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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Ein Abgeordneter der Tisza-Partei sagte kürzlich, dass das Rechtsstaatlichkeitsverfahren und die Zurückhaltung von EU-Mitteln für Ungarn sehr effektiv sind, weil dadurch wichtige Investitionen verhindert werden, während die sich verschlechternde Lebensqualität der Ungarn die Opposition stärkt. Ich werde Ministerpräsident Viktor Orbán in den nächsten Minuten auch dazu befragen. Schönen guten Morgen!

Guten Morgen!

Péter Magyar, der Parteivorsitzende, hat daraufhin ja gesagt, dass die Tisza diese Gelder nach Hause bringen wird. Und gestern haben Sie in den sozialen Medien geschrieben, dass diejenigen, die in Brüssel gegen die Ungarn arbeiten, aus dem öffentlichen Leben Ungarns verschwinden sollten. Warum denken Sie, dass dieser Abgeordnete keinen Platz im öffentlichen Leben hat?

Die ungarischen Menschen haben bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ihre Vertreter nach Brüssel geschickt, um die Interessen Ungarns zu vertreten und, wenn nötig, sogar für Ungarn zu kämpfen. Ich bin kein Abgeordneter, sondern nur Ministerpräsident, aber ich tue dies bei den Ratssitzungen: Ich kämpfe für die Interessen der Ungarn. Da ist zum Beispiel die ominöse Frage der Verweigerung des Geldes, das den Ungarn zusteht, wovon ich die Hälfte bereits erkämpft habe, errungen habe, das bereits auf unserem Konto ist, und wir müssen weiter kontinuierlich kämpfen. Und plötzlich stellt man fest, dass die Person, die nach Brüssel geschickt wurde, um die Interessen der Ungarn zu vertreten, in den Reihen der Gegner aufgetaucht ist. Wie in einem schlechten Hunyadi-Film, muss ich sagen. Und vielleicht haben wir es geahnt, ich glaube nicht, dass alle von dieser Nachricht überrascht waren, aber vielleicht von dem unverblümten Eingeständnis. Denn selbst wenn man so etwas tut – und ich sehe, dass die Tisza-Leute das tun – ist es eine Sache, für die man sich schämen muss. Und jetzt können wir mit unseren eigenen Ohren hören, können wir mit unseren eigenen Augen sehen, dass sie sich nicht nur nicht schämen, gegen ihr eigenes Land zu arbeiten, sondern stolz darauf sind, und dass das sogar ihr Ziel ist, und dass sie sogar froh sind, wenn die Dinge in Ungarn schlecht laufen, weil sie denken, und auch nicht nur denken, sondern es aussprechen, dass es gut für die Opposition ist. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit der ungarischen Innenpolitik, aber jede Oppositionspartei in den letzten 30 Jahren hätte es sich verbeten, wenn man über sie behauptet hätte, je schlechter es dem Land geht, desto besser sei es für sie. Derartige Verdächtigungen werden oft geäußert, aber die Oppositionsparteien weisen dies zurück, weil sie der Meinung sind, dass es nicht richtig ist, so zu handeln. Und hier sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass sie dies nicht nur tun, sondern dass sie stolz darauf sind, dass es ihnen umso besser geht, je schlechter es dem Land geht, je schneller sie an die Macht kommen, und sie tun dies in Absprache mit einer ausländischen Macht, nicht hier in Ungarn, sondern mit einer ausländischen Macht, den Brüsseler Bürokraten. Ich habe die gleiche Erfahrung gemacht, als ich irgendwann Mitte der 2000er Jahre im Auto saß und plötzlich hörte ich Ferenc Gyurcsány sagen, „wir haben morgens, abends und tagsüber gelogen”. Und ich war schockiert, nicht nur, weil man natürlich ahnte, dass der Ministerpräsident, ich meine Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, lügen würde, aber dass es möglich war, dies zuzugeben, dass es möglich war, dem ungarischen Volk vor den Kopf zu stoßen – das war aber schon zu viel. Und ich habe auch deshalb ein Déjà-vu-Gefühl, denn der damalige Ministerpräsident sagte damals, dies sei eine Rede der Wahrheit gewesen. Jetzt versucht man uns zu sagen, dass es richtig ist, wenn ein Abgeordneter in Brüssel gegen sein eigenes Land arbeitet. Ich glaube, das ist der Moment, in dem sich der Boden unter den Füßen auftut und man in den Abgrund stürzt.

