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Interview mit Viktor Orbán auf dem YouTube-Kanal Patrióta

Máté Gerhardt: Trump und Putin treffen sich am Freitag in Alaska zu einem Gipfeltreffen. Es geht um Krieg oder Frieden. Zu Gast hier im Studio ist Ministerpräsident Viktor Orbán. Herzlich willkommen!

Guten Tag!

Máté Gerhardt: Und György Nógrádi, Experte für Sicherheitspolitik. Herzlich willkommen!

György Nógrádi: Vielen Dank!

Máté Gerhardt: Es ist eine interessante Situation entstanden, denn die europäischen Staats- und Regierungschefs drängen sich gerade um ihre Telefone, um noch schnell mit Präsident Trump sprechen zu können, bevor er sich zu Gesprächen mit Präsident Putin zusammensetzt. Der amerikanische Präsident hat jedoch unter den europäischen Staats- und Regierungschefs nur Sie erwähnt, und zwar ausschließlich Sie. Welche Bedeutung messen Sie der Tatsache bei, dass Präsident Trump Ihre Meinung und Ihre Einschätzung zum russisch-ukrainischen Krieg zitiert hat?

Man sollte seine eigene Bedeutung nicht überbewerten, denn das führt zu großen Problemen. Vielmehr sollte man hier die Spiegelung der einfachen Tatsache sehen, dass in unserem Beruf, also in der Politik oder der Staatsführung, die Anzahl der Jahre, die man in diesem Beruf verbracht hat, das Ansehen bestimmt. Wer also am längsten dabei ist, ist auch der Erfahrenste. Da die Politik – entgegen der landläufigen Meinung in Ungarn – kein theoretisches Fachgebiet ist, sondern auf Erfahrung und Praxis beruht, hat natürlich derjenige die meiste Erfahrung und Praxis, der am längsten im Amt ist. Und da ich in Europa am längsten im Amt bin, erscheint es mir naheliegend, dass jemand, der etwas wissen möchte, als Erstes – ich sage nicht als allererstes, wir wollen bescheiden bleiben, aber als Erstes – den ungarischen Ministerpräsidenten fragt. Ich denke, das ist gut für Ungarn, zwar nicht unbedingt für mich persönlich und auch nicht unbedingt für das Land, sondern dies vielmehr der Stabilität des Landes gilt. Wir sprechen hier von einem Land, das seit langem von derselben politischen Führung regiert wird, was in der Diplomatie ein fantastischer Vorteil ist, wie wir jetzt dessen Äußerung haben sehen können.

Máté Gerhardt: Ja, es ist interessant, dass der Europäische Rat in Brüssel genau zu diesem Zeitpunkt eine Erklärung zum Treffen und zur EU-Mitgliedschaft der Ukraine abgeben wollte und Sie dies abgelehnt haben. Da stellt sich doch die Frage, warum Sie das abgelehnt haben. Sie haben geschrieben, bevor irgendjemand irgendetwas sagt und die Gründe dafür darlegt, warum Sie diese gemeinsame Erklärung abgelehnt haben.

Ich hatte zwei Gründe dafür, aber vielleicht findet der Herr Professor dann auch noch weitere. Der erste war, dass darin ein ganz klarer, eindeutiger Satz über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine stand. Aber darüber haben die ungarischen Bürger bereits entschieden. Mit Nein. Die Ukraine wird nicht Mitglied der Europäischen Union werden. Ich werde keine Erklärungen unterzeichnen, die eine gegenteilige Aussage enthalten. Wir leben in einer Demokratie, und ich bin an die Meinungsäußerung der ungarischen Bürger gebunden. Andererseits – und das ist eine andere Bemerkung, die ich jetzt machen möchte – zählt in der Politik Autorität. Man darf also niemals lächerlich und erbärmlich wirken, denn dann wird man am Ende auch schwach und erbärmlich sein. Wenn also zwei Staatschefs zusammensitzen, um zu verhandeln, die Amerikaner und die Russen – wo die Europäer sind, ist eine andere Frage –, und wenn dann zwei sich zusammensetzen, und man dich nicht dazu ruft, dann rennst du nicht zum Telefon, dann rennst du nicht herum, dann schreist du nicht von draußen hinein, dann willst du nicht, deine eigene Wichtigkeit vor den beiden Menschen oder zu Hause betonen, indem du sagst: Sprecht auch mit mir, ich bin auch da… Das lässt dich erbärmlich erscheinen. Europa hat mehr als 400 Millionen Einwohner, eine riesige Wirtschaft. So kann man sich meiner Meinung nach nicht verhalten, ich für meinen Teil tue das auch niemals. Europa muss also respektabel und erfolgversprechend sein, nicht schwach und erbärmlich.

Máté Gerhardt: Und diese Chance besteht Ihrer Meinung nach derzeit?

Im Moment nicht, denn das Bewusstsein für Größe, das Gefühl von Größe und das Streben nach Größe sind den europäischen Führern abhandengekommen. Europa will nicht groß sein, es will nur gut leben. Aber wenn man gut leben will, muss man auch groß und stark sein. Dieser Zusammenhang wird in Brüssel noch nicht als offensichtlich angesehen.

Máté Gerhardt: Der Ort ist natürlich eine sehr wichtige Frage: „Warum gerade Alaska?“ Das hat auch symbolische Bedeutung. Es ist interessant, dass sie sich nicht an einem neutralen Ort treffen, denn es ist schon viele Jahre her, seit sie sich in Amerika getroffen haben, ja seit Präsident Biden überhaupt mit Putin verhandelt hat. Warum werden sie sich gerade in Alaska zu Gesprächen zusammensetzen?

György Nógrádi: Vielen Dank! Lassen Sie mich zwei Anmerkungen machen, dann werde ich auch antworten. Erstens: Ich finde es äußerst interessant, dass Merz sofort Trump angerufen hat, um das Treffen in Alaska vorzubereiten. Trump hatte keinen Bedarf dafür. Zweitens: Die 27 europäischen Länder – 26 zu eins, weil der ungarische Ministerpräsident sein Veto eingelegt hat – sind nicht bereit anzuerkennen, dass sie keine globalen Akteure mehr sind. Vielleicht wird einmal Zeit sein, über die drei globalen Akteure zu sprechen, über die Position Chinas, die der USA und die Russlands, aber Europa ist kein globaler Akteur. Im Nahen Osten wurde sehr oft gesagt: Gebt uns das Geld und mischt euch nicht ein. Was der Herr Ministerpräsident gesagt hat, ist das Gefährlichste, was es in Europa gibt: nämlich, dass es reich und schwach ist. Das ist unglaublich interessant. Ein deutscher Außenminister sagte einmal, Europa sei „pflanzenfressend”, und er sagte, die Vereinigten Staaten und Russland seien „Fresser”, Europa hingegen nicht. Alaska. Es wurden viele Orte ins Spiel gebracht. Im Prinzip kam Ungarn zur Sprache, ebenso die Region des Persischen und Arabischen Golfs, der Vatikan und die Schweiz. Die Vereinigten Staaten bestanden auf Alaska. Aber Alaska hat eine symbolische Bedeutung. Bis 1867 war es russisches Territorium. Die Russen verkauften es, weil sie damals finanziell sehr schlecht dastanden, wenn man so will, dann auch damals, und sie betrieben Pelzhandel, aber der Transport der Pelze in die europäischen Teile war so teuer, dass es sich nicht lohnte. Die damalige amerikanische Delegation wurde heftig kritisiert, warum sie 7,2 Millionen Dollar in Gold für einen „Eisschrank” – so wurde es formuliert – bezahle. Es hat funktioniert! Letzter Satz. Ich lese gerade die Memoiren von Condoleezza Rice, in denen sie beschreibt, dass Putin damals einen Mann für die Kontakte bestimmt hatte, Verteidigungsminister Iwanow, und der amerikanische Präsident Bush hatte sie. Und sie verhandelte mit Iwanow. Und Iwanow sagte, er sei kürzlich in Alaska gewesen, und es sei wie ein russisches Gebiet. Daraufhin sagte Condi zu ihm: „War.“ Fertig, das sagt alles. Dass sie sich hier treffen, in dem größten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, dem zweitkleinsten nach der Einwohnerzahl und dem kleinsten nach der Einwohnerzahl pro Quadratkilometer.

Máté Gerhardt: Es ist interessant, was sich in der Denkweise von Präsident Trump geändert hat, da er zuvor einen sehr harten Ton gegenüber Putin angeschlagen hatte. Früher sagte er, dass er sehr gut mit ihm verhandeln könne. Es wäre interessant zu wissen, was sich geändert hat und wodurch. Ich glaube nicht, dass Putin eingeschüchtert ist, aber es scheint, dass die Realpolitik und die Veränderungen an der Front das Denken von Trump und Putin ganz anders beeinflussen. Was kann Ihrer Meinung nach hier in Alaska noch passieren? Was können die Parteien erreichen?

