ausbrechen, darin bestehen, ihn nicht zu eskalieren, ihn sich nicht weier ausbreiten zu lassen, man muss ihn bremsen, man muss jeden bewaffneten Konflikt für gescheitert erklären. Es muss gesagt werden, dass wir Politiker versagt haben, weil die Diplomaten die Kontrolle über die Ereignisse aus der Hand gegeben haben. Nicht die Soldaten sollten über die Zukunft entscheiden, sondern die gewählten führenden Politiker, die Diplomaten. Und wenn ein Konflikt doch noch ausbricht: muss man ihn sofort isolieren, eindämmen, abriegeln, begrenzen, verhandeln! Und nicht mitten hineinspringen, internationalisieren, zurückschlagen und vergrößern, nur um am Ende die westliche Welt am Rand eines Weltkrieges balancieren zu lassen, wie wir es jetzt tun.

Wenn wir schon darüber reden, was halten Sie davon, dass in mehreren westeuropäischen Ländern, auch in Deutschland, darüber nachgedacht wird, die Wehrpflicht wieder einzuführen, junge Menschen zur Armee einzuziehen? Sind wir also wieder bei den historischen Beispielen, die ich gerade genannt habe, wie dem Ersten und Zweiten Weltkrieg?

Das erste ist die Wehrpflicht selbst, über die man immer nachdenken kann. Jetzt, da in Europa Frieden herrscht, dachten wir alle, dass die Wehrpflicht überflüssig sei. Berufsarmeen innerhalb eines NATO-Bündnisses machen diesen Job, der ansonsten ein schöner, schwieriger, riskanter Job ist, bei dem es um Leben und Tod geht, das Land zu verteidigen, zu den Waffen zu gehen, sich auszubilden, bereit zu sein, anders zu leben als der Rest des Landes, denn ein Soldat ist kein Arbeiter in Uniform, sondern ein Krieger, ein potenzieller oder tatsächlicher Krieger, der sich darauf vorbereitet. Es wird also Leute geben, die sich darauf einlassen, und ich denke, das ist der bessere Teil der Nationen, das sind entschlossene, ernsthafte Leute, und der Rest von uns kommt so um den Wehrdienst, kann an ihm vorbeikommen. Das ist der Punkt, an dem wir jetzt stehen. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt, ob es eine weitere Welle der Wehrpflicht in Europa geben wird oder nicht. Es wäre eine gute Idee, den Status quo beizubehalten und eine Berufsarmee einzusetzen, um das zu tun, was getan werden muss, und junge Menschen zu ermutigen, an einer ein- oder zweimonatigen Ausbildung teilzunehmen, einer Reserveausbildung, damit sie eine Waffe zusammenbauen, auseinandernehmen und sich verteidigen können. Es gibt also einige Grundfertigkeiten, die meiner Meinung nach jungen Menschen ohne Wehrpflicht vermittelt werden können, und das Thema „Landesverteidigung“ sollte in den Schulen unterrichtet werden. Dies ist also ein transparentes und überschaubares Thema. Aber was einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, oder ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ist, wenn dieser feine Volkspartei-Politiker Weber sagt, wir brauchen eine europäische Wehrpflicht. Oh, also dass Sie, mein Freund, den ungarischen Familien aus Deutschland oder Brüssel aus sagen werden, dass sie ihre Söhne in eine Art europäische Wehrpflichtarmee einberufen sollen, und ihr werdet ihnen sagen, wohin sie gehen sollen, nun, wir erinnern uns in Woronesch, dass, als Ihr, unsere lieben deutschen Freunde, uns sagtet, wohin wir gehen sollen, die erste Überlegung nicht darin bestand, den Wert der ungarischen Truppen zu schützen. Wir wollen also nicht, dass jemand anderes über den Einsatz unserer jungen Soldaten, über die Hin- und Herkommandierung unserer jungen Soldaten entscheiden darf. Und das ist es, wovon er spricht, eine gesamteuropäische Armee mit Wehrpflicht. Also, nein! Vergessen Sie es! Ein Beispiel für verrückte Ideen.

