Auch ich begrüße Sie herzlich und begrüße Präsident Alijew mit besonderer Ehrerbietung in Budapest! Wir begrüßen heute einen alten Freund Ungarns. Die Ungarn sagen, dass man einen Freund in der Not erkennt, und in den letzten anderthalb, fast zwei Jahrzehnten, in denen Ungarn mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, sei es in der Außenpolitik, in der Finanz- oder in der Energiepolitik, konnten wir immer auf Aserbaidschan zählen, wir konnten immer auf Herrn Präsidenten Alijew zählen, und das wissen wir alle hier in Ungarn, Herr Präsident, und dafür sind wir Ihnen dankbar.
Wir sind heute hier versammelt, weil zum ersten Mal in der Geschichte der Organisation der Turkstaaten ein Gipfeltreffen in Ungarn stattfindet. Wir sind kein Vollmitglied dieses Gremiums, und zum ersten Mal darf ein Beobachtermitglied ein Gipfeltreffen ausrichten. Aber nicht nur das macht die aktuellen Beratungen spannend, sondern auch die internationale Lage. Jeder sieht, dass in der internationalen Politik ein Sturm nach dem anderen tobt, dass alles in Bewegung ist, sich verändert, dass Verhandlungen, Kriege, Waffenstillstände und Friedensvorschläge aufeinanderfolgen. Jeder spürt also, dass wir in einer Zeit der Gefahren leben, dass die globale Sicherheit auf dem Prüfstand steht, und in solchen Zeiten ist es wichtig, dass befreundete Länder zusammenkommen und nicht nur ihre bilateralen Beziehungen, sondern auch die internationale Lage überprüfen.
Ungarn lebt seit drei Jahren mit einem Krieg in seiner Nachbarschaft. Ich habe dem Herrn Präsidenten ausgeführt, dass wir schwere wirtschaftliche Verluste erlitten haben. Die Verluste, die die ungarische Wirtschaft in den letzten Jahren durch den Krieg und die Sanktionen erlitten hat, belaufen sich auf über 20 Milliarden Euro. Sie alle wissen, dass sich die Europäische Union bei Ausbruch des Krieges zwischen der Isolierung des Krieges und seiner Ausweitung für das Letztere entschieden hat, dass sie sich im Wesentlichen zwischen Frieden und Krieg für den Krieg entschieden hat, uns das hat uns schweren Schaden zugefügt. Darüber hinaus befindet sich die europäische Wirtschaft auch deshalb in einer schwierigen Lage, weil der Krieg und die Sanktionen die strategischen Grundlagen des bislang im Übrigen erfolgreichen europäischen Wirtschaftswachstums zerstört haben. Das Aufeinandertreffen von international wettbewerbsfähigen Energiepreisen und einer weltweit herausragenden Technologie: Das war das Wesen der europäischen Wirtschaft. Das ist nun nicht mehr der Fall, und es ist nichts an seine Stelle getreten, sodass das Schiff der europäischen Wirtschaft heute ohne Kompass navigiert werden muss. Die Folge davon – und darüber habe ich mit dem Herrn Präsidenten gesprochen – ist, dass wir in einer anhaltenden Energiekrise leben. Wir zahlen in Europa drei- bis viermal so viel für Gas und Strom wie in Amerika oder sogar in China, was den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft unmöglich macht. Ich habe dem Herrn Präsidenten gesagt, dass wir es uns bisher erkämpft haben, dass wir als Binnenland unsere Energiebeziehungen zu Russland aufrechterhalten können. Es ist uns auch gelungen, eine Ausnahme zu erreichen. Als Reaktion darauf haben die Ukrainer das ukrainische Pipelinesystem geschlossen, und wir haben dann mit unseren türkischen Freunden vereinbart, dass wir Ungarn aus südlicher Richtung versorgen werden. Ich muss sagen, dass ohne unsere türkischen Freunde die Senkung der Nebenkosten