SHARE

Interview mit Viktor Orbán für Servus TV

Dora Varro: Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich werde mit der ersten Frage zur österreichischen Innenpolitik beginnen. Was sagt die Tatsache, dass der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Regierungsauftrag nicht an die siegreiche FPÖ vergeben hat, über die österreichische Innenpolitik, vielleicht über die Demokratie aus?

Zunächst einmal vielen Dank, dass ich hier sein darf, und herzlichen Glückwunsch zu den erfolgreichen demokratischen Wahlen, die hier in Österreich stattgefunden haben. Besondere Glückwünsche an den Sieger, der, wie ich glaube, ein historischer Sieg ist, denn die FPÖ hat noch nie zuvor bei einer Wahl den ersten Platz belegt. Das ist ein Durchbruch, und ich denke, er ist nicht nur regional, sondern auch von europäischer Bedeutung. Wir respektieren die Österreicher, und deshalb freue ich mich auch, hier zu sein, die Schwäger, nicht wahr, also diese österreichisch-ungarische Geschichte ist eine alte Geschichte, und wir haben uns immer gegenseitig respektiert, und deshalb möchte ich keine kritischen Bemerkungen zur österreichischen Innenpolitik machen. Ich würde eher sagen, dass das, was hier passiert ist, in einer ungarischen Demokratie nicht passieren könnte. Wenn also eine Partei die Wahl gewinnt, dann sollte sie nach den Regeln der ungarischen Demokratie die Möglichkeit erhalten, eine Regierung zu bilden. Es kann nicht sein, dass das Volk entscheidet, wer der erste ist, wen es in der Regierung sehen will, und dann sagt jemand, na sowas, das Volk hat nicht richtig entschieden, und das kommt nicht in Frage. Das würde bei uns nicht funktionieren. Aber wir sind keine so fortgeschrittene Demokratie wie Österreich, also ist das sicher deshalb so. Meine zweite Bemerkung ist vielleicht doch wichtiger. Soweit ich das sehe, hat die traditionelle Links-Rechts-Spaltung in der europäischen Politik ein Ende gefunden. Ich habe das auch in anderen Ländern gesehen, aber ich sehe es auch hier in Österreich, dass das eingetreten ist. Hier ist nicht mehr die Frage, wer links und wer rechts ist. Das politische Feld formiert sich so, dass es drei Hauptfragen gibt, an denen sich die Wähler und die Parteien orientieren. Das erste ist die Frage des Krieges. Was willst du? Krieg oder Frieden? Das zweite ist die Migration. Was willst du? Willst du Migranten oder willst du unter deinen eigenen Leuten leben? Gehört Österreich auch den Migranten oder gehört Österreich den Österreichern? Gehört Ungarn den Ungarn oder jemand anderem? Und die dritte Frage ist jene von Gender, d.h. ob wir die traditionelle christliche Familienform verteidigen und unsere Kinder schützen oder ob wir zulassen, dass eine Art Gender-Ideologie, eine ideologische Propaganda, in ihr Leben getragen wird. Das sind die drei großen Themen: Krieg, Migration, Gender. Und das ist die neue Landkarte von Europa. Und soweit ich das sehe, haben die Österreicher gesagt, dass sie Frieden wollen, dass sie keine Migranten wollen, dass sie ihre Kinder lieben und dass sie das traditionelle österreichische Familienmodell schützen wollen. Das haben sie im Übrigen auch vor zwei Jahren in Ungarn beschlossen.

Lassen Sie mich noch einmal auf Ihre Reise nach Wien zurückkommen. Es gab viel Aufregung und Kritik, als Sie der erste Gast waren, den der Präsident des österreichischen Parlaments, Walter Rosenkranz, eingeladen hat. Was denken Sie darüber?

Ich habe mich geehrt gefühlt und halte den Präsidenten für einen großartigen Politiker. Wir sprechen hier nicht von einem Anfänger, sondern von einem erfahrenen Mann, und ich halte andererseits diese Entscheidung der österreichisch-ungarischen Freundschaft für würdig. Schließlich haben wir eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte, wir haben jahrhundertelang im selben Staat gelebt. Wer hätte eingeladen werden sollen, wenn nicht der engste Verwandte?

