Zsolt Törőcsik: Gestern wurde die Regierungsverordnung über das Kreditprogramm mit einem festen Zinssatz von 3 % veröffentlicht, das in einem Monat, am 1. September, startet und dessen Ziel es ist, den Erwerb der ersten Immobilie zu erleichtern. Ich frage Ministerpräsident Viktor Orbán auch nach den weiteren Zielen dieser Förderung. Guten Morgen!
Guten Morgen! Ich begrüße die Zuhörer.
Wir sehen, dass vor allem seit der COVID-Krise in ganz Europa eine Verunsicherung oder vielleicht sogar Frustration der jungen Menschen in Bezug auf ihre Zukunft zu spüren ist. Was für eine Botschaft sendet diese Unterstützung an sie in dieser Situation?
Es gibt zweifellos Probleme in der Welt, seit COVID ist es wie mit Kaffee: Wenn man ihn umrührt, schwimmt der Kaffeesatz irgendwie oben, man kann nicht sehen, was sich daraus entwickelt, und es herrscht eine solche Unsicherheit in der Welt. Und da haben wir auch noch den Krieg zwischen der Ukraine und Russland im Nacken, und jetzt ist auch noch die vom amerikanischen Präsidenten ausgelöste – sagen wir mal – Zollkriegsserie dazugekommen, es brodelt also viel in der Welt, und dazu kommt noch der technologische Wandel, die Roboter sind da, es gibt da die künstliche Intelligenz, vieles, was früher stabil schien, wird in Frage gestellt. In diesem Umfeld muss also jeder zurechtkommen. Wir Älteren haben es leichter, weil wir zum Teil nur noch weniger vor uns haben, also keine sehr langfristigen Pläne machen müssen, und wir haben Erfahrung, wir stehen auf den eigenen Füßen, haben eine Existenz, doch dieses unsichere Umfeld verursacht den jungen Menschen noch größere Schwierigkeiten, weil sie nicht wissen, ob sie überhaupt irgendwo Fuß fassen können oder ob sie in der Welt herumtreiben werden, wer weiß noch, wie lange. Und ich denke, in solchen Zeiten hilft alles, woran ein junger Mensch sein Leben festmachen kann, was er sich zumuten kann, was er planen kann, was er sich für die nächsten Jahre als Lebensplan vornehmen kann. Ich halte das also für eine große Herausforderung. Ich sehe, dass junge Menschen damit auch zu kämpfen haben, und wir versuchen, ihnen zu helfen, die richtigen Antworten für ihr Leben zu finden. Da ist diese Wohnungsfrage, die Schaffung eines Zuhauses, Menschen wie ich – ich spreche hier für die über 60-Jährigen – wissen genau, dass eines der wichtigsten Ankerpunkte im Leben das eigene Zuhause ist, in dem die eigene Familie lebt. Dabei wollen wir jetzt helfen. In Europa gibt es zwei Konzepte. Das eine Konzept lautet: Du verdienst dann genug und und mietest dir eben etwas, eine Wohnung, ein Zuhause ist nichts, wonach man streben muss, wichtig ist, dass man irgendwo wohnt. Der Ungar denkt anders. Es gibt noch einige Länder, die so sind wie wir, aber in den Köpfen der Ungarn ist das eigene Zuhause, das eigene Haus, mein Heim ist meine Burg; das ist Freiheit, das ist Sicherheit, „ich werde kein Landstreicher sein”. Ich glaube, es gibt nur wenige Sprachen auf der Welt, in denen das Wort „Landstreicher” eine solche Bedeutung hat wie hier in der ungarischen Sprache, daher ist das für die Ungarn wichtig. Wenn ich ein Haus habe, dann gehöre ich irgendwohin, dann habe ich einen Ort, an dem ich eine Familie gründen kann, an den ich meine Frau nach Hause mitnehmen kann, an dem ich meinen Kindern Sicherheit bieten kann, und dadurch bin ich als Eigentümer auch Teil einer nationalen Gemeinschaft. Ich bin nicht niemand und kein Landstreicher. Ich glaube, dieses Gefühl ist wichtig. Und den jungen Menschen, die schon ungefähr wissen, wo und wie sie sich ihr Leben vorstellen, gibt dies eine Chance. Greif’ zu! – das ist der Slogan dieses Programms, es ist eine Chance, ein Angebot, überlegt es euch, nutzt es.