Was sagt das über die Mittel und Absichten aus, die Regierungen im eigenen Land oder in Brüssel zu wechseln?

Sehen Sie, es gibt zwei Möglichkeiten, eine Wahl zu gewinnen. Die eine ist, ein gutes Programm zu haben, sich vor die Menschen zu stellen und um ihr Vertrauen zu bitten; die andere ist, dafür zu jubeln, dass es dem Land schlecht geht, und wenn es dem Land schlecht geht, werden die Menschen sowieso früher oder später Veränderungen wollen. Ich halte nichts von Leuten, die auf der Grundlage des zweiten Szenarios in die Regierung wollen, denn in der Politik geht es nicht um Macht, sondern um das Land. Wir müssen den Menschen dienen, wir müssen Ungarn dienen. Denen, die für Macht und Geld alles zu tun bereit sind, sollte man nicht trauen.

Lassen Sie uns fortfahren, indem wir teilweise bei den europäischen Angelegenheiten bleiben. Da ist die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union, die Brüssel ja beschleunigen will, und die Regierung wird die Bevölkerung dazu befragen. Nächste Woche werden die Stimmzettel für die meinungserhebende Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine verschickt. In den letzten Tagen wurden jedoch mehrere Meinungsumfragen zu diesem Thema veröffentlicht, die teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse zeigen. Wodurch wird diese meinungserhebende Abstimmung zu mehr als einer Umfrage?

Es ist wichtig, dass jeder in Ungarn bei den Fragen, die die Zukunft des Landes bestimmen, mitreden kann. Und das ist keine ins Nichts dahingesagte Meinung, sondern etwas, das mit dem nötigen Gewicht gesagt werden kann. Wenn wir zurückblicken, sehen wir, dass dies bei der Migration der Fall war. Wir sind das einzige europäische Land, das ein Referendum über die Migration durchgeführt hat. Dann war da noch die Frage des Kinderschutzes. Es ist eine große Herausforderung in ganz Europa, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen, das Leben unserer Gesellschaft, unserer Familien, unserer Gemeinschaften. Auch hier war Ungarn das einzige Land, in dem die Menschen ihre Meinung äußern durften. Und hier auf dem Tisch liegt die dritte große Frage, die das Schicksal Ungarns in den nächsten Jahrzehnten grundlegend bestimmen wird, nämlich ob die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen wird. Wenn sie aufgenommen wird, wird das Konsequenzen haben, und wenn es gelingt, dies zu verhindern, wird es ebenfalls Konsequenzen haben. Das ist eine entscheidende Frage. Wir sind überzeugt, und ich bin persönlich überzeugt: Die Aufnahme der Ukraine wird Ungarn zerstören. Ganz einfach, sie wird die ungarischen Familien zerstören, und sie wird sogar die wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten fünfzehn Jahre zunichtemachen. Aber ich denke, dass jeder Ungar eine andere Meinung dazu haben kann, oder sogar eine, die mit der meinen übereinstimmt, und das Wichtigste ist, dass wir eine gemeinsame Meinung haben. Es sollte klar sein, was die ungarische Position in dieser wichtigen Frage ist, die seit Jahren im Mittelpunkt der europäischen Debatten steht, und welche Position wir in Brüssel vertreten müssen. Wir kämpfen ja in Brüssel für die ungarischen Interessen, und wie ich bereits im Zusammenhang mit der vorhergehenden Frage sagte, tun das nicht alle ungarischen Parteien. Sie haben ihre Herrchen in Brüssel, also gibt es ungarische Parteien, die an eine Art großen europäischen Staat denken, der zur Auflösung Ungarns führen würde, wo die Entscheidungen des Brüsseler Zentrums, des imperialen Zentrums, in Ungarn umgesetzt werden müssten. Und deshalb unterstützen sie auch die Ukraine und die Mitgliedschaft der Ukraine, denn das ist es, was Brüssel will. Ich glaube, dass wir dem entgegentreten und dafür kämpfen müssen, dass wir nicht alles verlieren, was wir uns erarbeitet haben, und dass wir uns wirtschaftliche Chancen für Ungarn offenhalten. Wir müssen dafür kämpfen, dass niemand die wirtschaftlichen Ergebnisse aufs Spiel setzen muss, dass niemand die mit der Landwirtschaft verbundenen Risiken eingehen muss, und dass die Ungarn nicht viele der Risiken in Bezug auf die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung eingehen müssen, die andernfalls mit der Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union einhergehen würden. Dies ist der Kampf, der in Brüssel ausgefochten wird, und es wird der wichtigste und dauerhafteste Kampf der nächsten Jahre sein, nicht nur der nächsten Monate.