Kommen wir auch gleich direkt auf die ungarisch-österreichische Grenze. Es gibt Gerüchte, dass sie in der Nähe der ungarisch-österreichischen Grenze ein Flüchtlingslager errichten wollen. Was wollen Sie dort machen, was wird es dort tatsächlich geben?

Die Situation ist, dass Brüssel will, dass wir Flüchtlingslager bauen. Also der Europäische Migrationspakt, obwohl wir dagegen gestimmt haben, wurde angenommen, und der Europäische Migrationspakt besagt, dass Ungarn Flüchtlingslager bauen und Zehntausende von Migranten aufnehmen muss, ohne dass es heute einen einzigen Migranten in Ungarn gibt. Ich bin also sehr stolz darauf, dass Ungarn eine Politik verfolgt, bei der wir heute Null, keinen einzigen Migranten haben. Und wir wollen auch keine haben. Aber Brüssel sagt, dass das nicht richtig ist, und dass wir sie hereinlassen und aufnehmen und Flüchtlingslager für Zehntausende von Menschen bauen sollen. Und wenn wir das nicht tun, werden wir bestraft. Ich werde das nicht umsetzen, Ungarn wird das nicht umsetzen, und deshalb mussten wir bisher eine Strafe von 200 Millionen Euro zahlen. Und jetzt müssen wir jeden Tag eine Million Euro zahlen, bis wir das umsetzen, was sie sagen, und wenn wir es nicht umsetzen, müssen wir eine Million Euro pro Tag zahlen. Ich schicke also das Geld nach Brüssel als Strafe, weil wir die Migranten nicht hereinlassen. Es ist eine Absurdität, es ist absurd, es ist eine Schande, ich kann nur das Schlimmste sagen. Und wir wollen auch kein Flüchtlingslager bauen. Jede Nachricht darüber, dass es ein Flüchtlingslager in Ungarn geben soll, ist eine Brüsseler Nachricht, die Brüsseler wollen es, und wir wollen es nicht. Was wir jetzt tun werden, ist, dass wir, wenn sie uns bedrängen und schikanieren, vielleicht ein paar Migranten hereinlassen werden, und wir werden sie sofort in einen Bus setzen, sie nach Brüssel bringen und sie den Führern der Europäischen Union auf dem Hauptplatz in Brüssel überreichen. Wenn ihr das wollt, bekommt ihr es…

Garantieren Sie, dass es an der österreichisch-ungarischen Grenze keine Migrantenlager, keine Flüchtlingslager geben wird?

Es wird dort ein Flüchtlingslager geben, wenn Brüssel Budapest besetzt, aber bis auf weiteres verteidigen wir Budapest.

Ich komme nun zur Europäischen Union. Sie haben bereits die drei großen Probleme der Europäischen Union genannt. Was sind die Lösungen?

Es gibt ein mit diesen gleichrangiges Problem, das wir nicht erwähnt haben, und das ist der Zustand der europäischen Wirtschaft. Denn es sieht so aus, als würde die europäische Wirtschaft an einer Lungenentzündung leiden. Es gibt also ernsthafte Probleme. Wir können es von hier aus sehen, ich denke, Sie können es von Österreich aus sehen, wir können es von Ungarn aus sehen, aber noch wichtiger ist, dass der Präsident Frankreichs, eines der größten Länder in der Europäischen Union, gesagt hat, dass, wenn wir uns nicht ändern, die Europäische Union in zwei oder drei Jahren aussterben wird, weil wir unsere Märkte verlieren werden. Und Herr Ministerpräsident Draghi, der auch Präsident der Europäischen Zentralbank und ehemaliger italienischer Ministerpräsident war, hat einen Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit verfasst, in dem er schwarz auf weiß niedergeschrieben hat, dass die europäische Wirtschaft kaputtgehen wird, wenn wir nicht dringend Änderungen vornehmen. Die Zeichen dafür, die Zeichen der Gefahr, die Zeichen der Verschlechterung, sind auch in der österreichischen Wirtschaft, in der deutschen Wirtschaft, an vielen Stellen sichtbar. Wir haben also ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit, wir müssen die europäische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Der Kern dieses Problems sind die Energiepreise. Denn die Politik, die Brüssel jetzt verfolgt, hat dazu geführt, dass die europäischen Unternehmen heute für die gleiche Energiemenge zwei- bis dreimal so viel für Strom und drei- bis viermal so viel für Gas bezahlen müssen wie beispielsweise amerikanische Unternehmen. So kann man in keinem Wettbewerb mithalten, es gibt keine Möglichkeit, dies zu kompensieren. Wir brauchen also eine neue Energiepolitik in Europa, sonst werden unsere Unternehmen bankrottgehen.