Die wichtigsten Details waren ja bereits bekannt. Es handelt sich um einen Kredit von 3 %, es gibt eine Obergrenze für den Wert der Wohnung. Auf dieser Grundlage kennen wir nun auch schon die Einzelheiten. Wie groß ist Ihrer Erfahrung nach das Interesse an dieser Möglichkeit?
Ich möchte weder Sie noch die Zuhörer mit den Details unserer Arbeit langweilen, aber man könnte meinen, dass ein solches festes 3-Prozent-Wohnungsbaudarlehen ein einfaches Programm ist, das sich in drei Sätzen zusammenfassen lässt. Ja, aber der Teufel steckt im Detail, vor allem, wenn der Teufel Bank heißt, und hier geht es immerhin um einen Kredit. Es gibt hier also so viele Details, dass es Monate gedauert hat, bis die Experten alles durchdacht, geklärt und diskutiert hatten und wir uns mit den Bänkern, Immobilienentwicklern und Vertretern der Bauindustrie abgestimmt hatten, ich habe also das Gefühl, dass hier gründliche Vorarbeit geleistet wurde. Ich habe dies übrigens bereits im Februar angekündigt, aber damals ist es untergegangen. In der Rede zur Lage der Nation im Februar habe ich gesagt, dass wir im Jahr 2025 einen Durchbruch bei der Schaffung von Wohnraum und Wohnraumversorgung erreichen wollen. Seitdem arbeiten wir daran. Das hat seinen Nutzen. Die Arbeit ist natürlich gründlich, und andererseits haben wir unsere Arbeit unter stetigem Interesse durchgeführt. Es handelt sich also nicht um etwas Neues, die Menschen wissen seit Wochen, Monaten davon, es wird darüber gesprochen, es gibt Daten, es wird gerechnet, auch der Immobilienmarkt ist in Bewegung gekommen und so weiter. Es gab eine sehr große Debatte, und schließlich setzte sich nach Anhörung von Dutzenden von Experten die Position durch, dass es einen Wertgrenzwert geben muss. Denn wenn es keinen Wertgrenzwert gibt, keinen Quadratmeterpreis, wie viel ein Quadratmeter kosten darf, wenn man einen solchen Kredit aufnimmt, dann hätte das die Wohnungspreise in die Höhe treiben können. Aber so ist das nicht, denn es handelt sich um eine Kreditkonstruktion, bei der diejenigen, die sich damit eine Wohnung kaufen, sich damit ein Zuhause schaffen, einen maximalen Betrag pro Quadratmeter dafür ausgeben können. Das wird also nicht zu einem Boom bei Luxuswohnungen und großen Wohnungen führen, sondern eher Möglichkeiten für die Mittelschicht schaffen und für diejenigen, die doch noch nicht zur Mittelschicht gehören, sondern darunter oder daneben liegen, weil sie noch nicht auf den Markt für Wohneigentum eingetreten sind. In meinen Augen ist das also auch ein Programm zum Aufholen. Ein Programm zum Aufbau der Nation, zur Angleichung und vor allem zur Förderung der Bindung junger Menschen an ihre Heimat. Das Interesse ist sehr groß. Und da wir über Wohnungen und Häuser sprechen, handelt es sich um das Baugewerbe, das nicht nur Kosten verursacht, denn die Kredite sind zwar günstiger als auf dem Markt, aber jemand muss sie bezahlen, das bezahlt der Haushalt, also der Staat, aber im Gegenzug bekommt der Staat einen Immobilienboom, es wird mit dem Bau von Wohnungen begonnen, was die Wirtschaft ankurbelt, das bringt Einnahmen, das bringt Steuern, das bringt Sozialabgaben, es entstehen viele Arbeitsplätze, und auch der Staat hat Einnahmen. Insgesamt handelt es sich also nicht nur um ein fundiertes, sondern auch um ein wirtschaftlich sinnvolles Programm.
Diese Woche haben Sie auch angekündigt, dass für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ein spezielles Wohnraumprogramm, eine Form der Unterstützung, im Wert von einer Million Forint pro Jahr aufgelegt wird. In welchem Zusammenhang steht dies mit dem festen 3-Prozent-Kreditprogramm, und warum sind gerade die Beschäftigten im öffentlichen Dienst diejenigen, die diese Möglichkeit werden nutzen können?