Welchen Handlungsspielraum haben wir, Ungarn, in dieser nicht sehr rosigen europäischen Situation?

Wir müssen draußen bleiben! Es gab zwei Weltkriege. Beide haben wir mit ernsthaften Leuten an der Spitze des Landes begonnen, sehr ernsthaften Leuten an der Spitze des Landes, und wir wollten uns heraushalten, weil es im nationalen Interesse Ungarns war. István Tisza hat sogar deutlich gemacht, dass das historische Ungarn zusammenbrechen würde, wenn wir in den Krieg zögen und nicht gewinnen würden, und deshalb dürften wir nicht in den Krieg ziehen. Und diese Position hat er im Wiener Kriegsrat vertreten, ganz bis er niedergedrückt wurde. Der Moment war gekommen, und die damalige ungarische Regierung wurde in den Ersten Weltkrieg hineingezwungen. Miklós Horthy wollte sich ebenfalls aus dem Weltkrieg heraushalten, er wollte die ungarische Armee intakt halten, und er wollte sicherlich in keiner Kriegssituation eine untergeordnete Rolle spielen, aber am Ende drängten die Deutschen Ungarn trotzdem in den Krieg. Aber die Frage ist, ob unsere Generation, wenn sie sich in einer solchen Situation befindet, besser sein wird als sie es waren. Kann sie es besser machen? Können wir dem Krieg fernbleiben? Und das schafft enorme Schwierigkeiten. Ich spüre also all die Dilemmata und den Schmerz der alten, großen Menschen, denn ich sehe es selbst, ich spüre die Hände auf meinen Schultern und auf meinem Rücken, die mich hineindrängen, nach unten, nach vorne, als den Ministerpräsidenten von Ungarn in den Krieg. Jedes Mal! Und da muss man widerstehen. Wir werden sehen, wozu wir fähig sein werden. Ich will jetzt nicht in eine direkte Kampagne einsteigen, aber je stabiler die ungarische Regierung ist, je klarer die Position des ungarischen Volkes auf der Friedensseite der Kriegs- und Friedensfrage ist, je mehr ich etwas habe, worauf ich mich stützen oder wogegen ich mich anlehnen kann, desto mehr Chancen habe ich, dass das Land aus dem Krieg herausgehalten werden kann.

Und wenn Sie in Brüssel in der gleichen Frage kämpfen, wie können Sie diesen Druck und diesen Spielraum am besten nutzen?

Das ist eine Wissenschaft für sich. Kein Thema ist schwarz-weiß, es gibt immer welche, die nicht ganz, nur ein bisschen oder nur teilweise zustimmen. Es gibt immer eine Lücke, in der man irgendwie Verbündete finden kann, zumindest in Teilfragen, oder man kann Fragen aufwerfen, die nicht geklärt sind, und deshalb eine Neuverhandlung verlangen. Ich werde sie jetzt nicht verraten, wenn ich es nicht muss, aber es gibt eine…