Die Geburtenzahlen gehen in ganz Europa seit Jahrzehnten zurück, und die ungarische Regierung kämpft mit hohen Subventionen für Familien dagegen an, aber selbst in Ungarn liegt die Zahl der Kinder pro Frau bei 1,5, was für die Bevölkerungsstabilität und die Nachhaltigkeit der Wirtschafts- und Sozialsysteme zu niedrig ist. Warum ist es mit den Subventionen bisher nicht gelungen, diese Zahl auf über 2 zu erhöhen? Und kann die Politik überhaupt etwas bewirken?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Und ich hoffe, dass ich Ihre Frage beantworten kann, aber das ist das schwierigste Thema, denn hinter einem solchen Phänomen, dass weniger Kinder geboren werden als Menschen sterben, weil die Situation so ist, dass mehr Menschen sterben als geboren werden, und deshalb die Bevölkerung schrumpft und das Durchschnittsalter der Lebenden steigt, so dass wir immer älter werden, nun, eine solche Situation entsteht nicht in innerhalb von zwei Tagen. Sie ist das Ergebnis eines kulturellen Prozesses. Es ist das Ergebnis von dreißig oder vierzig Jahren. Und die Frage ist: Wenn wir diesen schlechten Trend umkehren wollen, wie viele Jahre braucht man dazu? Wenn wir also, sagen wir, dreißig bis vierzig Jahre in den Wald gegangen sind, wie viele Jahre werden wir brauchen, um wieder aus ihm herauszufinden? Und ich denke, ein paar Jahre, vier bis fünf bis zehn Jahre, reichen nicht aus. Wir brauchen also zwanzig bis dreißig Jahre einer stabilen, familienfreundlichen Wirtschaftspolitik, um diese sich langsam entwickelnde Tendenzen umzukehren, denn wir müssen hier eine familienfreundliche Kultur aufbauen. Es ist nicht so, dass es mehr Kinder geben wird, wenn wir mehr Geld geben. Das funktioniert nicht auf diese Weise, das ist kein Automat, wir werfen das Geld rein, die Kinder kommen raus, darum geht es hier nicht. Sondern es gibt eine kulturelle Auffassung vom Leben, von der Familie, von unserem Leben, der Art und Weise, wie wir zusammenleben, darüber, was im Leben wichtig ist und was nicht. Wenn sich das nicht ändert, wird es nicht mehr Kinder geben. Wenn es sich ändert, wird es dann mehr Kinder geben. Je mehr wir das Leben respektieren, desto mehr Kinder werden geboren werden. Aber es wird mehr Zeit brauchen, und es wird eine kontinuierliche, stabile und vorhersehbare wirtschaftliche Unterstützung für Familien erfordern. Vor allem für junge Menschen, die gerade ins Leben starten, heiraten, ihr erstes Kind bekommen, damit sie eine Wohnung, einen Arbeitsplatz haben, sich sicher fühlen, so dass sie ihr Leben lieber als Familienmenschen leben möchten und nicht als Einzelpersonen, die entweder Kinder haben oder keine Kinder haben, die einen lebenslangen Partner und ein gemeinsames Leben und gemeinsame Kinder als zweitrangig ansehen. Das Umdenken, das wir brauchen, wird also, denke ich, zehn oder sogar zwanzig Jahre dauern. Wir müssen also weitermachen. Der Punkt ist, dass wir mit einer familienfreundlichen Politik weitermachen müssen, und dann werden wir sehen.

Und lieber eine familienfreundliche Politik als Einwanderung?