Gleichzeitig gibt es auf der Seite der Opposition in diesem Land diejenigen, die sagen, dass dies in weiter Ferne liege, dass es jetzt keine Rolle spiele und dass die Ukraine in den nächsten zehn Jahren ohnehin nicht Mitglied der EU werde. Der Präsident der EVP, Manfred Weber, sagte jedoch, dass die EVP die Partei der Unterstützung für die Ukraine sei. Wie beurteilen Sie die Entschlossenheit Brüssels, den Beitritt der Ukraine zur EU zu beschleunigen?

Auch hier ist es wieder so, dass sich die Tisza-Partei mit der Europäischen Union und den Brüsseler Bürokraten gegen Ungarn verschworen hat – wir brauchen hier nicht zu raten, sie haben es uns gesagt. So wie es die Abgeordnete der Tisza-Partei sagte, und wir konnten es mit unseren eigenen Ohren hören, dass es für sie gut ist, wenn sie versuchen, Ungarn von Brüssel aus zu zerstören, so sagten die Frau Präsidentin der Kommission und der Vorsitzende der größten Fraktion im Europäischen Parlament, dass dies bis 2030 geschehen würde. Wir haben also gehört, wie sie all dies im Europäischen Parlament gesagt haben, wir müssen also nicht raten, was sie wollen, sie sagen es uns: Sie wollen die Ukraine schnell aufnehmen, oder sogar in einem beschleunigten Verfahren.

Was bezweckt man eigentlich mit der Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union oder mit der Unterstützung der Ukraine, die ja auch stattfindet. Letzte Woche wurde erneut eine riesige Geldsumme aus den europäischen Kassen für den Betrieb des ukrainischen Staates überwiesen.

Leider steht die Frage des Krieges immer noch auf der Tagesordnung, denn obwohl die Amerikaner bereits in die Straße mit der Aufschrift „Frieden” eingebogen sind, wo wir warten oder versuchen, Ergebnisse zu erzielen, sind die Leute aus Brüssel noch nicht in diese Straße eingebogen, sie folgen immer noch dem Schild mit der Aufschrift „Krieg”. Sie haben sich ein 72-Stunden-Überlebenspaket ausgedacht, sie schicken Geld in die Ukraine, wir verfolgen die Debatten im Europäischen Parlament, wo sie sagen, dass sich das Schicksal Europas an der ukrainischen Front entscheiden wird, Europa bereitet sich also offensichtlich auf die Fortsetzung des Krieges vor. Sie sagen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann, und sie glauben, dass die Mitgliedschaft in der Europäischen Union der Ukraine helfen kann, den Krieg zu gewinnen. Das ist die denkbar schlechteste Idee, die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen, und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union kann kein Instrument des Krieges sein, die Europäische Union ist ein Friedensplan, ein Plan des Friedens, die Erweiterung, die Gewährung der Mitgliedschaft an einen neuen Mitgliedstaat muss dem Frieden dienen, und nicht der Fortsetzung des Krieges. Aber die Brüsseler denken, wenn wir die Ukraine aufnehmen, dann kann der Krieg fortgesetzt werden.