Ich verfolge Ihre Arbeit und die des Herrn Professors mit großem Mitgefühl, es kann nicht leicht für Sie sein, denn die Situation war nicht immer so, aber jetzt ist es so, dass alles, was Sie sagen, entweder etwas mit der Realität zu tun hat oder nicht. In der politischen Kommunikation in der westlichen Welt geht es also nicht mehr um das, worum es früher einmal ging. Kommunikation bedeutet doch, dass man etwas mitteilt. Oder? Ich sage Ihnen also etwas und beziehe Sie mit ein, damit Sie verstehen, worum es in der Politik geht, denn schließlich geht es um Ihr Leben. Früher hat man in der Politik gesprochen, damit auch die anderen Menschen verstehen und mitreden können. Aber in der letzten Zeit, insbesondere im Zeitalter der technologischen Gadgets, hat sich alles verändert. Heute ist es fast unmöglich, aus den Äußerungen der Politiker die Lage, ihre Absichten, ihre Ziele und die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel herauszulesen, deshalb fühle ich mit dem Herrn Professor und auch Ihnen mit, denn Sie sind offensichtlich dazu verdammt, hieraus lesen zu können. Ich habe das Glück, dass ich dort sitze und weiß, dass das, was sie sagen, und das, was ich sehe, offensichtlich zwei verschiedene Dinge sind. Hier hat sich nichts geändert. Alle haben dieselben Ziele wie von Anfang an, sowohl die Russen als auch die Amerikaner, egal was sie zwischendurch gesagt haben.

Máté Gerhardt: Ja, aber was ist dann auf dem Gipfel zu erwarten? Denn es geht ja um Krieg oder Frieden, um die Fortsetzung des Krieges. Präsident Selenskyj ist allein geblieben, er wurde auch nicht zu diesem Gipfeltreffen eingeladen, auch die Führung der Union wurde nicht eingeladen. Es scheint also, dass Trump und Putin – und darüber haben Sie bereits gesprochen – über die Köpfe der Ukrainer hinweg eine Einigung erzielen werden.

Ich bin gespannt, was der Herr Professor dazu sagt. Ich habe dazu eine Meinung, aber ich möchte dem Herrn Professor nicht vorgreifen.

György Nógrádi: Da gibt es mehrere Dinge. Erstens: Derzeit gibt es drei globale Akteure: China, die USA und Russland. Zweitens: Trump will sich mit Putin an einen Tisch setzen. Mit Selenskyj kann man über eines reden: über die Ukraine, über Rohstoffe, strategische Produkte, Grenzen, aber das ist die Ukraine. Mit den Russen muss man, ob man will oder nicht, über die Weltpolitik sprechen. Derzeit finden 50 Prozent der Terroranschläge weltweit in der Sahelzone statt: Darüber sprechen wir nie. Libyen: Es herrscht Bürgerkrieg. Gaza: Lassen wir das, darüber könnte man eine halbe Stunde lang sprechen. Der innere Ring des Nahen Ostens, die Lage in Syrien, die Jordanien-Frage, die palästinensischen Flüchtlinge, die Lage im Libanon, die China-Frage…

Máté Gerhardt: Ist die Ukraine Ihrer Meinung nach also zweitrangig?

György Nógrádi: Fünftrangig. Also ist Selenskyjj, ganz gleich, ob einem das gefällt oder nicht, er ist heute eine Randfigur. Das kann er nur sehr schwer akzeptieren. Es gab einmal einen Henry Kissinger. Kissinger sagte, das grundlegende strategische Ziel der USA sei es, die Sowjetunion und China gegeneinander auszuspielen. Das hat er wunderbar gemacht. Dann kam Biden. Was hat er gesagt? Dass wir zwei Feinde haben: Russland und China. Kissinger hat sich im Grab umgedreht. Dann kam Trump. Was ist sein Ziel? Die Russen und Chinesen gegeneinander auszuspielen: Kissinger-Strategie. Dann kam die Estin Kallas, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, die vor zehn Tagen mit dem chinesischen Außenminister verhandelt hat und sagte, sie verstehe nicht, warum China Russland unterstützt. Es soll es nicht unterstützen! Ich dachte, ich falle vom Stuhl, so dumm kann eine führende Vertreterin der Außenpolitik der Europäischen Union doch nicht sein! Und der chinesische Außenminister sagte, sie solle verstehen, dass der Westen derzeit gegenüber Russland geeint sei. Wenn sie Russland besiegen, wenden sie sich gegen China. Chinas grundlegende nationale Strategie ist die Unterstützung Russlands, Punkt. Das ist also äußerst interessant. Noch eine Anmerkung: Bei den Atomwaffen sind Russland und die USA in etwa gleichauf, nicht ganz, aber wenn ich mir die Landstreitkräfte usw. anschaue, dann sind sie gleichauf. Es gibt keine dritte Kraft, Punkt.

Ich…

Máté Gerhardt: Ja?

Ich möchte zu dieser Frage noch Folgendes hinzufügen, nachdem ich dem Herrn Professor zugehört habe, also dem Selenskyj betreffenden Teil dieser Frage, dass er den Krieg verloren hat. Wir sprechen also jetzt so, als wäre dies eine Kriegssituation mit offenem Ausgang, aber das ist nicht der Fall. Die Ukrainer haben den Krieg verloren. Dieser Krieg wurde von Russland gewonnen. Die Frage ist nur, wann und unter welchen Umständen die Westmächte, die hinter den Ukrainern stehen, dies anerkennen werden und was dann daraus folgt. Die Ukrainer befinden sich also in einer sehr schwierigen Lage, insbesondere der ukrainische Präsident. Der Herr Professor hat Recht, dass Europa kein globaler Akteur ist, was hätte es auch dort am Verhandlungstisch zu suchen? Aber es gibt ein noch größeres Problem: Selbst in seiner eigenen Angelegenheit ist er nicht Herr seines eigenen Hauses, denn die Ukraine kapituliert nicht, weil sie heute mit Waffen und Geld von den Europäern versorgt wird – meiner Meinung nach immer weniger von den Amerikanern. Ohne diese Unterstützung wäre dieser Krieg schon längst vorbei. Wir haben immer gesagt, dass man sie nicht versorgen muss, sondern dass die Europäer schon unter der Biden-Regierung, noch vor Trump – was wir übrigens auch offiziell vorgeschlagen haben –, entweder die europäischen Institutionen oder die Franzosen und Deutschen gemeinsam sich mit den Russen an einen Tisch setzen und verhandeln hätten müssen. Dann hätte Europa die Zukunft Europas in der eigenen Hand behalten können, wenn wir Europäer mit den Russen über die Zukunft Europas verhandelt hätten. Jetzt verhandeln die Russen mit den Amerikanern über zahlreiche Fragen, wie der Herr Professor auch gesagt hat, unter anderem über die Zukunft Europas. Aber nicht wir verhandeln. Das Bonmot bestätigt sich hier: Wer nicht am Verhandlungstisch sitzt, steht auf der Speisekarte, so sieht es aus.

Máté Gerhardt: Vor allem, weil…

Nógrádi György: Entschuldigung, bitte…

Máté Gerhardt: Ja?

György Nógrádi: Ein, zwei Anmerkungen. Der Herr Ministerpräsident hat vollkommen Recht. Erstens: 1991 entsteht die unabhängige Ukraine mit 52 Millionen Einwohnern. Sagen Sie mir, wo sind heute 30 Millionen davon? Es sind 22 bis 24 Millionen! Zweitens: Um zu überleben, braucht Selenskyj monatlich 3 Milliarden Dollar für seine eigenen internen Kosten, plus Waffen, die er kostenlos bekommt. Die USA haben gestern offiziell erklärt, dass es kein Geld mehr gibt. Sie liefern Waffen, wenn Europa diese bezahlt. Europa hat sich also in eine äußerst schwierige Lage manövriert, aus der es nur schwer herauskommen wird. Ich lese jeden Tag die russische, die ukrainische und die europäische Presse, und Europa verkündet täglich, dass die Ukraine Europa verteidigt. Das ist faktisch nicht wahr! Die talentiertesten westlichen Generäle, und ich verstehe sie nicht, der Chef des französischen Generalstabs, bei den Deutschen nennt man ihn Generalinspekteur, aber er ist Chef des Generalstabs, erklären täglich, dass Russland in zwei bis drei Jahren Europa überfallen wird. Ich bitte Sie, die traditionellen Streitkräfte der NATO in Europa sind viermal stärker als die russischen! Wer ist so dumm, entschuldigen Sie bitte, eine vierfache Übermacht anzugreifen? Ich verstehe das nicht. Ich verstehe die Zielsetzung der europäischen Politik, aber was sie sagen, ist einfach nicht wahr.

Und wir geben insgesamt mehr aus unserem Haushalt für Waffen aus als die Russen, viel mehr, und sie sind 140 Millionen, etwas weniger, wir sind mehr als 400 Millionen…

György Nógrádi: Und unser GDP ist um ein Vielfaches höher…

Das sagen Militärfachleute oder Militärführer natürlich, weil sie politische Anweisungen befolgen.