Sehen Sie, in Ungarn kommt das nicht in Frage. Wenn sich also ein Politiker in Ungarn hinstellen und sagen würde, dass er Einwanderung für eine gute Sache hält und dass die Probleme Ungarns durch die Aufnahme von Ausländern aus nichtchristlichen Kulturen gelöst werden sollten, wäre seine politische Karriere am nächsten Tag beendet. Die ungarischen Menschen akzeptieren das ganz einfach nicht. Die Ungarn sind also der Meinung, dass, wenn wir ein Problem haben, wir es auch lösen sollten. Menschen aus fremden Kulturen hierher zu holen, ist keine Lösung, denn in der Zwischenzeit – so denkt der Ungar, und er hat Recht – werden sie uns das Land wegnehmen. Sie werden den kulturellen Kontext des Landes verändern, wir werden unser Heimatgefühl verlieren. Man liebt ja sein Land und fühlt sich darin zu Hause. Aber wenn sich plötzlich alles um einen herum verändert, wenn Menschen kommen, die man nicht kennt, die einer anderen Religion angehören, die andere Sitten haben, dann bekommt man ein Gefühl der Entfremdung statt des Heimatgefühls. Sagen wir: Es ist, als wäre man an einem fremden Ort. Man will kein Tourist in seinem eigenen Land sein, man will zu Hause sein, und bei den Ungarn ist das sehr stark ausgeprägt. Die Ungarn sind ein sehr patriotisches und familienliebendes Volk, und deshalb ist es undenkbar, das demografische Problem in Ungarn mit Ausländern oder Fremden zu lösen.

Wie beurteilen Sie die gegenwärtige und zukünftige Rolle des Islam in der europäischen Gesellschaft?

Schauen Sie, es gibt zwei Arten von europäischen Ländern. In einigen gibt es große islamische Gemeinschaften, weil man sie hereingelassen hat, und es gibt jene, in die man sie nicht hereingelassen hat. Diejenigen, die sie hereingelassen haben, mühen sich nun mit der Frage ab, wie man die Frage des Zusammenlebens lösen könnte. Ungarn gehört nicht zu dieser Gruppe. Ungarn ist ein Land, das keine Menschen aus fremden Kulturen ins Land gelassen hat, deshalb finden sie in Ungarn Ungarn oder ausländische Christen. Daher haben wir kein Problem mit der Koexistenz mit Menschen aus dem Islam. Es gibt Arbeitnehmer, die in Ungarn arbeiten, Kebab-Verkäufer oder Kleinunternehmer, es gibt auch einige aus der Türkei, ihre Zahl ist sehr gering, und sie leben im Übrigen nicht getrennt von uns, sie leben mit uns, es gibt keinerlei separate islamische Kultur, die sie im Gegensatz zu den Einheimischen pflegen wollten. Wir haben also überhaupt kein solches Problem, es gibt keine Migration, wir stellen Ausländern nur so viele Arbeitserlaubnisse aus, wie es freie Stellen gibt, und wenn die Erlaubnis abläuft, müssen sie das Land verlassen. Wir haben uns also selbst geschützt. Deshalb haben wir kein islamisches Problem. Und die europäische Zivilisation muss mit der Tatsache rechnen, dass es zwei Seiten des Mittelmeers gibt, und es gibt mal mehr Kinder auf der einen Seite und mal mehr auf der anderen Seite. Und wir befinden uns in einer Zeit, in der auf der südlichen Seite des Mittelmeers, viel mehr Kinder geboren werden und auf der nördlichen Seite weniger. In solchen Zeiten gibt es immer eine Verschiebung, aber man muss sich schützen. Die Ungarn sind der Meinung, dass man sich selbst schützen muss. Die Deutschen und die Österreicher verteidigen sich nicht, soweit ich das sehen kann. Hier glaubt man aus irgendeinem Grund, dass, wenn wir große Gemeinschaften aus der islamischen Welt aufnehmen, eine neue Qualität des Zusammenlebens entstehen wird, die besser sein wird als jene zuvor. Wenn jemand so denkt, dann hat er das Recht dazu, Österreich gehört den Österreichern, Deutschland den Deutschen, und ich darf da nicht hineinreden, aber dass wir Ungarn denken, dass das Leben dadurch nicht besser, sondern schlechter wird, ist gewiss. Wir haben den Eindruck, dass die Kriminalität zunimmt, dass die Bedrohung durch den Terrorismus steigt, und die Wahrheit ist, dass der Antisemitismus zunimmt, dass die Homophobie doch zunimmt und dass die Gleichstellung der Frauen nicht gewährleistet ist. Wir wollen also kein solches Risiko eingehen; wer es eingehen will, soll es tun, aber niemand soll uns zwingen, das zu tun, was sie tun. Ungarn geht also seinen eigenen Weg. Wir sind eine Insel, eine konservative Insel in diesem liberalen europäischen Ozean.