Der Beitritt der Ukraine hat und kann natürlich auch in der Zukunft wirtschaftliche Folgen haben, aber es gibt noch ein anderes Thema, das sich noch stärker auf die wirtschaftlichen Aussichten des Landes auswirken könnte, und das ist der Zollkrieg, zu dem es fast täglich neue Entwicklungen gibt. Und vor allem: Welche Auswirkungen könnte dies auf die ungarische Wirtschaft haben?

Der Zollkrieg zieht jetzt die Aufmerksamkeit auf sich, aber seine Bedeutung bleibt weit hinter dem ukrainisch-russischen Krieg und der Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union zurück. Der Zollkrieg ist eine taktische Frage. Auch hier brauchen wir nicht zu spekulieren, denn wir haben endlich einen Präsidenten der Vereinigten Staaten, der gesagt hat, was er will, der vor der Wahl gesagt hat, was er wollte, und jetzt ist die Welt überrascht, dass er tut, was er versprochen hat. Er hat also gesagt, dass er den Welthandel neu ordnen und die Position Amerikas gegenüber allen Ländern verbessern wird, insbesondere gegenüber den Ländern, bei denen er der Meinung ist, dass die Amerikaner einen Verlust machen. Im Falle Europas bedeutet das, dass wir bisher, wenn wir ein Auto aus Europa in die Vereinigten Staaten exportieren, einen Zoll von etwa 2 bis 2,5 Prozent zahlen mussten, während die Amerikaner, wenn sie ein Auto hierherbringen, 10 Prozent zahlen mussten. Es gibt eine Reihe dieser Ungleichgewichte im Welthandel, und der US-Präsident hat gesagt, dass er sich jedes einzelne davon ansehen und korrigieren wird, was für die Amerikaner schlecht ist. Und genau das geschieht jetzt. Es ist ein spannendes Thema, denn alle Verhandlungen sind taktische Fragen. Ich hebe es heute an, ich senke es morgen wieder, es gibt also diese allgemeine, undurchsichtige, schwelende Situation, an deren Ende die Amerikaner mit jedem einzelnen eine Vereinbarung treffen werden und ein neues Gleichgewicht, eine neue Situation entsteht. Das wird ein oder zwei Monate dauern. Ich glaube nicht, dass uns das noch lange Zeit begleiten wird. Dieser Zollkrieg wird sich bald in einen Zollfrieden verwandeln, denn sobald die Vereinbarungen getroffen sind, werden wir nicht mehr von einem Zollkrieg sprechen, sondern von einem Zollfrieden. Das ist übrigens auch im Interesse Ungarns. Die Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union hingegen wird uns noch viele Jahre begleiten, wird noch viele Jahre auf der Tagesordnung stehen, und wenn wir uns nicht davor schützen können, wird sie uns noch Jahrzehnte begleiten und uns zerstören. Deshalb sollten wir heute unsere Aufmerksamkeit und unsere Energie in erster Linie auf die EU-Mitgliedschaft der Ukraine richten und die Frage des Zollkriegs muss man den Experten überlassen.

Es gibt noch einen weiteren Faktor, der die Konjunkturaussichten sogar gefährden könnte. Das ist die Inflation, die im März auf 4,7 % gesunken ist. Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Einfrieren der Margen darauf auswirken?