Die Kunst der Politik…

…ich habe eine Liste, ja, in meiner Tasche, was man in solchen Momenten tun muss, und ich versuche es. Aber manchmal wird es brutal, so dass der Raum für kluge Ansätze eingeengt wird, und das ist sehr brutal. Ja oder nein? Und dann heben 26 Leute die Hand oder 26 Leute sagen ja und sagen nein. So ist das nun einmal. Die NATO wird ein noch schwierigeres Dilemma sein, das wird jetzt kommen. Soweit ich sehen kann, haben wir die Bemühungen der Europäischen Union, uns in den Krieg zu treiben, bereits erkannt und ihre Art erlernt, und wir haben die Techniken, uns dagegen zu wehren, auch entwickelt. Jetzt kommt ein neuer Abschnitt, dies ist die NATO, es ist eine schwierigere Sache, denn es ist eine militärische Verteidigungsorganisation. Hier wird der Handlungsspielraum schon in anderen Quadratmeterzahlen gemessen als in der traditionellen zivilen Diplomatie, und die NATO will nun den Weg einschlagen, selbst ein Akteur in diesem Krieg zu werden. Ob wir die NATO davon abhalten können, ob wir sie zurückhalten können, unsere Chancen dazu sind begrenzt, denn soweit ich es sehe, waren die Argumente, die wir bisher vorgebracht haben, nicht überzeugend, oder haben die andere Seite nicht interessiert oder sie wollte erst gar nicht überzeugt werden, aber wenn es tatsächlich zu militärischen Aktionen kommt, man nennt sie: NATO-Ukraine-Mission, wie man sich da raushalten kann, das wird sich noch zeigen. Wir werden sicherlich einen Weg finden, dies zu tun, weil wir gleichzeitig die Sicherheit der NATO-Mitgliedschaft bewahren wollen, denn wir sind der NATO beigetreten, weil uns im Vertrag gesagt wurde, dass wir uns gegenseitig verteidigen würden, wenn NATO-Länder angegriffen würden. Jetzt wird hier kein Gebiet der NATO-Länder angegriffen, sondern die NATO will sich nach vorne bewegen. Ich schaue mir auch an, wie das vermieden werden kann, wie die Franzosen das gemacht haben, welche Diskussionen es in der Vergangenheit gab, welche rechtlichen Lösungen es dafür gab, welche Vereinbarungen getroffen werden können. Wir werden auch dafür eine Lösung finden. Wir müssen auch in der NATO an der Seite des Friedens ausharren und verhindern, dass wir in einen Krieg hineingezogen werden, mit welchen militärischen Argumenten sie dies auch immer tun, und wir müssen uns am Ende heraushalten. Es gibt diejenigen, die in die entgegengesetzte Richtung argumentieren, und ich sage nicht, dass das, was sie sagen, nicht unlogisch ist, aber das Risiko für Ungarn ist so unermesslich, dass man es dann in Zehn- oder Hunderttausenden von jungen Menschenleben wird messen können, die gestorben sind. Ich würde also denken, dass wir alles tun sollten, um uns da herauszuhalten und zu sehen, ob wir das tun können, was Horthy und Tisza nicht geschafft haben.

Die Welt verändert sich, die Weltordnung verändert sich um uns herum. Wir haben darüber gesprochen, welche Bewegungen es in Europa gibt. Was machen die anderen Akteure in der Zwischenzeit?

Sie füllen sich auf jeden Fall ihre Taschen, denn die Weltwirtschaft ist ein ständiger Wettlauf, es kreisen Volkswirtschaften, und wenn jemand aus diesem Wettlauf aussteigt, ist er sofort im Nachteil, die anderen sind im Vorteil, und am Ende kommen sie schneller bei den für die Sieger vorbereiteten Preisen an als die Benachteiligten. Sie kassieren also die Chancen, die monetären Chancen, der Weltwirtschaft, und wir schauen nur bedröppelt. Das ist die Situation, in der sich Europa jetzt befindet.

Eine gute Konstellation…

Der beste Fall dafür ist der der Energie. Die Amerikaner können ihre Öl- und Gasüberschüsse problemlos verkaufen, nachdem den Europäern verboten wurde, von den Russen zu kaufen. Außer Ungarn natürlich, denn wir haben uns gewehrt. Das ist ein weiteres typisches Beispiel für ein Stay-out: Wir haben es geschafft, uns aus dem Schlimmsten herauszuhalten. In der Zwischenzeit haben die Russen Techniken entwickelt, um Gas nicht nur durch Rohre, sondern auch, wie die Amerikaner, durch solche großen Tanker, über LNG-Terminals, um die Welt zu transportieren. Die größten Abnehmer von russischem Gas in den letzten Monaten sehen so aus, dass nicht wir an der Spitze stehen. An erster Stelle steht Italien, an zweiter Stelle Spanien als LNG-Abnehmer – allerdings russisches – und an dritter Stelle Ungarn. Es gibt also ein Hin und Her im Hintergrund, eine manchmal heuchlerische, doppelzüngige…