Das wird von vielen in der Europäischen Union kritisiert. Können Sie sich vorstellen, dass Ungarn die derzeitige Europäische Union verlässt und eine alternative Wirtschaftsgemeinschaft mit anderen gleichgesinnten Staaten bildet?

Der größte Wert der Europäischen Union ist der Binnenmarkt, und es würde keinen Sinn machen, ihn zu verlassen. Das ist also eine große Sache. Es gibt eine Menge schlechter Dinge in der Europäischen Union. Zuallererst die Ideologie, dann die Missachtung der Nationen, die Einmischung in Dinge, der Wunsch, deiner Nation Befugnisse zu entziehen – all das ist schlecht, aber das ist Politik. Aber die Grundlage der Europäischen Union ist ein wirtschaftliches Konzept. Es geht darum, dass die Länder des europäischen Kontinents einen gemeinsamen Markt schaffen, weil das für alle gut ist, weil es der Wirtschaft aller hilft. Und so ist es auch. Ich bin also nicht der Meinung, dass Ungarn den gemeinsamen Markt der Europäischen Union nicht verlassen darf. Und wir nehmen viel politischen Unsinn in Kauf, um Teil des Marktes sein zu können. Deshalb ist unsere Idee nicht, den Markt zu verlassen, sondern lieber die Politik in Brüssel zu ändern. Deshalb haben wir in Brüssel eine Partei gegründet, die Patrioten für Europa, und wir wollen Brüssel besetzten und verändern, und den ganzen politischen Unsinn, Gender, die Pro-Migrations-Haltung, und wir wollen das alles aus dem Fenster werfen und endlich die Art von Politik in Brüssel haben, die die Menschen wollen. Was ein Wiener auf der Straße denkt, ein Ungar, der in Budapest oder in irgendeinem Dorf in Ungarn lebt, dieser erwartet von Brüssel, dass es ihm dient, und nicht irgendeiner abstrakten ideologischen These, wie es heute der Fall ist. Wir haben also die Nase voll von dieser Brüsseler Elite, die in einer Blase lebt. Das muss verändert werden. Deshalb arbeiten die Patrioten, deshalb haben wir heute eine Einigung mit der FPÖ erzielt, deshalb arbeiten wir zusammen.

Ja, das wäre meine nächste Frage gewesen, dass die Patrioten für Europa jetzt die drittstärkste Kraft im Europäischen Parlament sind, aber Sie sind immer noch der einzige Ministerpräsident. Und obwohl die FPÖ die Wahl gewonnen hat, wird sie wahrscheinlich nicht an der Regierung beteiligt sein. Was glauben Sie, was man unter diesen Umständen mit dieser Fraktion erreichen kann?

Ich hoffe sehr, dass so bald wie möglich auch noch andere kommen, denn das ist für mich ein unverhältnismäßig großer Aufwand an Arbeit. Ich habe meine Aufgaben zu Hause in Ungarn zu erledigen, aber wenn ich der einzige Ministerpräsident der Patrioten bin, bedeutet das natürlich eine Menge Arbeit für mich. Wenn wir zu zweit wären, wäre es nur halb so viel. Wenn wir zu viert wären, wäre es nur noch ein Viertel, es ist also klar, dass ich daran interessiert bin, dass es möglichst viele Ministerpräsidenten in der Parteienfamilie der Patrioten gibt. Wir haben Österreich nicht aufgegeben. Ich glaube, dass die FPÖ auf der Seite der Menschen steht, ich glaube, dass sich die Elite hier auch von den Menschen entfernt hat, und die FPÖ hat gute Chancen, früher oder später eine Mehrheit zu bekommen. Wir in der patriotischen Familie warten also auf einen Regierungschef aus Österreich. Wir denken, dass dieser Prozess auch bald in der Tschechischen Republik stattfinden wird, und ich frage mich, wie lange es die französische Regierung schaffen wird, und auch dort hoffen wir, dass früher oder später ein Premierminister aus Frankreich kommen wird, aus der Partei von Marine Le Pen. Und dann wären wir schon vier oder fünf, das würde die Dinge sofort ändern. Und wir haben die ECR, die europäischen Konservativen, an unserer Seite, mit denen wir zusammenarbeiten, und wir haben die italienische Ministerpräsidentin. Ich denke also, dass sich langsam diese neue Mehrheit, diese neue Mitte, die auf der Seite der Menschen steht, die gegen die Einwanderung ist, die für die Familie ist, die für den Frieden ist, die die Interessen der europäischen Menschen vertreten will, langsam herausbilden wird, und das wird sich auch in der Zahl der Ministerpräsidenten widerspiegeln.