Schauen Sie, wir befinden uns in einer Zeit hoher Inflation, nicht nur für uns, sondern für die gesamte europäische Wirtschaft, ja für die Weltwirtschaft, insbesondere für die europäische Wirtschaft. Der Grund dafür ist der Krieg. Wenn es also keinen russisch-ukrainischen Krieg gäbe, wäre die Inflation kein Thema. Seit dieser Kriegsvorbereitung und dem Ausbruch des Krieges sind die Preise sprunghaft angestiegen. Es liegt also auf der Hand, dass der beste Weg, die Inflation langfristig zu senken, der Frieden ist. Deshalb sage ich: Das Einzige, was die Europäische Union eigentlich tun muss, ist, den US-Präsidenten bei seinen Friedensbemühungen zu unterstützen. Natürlich können wir hier nicht kläglich herumwurstelnd darauf warten und ständig mit dem Finger auf etwas anderes zeigen, sondern wir müssen auch etwas gegen die Inflation unternehmen, während wir auf den Frieden warten. Das nennt man Preissenkung. Wir haben das zu Beginn des Krieges versucht, wenn Sie sich erinnern, wir haben Preiskontrollen versucht, wir haben Preisobergrenzen eingeführt und so weiter. Ich denke, das hatte auch seine Wirkung gehabt. Wir können uns daran erinnern, dass die Inflation lange Zeit weit über 10 % lag, und es ist uns gelungen, sie auf unter 10 % zu senken, und jetzt, nach den neuesten Zahlen, liegen wir irgendwo unter 5 %. Wir haben jetzt Schritte unternommen, die wir vorher nicht versucht haben. Es gab eine professionelle Debatte darüber, ob diese Maßnahmen funktionieren würden. Wir führen jetzt keine Preisobergrenze ein, sondern wir regulieren die Margen. Wir legen jetzt fest, wie hoch die Spannen sein dürfen, die die Händler für die bezeichneten Produkte – das sind über 800 Produkte! – festsetzen können. Und als wir das festgelegt haben, mussten sie die Preise für eine Reihe von Lebensmitteln senken. Das ist geschehen. Ich war in Dörfern, in denen sie sagten, dass sie zwar die Preise nur in einem der vier Geschäfte gesenkt haben, aber insgesamt sinken die Preise für die ausgewählten Produkte eindeutig weiter. Jetzt arbeitet die Regierung daran, den gleichen Ansatz auch auf andere Einzelhandelsprodukte neben Lebensmitteln anzuwenden. Was wir bereits hinter uns haben, sind die Verhandlungen mit den großen Telekommunikationsunternehmen, bei denen es ebenfalls zu Preiserhöhungen gekommen ist, die unfair und inakzeptabel sind und die Ungarn ausplündern, und dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Sie werden ihre Preise nicht erhöhen, sie werden ihre Preise bis Juli nächsten Jahres unter keinen Umständen erhöhen, und diejenigen, die ihre Preise seit Januar erhöht haben, werden auf den Stand von Ende letzten Jahres, Anfang dieses Jahres zurückgehen. Und ich habe den Eindruck, dass wir sehr nahe dran sind, oder vielleicht haben wir uns schon mit den Banken darauf geeinigt, dass die Kosten für das Bankgeschäft in der nächsten Zeit nicht erhöht werden sollen – auch nicht aufgrund der Inflation.

Ja, in der Tat haben viele Banken diese oder ähnliche Maßnahmen angekündigt. Wie zufrieden ist die Regierung mit dem, was in diesen beiden Sektoren, dem Telekommunikations- und dem Bankensektor, geschehen ist, und gibt es eventuell weiteren Handlungsbedarf?