Zunächst einmal wissen vielleicht nicht alle, dass es eine ähnliche Möglichkeit in der Privatwirtschaft gibt. Als wir Anfang des Jahres unseren Durchbruchplan für den Wohnungsbau vorgestellt haben, haben wir ein Regelwerk geschaffen, nach dem private Arbeitgeber ihren eigenen Mitarbeitern unter günstigen steuerlichen Bedingungen monatlich 150.000 Forint für den Wohnungsbau, die Wohnungssuche und die Wohnraumversorgung gewähren können. Nicht nur für den Kauf, sondern auch selbst für die Miete. Allerdings haben nicht allzu viele davon Gebrauch gemacht. Ich hatte gedacht, dass dieses Programm mehr Anklang finden würde, aber offenbar besteht dafür weniger Bedarf, und weniger Menschen haben das in Anspruch genommen. Auf dem privaten Markt gab es also etwas Ähnliches. Der Staat konnte dies jedoch nicht umsetzen, da wir dafür nicht genug Geld hatten, ganz einfach weil der Haushalt keine entsprechenden Mittel vorsah. Deshalb haben wir eine andere Konstruktion gefunden, die für Beschäftigte im öffentlichen Dienst gilt. Man bekommt jährlich eine Million Forint, netto eine Million Forint, und diese kann man für die Tilgung eines Wohnungsbaudarlehens oder als Eigenkapital für den Kauf einer Wohnung verwenden, so lautet die Regel. Meiner Meinung nach ist das ein großer Vorteil für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und auch eine große Chance. Wir haben damit zu kämpfen, dass es Berufe gibt, insbesondere in Budapest und im Bezirk Pest, in denen es aufgrund der hohen Immobilienpreise schwierig ist, Fachkräfte zu finden oder Fachkräfte aus anderen Regionen anzuwerben. Wir haben zum Beispiel Probleme bei der Polizei, darüber habe ich gerade gestern mit dem Herrn Staatssekretär gesprochen, und auch im Gesundheitswesen, bei den Krankenschwestern, ist die Situation ähnlich. Es wäre also generell gut, wenn mehr Beschäftigte im öffentlichen Dienst eine eigene Wohnung hätten. Hier möchte ich einen kleinen Exkurs machen, wenn Sie gestatten, denn wir sprechen nicht genug über die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das Wort selbst wird einfach übergangen, dabei wäre es doch lohnenswert, einmal darüber nachzudenken, warum wir sie eigentlich so nennen, nämlich öffentliche Bedienstete. In anderen Ländern werden sie als Berufsstände bezeichnet, was durchaus Sinn macht. Ein öffentlich Bediensteter ist meiner Meinung nach jemand, der natürlich von seinem Gehalt lebt, denn davon leben wir alle, aber das primäre Ziel seiner Arbeit ist nicht das Geld, sondern der Dienst am Menschen. Ein Arzt operiert ja nicht sich selbst, sondern jemand anderen. Auch eine Krankenschwester hilft nicht sich selbst, sondern jemand anderem. Bei Lehrern ist es genauso. Ich arbeite für jemand anderen. Und ich mache eine Arbeit, die gemacht werden muss, weil sonst das, was wir Gesellschaft nennen, nicht funktionieren würde. Meine Arbeit ist also unverzichtbar. Gleichzeitig ist ihr Ziel – natürlich soll man mich auch angemessen bezahlen, aber – dennoch, dass es anderen Menschen gut geht. Das Gleiche gilt für Polizisten, Soldaten und so weiter. Also öffnen wir jetzt Polizisten, Soldaten, Ärzten, Gesundheitspersonal, Lehrern, Beamten, allen, die in diese Kategorie fallen, die Möglichkeit bis zu einer Million Forint pro Jahr. Und ich denke, das geht über das Geld hinaus, es geht darum, dass wir vielleicht wieder zu etwas zurückkehren, worüber wir bisher wenig gesprochen haben, nämlich dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst Wertschätzung verdienen, denn sie arbeiten für uns, und es ist wichtig, dass wir ihnen das zurückgeben und dass auch der Staat dies tut und seine Achtung und Anerkennung zum Ausdruck bringt.