Wird das aufhören, dass das linke politische Establishment die rechten Parteien ein wenig isoliert, und zwar in ganz Europa?

Nicht nur ein bisschen. Es ist mehr als das. Weil es niemanden kümmert, wenn sie uns isolieren, werden wir sie isolieren, und dann steht es eins zu eins. Aber darum geht es hier nicht. Es geht um etwas viel Schwierigeres. In Europa hat sich eine liberale Hegemonie etabliert. So haben sie in Europa eine Kultur geschaffen, die besagt, dass man kein Demokrat sein kann, wenn man nicht liberal ist. Jedem, der nicht liberal ist, wird das Recht verweigert, ein Demokrat zu sein. Wenn also zum Beispiel in Österreich oder Ungarn nicht die liberalen linken Parteien gewinnen, sondern die rechten Parteien, dann sagen sie, dass es mit der Demokratie vorbei ist. Wenn sie gewinnen, existiert die Demokratie. Wenn sie nicht gewinnen, gibt es keine Demokratie. Es handelt sich um eine hegemoniale Denkweise, die sich aus der Tatsache ergibt, dass ein großer Teil der europäischen Elite, ein großer Teil der europäischen Medien, ein großer Teil der europäischen Universitäten, ein großer Teil der europäischen Stiftungen, insbesondere gestärkt durch George Soros, der riesige Geldsummen in dieses System pumpt, ein Konzept entwickelt haben, dass jeder ein Liberaler sein muss. Wenn man kein Liberaler ist, hat man seine demokratische Legitimation verloren. Der Weg, dies zu ändern, besteht darin, sie zum Wettbewerb zu zwingen. Manchmal muss man sie besiegen. Und dann stellt sich heraus, dass der von ihnen gewünschte Ausschluss nicht funktioniert, und dann müssen auch sie sich dem Wettbewerb stellen. Denn ich glaube, Liberale haben auch einen Platz unter der Sonne. Niemand will sie ausgrenzen, wir wollen nur debattieren. Lassen Sie sie ihre Argumente vorbringen, lassen Sie uns unsere Argumente vorbringen, und die Menschen werden entscheiden. Wir wollen die Demokratie im Gegensatz zu der liberalen Hegemonie zurückbringen.

Obwohl sich das Wort „liberal“ sehr verändert hat, denn ich denke, mit „liberal“ meint man eher links oder…

Wissen Sie, das Wort liberal ist problematisch. Es bedeutet ja in jedem Land etwas anderes. Im Grunde ist es ja doch ein positives Wort, denn es bedeutet Freiheit, nicht wahr: „liberal”. Aber nachdem die Linken es übernommen hatten und sagten, dass jeder, der nicht genauso über Politik und die Welt denkt wie sie, die liberal sind, kein Demokrat sein kann, begann sich das Wort liberal langsam vom Positiven ins Negative zu verwandeln. Also vor dreißig Jahren war ich stolz darauf, dass ich ein Liberaler war, dass ich auf der Seite der Freiheit stand. Aber heute würde ich mich schämen zu sagen, dass ich ein Liberaler bin, denn das bedeutet, dass ich nicht auf der Seite der Freiheit stehe, nicht auf der Seite der Redefreiheit, nicht auf der Seite der Vielfalt, nicht auf der Seite des Pluralismus, sondern auf der Seite der liberalen Hegemonie. Der Inhalt hat sich also geändert. Deshalb ist in der ungarischen Politik liberal ein negatives Wort und Freiheit ein positives Wort. Wenn ich also Englisch sprechen würde, würde ich nicht liberal sagen, sondern Freedom. Und ich würde sagen: freedom based democracy. Und ich würde nicht sagen liberal democracy. Because a liberal democracy is not democracy anymore. But freedom based democracy is the real democracy. That’s how I would formulate in English.