Wir haben eine Übereinkunft getroffen. Wir wollten dasselbe ja auch für Lebensmittel. Wir hatten mehrere Verhandlungsrunden mit den Lebensmitteleinzelhändlern, ohne Erfolg. Sie machten zwar Angebote, aber sie waren nicht gut genug oder lagen weit unter den Preiserhöhungen, die sie in der Vergangenheit vorgenommen hatten. Also mussten wir hier eingreifen. Ich denke, das hat allen klar gemacht, dass die Regierung in dieser Sache nicht zögern wird. Die Zeit der Abzocke der Ungarn unter dem Vorwand von Krieg oder Inflation ist vorbei, und der Staat wird in das System der Preisgestaltung eingreifen. Lange Zeit haben viele hoffen können, dass dies nicht passieren würde, denn auch die Regierung ist davon überzeugt, dass es gut ist, wenn ein Staat nicht in das Preisbildungssystem eingreifen muss, sondern dass es von den Gesetzen der Wirtschaft und den Wirtschaftsakteuren selbst gebildet wird. Aber wenn anormale Situationen entstehen, weil die Preise plötzlich außer Kontrolle geraten und die Händler zu viel auf ihre Einkaufspreise raufpacken, dann ist die Regierung gezwungen, einzugreifen. Und als wir dies bei den Lebensmitteln taten, wurde allen Sektoren klar, dass dies eine ernste Angelegenheit ist. Die Regierung ist entschlossen, sie wird die Familien und die Menschen schützen und eingreifen. Und wenn man es mit einer solchen Regierung zu tun hat, ist es besser, eine Vereinbarung zu haben als keine. Wir tun im Kleinen, was Donald Trump im Großen tut.

Außerdem wurde in dieser Woche beschlossen, das Ungarische Dorfprogramm um weitere Elemente zu ergänzen. In dieser Woche besuchten Sie zusammen mit Alpár Gyopáros, dem für das Programm zuständigen Regierungsbeauftragten, Tiszakürt. Bevor wir über die Einzelheiten sprechen, was sind Ihre Erfahrungen und was halten die Einwohner dieses kleinen Dorfes vom ungarischen Dorfprogramm?

In einem Dorf zu leben ist gut. In Ungarn wächst die Idee, und es wird viel daran gearbeitet, dass das Dorf und die dörfliche Lebensweise keine Sache der Vergangenheit, sondern der Zukunft ist. Es ist eine schöne Tradition und hat in Ungarn eine lange Geschichte, dass die Menschen nicht in die Großstädte strömen, sondern Siedlungen gründen, in denen es auch ähnliche zivilisatorische Dienstleistungen wie in den Städten gibt. Es gibt also eine große Tradition, aber es wird immer wieder die Frage aufgeworfen – und liberale Ökonomen schreiben regelmäßig darüber –, dass es nicht vernünftig ist, in Dörfern zu leben, dass es nicht vernünftig ist, Dienstleistungen im dörflichen Maßstab zu organisieren, und dass alles viel praktischer und billiger wäre, wenn alle in große Städte ziehen würden, und dann könnte man den Verkehr, die Telekommunikation, die Elektrizität und so weiter billiger organisieren. Das ist ganz anders als wir denken, denn wir denken, dass es gut ist, auf dem Dorf zu leben, und dass ein wirklich gutes Leben wahrscheinlich am besten auf dem Dorf gelebt werden kann, wo es Platz gibt, wo man an der frischen Luft ist, wo man die Kinder in den Garten und auf die Straße lassen kann, wo man sein Haus und seinen Garten selbst verwaltet, und das ist natürlich nicht nur eine lästige Pflicht, sondern gibt einem auch das Gefühl, dass man sein Leben selbst in der Hand hat. Das Dorf ist also eine gute Sache. Und ich habe das Gefühl, dass sich die Dorfbewohner heute nicht dafür schämen, Dorfbewohner zu sein. In der Vergangenheit war es gelungen – noch unter dem kommunistischen Regime – das Gefühl zu vermitteln, dass das Dorf unterentwickelt und die Stadt entwickelt ist, dass die Stadtbewohner gebildet sind und die Dorfbewohner nicht. Ich komme ja aus einem Dorf mit 1.800 Einwohnern und hoffe, dass ich ein lebendiges Beispiel für diese Widerlegung bin. Tatsache ist also, dass es auch in den Dörfern viele Menschen gibt, die dort geboren sind und in den Dörfern leben, die fähig, arbeitswillig und zukunftsorientiert sind und die sich weigern, sich als von der Geschichte abgeschrieben zu betrachten. Nun, ich denke, dieses Gefühl wächst. Aber es muss auch einen Grund dafür geben. Und heute sind wir nahe an dem Punkt, an dem städtische Dienstleistungen fast umfassend auch in den Dörfern verfügbar sind. Wo dies noch nicht der Fall ist, arbeiten wir daran. Es sollte Geschäfte geben, Kneipen, Geldautomaten, eine Autobahn oder eine Autostraße, die jeder innerhalb von zwanzig oder dreißig Minuten erreichen kann, eine gute Schule, und wenn nicht im Dorf, dann ein Schulzentrum in Reichweite, und dann einen Schulbus, einen Gesundheitsdienst, einen Bezirkskommissar, der 24 Stunden am Tag im Dorf verfügbar ist. Ich denke also, dass wir viel Energie investiert haben und dies auch in Zukunft tun müssen, um sicherzustellen, dass jeder, der heute in einem Dorf lebt, sich als gleichberechtigter Bürger dieses Landes fühlt. Ich muss also sagen, dass das Programm das Selbstvertrauen und den Lebenswillen der Dorfbewohner gestärkt hat, und es hat auch ihr Vertrauen in ihre eigene Umwelt und in ihre Zukunft gestärkt, insofern ist das Ungarische Dorfprogramm erfolgreich. Ob wir es schon geschafft haben, alle Dienstleistungen dorthin zu bekommen, kann ich nicht mit einem klaren Ja beantworten, wir haben viel dorthin geschafft, aber wir haben noch viel zu tun.