Neben der Schaffung von Wohnraum werden in den nächsten Tagen auch weitere Vergünstigungen im Bereich der Familienförderung in Kraft treten. In den aktuellen Gehältern wird sich die Erhöhung der Steuervergünstigungen für Familien sowie die Steuerbefreiung für den Familiensteuernachlass und das Kinderbetreuungsgeld niederschlagen. Wie rechnet die Regierung, wie sich diese Maßnahmen auf die finanziellen Spielräume der Familien auswirken werden?
Wenn ich auf den Anfang des Jahres zurückkommen darf, ist dies ein weiterer Bereich, in dem wir einen Durchbruch verkündet haben, aber der Februar ist schon so weit weg, und eine solche Änderung des Steuersystems, die man am 1. Juli in Kraft setzt, macht sich erst Anfang August bemerkbar. Seit der Ankündigung sind also schon fünf bis sechs Monate vergangen. Aber hier geht es um nichts Geringeres als eine Steuerrevolution. Hierbei handelt es sich um eine familienfreundliche Steuerrevolution. So etwas gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Im Allgemeinen gibt es so etwas nicht, und jetzt, wo überall in der westlichen Welt Sparmaßnahmen getroffen werden, gibt es so etwas erst recht nicht. Ungarn fällt also aus der Reihe. Wir führen also in dieser unruhigen wirtschaftlichen und kriegerischen Weltlage keine Sparmaßnahmen ein, sondern eröffnen jungen Menschen und auch Familien neue Möglichkeiten. Es handelt sich um eine echte familienfreundliche Steuerrevolution, denn wir machen die Kinderbetreuungsbeihilfe und die Kindererziehungsbeihilfe steuerfrei, was in zwei Jahren zu einem zusätzlichen Einkommen von bis zu einer Million Forint für diejenigen führen kann, die sich in dieser Situation befinden, und jetzt verdoppeln wir auch die Steuervergünstigungen für Kinder in zwei Schritten. Bisher habe ich weniger darüber gesprochen, weil, wie die Ungarn sagen, der Dachboden voller Versprechungen ist, aber ich glaube es erst, wenn ich es sehe, auch das ist ein ungarischer Spruch, und jetzt, am 1. August oder in der ersten Augustwoche, wird jeder aufgrund der erhöhten Familiensteuervergünstigungen ein höheres Gehalt erhalten. Jetzt gibt es schon etwas, worüber man reden kann, jetzt kannst du es glauben, denn du siehst es, mein lieber Freund, denn wenn du zwei Kinder hast, erhöht sich dein Nettoeinkommen um genau 20.000 Forint. Und wenn du drei Kinder hast, dann um 50.000 oder sogar noch mehr. Und dasselbe wird am 1. Januar für Familien mit Kindern geschehen, wenn wir die Steuervergünstigungen für Familien mit einem, zwei und drei Kindern um weitere 50 Prozent erhöhen werden. Und von da an ist es vielleicht auch glaubhaft, dass im Oktober Mütter mit drei Kindern, unabhängig vom Alter ihrer Kinder, wenn sie drei Kinder haben, bis zu ihrem Lebensende steuerfrei, frei von der Einkommenssteuer sind, und dasselbe gilt ab dem 1. Januar auch für Mütter mit zwei Kindern. Wir erleben also gerade die ersten Tage einer Steuerrevolution, die sich über sechs Monate erstrecken wird.
Wie viel Mittel sind dafür erforderlich, und das in einem internationalen Umfeld, das, wie Sie gerade gesagt haben, nicht allzu einfach ist, und wenn man das Wirtschaftswachstum in der EU und auch in Ungarn betrachtet, das eher stagniert. Wie können die Mittel für diese Maßnahmen aufgebracht werden?