in Ungarn heute nicht möglich wäre und ohne unsere türkischen Freunde die Energieversorgung Ungarns nicht gesichert wäre. Auch derzeit liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der diese Form der Zusammenarbeit beenden will, aber wir werden versuchen, sie aufrechtzuerhalten. In Brüssel stehen uns lange und schwierige Debatten bevor. Daraus folgt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass diese Situation berechenbare Partner besonders wertvoll macht. Ich wiederhole: Ohne die türkischen Länder wäre die Energieversorgung in Ungarn heute nicht sicher, und ohne die türkischen Länder würden die Familien zwei- bis dreimal so viel für Energie bezahlen wie jetzt. Letztes Jahr kam die erste Erdgaslieferung aus Aserbaidschan an. Der Herr Präsident hat uns versichert, dass dies auch in diesem Jahr der Fall sein wird. Wir haben sogar vereinbart, dass Aserbaidschan uns so viel Gas wird liefern können, wie wir benötigen, und der Herr Präsident hat uns dies versprochen. Wir wissen es sehr zu schätzen, Herr Präsident, dass Sie es MVM und MOL ermöglicht haben, auch Anteile an den aserbaidschanischen Erdöl- und Erdgasfeldern und Transportleitungen zu erwerben, sodass wir jährlich über mehrere hundert Millionen Kubikmeter Erdgas und mehrere hunderttausend Barrel Öl auf dem internationalen Energiemarkt verfügen. Für unsere aserbaidschanischen Freunde ist die Bedeutung dessen vielleicht nicht so offensichtlich wie für uns, denn sie haben davon viel, wir hingegen wenig. Und wenn man keine Energiequellen hat, muss man sie irgendwo finden, muss man sich irgendwo anschließen, muss man mit jemandem zusammenarbeiten, muss man Partner finden, und so sind wir in die aserbaidschanischen Öl- und Gasfelder eingestiegen, wo – ich wiederhole es noch einmal – Ungarn Eigentum erworben hat. Wir sind ein Land, das arm an Energieträgern ist. Dies ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für unsere Sicherheit und vielleicht auch mental von großer Bedeutung; dank dieser Freundschaft fühlen wir uns weniger ausgeliefert als früher. Jetzt haben wir auch vereinbart, unsere Zusammenarbeit auf einen neuen Bereich auszuweiten, nämlich den Bereich der erneuerbaren Energiequellen.
Neben wirtschaftlichen Fragen, bei denen wir natürlich auch auf eine Reihe von ungarischen Investitionen eingegangen sind, die derzeit in Aserbaidschan getätigt werden, haben wir auch das wichtigste wirtschaftliche Thema angesprochen, nämlich den Frieden, denn Frieden ist heute nicht nur eine militärische Frage, sondern auch die wichtigste wirtschaftliche Frage. Wir waren uns immer einig, dass es für diesen Krieg keine Lösung auf dem Schlachtfeld gibt, sondern nur am Verhandlungstisch und dass Verhandlungen der einzige Weg zur internationalen Friedensstiftung sind, nicht nur im Hinblick auf den russisch-ukrainischen Krieg, sondern auch im Hinblick auf andere Konflikte. Und auch dieses Mal möchte ich Herrn Präsidenten Alijew dazu gratulieren, dass er den Text des aserbaidschanisch-armenischen Friedensabkommens unter Dach und Fach gebracht hat, was ein gutes Beispiel dafür ist, wie ein Krieg auf diplomatischem Wege beendet werden kann, und ich hoffe sehr, dass die Unterzeichnung des Friedensabkommens so bald wie möglich erfolgt. Das ist auch für uns wichtig, jeder kleine Erfolg, jeder Friedensfortschritt in dieser turbulenten internationalen Welt ist auch für Ungarn von großer Bedeutung.
Herr Präsident, noch einmal vielen Dank für Ihren Besuch bei uns.