György Nógrádi: Natürlich!

Das sind politische Standpunkte, keine fachlichen Standpunkte. Das Gleiche gilt für den Krieg. Alle Fachleute, also Soldaten, Berufssoldaten, wissen genau, dass die Ukraine diesen Krieg hätte gewinnen können, wenn wir nicht nur Waffen an die Front geschickt hätten, sondern auch eine große Anzahl von „Boots on the Ground”, wie die Amerikaner sagen, eine große Anzahl von Truppen, und dort an der Front gekämpft hätten, was einem Weltkrieg gleichgekommen wäre, deshalb war es richtig, dass wir das nicht getan haben. Aber wenn man das nicht tut, kann man den Krieg nicht gewinnen. Es gibt noch eine weitere Illusion, die ich normalerweise nicht preisgebe, und ich werde auch jetzt niemanden verraten, wenn ich mit ihnen privat oder offiziell oder telefonisch spreche, aber generell kann ich sagen, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs eine viel umfassendere Vorstellung in ihren Köpfen haben als nur den russisch-ukrainischen Krieg. Diese Vorstellung ist leider falsch. Sie glauben, wenn sie den Krieg hinauszögern, wird die Ukraine durchhalten, und am Ende wird das Regime in Moskau, die Regierung, Putin, der Präsident, stürzen. Viele europäische Politiker glauben also, dass die Ukrainer, wenn sie durchhalten, letztendlich einen Regimewechsel in Moskau erreichen können, was ich für illusorisch halte und was sie auch nicht mit Zahlen oder Argumenten belegen können. Es handelt sich eher um Wunschdenken. Und deshalb haben wir die Situation, dass sie anstatt mit dem russischen Präsidenten zu verhandeln, ihn zum internationalen Verbrecher erklären, ihn wie einen Teufel auf zwei Beinen behandeln und so weiter und so fort und versperren sich selbst den Weg, den sie eigentlich gehen müssten, um im Übrigen Verhandlungen zu ermöglichen. Und damit sind wir in die Situation geraten, die der Herr Professor beschrieben hat: Wir Europäer haben uns selbst auf diese Weise in eine Situation manövriert, in der wir nicht in der Lage sind, mit den Russen zu verhandeln, während die Russen und die Amerikaner miteinander verhandeln können.

Máté Gerhardt: Ja, dann könnte es sein, dass über die Zukunft Europas über die Köpfe Europas hinweg entschieden wird?

György Nógrádi: Ja, ganz klar, das sehen wir.

So ist das normalerweise.

György Nógrádi: Das ist nichts Besonderes. Was der Herr Ministerpräsident gesagt hat, ist völlig richtig, mit ein, zwei Anmerkungen. Erstens: Russland ist eine Atommacht, die Ukraine nicht. Zweitens: Man sollte die Russen nicht provozieren. Drittens: Ich möchte jetzt nicht auf die Lage der ungarischen Minderheit in der Ukraine eingehen, aber was man uns antut, ist einfach niederträchtig. Ich sage immer, ich bin nur ein dummer Universitätsprofessor, ich kann sagen, dass vor ein paar Tagen ein Pfarrer an die Front gebracht wurde, dessen Frau schwanger zu Hause ist und dessen Kinder noch klein sind. Sie haben den Ehemann mitgenommen, die beiden Kinder sind gestorben, jetzt lassen sie ihn zur Beerdigung nach Hause. Es kämpfen unzählige Ungarn an der Front, was wir nie erwähnen. Weiter: Hätte Europa tatsächlich die Armeen geschickt, die Selenskyj gefordert hat, würde man das als Dritten Weltkrieg bezeichnen, dessen Überlebenschancen minimal sind. Das muss man also sehen. Weiter: Die Amerikaner haben eine Umfrage zur Popularität von Selenskyj durchgeführt, 7 Prozent wollen ihn als Staatschef. Selenskyj hat am nächsten Tag eine Umfrage gemacht, bei der 73 Prozent für ihn waren. Churchill hat gesagt, dass er nur den Statistiken glaubt, die er selbst gefälscht hat. Aber es ist offensichtlich, dass in der Ukraine alle, die können, fliehen. Dieser Krieg kann von der Ukraine nicht gewonnen werden, egal was passiert. Dies ist nicht der Platz für die Reklame. Vor etwa zwei Wochen veröffentlichte eine der besten Zeitungen Europas, die Neue Zürcher Zeitung, eine Analyse, in der es hieß, dass es in der Ukraine, egal wie viele Waffen wir liefern, keine Menschen gibt, die den Krieg gewinnen können, Punkt.

Es gibt jedoch hier noch eine weitere Dimension. Wir sprechen jetzt über den Krieg, aber ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was der Herr Professor gesagt hat, nämlich was in anderen Teilen der Welt geschieht. Wir glauben, dass sich alles um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine dreht. Das ist verständlich, da er in unserer Nachbarschaft stattfindet und wir Europäer sind. Aber wenn man mit führenden Politikern aus anderen Teilen der Welt spricht, wird man feststellen, was der Herr Professor gesagt hat, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine natürlich wichtig ist, aber dass es noch einige andere Fragen gibt, die für sie wichtiger sind. Und die Welt toleriert es auch nicht wirklich, dass die Amerikaner und die Westler, anstatt in anderen Teilen der Welt bei Konflikten zu helfen, sich in einen russisch-ukrainischen Krieg verstrickt haben und alle anderen Probleme der Welt in den Hintergrund gedrängt wurden. Herr Präsident Trump bricht jetzt aus dieser Situation aus, weil er sich schön nacheinander alle Brennpunkte, Krisenherde und Konfliktpunkte in der Welt vornimmt und versucht, sie einzeln zu lösen. Deshalb freuen sich alle, unabhängig davon, ob sie mit dem amerikanischen Präsidenten sympathisieren oder nicht. Aber in der Weltpolitik freut sich außer Europa jeder, dass endlich ein Mensch, ein ernstzunehmender Führer gekommen ist, egal, was man politisch von ihm und seinem Stil hält, aber hier ist ein ernstzunehmender Mensch mit ernstzunehmender Macht und Kraft, der versucht, die offenen Fragen zu klären. Ich wollte damit nur sagen, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine wichtig ist, aber dahinter oder über den anderen Konflikten vielleicht noch eine andere große Frage steht, nämlich die Frage, ob die Konflikte zu einer einheitlichen Weltwirtschaft führen werden, ob ein neues, auf neuen Machtverhältnissen basierendes System der Zusammenarbeit entstehen wird oder ob die Weltwirtschaft gespalten wird und eine Blockbildung einsetzt. Davon hängt es ab oder dies wird beispielsweise auch eine große Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns haben. Während wir also über den Krieg sprechen, steht hinter der gesamten Kriegsbühne die Frage nach der Zukunft der Weltwirtschaft, die gerade jetzt neu gestaltet werden muss.

György Nógrádi: Zwei Anmerkungen. Erstens: Es gibt weltweit sehr ernsthafte Debatten darüber, wie viele Kriege derzeit geführt werden. Die Zahlen liegen zwischen 40 und 100, was aus unserer Sicht irrelevant ist. Aber die Welt richtet ihre Aufmerksamkeit ständig auf drei Kriege. Gaza, Russland-Ukraine, Taiwan. In Taiwan gibt es noch keinen Krieg, bevor Sie das korrigieren. Zweitens: Wenn sich jemand die Mühe machen würde, die letzte Erklärung der BRICS-Staaten zu lesen, würde er sehen, dass die BRICS-Staaten protestiert haben, warum die Ukraine russisches Territorium angreift. Das ist aus europäischer Sicht unbegreiflich! Aus ihrer Sicht ist es logisch. Wir sind also wirklich in den Sumpf geraten, dass wir denken: Oh mein Gott, hier ist Krieg in Europa, aber der Rest der Welt geht anders damit um.

Máté Gerhardt: Ja, es ist auch offensichtlich, dass dieses Geben und Nehmen, diese Aufteilung, das Feilschen auch den europäischen Energiemarkt entscheiden kann, den Weltmarkt, wie Sie gesagt haben, spalten oder näher zusammenbringen kann. Dann bewegen sich Putin und Trump in völlig anderen Dimensionen, wenn ich das richtig verstehe, als dass es jetzt um den Krieg in der Ukraine geht, in dem Selenskyj offenbar kein Mitspracherecht mehr hat und die EU-Spitzenpolitiker keinen Einfluss nehmen können, dann entscheiden tatsächlich die beiden Weltmächte an unserer Stelle?