Das ist so ein auf europäische Sanktionen…

…ja, aber im Großen und Ganzen verlieren schließlich wir an diesem ganzen Fall, und die Amerikaner gewinnen. Die Russen gewinnen nicht, weil der Krieg für sie ja doch eine schreckliche Last ist, aber sie finanzieren ihren Krieg dadurch. Und die Chinesen sehen, dass die sich in der ganzen Welt verschiebenden Machtverhältnisse ihnen in die Hände spielen, weil sie dann dadurch an Stärke gewinnen. Sie haben von uns Europäern Zugang zum gesamten russischen Gas- und Ölsystem erhalten, denn wenn die Europäer es nicht wollen, werden die Russen es an jemand anderen verkaufen. Sie bauen die schrecklichen Pipelines, das ist die Kraft Sibiriens. Darüber wird die ganze Zeit untereinander abgestimmt, und sie machen auch Fortschritte, das sind keine leeren Worte, das sind große Infrastrukturprojekte, die tatsächlich umgesetzt werden und die chinesische und russische Wirtschaft miteinander verbinden. Und wir haben das auf dem Tablett angeboten. China ist also der große Gewinner. Ohne eigene Absicht. Ich kann also nicht sagen, dass sie sich auf so eine doppelzüngige, heuchlerische Weise kaum noch erwarten konnten, dass diese Situation eintrete. Ganz einfach, die anderen haben die Figuren auf dem Schachbrett so verschoben, dass der Wert der chinesischen Schachfiguren am Ende aufgewertet wurde.

Und können wir damit rechnen, dass es in den Vereinigten Staaten zu einer Veränderung kommt? Ich denke da sicherlich am meisten an den November.

Meiner Ansicht nach müssen wir, Friedensaktivisten, um es stilvoll auszudrücken, einen Gegenangriff an zwei Fronten starten. Eine davon haben wir bereits eröffnet, hier müsste man jetzt schon siegen: das sind die Europawahlen. Hier geht es nicht nur darum, mehr Abgeordnete zu haben, die für den Frieden sind, als solche, die für den Krieg sind, sondern auch darum, dass die Menschen in Europa ihre eigenen Regierungen in die Richtung drängen, dass es weniger Krieg und mehr Frieden gibt. Denn es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, und es ist nicht so, dass die Regierungen plötzlich eine Erleuchtung haben und vom Krieg zum Frieden übergehen. Das ist nur bei den Slowaken passiert, dank Robert Fico, der die Wahl gewonnen hat. Vielmehr ist es so, dass immer mehr Menschen sich gegen weitere Schritte in Richtung Krieg entscheiden, immer mehr Menschen sagen nein, und am Ende verlangsamt sich das Ganze und dann kann man wieder zurück zum Frieden zurückgehen. Ich würde es eher als einen solchen Prozess sehen, aber das wird nur passieren, wenn die Menschen in Europa bei den Europawahlen klar für den Frieden stimmen. Dann kann dieser Prozess, dieser europäische Kampf gewonnen werden. Aber das ist nur die Hälfte der Aufgabe, denn die andere Hälfte sind die US-Wahlen im November. Wenn die derzeitige kriegsfreundliche demokratische Regierung bleibt, wird es schwierig sein, sich in Richtung Frieden zu bewegen. Selbst wenn Donald Trump zurückkommt, wird es auch nicht einfach sein, aber ich denke, er wird ein klares, transparentes und schnelles Handeln ermöglichen, was natürlich zu schwierigen Verhandlungen führen wird, aber zumindest können wir sehen, dass wir den Kriegspfad verlassen und die Amerikaner sich auf den Weg des Friedens begeben, auch wenn wir sonst erst nach langen Verhandlungen zum Frieden kommen. Aber das Wichtigste für uns wäre jetzt – natürlich ist der Waffenstillstand das Wichtigste, der sofortige Waffenstillstand, aber vor allem – ein Gefühl der Sicherheit, eine Perspektive, so dass wir alle glauben können, dass natürlich ein großes Übel geschehen ist, hier ist ein Krieg, aber unsere führenden Politiker in Europa und in Amerika sind vernünftig, und jeder arbeitet daran, diesen Krieg zu beenden, und nicht ihn auszuweiten. Denn heute trauen die Menschen keiner Regierung in Westeuropa, weil sie sehen, dass ihre führenden Politiker nicht die Ursache des Problems beseitigen wollen, sondern…

Eskalieren.