Diese Woche stand übrigens noch ein weiteres Thema auf der Tagesordnung des Parlaments: die neuen Familienbeihilfen. Das Parlament debattierte auch über Vorschläge zur Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen für Personen unter 30 Jahren, für Mütter von zwei und drei Kindern und für die Sozialhilfe für Kindergeldbezieher. Wie will die Regierung mit diesen Maßnahmen den Handlungsspielraum für Familien in der kommenden Zeit gestalten? Einige von ihnen werden bereits in der zweiten Jahreshälfte beginnen, andere zu Beginn des nächsten Jahres.

Auch hier sollten wir philosophische oder lebensphilosophische Ansatzpunkte finden. Es ist gut, in einem Dorf zu leben, sagen wir, es ist auch gut, in einer Familie zu leben, und wenn ein Mensch sich entschließt, eine Familie zu gründen, denkt er natürlich in erster Linie an sein persönliches Glück, vor allem, wenn er einen Partner gefunden hat, mit dem er Kinder haben möchte, was eine großartige Sache ist, und nichts anderes im Leben kann es ersetzen, aber gleichzeitig müssen wir auch sehen, dass der Mensch damit nicht nur seinem persönlichen Glück dient, sondern auch der Zukunft der Gemeinschaft, der er angehört. Denn wenn mehr Ungarn sterben als geboren werden, werden wir verschwinden, die Ungarn werden ausgehen, wir werden schwächer werden, und die Ungarn werden im großen Wettlauf der Welt auf einen niedrigeren Platz verwiesen werden und vielleicht ad absurdum verschwinden. Kinder und eine Familie zu haben ist deshalb also eine Frage des persönlichen Glücks, aber es ist auch wichtig für die ungarische Gemeinschaft und die ungarische Nation. Deshalb sollten Mütter nicht nur deshalb gewürdigt werden, weil sie eine sehr schwierige Aufgabe übernehmen; jeder, der schon einmal ein Kind großgezogen hat, weiß, wie viel seine Frau damit zu tun hat. Wenn wir uns vorstellen, dass wir ihren Platz einnehmen müssen, manchmal müssen wir das, dann fühlen wir, dann fühlen wir wirklich, dass sie etwas auf sich nehmen, wozu wir Männer vielleicht nicht in der Lage sind, oder froh sind, wenn wir es zumindest für einen oder zwei Tage können. Mütter verdienen also nicht nur dafür Anerkennung, sondern auch dafür, dass sie etwas übernehmen, das für die ganze Gemeinschaft wichtig ist. Wenn das der Fall ist, und ich denke, das ist es, dann ist die Situation nicht gerecht, dass diejenigen, die Kinder haben, schlechter gestellt sind als diejenigen, die keine haben. Das gilt zwar nur für die ersten 15-20-25 Jahre, denn dann werden die Kinder ihre Eltern unterstützen, und dann kehrt sich das um, aber selbst dann, 20-25 Jahre lang, wird die Person, die Kinder hat, eine zusätzliche finanzielle Belastung haben im Vergleich zu der Person, die keine hat. Und das ist nicht fair, und ich denke, es ist die Aufgabe der Regierung, hier bei der Wiederherstellung der Gerechtigkeit eine Rolle zu übernehmen. Für mich ist das auch ein persönliches Thema. Ich bin 2010 mit dem Versprechen in die ungarische Politik