Man muss gut wirtschaften. Das ist nicht so kompliziert. Natürlich wäre es besser, wenn mehr Geld zur Verfügung stünde, denn dann könnten wir noch mehr Dinge gleichzeitig tun, aber ein Land muss Ziele haben. Zumindest seit es in Ungarn eine nationale Regierung gibt, regieren wir so. Ob die vorherige linke Regierung auch so war, darüber kann man geteilter Meinung sein, aber meiner Meinung nach geht es beim Regieren nicht darum, dass wir leben und wie gut es ist, dass wir auch heute leben und keine größeren Probleme haben als gestern. Ich denke, dass dies für eine Gemeinschaft, die etwas auf sich hält, für eine Nation, ein zu geringes Ziel ist. Man muss also etwas wollen, man muss ein Ziel haben, unsere Arbeit muss einen Sinn haben, nicht die Arbeit der Regierung, sondern die Arbeit von zehn Millionen Menschen. Wir müssen irgendwohin auf dem Weg sein, wir wollen doch vorankommen, auch in der Wirtschaft, aber nicht nur dort, sondern auch in anderen Fragen des nationalen Stolzes. Und die Aufgabe der Regierung ist es, den Menschen zu helfen, sich Ziele zu setzen. Dazu muss die Regierung selbst Ziele setzen. Ich habe zumindest jede Regierungsperiode damit begonnen, dass wir klar gemacht haben, welche Ziele wir uns gesetzt haben und dass wir diese erreichen wollen. Darum geht es hier eigentlich. Und wenn man Ziele hat, muss man den Haushalt und die Wirtschaft den Zielen unterordnen. Meiner Meinung nach ist jetzt eine familienfreundliche Politik am wichtigsten. Dazu gehört die Schaffung von Wohnraum und die Unterstützung von Arbeitnehmern und Menschen, die Kinder großziehen. Darum geht es auch bei der familienfreundlichen Steuerreform.
Lassen Sie uns etwas ausführlicher über die Herausforderungen sprechen, die sich in unserem Umfeld stellen, denn diese Woche wurde das Zollabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten geschlossen, wonach Washington einen Zoll von 15 Prozent auf EU-Produkte erhebt. In den letzten Tagen haben Sie mehrfach gesagt, dass dies ein nachteiliges Abkommen ist, aber wir sehen auch, dass Präsident Trump einen Zoll von 50 Prozent auf Länder erhebt, mit denen er kein Abkommen geschlossen hat, und dass Europa ab heute ohnehin mit einer Belastung von 30 Prozent zu rechnen gehabt hätte. Im Vergleich dazu könnte man sogar sagen, dass Europa gut weggekommen ist. Warum glauben Sie dennoch, dass dies kein gutes Abkommen ist?
Diese Argumentation habe ich mein ganzes Leben lang abgelehnt. Kádár und seine Leute haben auch so argumentiert: „Wenn wir nicht an der Macht sind, werden die Russen dann einmarschieren.“ So geht das also nicht. Wir dürfen also nicht in eine Situation geraten wie die Katze in einem amerikanischen Roman, vielleicht in Huckleberry Finn, wenn ich mich recht erinnere: Die arme Katze wird am Schwanz gepackt, Huckleberry Finn dreht sie über seinem Kopf, stellt sie auf den Boden, und die Katze ist glücklich. Das ist also eine zu geringe Erwartung an das Leben, und man darf nicht auf diesen Trick hereinfallen, dass es auch schlimmer hätte kommen können. Denken wir doch mal anders! Da sind die Briten. Schauen wir uns doch die Fakten an! Die Briten sind aus der Europäischen Union ausgetreten. Das ist ein Land mit etwas mehr als 60 Millionen Einwohnern, fast 70 Millionen. Die Europäische Union hat mehr als 400 Millionen Einwohner. Schauen wir uns an, welche Vereinbarung die Briten mit den Amerikanern getroffen haben! Eine viel bessere als wir! Sie sind 70 Millionen, also weniger stark, wir sind mehr als 400 Millionen, und wir haben eine schlechtere Vereinbarung getroffen. Da gibt es nichts zu diskutieren – fachlich gesehen –, das sage ich als Ministerpräsident. Wenn also ein Land, das weniger Macht hat als ich, ein besseres Abkommen schließt als ich, der ich größer bin, dann habe ich fachlich versagt. Das ist die Situation der europäischen Staats- und Regierungschefs.
Was hätte man tun müssen, um ein besseres Abkommen zu erzielen?