…eskalieren. Die westliche Welt sollte also zumindest das Gefühl der Sicherheit haben, dass ihre führenden Politiker vernünftig sind und sich in Richtung Abschluss und Frieden bewegen. Wenn dies geschieht, kann sich alles schnell ändern, die Wahrnehmung der Realität, die Angst und die Beunruhigung der europäischen Bevölkerung werden abnehmen, der Blutkreislauf in der Wirtschaft wird sich beschleunigen, die Investitionen werden anziehen, die Inflation wird sinken, die Kreditzinsen werden billiger werden, so dass plötzlich der normale Blutkreislauf in den Kreislauf der europäischen oder westlichen Wirtschaft nach der Erstarrung zurückkehrt.

Wir sehen auch, dass die Kriegslobby auch in Ungarn ziemlich sehr stark vertreten ist. Was wollen sie mit Ungarn? Was ist ihr Ziel bei uns? Was wollen sie hier erreichen?

Dann lassen Sie uns jetzt in Verschwörungstheorien verfallen.

Ist das so?

Man sagt, dass es Verschwörungen gibt. Verschwörungstheorien sind immer vereinfachend, also hüte man sich davor, aber es gibt Verschwörungen. Es ist also nicht nur möglich, sondern notwendig, darüber nachzudenken, vor allem in einem Land, das der Menschheit mit George Soros den größten Verschwörer der Welt geschenkt hat. Wenn also irgendjemand das Recht oder die Veranlassung hat, über Verschwörungen nachzudenken, dann ist der größte Konspirateur, Kapitalspekulant, Intrigant und im Hintergrund seine Fäden ziehende Mensch der Welt unser eigener Landsmann. Ich denke, die Ungarn haben das Recht, in diesem Zusammenhang zu denken. George Soros hat nicht nur einmal und auch nicht nur zweimal versucht, die gesamte ungarische Wirtschaft aufzukaufen. 1990 darüber könnten Ihnen die damaligen Mitglieder der Antall-Regierung erzählen, dann die OTP, und darüber könnten die Mitglieder der Horn-Regierung Ihnen erzählen, und dann wieder in den 2000er Jahren. Wir haben also eine kleine Verschwörungsgeschichte, aber jetzt haben wir es mit einer großen Verschwörung auf europäischer Ebene zu tun. Wie sieht meiner Meinung nach der Plan derjenigen aus, die am Krieg profitieren? Es ist nicht nur George Soros, der an diesem Krieg gewinnt, es gibt hier mehrere Leute, die spekulieren: die gesamte Rüstungsindustrie, die Kreditgeber für den Kauf und die Herstellung von Waffen. Es ist also ein breites…

Das ist ein riesiges Geschäft.