zurückgekehrt, diesen Unterschied zu beseitigen, damit das Leben von Familien mit Kindern nicht schwieriger ist als das von Familien ohne Kinder. Und ich mache große Schritte. Eines der wichtigsten Dinge für mich, und ich wiederhole, es war eine persönliche, wenn Sie so wollen, eine Ehrensache, war es, Mütter zu unterstützen, ihnen Sicherheit zu geben und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Kinder haben, für den Rest ihres Lebens keine Einkommenssteuer zahlen. Das ist ein gewaltiges Unterfangen, und es ist auch ein gewaltiges Unterfangen für den ungarischen Haushalt und die Wirtschaft. Wir haben bereits Steuererleichterungen für Kinder eingeführt, und jetzt fügen wir eine lebenslange Steuerbefreiung für Mütter hinzu. Für diejenigen, die mehr als drei Kinder haben, wurde dies bereits erreicht, aber sie sind weniger zahlreich, was vielleicht der Grund dafür ist, dass dies nicht so viel Aufmerksamkeit erregt hat. Im Oktober dieses Jahres werden Mütter von drei Kindern und ab dem 1. Januar auch Mütter von zwei Kindern unter 40 Jahren in den Genuss dieser Steuerbefreiung kommen. Dann werden wir weitermachen und auch Mütter von zwei Kindern unter 50, unter 60 Jahren werden es bekommen. Das System, das familienzentrierte Wirtschaftssystem in Ungarn, das die Familie und die Kinder in den Mittelpunkt stellt, wird also zu wirken beginnen.

Die Zeit drängt, aber was veranlasst die Regierung, die Senkung oder Abschaffung der Einkommenssteuer als eines der wichtigsten Instrumente der Familienförderung zu betrachten? Denn es gibt so viele andere Formen, die dies annehmen könnten.

Denn es gibt noch eine andere Wahrheit, die mit der Anerkennung der Verdienste der Kindererziehung verbunden werden muss, und das ist die Arbeit. Wenn wir also die Familienförderung nicht an die Arbeit koppeln, dann werden in Ungarn weniger Menschen arbeiten, als es notwendig wäre. Deshalb glaube ich, dass die beste Politik für das Land und auch für die Familien eine Politik ist, die den Familien, insbesondere den Müttern, die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, ob sie lieber zu Hause bleiben und die Kinder erziehen oder ob sie arbeiten wollen, während sie die Kinder erziehen. Es ist gut für das Land, wenn Mütter sich entscheiden, eine Arbeit anzunehmen. Deshalb haben wir ein Familienfördersystem aufgebaut, das alle belohnt oder anerkennt, die ein Kind großziehen, aber insbesondere diejenigen anerkennt, die neben der Kindererziehung auch eine Arbeit auf dem Arbeitsmarkt aufnehmen. Ein großer Teil der Familienförderung kommt deshalb den Familien durch Arbeit zugute. Nicht nur durch die Mütter, sondern auch durch die Väter, weil sie ihr Einkommen zusammenlegen und davon Steuergutschriften absetzen können.

Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zur meinungserhebenden Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine, zum Zollkrieg und zur Inflationsbekämpfung befragt.

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