Dies ist keine beispiellose Sinnestäuschung, dass es ein Thema gibt, das alles dominiert, verständlicherweise, wie ich bereits sagte, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, Territorium, Zugeständnisse, darüber sprechen wir. Aber in Wirklichkeit werden auch Fragen von gleicher oder vielleicht sogar größerer Bedeutung auf dem Tisch liegen, nur spricht heute niemand darüber. Die Lage des weltweiten Energiehandels muss wirklich geklärt werden, was uns zu der Frage führt: Was wird aus den Sanktionen? Werden weiterhin ein oder zwei Akteure aus der weltweiten Energieversorgung ausgeschlossen, und kommt es dann zu Hintertürchen-Lösungen wie russischen Öllieferungen nach Indien, was wiederum neue Sanktionen nach sich zieht – Sie verstehen, wovon ich spreche –, oder geben wir die Sanktionspolitik in einem oder mehreren Schritten auf und sagen, dass es jetzt nicht zwei Weltwirtschaften geben wird, sondern eine, und wir uns in den wichtigsten Fragen einigen. So etwas ist die weltweite Energieversorgung, darunter auch die Frage der von Europa gegen Russland verhängten Sanktionen. Das Schicksal Ungarns hängt von diesen Fragen ab. Wie viel, in welcher Menge und zu welchem Preis können wir Energie auf dem Weltmarkt kaufen? Auch das kann jetzt hier entschieden werden. Und dann kann ich noch weitere Fragen stellen: Wie sieht es mit den Investitionen aus? Können die Russen in Amerika investieren? Können die Amerikaner in Russland investieren? In welche Sektoren? Wie und in welchem Umfang? Über den Krieg hinaus stehen also auch die großen Fragen der Neugestaltung der Weltwirtschaft auf dem Tisch. Ich möchte mich nicht in die Rolle eines Spekulierenden begeben, aber glauben Sie mir, dass wir, wenn ich mit dem einen oder anderen von ihnen spreche, immer über diese Fragen sprechen, obwohl die Bedeutung Ungarns mit der anderen Verhandlungspartei nicht vergleichbar ist. Aber auch mit uns sprechen sie über diese Fragen, weil es wichtige Fragen sind.

György Nógrádi: Daraus folgt, dass wir abwarten müssen, welches Dokument nach den Verhandlungen in Alaska herauskommt. Die gemeinsame Erklärung wird nicht viel enthalten, denn das ist nicht das Ziel. Zu dem, was der Herr Ministerpräsident gesagt hat. Erstens: Sie sprengen die Nord Stream-Pipeline 1 und 2. Der polnische Außenminister Sikorski schreibt auf seiner Facebook-Seite: „Danke, Amerika!“ Der Skandal ist riesig, wenige Stunden später muss er den Beitrag löschen. Zweite Anmerkung: Es gibt noch eine weitere Frage. Was wird nach dem Krieg aus den westlichen Grenzen der Ukraine? Ich sage immer, ich bin nur ein dummer Universitätsprofessor. Wie werden die Beziehungen zwischen der Ukraine und Polen aussehen, wenn es einen neuen polnischen Staatschef gibt, der die Rolle der Ukraine im Zweiten Weltkrieg hartnäckig thematisiert? Wie werden die Beziehungen zu Rumänien aussehen? Rumänien hat ja immer mit einem Auge auf Moldawien geschielt und strategische Ziele verfolgt. Die Lage der Ukraine ist also äußerst schwierig, und die Chancen für Selenskyj werden von Tag zu Tag schlechter. Entschuldigung. Die beiden Organisationen, die Korruption untersuchen, werden – vereinfacht gesagt – ihm unterstellt, dann gibt es einen riesigen Skandal, und dasselbe Parlament beschließt, dass die beiden Organisationen weiterhin unabhängig bleiben sollen. Es gibt zwei Personen, die in der ukrainischen Innenpolitik viel beliebter sind als er: der Chef des Militärgeheimdienstes und der ehemalige Oberbefehlshaber der Armee, der jetzt Botschafter in London ist. Wie kann er verhindern, dass sie bei den Wahlen kandidieren? Wie kann er es schaffen, noch eine Wahl zu gewinnen?

Máté Gerhardt: Mit dem Krieg kann er das verhindern. Solange der Krieg andauert, ist er der ukrainische Präsident.

György Nógrádi: Ja, aber der Krieg wird früher oder später zu Ende sein.

Oder zumindest solange, wie diejenigen, die sie bezahlen, bereit sind, dies zu tolerieren. Denn wenn diejenigen, die sie bezahlen, sagen, dass jetzt auch schon Wahlen stattfinden müssen, dann ist Schluss.

György Nógrádi: Und deshalb scheint es, dass die deutschen und angelsächsischen Interessen in Bezug auf die Zukunft der Ukraine individuell zugeschnitten schon anders sind.

Máté Gerhardt: Ja, sprechen wir noch über die westlichen Grenzen, die westlichen Grenzen der Ukraine. Die östliche Grenze ist ein ganz anderes Thema, aber was wird dann aus der westlichen Grenze und welche Rolle werden die Ukrainer spielen? Diejenigen, die sich bereits als Ordnungshüter oder Armee Europas gemeldet haben, dass sie den Frieden verteidigen werden, das wurde auch angesprochen, dass sie es übernehmen werden, wenn die Amerikaner abziehen.

Wenn der Herr Professor mir gestattet, zuerst zu antworten, und Sie mir gestatten, etwas weiter auszuholen, dann würde ich sagen, dass wir, um den Kontext und die Zusammenhänge dieser Frage gut zu verstehen, uns zunächst der nicht sehr erfreulichen, aber realen Tatsache stellen müssen, dass die Weltpolitik und ihre Veränderungen nicht auf einer Achse von gut und böse, richtig und falsch zu betrachten sind. Sie stellen sich das zumeist so vor, wenn Sie darüber schreiben, aber das ist Ihre Aufgabe. Ich will Sie nicht kritisieren, ich will nur sagen, dass ein Journalist natürlich schreibt, dass dies gut und das schlecht, dies richtig und das falsch ist. Gut, mein Beruf ist nicht der eines Journalisten, das ist ein anderer Beruf. Ich sehe, dass die Achse der Weltpolitik auf dem Gleichgewicht der Kräfte liegt. Wenn es ein Kräftegleichgewicht gibt, das die Grundlage für das Funktionieren der Weltwirtschaft bildet, und dieses nicht zerstört wird, dann tickt die Weltwirtschaft, gut oder schlecht, aber es gibt keine dramatischen Momente. Wenn sich ein wesentliches Element des Kräftegleichgewichts verändert, weil einer der Akteure etwas verändert, wird der andere reagieren, und alles gerät aus den Fugen. Das ist mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine passiert. Die Ukrainer haben angekündigt, dass sie ihre bisherige Rolle als Pufferzone und Pufferstaat aufgeben und sich den westlichen Verbündeten anschließen werden. Es geht jetzt nicht darum, ob das gut oder richtig ist, ob sie das Recht dazu haben oder nicht – das sind natürlich spannende Fragen –, sondern darum, dass sich dadurch sofort das Kräfteverhältnis verändert hat. Die Russen sagten, wir wollen keinen Nachbarn entlang einer sehr langen Grenze, der Teil des westlichen Bündnissystems ist, über westliche Waffen verfügt, eine große Armee unterhält und am Ende sogar der NATO beitritt, und wenn ihr das nicht versteht, werden wir Maßnahmen ergreifen, damit das auf keinen Fall passieren kann, und deshalb ist alles aus den Fugen geraten. Die Ukraine dachte, wie wir zu sagen pflegen, sie würde ihre Hausnummer ändern. Auf der ukrainischen Hausnummer steht geschrieben, dass sie ein Pufferstaat zwischen Ost und West ist. Wir waren auch einmal in dieser Situation. Ich verstehe also emotional die Ukrainer, ich verstehe, dass sie historisch gesehen unter Druck stehen. Wir waren zwischen 1990 und 1999 auch so, neun Jahre lang waren wir ein Pufferstaat. Wir sind aus dem Warschauer Pakt ausgetreten, waren nicht Mitglied der NATO. 1999 sind wir beigetreten. Aber es gab einen Moment, in dem wir eine Pufferzone waren. Nachdem wir der NATO beigetreten waren, gerieten die Ukrainer in diese Rolle als Pufferzonenstaat. Und darauf beruhte das europäische Kräftegleichgewicht. Die Ukraine ist ein Pufferstaat. Sie steht unter dem Einfluss des Westens, aber auch unter dem Einfluss des Ostens, also auch der Russen. Daraus ergab sich ein Konflikt darüber, wie groß dieser Einfluss jeweils sein sollte und welche Regierung wem nähersteht. Janukowitsch, und ich könnte noch weitere Beispiele nennen, Juschtschenko, ich könnte Beispiele von hier und dort anführen, aber der Punkt ist, dass alle die Ukraine als Pufferstaat betrachteten. Nun haben die Ukrainer erklärt, dass sie dieses Schicksal nicht länger hinnehmen wollen, sie hatten das Recht dazu, und sie haben gesagt, nein, wir wollen Teil der westlichen Integration sein. Damit haben sie das Kräftegleichgewicht umgestoßen, die Russen reagieren darauf, und nun muss eine neue Gleichgewichtssituation gefunden werden. Und in diesem Match, in der Entscheidung der Ukrainer, kein Pufferstaat zu sein, steht die staatliche Existenz der Ukraine auf dem Spiel. Wir sprechen darüber, wo die Grenzen eines Landes liegen, wo die östlichen und die westlichen Grenzen verlaufen. Ich verstehe also, warum die Ukrainer so entschieden haben, warum sie sich so entschieden haben, aber mit diesem Schritt, den sie vielleicht sogar hätten gewinnen können, sie hatten sicher solch einen Plan im Kopf, der meiner Meinung nach nicht sehr realistisch gewesen sein konnte, heute stehen sie auf der Verliererseite, und die gesamte Staatlichkeit steht auf dem Spiel. Die Westler versuchen zu retten, was zu retten ist, und sagen, dass zumindest der Rest der Ukraine Teil der westlichen Strukturen bleiben soll. Die Russen werden das entweder akzeptieren oder nicht, die Amerikaner werden ihren Segen geben oder nicht, aber sicher ist, dass nicht die Ukraine über ihre eigene Zukunft entscheiden wird, denn sie hat das Kräftegleichgewicht zerstört und diese Situation herbeigeführt – und damit ihre eigene Staatlichkeit aufs Spiel gesetzt. So sehe ich, sagen wir mal, halb als Beobachter und halb als Beteiligter diesen seit drei Jahren andauernden Krieg.