Jetzt frage ich Sie nach dem Krieg in der Ukraine. Es gibt viele führende Politiker in Europa, die Sie für pro-russisch halten. Sind Sie wirklich pro-russisch, wie man sagt?

Ich bin kein Freund der Russen, ich bin ein Freund des Friedens. Ungarn hat seine Erfahrungen mit der Sowjetunion und den Russen gemacht. Das sind keine positiven Erfahrungen. Wir haben also im Laufe der Geschichte sehr viele Zusammenstöße gehabt. Hier haben wir gleich 1956. Sie werden also niemanden in Ungarn finden, der sagen würde, er sei ein Freund Russlands. Das ist historisch nicht möglich. Aber Sie werden eine Menge Leute finden, die sagen, dass der russisch-ukrainische Krieg ein Bruderkrieg ist, dass wir nichts damit zu tun haben und dass so schnell wie möglich Frieden herrschen sollte. Und die meisten Ungarn würden sagen, wenn schon ein Bruderkrieg ausgebrochen ist, weil die Russen und die Ukrainer einen Bruderkrieg gegeneinander führen, dann wollen wir verhindern, dass aus einem Bruderkrieg ein Weltkrieg wird, denn das würde auch uns betreffen. Deshalb sind die Ungarn für den Frieden. Für den Frieden zu sein, heißt also nicht, für Russland zu sein, sondern für den Frieden zu sein. Es liegt im Interesse Ungarns, dass die beiden Länder, die sich im Krieg miteinander befinden, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand schließen. Es sollten keine Menschen an der Front sterben und das Risiko einer Ausweitung des Krieges auf die Gebiete außerhalt der Ukraine sollte verringert werden. Das Risiko, dass dies geschieht, ist heute hoch. Ich möchte dieses Risiko verringern. Wir sind also auf der Seite des Friedens.

Wie müsste die Strategie der EU geändert werden, um den Krieg beenden zu können?

Zunächst einmal halten jetzt wir den Krieg am Leben. Diesen Krieg hat die Ukraine also bereits verloren. Dieser Krieg wäre also schon längst vorbei, wenn wir Westler ihn nicht am Leben erhalten würden. Wenn wir, der Westen, also sagen würden, dass wir von nun an eine friedensfördernde Politik betreiben, dass wir einen Waffenstillstand wollen, und nach dem Waffenstillstand Friedensverhandlungen, dann wäre das der Fall. Es liegt nur an uns. Die Ukraine ist ausgeblutet. Sie hat sich heldenhaft gewehrt, sie hat heldenhaft gekämpft, aber es ist klar, dass sie von der russischen Militärmacht überwältigt worden ist. Dieser Krieg wurde nicht nur von der Ukraine verloren, sondern von allen europäischen Ländern, die in diesen Krieg mit der Ukraine eingetreten sind. Dieser Krieg wurde von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, verloren. Sie hat die Europäische Kommission in diesen Krieg hineingezogen und sie hat die europäischen Institutionen in diesen Krieg hineingezogen. Wir sind diejenigen, die bedingungslos hinter der Ukraine stehen, anstatt auf der Grundlage europäischer Interessen Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand anzustreben. Was sich ändern muss, ist, in Brüssel nicht zu sagen, dass wir die Ukraine bedingungslos unterstützen, sondern zu sagen, dass wir einen sofortigen Waffenstillstand und nach dem Waffenstillstand Friedensverhandlungen fordern. Wenn Brüssel verändert aufträte, würde dies auch sofort geschehen. Brüssel wird sich jetzt nicht ändern, aber die Amerikaner werden es schon tun. Ich hoffe, dass Präsident Trump nach seiner Rückkehr auf einen Waffenstillstand statt auf Krieg setzt, wie er verspricht, und dass ein schneller Waffenstillstand das Töten beenden kann. Europa hat durch diesen Krieg nur verloren. Wir haben viel Geld verloren, viel Geld, Hunderte von Milliarden Euro. Bedenken Sie nur, was wir mit hundert Milliarden Euro hätten tun können, entweder hier, oder um die Migration zu verhindern, indem wie dieses Geld für die Entwicklung der Länder verwenden, aus denen die Migranten kommen, oder einfach nur, um die Infrastruktur hier in unserer Welt zu verbessern, die enorme Menge an Geld ist eine fantastische Möglichkeit, und wir haben all diese Möglichkeiten und all diese Mittel in die Ukraine geschickt. Wir haben einen großen Teil der Waffen verschenkt, ein großer Teil der europäischen Waffen befindet sich heute in der Ukraine. Wir haben, die Europäische Union hat eine Menge Kredite vergeben, Kredite, die die Ukrainer nie im Leben zurückzahlen werden, so dass es die Bürger von Wien, Österreich, Ungarn und anderen Mitgliedstaaten sein werden, die für diese Kredite, die niemals zurückgezahlt werden, bezahlen müssen. Wir sind also in einen wirtschaftlichen Bankrott hineinmarschiert und verlieren währenddessen den Krieg. Jemand muss also die Verantwortung dafür übernehmen, und diese Verantwortung liegt natürlich bei der Europäischen Kommission.