Es liegen riesige Geldsummen und Einsätze auf dem Tisch. Wenn ich sie beobachte, denke ich, dass ihre Strategie darin besteht, dass sie vier Dinge brauchen, um erfolgreich zu sein. Erstens brauchen sie Waffen, und die Produktion von Waffen werden sie dann finanzieren. Dann brauchen sie Menschen, die bereit sind, zu kämpfen, und das sind jetzt die armen Ukrainer. Dann braucht man eine Regierung, die das alles will, bzw. Regierungen, die das alles wollen. Diese muss man nach Möglichkeit kaufen, so wie man auch in Ungarn die Linken kauft – in der Hoffnung, dass sie dann in die Regierung kommen und dann wird auch dieses Problem gelöst sein. In Westeuropa ist dieser Prozess weiter fortgeschritten, und auch in den europäischen Institutionen. Und der vierte wichtige Punkt sind die Medien, und nennen wir es so, dass korrupte Medien gebraucht werden, die entweder von ihnen kontrolliert oder von ihnen geschaffen wird, die eine Pro-Kriegs-Atmosphäre schaffen. Das ist übrigens nichts Ungewöhnliches, wir haben diese Art der Durchdringung der Medien durch das Geldkapital auch in früheren Kriegen gesehen. Es werden also Medien benötigt, die den Menschen weismachen, dass es hier nichts anderes zu tun gibt, dass die einzige Option der Krieg ist, und die sogar behaupten, dass jeder, der den Krieg befürwortet, das Richtige sagt, dass er in der moralisch richtigen Position ist. Das sagen die westeuropäischen Medien fast uneingeschränkt, mit Ausnahme von Ungarn und ein oder zwei anderen Ländern. In Ungarn zum Beispiel ist es möglich, über den Krieg zu diskutieren. Versuchen Sie einmal, eine solche Sendung in Westeuropa zu machen! Wie viele Menschen würde man damit erreichen? Dies ist also nicht möglich! Und wenn man bei diesen Themen, die mit der offenen Gesellschaft zu tun haben – LGBTQ, Migration, Familienpolitik, Demografie, Krieg – aus der Reihe tanzt, muss man angefangen mit dem Arbeitsplatz überall mit Repressalien rechnen. Um die westeuropäische Freiheit ist es also schlecht bestellt, melde ich gehorsamst. Wir denken, dass es dort auch so ist wie bei uns.

Jeder kann sagen, was er will?

Dies ist ein Kaffeehausland. Hier reden alle, wenn es Ärger gibt, und man es nicht tun sollte, erst recht dann, wenn es noch nicht einmal große Probleme gibt. In Ungarn kann man also den Leuten nicht das Wörteln verbieten, das haben selbst die Kommunisten nicht geschafft, obwohl sie es nun wirklich versucht haben.

Sie haben es versucht…

Wenn wir uns heute die ungarischen Medien anschauen, die so sind, wie sie eben sind, natürlich, obwohl wir sicherlich nicht hier sind, um darüber zu diskutieren, dann gibt mindestens die Hälfte von ihnen eine Weltdeutung, sagen wir so eine liberale, und die andere Hälfte gibt eine konservative, nationale, souveräne Interpretation der Welt. Dieser große Spielraum für die Beschreibung und Interpretation der Welt steht im Westen nicht zur Verfügung. Wenn Sie eine Zeitung von der deutschen Linken bis zur Rechten aufschlagen, so gibt es natürlich Unterschiede im Tonfall, aber sie bewegen sich alle innerhalb der gleichen Bandbreite. Es gibt dort keine Out-of-Band-Diskussion, da würden wir ja gut dastehen. Wer auch immer dort aus der Reihe tanzt, es gibt die Techniken und die Mittel, um ihm den Appetit zu verderben, sei es eine politische Partei oder gerade irgendein Medieninhaber. Das Szenario der Kriegsprofiteure sieht so aus: Waffen, Soldaten, gekaufte Regierungen und von ihnen, von Kapitalisten, von Pro-Kriegs-Kapitalisten gegründete oder gekaufte Medien. Und sie fügen das alles zu einem System zusammen, und das treibt die Kriegsmaschinerie voran. Die Frage ist nun, was kann man dagegen tun? Draußen bleiben!

Was ich nicht verstehe, ist, dass wir ein Land mit zehn Millionen Einwohnern sind. Die anderen Länder, die meisten westlichen Länder, stehen schon alle in der Schlange. Warum ist es dieser Kriegslobby nicht egal, was wir, zehn Millionen Ungarn, sagen?