György Nógrádi: Ich habe ein paar Dinge in einzelnen Sätzen notiert. Erstens: Derzeit leben 151.000 Ukrainer im wehrfähigen Alter in Deutschland, die von den Deutschen versorgt werden. Die größte deutsche innenpolitische Kontroverse der letzten Woche war die Frage, warum wir diesen Menschen sogenanntes Bürgergeld, also Sozialhilfe, zahlen müssen, was horrend viel Geld kostet. Entweder sollen sie arbeiten gehen oder nach Hause zurückkehren. Darüber könnte man auch einen Vortrag halten. Zweitens: Politik. In Europa ist eine ideologische Politik aufgetaucht. Nur in Europa. Die Welt hat uns ausgelacht, weil dort eine interessengeleitete Politik betrieben wurde. Das beste Beispiel dafür ist Annalena Baerbock, die gesagt hat, sie werde eine Frauenaußenpolitik schaffen. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen, man könnte stundenlang über ihre Dummheiten sprechen. Die nächste Bemerkung ist, dass Selenskyj täglich seine Weisheiten veröffentlicht. Die sind unglaublich! Ich halte das jetzt für kontraproduktiv. Ich habe noch zwei Anmerkungen. Es gab vier neutrale Länder in Europa, zwei davon wurden in die NATO aufgenommen: Schweden und Finnland. Damit hat sich die gemeinsame Grenze zwischen der NATO und Russland um eintausend-hundert-irgendetwas Kilometer verlängert. Die Österreicher waren trotz des Drucks der USA nicht bereit, der NATO beizutreten, und auch die Schweizer blieben standhaft. Und meine letzte Anmerkung ist, dass am 12. März 1999 drei Länder der NATO beigetreten sind: die Tschechen, die Polen und wir. Es gab heftige Debatten, der Herr Ministerpräsident hat das von innen gesehen, ich habe es von außen gesehen. Es gab zwei Länder, die fünf Länder aufnehmen wollten, darunter vor allem Frankreich. Sie wurden weggefegt. Die amerikanische Sichtweise setzte sich durch: drei Länder.

Ich habe das Dokument über den Beitritt noch unterzeichnet. Das ist sehr lange her.

Máté Gerhardt: Und die größte Frage ist jetzt diese ideologisch geprägte Politik. Wenn wir uns anschauen, wie Putin Politik macht, wie Trump Politik macht, dann unterstützt die Union mit dieser ideologisch geprägten Haltung, mit dieser Gutmenscherei, wenn man es so sagen kann, den Krieg in der Ukraine, obwohl schon klar ist, dass das eine verlorene Position ist. Warum halten sie trotzdem daran fest?

Meinen Sie die Europäer?

Máté Gerhardt: Ja.

Ich habe einen Vortrag gehalten, in dem ich versucht habe, einige Aspekte dazu aufzuzeigen, denn es ist sehr schwer zu sagen, warum dies oder jenes so ist. Aber es gibt Aspekte, die wir identifizieren können. Denn oft ist es so, dass viele etwas unterstützen, und wenn man das genauer betrachtet, stellt man fest, dass nicht alle aus denselben Gründen diese bestimmte Sache unterstützen. Man muss also auch hier vorsichtig formulieren. In Brüssel gibt es etwa dreißigtausend Bürokraten, und dort gibt es die Idee, dass die Europäische Union von einem Europa der Nationen zu einer Art Vereinigten Staaten von Europa umgestaltet werden muss – sagen wir es mal so. Dazu müssen sie den Nationen, den Nationalstaaten, so viele Befugnisse wie möglich entziehen können. Das ist im Gange, ich kämpfe dagegen, Ungarn kämpft Tag für Tag dagegen. Und ich sehe, dass jede Krise, die entsteht, wie zum Beispiel diese Kriegskrise, von dem mächtigen Brüsseler Zentrum, das in Europa eine entscheidende Rolle spielt, dazu genutzt wird, den Mitgliedstaaten Kompetenzen zu entziehen und den eigenen Weg zum föderalen Europa, zu den Vereinigten Staaten von Europa, zum Imperium weiterzugehen. So war es bei der Finanzkrise 2008-2009, so war es bei der Migrationskrise, so war es bei COVID, und so ist es jetzt bei diesem Krieg. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Kompetenzen werden die Brüsseler Bürokraten den Mitgliedstaaten entziehen. Mehr noch, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa ist die gemeinsame Verschuldung, gegen die wir protestieren, denn die gemeinsame Verschuldung führt später zur gemeinsamen Staatsbildung, was auch bei der Entstehung der Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung war. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Geld muss der Ukraine gegeben werden. Wir sind zwar dagegen, aber die Mehrheit ist es nicht, außer uns, außer den Slowaken, gibt es fast niemanden. Wie kann man den Krieg finanzieren? Mit Krediten! Man muss Kredite aufnehmen. Das wollen sie alle. Es gibt also ein Brüsseler Szenario zum Aufbau eines Imperiums, in das dieser Krieg gut passt.

Máté Gerhardt: Ja, und man sieht auch, als wolle man die Ukraine als Entschädigung in die Union aufnehmen und ihr damit versprechen, dass sie den Krieg irgendwie überleben werden, komme, was wolle, aber das Wichtigste sei, dass sie dann die EU-Mitgliedschaft erhalten. Das war doch auch unter anderem Gegenstand des Beschlusses des Europäischen Rates. Was halten Sie davon?

György Nógrádi: Ich habe zwei Anmerkungen. Erstens: Die Russen haben klar gemacht, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied werden kann. Sie haben noch vieles andere klar gemacht: keine Atomwaffen usw., aber die Russen haben nie etwas gegen einen EU-Beitritt der Ukraine einzuwenden gehabt.

Im Gegenteil!

György Nógrádi: Weil sie der Meinung sind, dass der Beitritt der Ukraine zur EU diese von innen heraus zerstören würde.

Genau so ist es! Genau so ist es!

György Nógrádi: Das sprechen wir nie aus. Zweitens: Es gibt Länder in der EU, die die Russen aus tiefster Seele hassen, aber auch das trauen wir uns nicht so auszusprechen. Die Balten, wo diese drei Länder über Jahrhunderte hinweg irgendwie zwischen die Deutschen und die Russen geraten sind. Aber heute leben in allen drei Ländern russische Minderheiten, die gnadenlos unterdrückt werden. Das gibt der russischen Politik einen enormen Handlungsspielraum, den sie heute nicht nutzen will oder kann. Hier kommt die traditionelle Russenfeindlichkeit der polnischen Politik ins Spiel. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs gab es in der polnischen Politik Sprüche, dass wir gegenüber den Deutschen unsere Unabhängigkeit und gegenüber den Russen unser Seelenheil verlieren könnten. Die polnisch-russische Feindschaft ist erstaunlich. Die Frage der Grenzen. Sie haben gerade gesagt, was mit den Grenzen geschehen wird. Was sagte Churchill nach dem Zweiten Weltkrieg? Dass Deutschland nach links ausweichen und drei Schritte vorwärts machen werde. Das bedeutet, dass die Polen bis zur Oder-Neiße-Linie kommen, die die deutsch-polnische Grenze bildet – so ist es auch heute noch –, und dass die Sowjetunion riesige, rein polnische Gebiete erhält, die heute aber zur Ukraine gehören. Was sagt die polnische Führung? Dass sie keinen Quadratzentimeter Land beansprucht, aber dass diese Gebiete nach dem Krieg sich in die polnische Volkswirtschaft eingeschaltet werden sollen. Das kann ich weder politisch noch rechtlich noch sicherheitspolitisch deuten.