Und meine letzte Frage bezieht sich auf die Wahlen in den USA, die Sie bereits erwähnt haben. Die meisten europäischen Politiker sind der Meinung, dass es nicht gut für Europa wäre, wenn Trump gewinnen würde, und doch Sie drücken ihm die Daumen. Warum? Was würde sich unter einer Trump-Präsidentschaft ändern?

Schauen Sie, zunächst einmal müssen wir hier nicht herumraten, denn Donald Trump war bereits Präsident der Vereinigten Staaten. Wir wissen also, wie das ist. Wir wissen, dass er keine Kriege angezettelt hat, und wir wissen, dass er dort, wo es Konflikte gab, diese zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hat. Wir können also ruhig davon ausgehen, dass, wenn er wieder Präsident der Vereinigten Staaten wird, die Chancen für den Frieden steigen werden. Er wird sich für den Frieden einsetzen. Im Gegensatz zu Brüssel, das sich für den Krieg einsetzt. Wenn es in Washington einen Wechsel gibt, wird man sich für den Frieden, für einen Waffenstillstand einsetzen. Das ist wichtig für Europa. Hier sind wir uns also einig. Präsident Trump hat eine explizit migrationsfeindliche Politik, er ist der Meinung, dass sein Land geschützt und die illegale Migration gestoppt werden muss, anders als die derzeitige Politik in Brüssel. Auch hier können sich also die Amerikaner und wir hier in Mitteleuropa im Einklang wiederfinden. Und er betreibt eine Pro-Familien-Politik, er sagt auch, dass das Problem der Familien, das Problem des Bevölkerungswachstums, nicht durch Ausländer gelöst werden muss, sondern durch eine amerikanische Politik, die die Familien unterstützt. Das wird in Ordnung sein. Natürlich werden wir Debatten mit den Vereinigten Staaten haben, wie wir sie immer in Handelsfragen hatten. Wir werden uns also mit Präsident Trump zusammensetzen, und dann werden die Europäer und die Amerikaner verhandeln, und ich hoffe, dass wir eine gute Einigung erzielen werden. Das sind Fragen, die gelöst werden können. Aber das Wichtigste ist, dass wir nach den Neuwahlen in den USA, die in fünf Tagen stattfinden, einen friedensfreundlichen US-Präsidenten haben werden und nicht einen kriegsfreundlichen US-Präsidenten, wie wir ihn jetzt haben, und dadurch kann man auch in Brüssel die Politik verändern, und dann kann auch im russisch-ukrainischen Krieg ein Waffenstillstand folgen.

Glauben Sie, dass es Präsident Trump, falls er gewählt wird, gelingen wird, den Krieg in der Ukraine zu beenden?

Wenn es nur eine Person auf der Welt gibt, die das schaffen kann, dann ist er es.

Ich danke Ihnen!

Ich danke Ihnen auch!

FOLLOW
SHARE

More news