Das ist es, wovon ich versuche, sie zu überzeugen. Also sage ich ihnen: Jungs, ich verstehe es, aber ich denke, was ihr tut, ist falsch, es ist nicht logisch, es sollte nicht sein, wir werden alle die Konsequenzen dessen tragen müssen, aber wenn ihr es tut, dann lasst uns wenigstens in Ruhe. Das sage ich sowohl bei der Migration, als auch bei LGBTQ-Themen und dem Krieg. Lasst uns in Ruhe! Ein Land mit zehn Millionen Einwohnern…

Warum haben sie uns nicht in Frieden gelassen?

Was kümmert euch das? Ungarn, sagt ihr, sie sind so, wie sie sind, man kann nicht mit ihnen reden, sie hören auf niemanden, sie leben irgendwo in der Steppe zwischen Donau und Theiß in ihrer eigenen Welt, sie wissen natürlich nicht einmal, wo Ungarn liegt, sie leben ihre Welt irgendwo dort weit weg, sie sollen ihren Hammeleintopf essen und ihre Haare zu einem Dutt flechten und ich weiß nicht, was sie noch, also sollen sie machen, was sie wollen, das hat keine Bedeutung. Das Problem ist, dass es sehr wohl eine Rolle spielt. Denn der Dreh- und Angelpunkt dessen, was sie tun, der Dreh- und Angelpunkt, an dem sich die ganze Tür dreht, ist, dass jeder ein Glied in der Kette ist, niemand darf ausgelassen werden, denn wenn einer ausgelassen wird und es sich als erfolgreich herausstellt – und Ungarn ist ein erfolgreiches Land, ungeachtet der Tatsache, dass wir nie mit unserer eigenen Leistung zufrieden sind, was richtig ist –, aber in Wirklichkeit ist es doch eine Demokratie, wo man frei sprechen kann, es ist ein sicheres Land, ich weiß nicht, wie oft die Sorosisten hier versucht haben, seine Wirtschaft zu strangulieren und auszuweiden, aber nein, es steht auf seinen Füßen, es ist nach COVID wieder auf den Beinen, es wird auch diesen Krieg überleben, und seine Leistung hat sich verdoppelt, während alle sagten, es sei dem Untergang geweiht, die Ersparnisse der Menschen sind von tausend Milliarden auf das Fünffache gestiegen, also ist dieses Land nicht nur lebendig und gesund, es funktioniert, es hat seine eigene Strategie und es ist erfolgreich. Und wenn du erfolgreich sein kannst, indem du dich heraushältst, dann werden andere sagen, oder vielleicht werden einige sagen, dass andere es auch versuchen könnten, zum Beispiel wäre für uns die ungarische Strategie besser geeignet als die von der deutsch-französischen Achse vorgeschlagene Lösung.

Wir sind also ein Risiko?

Ja, ich denke, wir sind ein gefährliches Beispiel. Aber ich versuche, sie davon zu überzeugen, dass wir überhaupt nicht gefährlich sind, lasst uns in Ruhe. Und wenn das nicht mehr geht, werden wir kämpfen, wir werden die Fehdehandschuhe aufheben, aber solange ich kann, möchte ich lieber versuchen, Ungarn so billig wie möglich aus dem Wahnsinn herauszuhalten, nicht auf die billigste Weise für meine eigene Bequemlichkeit, sondern auf die billigste Weise für das Land.

Eine meiner vielleicht wichtigsten Fragen habe ich bis zum Ende unseres Gesprächs aufgeschoben. Glauben Sie, dass Europa von diesem Kriegspfad, aus diesem Wahnsinn, herausgezogen werden kann? Könnte der 9. Juni ein Wendepunkt sein?