Ja. Ich kann mich dazu nur aus ungarischer Sicht äußern. Ich stimme all den Schwierigkeiten zu, die der Herr Professor hier beschrieben hat. Sie sehen, dass es nicht so einfach ist, hier die Fäden zu entwirren und eine sinnvolle außenpolitische Linie für ein Land wie Ungarn zu verfolgen. Um dennoch einer Logik folgen zu können, müssen wir unsere Interessen identifizieren und dürfen nicht von diesem Weg abweichen. Ich kann sagen, dass es im Interesse Ungarns liegt, unter keinen Umständen in eine Integration mit der Ukraine einzutreten. Weder in der NATO, noch in der Europäischen Union, noch in irgendetwas anderem. Wenn wir uns mit den Ukrainern integrieren, wird das unabsehbare oder sehr wohl absehbare Folgen haben. Erstens würde unser ganzes Geld dorthin fließen. Wenn also die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen wird, ist das der direkte Weg in die Verarmung Ungarns. Unsere Agrarwirtschaft würde ruiniert, wir würden Arbeitsplätze verlieren, es würde vieles passieren. Das muss auf jeden Fall vermieden werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht herzlos oder irrational sein und den Ukrainern sagen, sie sollen in der Luft schweben, also muss man etwas mit ihnen machen, man muss sie binden oder verankern, man muss ihnen dabei helfen. Und ich denke, wir müssen auch ein strategisches Bündnis mit ihnen schließen, die Europäische Union muss ein strategisches Bündnis mit der Ukraine schließen, auf der Grundlage eines Vertrags, der geändert werden kann. Aber wir dürfen ihnen niemals die Mitgliedschaft gewähren. Wenn man dich einmal aufgenommen hat, kann man dich nicht mehr rauswerfen, man kann dich nicht mehr loswerden. Deshalb darf man die Ukraine niemals in eine Integration aufnehmen, in der auch Ungarn vertreten ist, denn es kann zu Interessenkonflikten zwischen der Ukraine und Ungarn kommen, bei denen wir innerhalb einer Integration immer den Kürzeren ziehen würden. Sie sind groß, wir sind klein, ihr Territorium ist riesig, wir sind kleiner. Man muss also vernünftig sein: Das Interesse Ungarns spricht eindeutig gegen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine.

Máté Gerhardt: Ja, das ist es, was in Voks2025 vertreten worden ist.

György Nógrádi: Eine Anmerkung.

Máté Gerhardt: Ja?

György Nógrádi: Entschuldigen Sie bitte. Erstens: Was der Herr Ministerpräsident über Ungarn gesagt hat, ist vollkommen richtig, aber das gilt auch für die französischen Bauern. Wenn ich die Ukraine in die Union aufnehme, bekommt die französische Landwirtschaft nicht mehr die horrenden Summen, die sie bisher aus Brüssel bekommt. Wenn man das in Frankreich macht, stürzt die Regierung. Es liegt also im grundlegenden nationalen Interesse Frankreichs, dass die Ukraine nicht in die Union aufgenommen wird.

Máté Gerhardt: Aber nur für Frankreich?

Nógrádi György: Nein.

Máté Gerhardt: Deutschland, Italien? Nein?

György Nógrádi: In Deutschland spielt die Landwirtschaft eine viel stärkere Rolle. Meine zweite Anmerkung ist, dass es einen ungarischen Ministerpräsidenten gab …

Aber das trifft auf die Italiener zu.

György Nógrádi: Ja.

Máté Gerhardt: Natürlich, dort ist es genauso, ja …

György Nógrádi: Und auf einige südeuropäische Länder. Es gab einen Ministerpräsidenten namens József Antall. Er wollte ein strategisches Bündnis mit den Ukrainern schließen, um eine potenziell irgendwann entstehende Kleine Entente auszugleichen. Und während seiner knapp dreijährigen Amtszeit als Ministerpräsident erkannte er, dass dieses strategische Bündnis mit den Ukrainern nicht zu schließen war.

Máté Gerhardt: Aber was Sie erwähnt haben, dass die Russen wissen oder sagen, dass die Ukrainer die Union von innen heraus zerstören, muss man diese Zerstörung, von der Sie gesprochen haben, nur aus finanzieller, politischer oder gesellschaftlicher Sicht betrachten?

Wir müssen davon ausgehen, dass die Europäische Union heute eine wirtschaftlich integrierte Union in einer existenziellen Krise ist. Wir haben also unsere Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Aufrechterhaltung des Wohlfahrtsstaates scheint fast unmöglich. Es gibt Existenzprobleme. Interne soziale Spannungen zerreißen und zerfressen das institutionelle System der Demokratie, und jetzt sind wir bei der Demokratie angelangt, nicht mehr bei der Regierungsführung, sondern bei der Frage, ob ein auf Demokratie basierendes Regierungssystem in der Lage ist, die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen Europa steht. Aber das ist ein weitreichendes Thema. Ich möchte nur sagen, dass wir vor enormen Herausforderungen stehen. Wir müssen all unsere Kräfte auf uns selbst konzentrieren. Wir haben derzeit nicht das Geld, um ein Land mit einst 50 Millionen Einwohnern, heute etwa 20 Millionen, wer weiß genau, wie viele es sind, das sich im Krieg befindet und sich seine Zukunft so vorstellt, dass wir eine Million Soldaten aus europäischen Geldern finanzieren, also ein solches Land können wir nicht auf unsere Schultern nehmen, das würde uns erdrücken. Wir müssen unser ganzes Geld für unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit, unsere Modernisierung und den Erhalt der bürgerlichen Mittelschicht ausgeben, sonst bricht das gesamte demokratische System in Europa zusammen. Das ist unsere Aufgabe. Da passt die Ukraine nicht rein.

György Nógrádi: Ich habe drei Anmerkungen. Erstens: Der Rechtsvorgänger der Europäischen Union, die Verträge von Rom, wurden im Frühjahr 1957 von sechs Ländern unterzeichnet, aber nur für die Wirtschaft, nicht für andere Bereiche. Für sechs Länder funktioniert das gut, für 27 Länder funktioniert es sehr seltsam. Zweitens: Da ist die Balkanfrage, man müsste die Balkanstaaten aufnehmen. Lassen wir jetzt die serbische und andere Politik beiseite, darauf können wir später zurückkommen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass es viel einfacher ist, diese Länder in die NATO aufzunehmen als in die Europäische Union, weil das gesamte System völlig anders ist. Und die letzte Bemerkung, die ukrainische Armee wurde erwähnt. Eine meiner Lieblingsaussagen ist die eines ukrainischen Militärkommandanten, der sagte, wenn Ungarn zu viel klugscheißt, ist er mit seinen Panzern in zwei Stunden von Záhony am Balaton. Ich habe geantwortet, dass ich einen Mercedes habe und die 400 Kilometer in zwei Stunden nicht schaffe, und dass er doch alleine kommen und baden gehen solle, Panzer seien nicht nötig. Aber das entspricht der heutigen Denkweise in der Ukraine.

Máté Gerhardt: Ja, aber dieses Europa ist schwach und reich und kann sich nicht verteidigen. Wie sind wir so weit gekommen? Wie konnten wir es zulassen, dass Europa, ein selbstbewusster und unglaublich prosperierender Kontinent, so weit gekommen ist?

György Nógrádi: Wenn wir drei Stunden Zeit haben, erzähle ich es Ihnen, ich werde es versuchen.

Máté Gerhardt: Aber ja, wir verkürzen es dann. Das ist vielleicht das Wichtigste…

György Nógrádi: Wie tritt Europa in das 20. Jahrhundert ein? Es gibt drei bestimmende Mächte: die USA, Deutschland und Großbritannien. Wie tritt Europa aus dem 20. Jahrhundert aus? Es gibt keine europäische Macht. Es gab einen deutschen Bundeskanzler namens Helmut Schmidt, den ich sehr mochte, der sagte, Deutschland sei zu groß für Europa und zu klein für die Welt. Es gibt keine europäische Macht, Merkel hat historische Verdienste und historische Sünden, vielleicht wird es einmal Gelegenheit geben, darüber zu sprechen, aber praktisch wurde Europa von drei Ländern geführt, den Briten, die ausgetreten sind, siehe Brexit, die Franzosen, wo eine äußerst seltsame Situation herrscht: Kontrolle durch den Staatschef, drei große Parteien, und Deutschland, wo die Dreiparteienkoalition gescheitert ist. Einmal in der deutschen Geschichte hat eine Partei die absolute Mehrheit erhalten, 1957 Adenauer, sonst nie jemand. Jetzt gibt es eine Zweiparteienkoalition, in der die Sozialdemokraten von Tag zu Tag schwächer werden, und wir sehen täglich die Probleme, sodass Europa tatsächlich in einer existenziellen Krise steckt.