Für Verhandlungen braucht man zwei Dinge. Ich möchte jetzt nicht klugschwätzen und aus Budapest heraus Ratschläge erteilen, das wäre nicht richtig, aber vielleicht habe ich genug Erfahrung, um sagen zu können, dass man für einen guten Deal zwei Dinge braucht. Das erste, was sehr wichtig ist, ist das Timing. Wann beginnt man mit den Verhandlungen, macht man den ersten Schritt oder wartet man lieber ab, geht man in die Offensive oder in die Defensive, das muss man entscheiden. Also das Timing. Das zweite ist der Inhalt des Angebots, auf das man sich einigen will, was man tun wird. Und natürlich ist es gut, wenn man mehrere Angebote hat, denn es gibt Angebote, Gegenangebote, Gegen-Gegenangebote und so weiter. Es ist also gut, wenn man Schach oder Ulti spielen kann und mehrere Schritte vorausdenken kann, einen Zug planen kann, das ähnelt in etwa dem Prozess, wie man ein gutes internationales Abkommen schließt. Nun, die Union hat in mehreren Punkten Fehler gemacht. Das erste ist das Timing. Als der amerikanische Präsident sein Amt antrat, hätte man ihn ernster nehmen müssen. Stattdessen haben sie ihn ausgelacht. In Brüssel nahm man ihn also nicht ernst, man beleidigte ihn. Man dachte, es handele sich nur um einen Unfall, und machte alle möglichen abfälligen Bemerkungen über den neuen amerikanischen Präsidenten, der solche Dinge nicht vergisst. Das ist als Verhandlungstaktik nicht gut. Zweitens: Man hat nicht ernst genommen, dass der amerikanische Präsident die Weltwirtschaft tatsächlich umgestalten wird. Sie dachten, er sei ein großmäuliger amerikanischer Unternehmer, der nicht einmal die Hälfte von dem umsetzen würde, was er versprochen hat. Was passiert? Er setzt Punkt für Punkt um, was er seinen Wählern versprochen hat. Er ist ein Mann, der seine Versprechen einhält. Dazu gehört auch, dass er das ungünstige Zollsystem der USA reformieren wird. Wenn du das jetzt nicht glaubst und darüber lachst, dann kannst du in Schwierigkeiten geraten. Die EU hat das getan. Ich sage seit Februar, dass wir die Initiative ergreifen müssen. Wir müssen den ersten Schritt machen. Wir müssen zu vollständigem Freihandel übergehen. Oder wir wählen bestimmte Sektoren aus und sagen, dass es sich um Sonderregelungen handelt. Aber wir dürfen nicht wie ein gefrorener Hase oder wie ein von einer Schlange hypnotisiertes Tier warten, auf das man sich dann stürzt, sondern wir müssen Initiative zeigen, Lebensenergie demonstrieren und Vorschläge machen. Nichts davon ist geschehen. Was den Inhalt betrifft, ist es wichtig, nur Vereinbarungen zu treffen, die man einhalten kann und die einen selbst betreffen. Wenn du also eine Vereinbarung triffst, die das Grundstück des Nachbarn betrifft, obwohl du selbst nichts damit zu tun hast, gibt es Ärger, und genau das ist jetzt der Fall. Denn die Kommissionspräsidentin hat eine Vereinbarung in Angelegenheiten getroffen, die sie nichts angehen. So ist beispielsweise der Teil der Vereinbarung, dass wir Europäer aus den Vereinigten Staaten viel Energie aus einer bestimmten Energiequelle kaufen werden. Nun, aber Brüssel hat noch nie einen Kubikmeter Gas gekauft. Nun, es hat keine Länder, hier gibt es Mitgliedstaaten! Die Mitgliedstaaten kaufen Energie. Ich habe sie nicht bevollmächtigt, in meinem Namen Vereinbarungen zu treffen. Ich weiß nicht, ob andere sie bevollmächtigt haben. Ich glaube nicht. Oder sie hat eine Vereinbarung getroffen, dass wir dann 600 Milliarden Euro in den Vereinigten Staaten investieren, während Europa unter Kapitalmangel leidet. Das