Der 9. Juni könnte eine wichtige Station sein. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es ohne die US-Wahlen eine sofortige Wende geben wird, aber ich denke, dass die US-Wahlen dadurch an Bedeutung gewinnen werden, weil sie das politische Schlachtfeld in Europa neu ordnen werden. Und das könnte in Verbindung mit einem positiven Ausgang der US-Wahlen das Blatt wenden. Und ganz allgemein muss ich auch sagen, dass der gesamte europäische Kontinent – jetzt etwas unabhängig vom Krieg – es braucht, dass die Menschen, ich sage jetzt nicht, dass der Ausdruck „den Stinkefinger zeigen“ in einem so ernsten Interview angebracht wäre –, aber dass sie einen großen Schwung nehmen und dann diejenigen, die den Ärger gebracht haben, in den Hintern zu treten. Letztlich sind ja doch fünf Jahre vergangen. Im Ernst, dies ist die schlechteste Kommission, den ich je in der europäischen Politik gesehen habe. Die Kommission hat sich in einen Kriegsrat verwandelt. Das Europäische Parlament ist langsam ein Kriegsgremium, während also sich die Menschen auf den Frieden zubewegen. Sie sind alle möglichen Verpflichtungen eingegangen, die sie nicht einhalten konnten. Mit Sanktionen werden wir den Krieg beenden, und mit dem grünen Übergang werden wir unsere Industrie wettbewerbsfähig machen, die in der Zwischenzeit ausstirbt. Sie haben also keine der ernsthaften Verpflichtungen erfüllt, warum sollten sie also behalten werden? Wir sprechen also nicht nur über den Krieg, der natürlich bei weitem das Wichtigste ist, sondern auch über die Lebensfähigkeit der Demokratie in Europa als Ganzes. Zählt es noch, was die Menschen entscheiden oder nicht? Wir sind an einem Punkt, an dem wir ganz Europa beweisen müssen, dass dies unser Kontinent ist, dass diese Länder unsere Länder sind. Was die Menschen sagen, muss hier geschehen. Wenn sie den Frieden wollen, muss der Frieden kommen. Wenn Sie wollen, dass der grüne Übergang rational gestaltet werden soll, weil er auf diese Weise nicht gut ist, dann sollen sie ihn bitte sehr vernünftig gestalten. Wenn Sie wollen, dass die Landwirte nicht mehr durch diese idiotischen Regeln fertiggemacht werden, dann sollen sie bitte schön diese Regeln ändern. Wir reden also gleichzeitig über Krieg und wir reden über die Zukunft des Systems unserer gesamten europäischen Demokratie und unserer politischen Tradition.

Dann stehen wir also vor so einer Herausforderung.

Wir befinden uns inmitten eines großen Matches, und ich denke, es steht viel auf dem Spiel. Ich weiß nicht, ob die ungarischen Menschen diese Zusammenhänge verspüren, ob sie sie fühlen, ob sie wissen, dass es nicht nur darum geht, wie die 21 ungarischen Sitze im Europäischen Parlament, das Hunderte von Abgeordneten hat, zwischen den Parteien mit ihren Stimmen aufgeteilt werden sollen, sondern dass der Einsatz und die Bedeutung von all dem viel höher ist als sonst. Wenn sie es nicht wissen, muss es ihnen gesagt werden. Darum geht es in meiner Kampagne, in unserer Kampagne. Ich versuche, die Frage von Krieg und Frieden, die Frage der Zukunft Europas, klar auf den Tisch zu legen, und das ist es, was sie bei dieser Wahl entscheiden werden. Und ob wir die Menschen mobilisieren können, werden wir dann sehen. Und wenn es gelingt, ob es dann gelingen wird, deutlich zu machen, dass das, was jetzt entschieden wird, eine Frage ist, die ehrlich, ernsthaft und überlegt angegangen werden muss. Es geht also nicht um einen Medienrummel, es geht nicht um Parteiangelgenheiten, sondern es geht um Krieg und Frieden, um die Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder und um die Lebensperspektiven in Ungarn insgesamt.

Herr Ministerpräsident, vielen Dank, dass Sie unsere Einladung angenommen haben, und vielen Dank für das Gespräch.

Ich danke Ihnen auch.

Dies war das Interview von Patrióta mit Viktor Orbán. Ich möchte Sie bitten, das Video zu teilen und den Kanal zu verfolgen. Auf Wiedersehen!

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