Ich habe auch eine Antwort auf die Frage, wie wir hierher gekommen sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir also die Verfügung über unseren eigenen Kontinent verloren. Der Zweite Weltkrieg wurde nicht von den Europäern entschieden, sondern von den Amerikanern und den Russen über unsere Köpfe hinweg. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten wir also so, dass Europa sein Schicksal nicht beeinflussen konnte, weil der westliche Teil von den Amerikanern besetzt war und der östliche Teil von den Russen bzw. der Sowjetunion, und daraus entstand das neue Europa. Und was war damals das Motto der NATO? Sehr lehrreich: Haltet die Amerikaner drinnen, haltet die Russen draußen und haltet die Deutschen am Boden. Das war die Definition der NATO. Die Deutschen mussten am Boden werden, damit keine europäische Macht entstehen konnte. Nun, das hat eine Zeit lang gut funktioniert, denn die Sicherheit Europas – auch gegenüber Russland – wurde von den Vereinigten Staaten nicht nur mit ihrer Macht gewährleistet, sondern auch finanziert, da die Vereinigten Staaten proportional viel mehr aus ihrem eigenen Haushalt für Militärausgaben ausgaben, einschließlich der Verteidigung Europas, als wir Europäer. Da wir kein Geld für unsere Streitkräfte ausgaben, konnten wir es für andere Dinge ausgeben. Das nannte man Friedensdividende: Wenn man keine Armee unterhalten muss, kann man das Geld für den Sozialstaat ausgeben, für dies und das. Das hat eine Zeit lang gut funktioniert, aber nachdem sich die Welt neu geordnet hat, begann die Wettbewerbsfähigkeit der USA nachzulassen, und die Amerikaner beschlossen, dass sie nicht länger bereit sind, Europa kostenlos zu verteidigen, während die Europäer diese Friedensdividende für Sozialausgaben verwenden. Sie sagten: „Jungs, jetzt müsst ihr euch auch beteiligen.“ Der Antrieb für die aktuelle Situation ist also, dass die Amerikaner weltweit – vor allem aufgrund des Aufstiegs Asiens – begonnen haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Sie brauchen das Geld zu Hause. Sie können es sich nicht leisten, gleichzeitig in Südchina, im Nahen Osten und sogar in Europa präsent zu sein und Europa kostenlos zu verteidigen. Das ist zu viel! Deshalb sagen sie: „Jungs, es gibt eine neue Situation – sagt Herr Präsident Trump – zahlt!“ So sind wir hierher gekommen.

György Nógrádi: Zwei Anmerkungen. Erstens: Alle amerikanischen Botschafter in Deutschland haben in den letzten fünfzehn Jahren gesagt, dass man bitte mehr für die Verteidigung ausgeben solle. Heute lebt Deutschland besser als die USA, weil in Deutschland wenig für die Verteidigung ausgegeben wird. Zweitens: Ich weiß, dass wir keine Zeit haben, uns mit der Geschichte ausführlich zu beschäftigen. Es gab einmal einen Winston Churchill, dessen Wunsch es in beiden Weltkriegen war, die Russen und die Türken einzubeziehen usw. Churchills Grundkonzept war also, in Jugoslawien zu landen und an der Linie Ljubljana–Wien zu verhindern, dass die Sowjets in Deutschland einmarschieren. Eisenhower hielt ihn für verrückt. Roosevelt hat ihn abgewimmelt. Es ist also unglaublich interessant, wie sehr sich die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg heute widerspiegelt.

Máté Gerhardt: Ja, während das Geld ausgegangen ist, sind auch die Waffen in Europa ausgegangen, und jetzt kann die Führung der Europäischen Union nur noch von der Seitenlinie aus hineinschreien, was sie erreichen möchte. Trump und Putin hören vielleicht aus Höflichkeit zu, Trump hat ja gesagt, dass er sich alle Meinungen anhört, aber was dann daraus wird, ist eine andere Frage. Was wird Ihrer Meinung nach daraus werden?

Bevor wir hier ankommen, müssten die Europäer entscheiden, was sie sein wollen. Sie müssten also ihren Platz in der Welt neu definieren. Das tun sie aber nicht. Das hat auch Konsequenzen für Ungarn, weil wir uns nicht an eine europäische Selbstdefinition anpassen können. Deshalb müssen wir seit der Finanzkrise – die genau mit der ersten Regierungsbildung des Fidesz zusammenfällt –, seit 2010, da es keine europäische Strategie gibt und Europa sichtbar schwächer wird und an Boden verliert, eine eigene nationale Strategie entwickeln – mangels einer europäischen Strategie. Denn wenn wir uns den Europäern anpassen würden, stünden wir bis zum Hals oder bis zur Hüfte in einem Krieg mit Russland, die grüne Umstellung hätte die ungarische Wirtschaft ruiniert, wir hätten schlechte Beziehungen zu den Amerikanern, keine chinesischen Investitionen, wenn wir also mit den Europäern mitgeschwommen wären, würde die gesamte ungarische Wirtschaft heute auf den Knien sein. Das können wir uns also nicht leisten. Ich sage das nur, weil es in unserem Interesse liegt, eine europäische Strategie zu haben, in der wir die Möglichkeiten der ungarischen Interessen erkennen und gemeinsam mit ihnen vorangehen. Aber heute gibt es das nicht! Es wäre möglich, wenn die Franzosen und die Deutschen zu Hause stark genug wären, um gemeinsam eine Vision zu entwickeln, in der wir alle, auch wir unseren Platz finden. Dann hätte Europa eine Großstrategie. Aber es hat weder eine große noch eine kleine, deshalb gibt es Erklärungen am Rande eines Treffens zwischen Trump und Putin. Das ist der Stand der Dinge im Moment. Aber ich will nicht jammern, man muss die Situation akzeptieren, wir sind Ungarn, wir wollen nicht zusammen mit den Europäern untergehen, weil sie in diese Richtung gehen, weder in der Migrationsfrage, noch in der Kriegsfrage, noch in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit, und wir verfolgen eine eigene nationale Strategie in der Hoffnung, dass es in Europa immer mehr Menschen geben wird, die ihrer eigenen nationalen Strategie folgen, und dass wir dann das gemeinsame Interessensystem der Europäischen Union neu gestalten können, denn das derzeitige, von Brüssel aus gesteuerte System ist zerfallen.

György Nógrádi: Ich habe zwei Anmerkungen. Erstens: Es ist äußerst interessant, die Tagespolitik von Merz zu beobachten: Er leidet. Auch seine eigene Partei fällt ihm in Millionen Fragen in den Rücken, zum Beispiel in der Frage der Waffenlieferungen an Israel, ja-nein. Zweitens: Wenn ich mir die Führung der Europäischen Union anschaue, ist das erbärmlich. Wenn ich mir die vorherige Führung anschaue, war die zumindest sinnvoll, nur alkoholabhängig. Es ist also eine sehr, sehr schwierige Frage, wer Brüssel führt und ob diese Person in der Lage ist, Europa zu führen. Leider ist sie dazu nicht in der Lage. 

Lassen Sie mich eines sagen, auch wenn es so klingt, als würde ich unser eigenes Pferd loben, aber so etwas gibt es nun einmal auch. Der größte strategische Vorteil Ungarns, sein größter Wettbewerbsvorteil auch in der Wirtschaft, ist die Stabilität und die Tatsache, dass es keine Koalitionsregierung gibt. Stellen Sie sich einmal vor, wir müssten die Frage nach der ungarischen Wirtschaft so beantworten wie die Deutschen, dass wir zwischen Koalitionsparteien mit völlig unterschiedlichen Grundsätzen einen Kompromiss finden müssen. Das würde zu nichts führen. Ungarn würde daran zugrunde gehen. Für uns ist es also entscheidend, dass wir eine Regierung haben, die weitaus stabiler, handlungsfähiger, entscheidungsfreudiger und tatkräftiger ist als der europäische Durchschnitt, sonst werden auch wir in diesen europäischen Niedergang versinken, aus dem wir uns heraushalten müssen.

György Nógrádi: Entschuldigung! Seit Tagen wird in Deutschland darüber diskutiert, wer Verfassungsrichter werden soll. Die Sozialdemokraten dürfen einen Kandidaten nominieren. Sie haben eine Frau vorgeschlagen, woraufhin die CDU/CSU erklärte, sie sei zu liberal. Es stellte sich heraus, dass das nicht stimmt. Daraufhin hieß es, sie habe ihre Diplomarbeit gemeinsam mit ihrem Ehemann geschrieben. Es stellte sich heraus, dass sie fünf Jahre auseinander waren. Aber sie wurde abgelehnt. Es zeigt sich also, dass eine Koalitionsregierung eine sehr schwierige Sache ist.