Geld müsste hierhergebracht werden, nicht von hier hinausgebracht werden. Dazu habe ich sie auch nicht bevollmächtigt, und ich glaube nicht, dass die anderen Ministerpräsidenten sie dazu bevollmächtigt haben. Die Kommissionspräsidentin ist also gegenüber Amerika Verpflichtungen eingegangen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen. In ihre Zuständigkeit fallen die Zölle. Und wenn ich das richtig verstehe, fällt auch die geheime Klausel über Waffenlieferungen an die Ukraine nicht in ihre Zuständigkeit. Denn wenn ich das richtig verstehe, steht hier hinter allem auch noch, dass die Amerikaner den Ukrainern dann Waffen liefern werden, die wir Europäer bezahlen werden. Niemand hat mich dazu gefragt. Es gibt keine europäische Entscheidung, dass wir das wollen. Damit will ich sagen, dass etwas sehr Schlimmes passiert ist, viel Schlimmeres, als wir denken. Es geht nicht nur darum, dass wir ein schlechtes Abkommen geschlossen haben. Alle europäischen Produkte, die in die USA gehen, werden mit 15 Prozent Zoll belegt, während Produkte aus den USA nichts bezahlen. Was ist das für ein Abkommen? Aber es geht nicht nur darum, dass wir ein schlechtes Abkommen geschlossen haben, sondern auch darum, dass wir Dinge zugesagt haben, die wir offensichtlich nicht erfüllen können. Das bedeutet, dass wir die Zollstreitigkeiten nicht beigelegt haben, sondern die erste Schlacht verloren haben und weitere Schlachten vor uns liegen, denn den amerikanischen Präsidenten muss man ernst nehmen. Er wird sagen: „Leute, wo sind die 600 Milliarden, die ihr versprochen habt?“, wird er in einem halben oder einem Jahr sagen. Ja, die gibt es nicht, dann müssen wir auch die Zölle neu verhandeln. Wo ist der Waffenkauf oder wo ist der Energiekauf, den ich mit euch vereinbart habe? Ihr haltet euch nicht daran? Dann müssen wir alles neu verhandeln. Und wir werden wieder verlieren, und wir werden wieder verlieren. Was also in diesem Abkommen vermasselt werden konnte, ist, wenn ich das einmal ganz unbescheiden sagen darf, fachlich gesehen alles vermasselt.
Der ukrainische Aspekt ist interessant, weil der für Handelsfragen zuständige Kommissar davon gesprochen hat und dieses Abkommen damit verteidigt hat, dass es auch um die Ukraine und andere geopolitische Schwierigkeiten geht. Was bedeutet dieser Satz? Und überhaupt: Was hat die Ukraine mit Zöllen und Handel zu tun?
Na gar nichts! Ein normaler Mensch würde also nicht verschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, in einen Korb oder ein Abkommen packen, das für ihn, also für die Europäer, mit einem ungünstigen Saldo oder Ergebnis verbunden ist. So etwas darf man nicht machen, man muss trennen, was man gewinnen kann, muss man gewinnen, was man verlieren muss, das muss man verlieren, aber im geringstmöglichen Maß. Diese miteinander verbinden? Das wird zu großen Problemen führen, wenn man mit einer stärkeren Seite verhandelt! Und hier verhandeln wir mit einer stärkeren Seite. Wenn wir also mit den Amerikanern ein Abkommen über die Ukraine schließen wollen, dann darf das nicht als geheime Klausel in einem Zollabkommen geschehen, sondern man muss das herausnehmen, separat auf den Tisch legen und separat verhandeln.
Sie haben selbst erwähnt, und viele Experten sind sich einig, dass dieses Zollabkommen negative Auswirkungen auf Europa haben wird.
Das ist schrecklich. Es ist ein schreckliches Wirtschaftsabkommen, ein wirtschaftliches Eigentor.
Wie kann Ungarn das verhindern oder was kann es tun, um die Auswirkungen abzuschwächen?