Das ist ein anderes Thema, vielleicht können wir einmal den intellektuellen Mut aufbringen – was nicht so einfach ist –, darüber zu sprechen, wie die Zukunft der europäischen Demokratie aussieht. Denn die Griechen haben nicht das gesagt, was wir jetzt sagen. Die Griechen haben immer gesagt, dass Demokratie zwei Dinge bedeutet. Das erste sagen wir heute auch: Beteiligung. Wer Steuern zahlt, soll einbezogen werden, sogar noch mehr, also sollten möglichst alle in die gemeinsame Entscheidungsfindung einbezogen werden. Aber das zweite, sagten die Griechen, ist, dass es nur dann Demokratie gibt, wenn dies zu einer guten Regierung führt, sonst entsteht Anarchie. Und heute ist das Problem, dass es in Europa keine guten Regierungen gibt, es gibt demokratische Beteiligung, und die demokratische Beteiligung tendiert immer mehr zur Anarchie. Also müssen wir, die Intellektuellen, die Professoren, die Journalisten, uns ehrlich die Frage stellen: Wie können wir die europäische Demokratie retten? Denn jetzt liegt nicht mehr die Ukraine auf dem Tisch, sondern es geht um die Frage, ob Europa mit demokratischen Regierungen mit der Entwicklung des Rests der Welt Schritt halten kann. Es liegen enorme Fragen auf dem Tisch. Entschuldigen Sie, dass ich den Rahmen des Gesprächs gesprengt habe.

György Nógrádi: Ein Satz. Was wird aus den drei Mittelmächten Europas, den Briten, den Franzosen und den Deutschen? Man könnte über jede einzelne sprechen. Bei den Briten ist ein grundlegender Strukturwandel zu beobachten, bei den Franzosen ist die Zusammenarbeit zwischen den drei Parteien und dem Staatschef mehr als problematisch, und bei den Deutschen gibt es seit einigen Monaten eine neue Regierung und jede Menge Probleme.

Máté Gerhardt: Sie haben von ungarischen Interessen gesprochen, Herr Ministerpräsident. Es ist sehr wichtig, über die Ungarn in Transkarpatien zu sprechen und darüber, wie die Ukraine tatsächlich zu dieser Frage steht. Wir haben oft darüber gesprochen, aber welche diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Mittel stehen der Regierung zur Verfügung, um unsere ungarischen Landsleute irgendwie zu schützen, denn hier in der Ukraine geschehen schreckliche Dinge mit ihnen.

Wir nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel, aber die Lage ist wirklich besorgniserregend, denn in einem Land, in dem Krieg herrscht, sind die Möglichkeiten für ein Vorgehen nach internationalem Recht begrenzt, da die Ukrainer sagen, dass sie einen Kampf auf Leben und Tod führen, dass sie unsere Probleme verstehen, diese aber zweitrangig sind. In einer solchen Situation ist es also für Minderheiten schwierig, ihre Rechte durchzusetzen. Was hier eine Veränderung bewirken könnte, wäre Frieden und eine Entscheidung der Großmächte über die Rolle der Ukraine: Gehört sie zum Osten, zum Westen, wird sie zu einem Pufferstaat, zu einer Zone? Wir wissen es nicht, wir müssen abwarten. Und in dem Moment, in dem die Lage militärisch stabilisiert ist, kann man darüber sprechen, wenn das Land verankert worden ist, was für Verhältnisse im Land herrschen sollen, und wer dafür verantwortlich ist, dass die Minderheiten alle Rechte erhalten, die ihnen in der europäischen Kultur zustehen müssen. Das wird dann kommen. Deshalb bringt uns der Frieden auch näher an eine Situation, in der wir die Rechte der dort lebenden ungarischen Gemeinschaft verteidigen können.

György Nógrádi: Zwei Anmerkungen. Erstens muss man sehen, dass die Europäische Union derzeit nicht den Mut hat, sich dem Konflikt zu stellen. Jeder sieht, dass die Korruption in der Ukraine enorm ist. Sie haben 100 Milliarden Dollar gestohlen, die ihnen geschickt wurden. Wir sehen, dass ein Teil der dorthin gelieferten Waffen innerhalb kürzester Zeit auf dem Schwarzmarkt auftaucht. Als ich das sagte, wurde ich kritisiert, aber heute sagt die amerikanische Regierung dasselbe, und seitdem hat die Kritik zumindest in dieser Frage nachgelassen. Zweitens: Der Anteil der Ungarn in Transkarpatien ist um etwa die Hälfte zurückgegangen. Es gibt unzählige Flüchtlinge, unzählige Tote und unzählige Menschen, die sich dort niederlassen. Zwei Dinge muss man sehen. Erstens: Die hereinkommenden Ukrainer sagen zu den Ungarn: Okay, ihr seid hier, aber warum sprecht ihr Ungarisch? Zweitens: Es gibt immer mehr Menschen in Ungarn, die nicht in die Ukraine einreisen dürfen, darüber sprechen wir nie, weil sie auf einer ukrainischen Liste stehen und bei Einreise sofort ausgewiesen oder verhaftet werden. Alles, was Europa jemals als Recht, Gerechtigkeit und so weiter verkündet hat, funktioniert also nicht, und die ukrainische Antwort darauf lautet: Wir befinden uns im Krieg.

Máté Gerhardt: Ja, wenn wir schon bei der ukrainischen Antwort sind, dann hat Ungarn einerseits die größte humanitäre Hilfsaktion für die Ukraine durchgeführt, ich denke dabei an Strom und Erdgaslieferungen. Viele sagen, dass Dankbarkeit kein politisches Mittel, kein politischer Begriff oder keine politische Kategorie ist, aber gleichzeitig hat die Regierung Selenskyj Geheimdienstoperationen gegen Ungarn gestartet. Wie kann man unter solchen Umständen und in dieser Form ein möglichst normales, ausgewogenes Verhältnis in diesen Fragen anstreben?

Die Ukrainer haben schwerwiegende Geheimdienstoperationen gegen Ungarn eingeleitet, von denen ein Großteil verdeckt ist, ein Teil jedoch an die Öffentlichkeit gelangt ist, und sie haben sich durch ihre Agenten ernsthaft in die ungarische Politik, das öffentliche Denken und die ungarischen Institutionen eingeschleust, sie sind durch ihre verschiedenen Agenten präsent. Das ist ein ernstes Problem, mit dem ich mich täglich auseinandersetzen muss und über das mich der nationale Sicherheitsberater und die Dienste regelmäßig informieren. Wir müssen uns damit befassen. Aber wir sprechen hier doch von einem Land, das sich im Krieg befindet, also dürfen wir nicht die Nerven verlieren. Natürlich sind wir das Hinterland der Ukraine, sie wollen wissen, was hier vor sich geht, sie wollen die Position Ungarns beeinflussen, und das wollen wir nicht zulassen. Das ist in der Welt der Politik nichts Ungewöhnliches. Gleichzeitig haben wir kein Interesse am Zusammenbruch der Ukraine. Wir könnten den Zusammenbruch der Ukraine innerhalb eines Tages herbeiführen. Innerhalb eines einzigen Tages, aber das liegt nicht in unserem Interesse. Denn die Ukraine bezieht einen erheblichen Teil ihres Stroms und Gases aus Ungarn. Wenn es zu einem Unfall käme und ein paar Masten umstürzen würden, ein oder zwei Leitungen abreißen würden, dann würde die Ukraine stillstehen. Während also die Ukrainer so mit uns reden, wie sie reden, respektlos und so, wie es anständige Menschen nicht tun, sind sie uns ausgeliefert. Und sie wissen genau, dass wir kein Interesse daran haben, die Ukraine zu zerstören und ihre Sicherheit zu gefährden, denn eine zusammenbrechende Ukraine an der Grenze zu Ungarn würde eine Bedrohung und ein Risiko für die öffentliche Sicherheit, den Terrorismus und aufgrund der dortigen ungarischen Minderheit auch für das Leben dort darstellen, was Ungarn nicht in Kauf nehmen will. Sie sind also deshalb so frech zu uns, weil wir sie in gewisser Weise in der Hand haben und gleichzeitig sie mit uns spielen, weil sie wissen, dass Ungarn, auch wenn es die EU-Mitgliedschaft der Ukraine nicht unterstützt, kein Interesse an einer Destabilisierung der Ukraine hat. Wir brauchen eine stabile, funktionsfähige Ukraine, und sie missbrauchen diese Situation. Aber so ist die Politik nun einmal.

György Nógrádi: Und ihr grundlegendes Ziel ist es, die Wahlen in Ungarn im nächsten Jahr zu beeinflussen.

Da machen sie auch keinen Hehl daraus, sie haben es verkündet, also weiß man, dass die Machtübernahme der ungarischen Opposition zu den wichtigsten Prioritäten der ukrainischen Außenpolitik gehört, vielleicht sogar an erster Stelle steht. So ist das Leben!

Máté Gerhardt: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch, ich freue mich darauf, unsere Diskussion noch fortzusetzen, denn es gibt noch viele Themen, die es wert sind, vertieft zu werden. Ich freue mich, dass Sie hier im Studio waren. Das war Patrióta Extra. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit, vergesst nicht, den Kanal zu abonnieren, denn wir werden weitere Videos und Hintergrundinformationen veröffentlichen. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! Tschüss!

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