Vorgestern war Regierungssitzung, und wir mussten uns bereits damit befassen. Ich versuche, die negativen Folgen zu ermitteln, die Experten ermitteln die negativen Folgen. Diese Zölle zu berechnen ist nicht so einfach, wie man sich das als Laie vorstellt, es sind komplizierte mathematische Berechnungen, aber insgesamt wage ich zu behaupten, dass der Wert der Produkte, die wir aus Ungarn direkt oder indirekt in die USA exportieren, also entweder direkt aus Ungarn oder indem wir das Produkt eines anderen Landes weiterbearbeiten, etwas darin einbauen, das nenne ich indirekt, und dann in die USA exportieren, insgesamt etwa 11 Milliarden Dollar ausmacht. Nun kommt ein Zoll von 15 Prozent hinzu, wir sprechen hier von 1,5 Milliarden Dollar. Das werden nun die in Ungarn tätigen Unternehmen zu spüren bekommen. Was ist zu tun? Wir müssen sofort mit ihnen sprechen! Die erste Entscheidung der Regierung gestern war daher, dass wir in verschiedenen Foren so schnell wie möglich Verhandlungen über Gegenmaßnahmen aufnehmen müssen. Herr Minister Szijjártó wurde beauftragt, mit den Großinvestoren, die strategische Vereinbarungen mit Ungarn geschlossen haben und viel in die USA exportieren, zu verhandeln. Herr Minister Nagy Márton wurde beauftragt, unverzüglich Kontakt mit der Wirtschafts-, Handels- und Industriekammer aufzunehmen. Die Verhandlungen beginnen also, und nach der Regierungssitzung vorgestern sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir zwei Aktionspläne ausarbeiten müssen. Wir müssen einen Aktionsplan zum Schutz der Arbeitsplätze ausarbeiten, damit die in Ungarn tätigen internationalen Unternehmen nicht mit Entlassungen auf die höheren Zölle reagieren, oder, falls doch, ihnen sofort andere Arbeitsplätze anbieten können. Wir brauchen also einen Aktionsplan zum Schutz der Arbeitsplätze und einen Aktionsplan zum Schutz der Industrie, damit es nicht dazu kommt, dass bestimmte Betriebe schließen, weil es sich aufgrund der hohen Zölle für Exporte in die USA nicht mehr lohnt, in Ungarn zu produzieren. Die Industrie muss also geschützt werden, und die Arbeitsplätze müssen gesondert geschützt werden. Wir werden zwei Aktionspläne haben, die Verhandlungen haben begonnen.
Wir haben wenig Zeit, aber lassen Sie uns noch über ein weiteres Phänomen sprechen, denn dieses Zollabkommen wurde übrigens auf einem schottischen Golfplatz geschlossen, und diese Woche war auch eine EU-Delegation mit der Präsidentin der Kommission und dem Ratspräsidenten in China, die laut diplomatischen Experten ausgesprochen peinliche Momente erleben mussten. Am Flughafen wartete niemand auf sie, nicht einmal am Bus, der sie abholen sollte. Was veranlasst die Großmächte dazu, diese Schritte gegenüber den europäischen Staats- und Regierungschefs zu unternehmen oder zu wagen?
Weil wir so sind, wie wir sind. Wir sind schwach, lächerlich, großspurig, belehren andere, haben dabei aber keine Kraft, wenn es um Verhandlungen geht, zeigen wir keine Talente und Fähigkeiten, also die schlimmste Kombination. Es gibt vier große Machtzentren in der Welt, wenn ich Indien und die türkische Welt jetzt einmal nicht mitzähle, nämlich die Amerikaner, China, die Russen und Europa. Ich schaue auf Europa. Wie gestaltet es seine Außenpolitik? Wir stehen schlecht da mit den Amerikanern. Wir stehen schlecht da, ja sogar im Krieg mit den Russen. Und wir haben ein schlechtes Verhältnis zu den Chinesen. Was ist das für eine Politik? Der Sinn der Politik ist es, Freunde zu gewinnen und Möglichkeiten zu schaffen. Nicht, sich wie ein kleines Hämsterchen in die Ecke zu verkriechen, alle anzufauchen, sich mit allen zu streiten und sich erniedrigen zu lassen. Und dann sind wir noch beleidigt und belehren sie über Menschenrechte, Demokratie, rule of law und wie man sich zu benehmen hat. Also das ist lächerlich. Es lohnt sich also nicht, so weiterzumachen. Die gesamte Führungsstruktur der Europäischen Union sieht so aus, dass es die Europäischen Volkspartei gibt, die stärkste Partei im Europäischen Parlament, der die meisten Ministerpräsidenten angehören und die Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Kommission, unterstützt, und das ist alles, was sie aus einer sehr starken und eindeutigen parlamentarischen Mehrheit herausholen können, über die sie derzeit verfügen. Das ist sehr wenig! In solchen Fällen muss man die Zelte abbrechen, sich für das bisherige Vertrauen bedanken und nach Hause gehen.
Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zu den Themen Wohnungsbau und Familienförderung sowie zum Zollabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten befragt.