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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Sonntagszeitung” [„Vasárnapi Újság”] von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Guten Morgen! Die ungarische Wirtschaft schrumpfte im dritten Quartal um mehr als die erwarteten 0,7% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies wurde diese Woche vom ungarischen Zentralamt für Statistik bekannt gegeben. Den Daten zufolge war die schwächer als erwartete Leistung auch auf die Schwäche in der Industrie, im Baugewerbe und in der Landwirtschaft zurückzuführen. Ministerpräsident Viktor Orbán ist zu Gast in unserem Studio. Einen schönen guten Morgen!

Guten Morgen!

Sowohl Analysten als auch Regierungsvertreter führten die ungarischen Daten auf die schwache Leistung der deutschen Industrie auf. Die deutsche Wirtschaft wuchs jedoch, wenn auch nur geringfügig, um 0,2 %. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für die Schrumpfung der ungarischen Wirtschaft?

Ich habe eine andere Meinung als die allgemeine öffentliche Meinung oder das, was aus den Worten der sich äußernden Experten hervorgeht. Denn alle reden von der schlechten Leistung der Industrie. Aber an der Industrie gibt es nichts auszusetzen. Ungarn hat also ein fantastisches Niveau hinsichtlich der Industrieproduktion erreicht. Wenn wir uns also anschauen, was in den letzten 14 Jahren mit der ungarischen Industrie passiert ist, seit wir seit 2010 eine nationale Regierung haben, sehen wir eine enorme quantitative Verbesserung und eine enorme qualitative Entwicklung. Wir haben also die modernsten Autofabriken der Welt hier. Und jetzt sind es nicht mehr nur benzinbetriebene, mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos, sondern wir produzieren auch die modernsten Autos der Welt in Hinblick auf die Elektromobilität. Wir produzieren jetzt auch schon wichtige Komponenten für die Luftfahrtindustrie. Es gibt den Industriezweig der Aviatik in Ungarn. Die Militärindustrie, die nach der Luft- und Raumfahrt die zweitausgefeilte Industrie ist, hat in Ungarn riesige Kapazitäten geschaffen. Übrigens gibt es auch eine wachsende ungarische Leistung in der Raumfahrtindustrie, wir waren also schon immer stark in der Elektronik- und IT-Industrie, es gibt also nichts auszusetzen an der ungarischen Industrie. Unsere Fabriken sind modern, die meisten Manager sind heute bereits Ungarn, selbst in ausländischen Unternehmen, und wir haben fantastische Arbeiter, die diese Fabriken nach den höchsten Standards der Welt betreiben. Es ist also alles in Ordnung mit der Industrie, wie wir sie uns vorzustellen pflegen, mit der industriellen Produktion. Wir haben ein Handelsproblem. Diese Produkte müssten verkauft werden. Das ist das Problem. Und da es nur zehn Millionen von uns gibt, können die Produkte dieser riesigen Fabriken nicht von zehn Millionen Menschen konsumiert werden, denn wir produzieren für den gesamten Weltmarkt. Wenn es also ein Problem auf dem Weltmarkt gibt, und vor allem auf dem europäischen Markt, der uns am nächsten ist, und Deutschland ist in dieser Hinsicht interessant, dann schrumpft unser Kundenkreis. Und wenn es keine Kunden gibt, dann muss weniger produziert werden. Aber wir produzieren nicht weniger, weil wir nicht die Arbeitskräfte, die guten Fabriken, die technologischen Standards oder den Fleiß hätten, sondern einfach, weil es jetzt wenig Nachfrage dafür gibt. Die Weltwirtschaft ist also so, sie schwankt, sie ist jetzt so, aber dann wird sie sich ändern, und es wird eine riesige Nachfrage nach diesen Produkten, insbesondere nach Elektroautos und Batterien, in der Weltwirtschaft geben. Das wird im nächsten Jahr der Fall sein, und das wird nach dem derzeitigen Rückfall in der Konjunktur zu einem sehr starken, intensiven Wachstum im nächsten Jahr führen. Nach unseren Berechnungen wird es sicherlich um die dreieinhalb Prozent betragen, weil riesige Fabriken in Betrieb genommen werden. In den letzten Jahren hat Ungarn enorme Investitionen getätigt. Diese Fabriken werden nächstes Jahr die Produktion aufnehmen. Wenn wir aber Pech haben, wird der Handel einbrechen und wir werden vergeblich produzieren und unsere Produkte nicht verkaufen können. Aber wir gehen davon aus, dass die BMW-Fabrik im nächsten Jahr in Betrieb gehen wird, eine Fabrik von phantastischer Größe und mit modernster Technologie.

Große Batteriefabriken werden in Betrieb genommen, die chinesische Elektroautoproduktion läuft in der Region Szeged an. Das sind Industriekapazitäten, die, sobald sie zu produzieren beginnen, alle zum Wachstum beitragen werden, und da sie es ein Jahr zuvor nicht taten, werden sie im Vergleich zu 2024 das Jahr 2025 mit sich ziehen. Und wenn sich die Weltwirtschaft etwas erholt, was ich für möglich halte, wenn auch nicht von heute auf morgen, dann könnte sich auch die Lage in Europa verbessern, denn Europa ist der am schlechtesten gestellte unserer großen Empfängermärkte, und dann werden unsere Handelsprobleme gelöst sein. Außerdem macht dies auch darauf aufmerksam, dass wir wirtschaftliche Neutralität brauchen, denn unsere Produkte müssen irgendwo verkauft werden, und wenn sie nicht im Westen gekauft werden, sollen sie im Osten gekauft werden. Und deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur die eine Hälfte der Weltwirtschaft als Kunden haben, sondern auch die andere Hälfte. Andernfalls werden wir nicht in der Lage sein, unsere sehr hochwertigen Produkte zu verkaufen.

Ja, diese Situation hat auch Auswirkungen auf das Inland. An erster Stelle steht natürlich die schrumpfende Wirtschaft.

Nun, schauen Sie, dies muss man sich so vorstellen, dass es eine riesige Fabrik gibt, in der, sagen wir, Fahrzeuge hergestellt werden. Wenn es auf dem Weltmarkt eine Nachfrage gibt, wird in drei Schichten gearbeitet, wenn es keine oder weniger Nachfrage gibt, wird in zwei Schichten gearbeitet, und wenn es noch weniger Nachfrage gibt, wird in einer Schicht gearbeitet. Das bedeutet, dass die Menschen, die dort arbeiten, in solchen Zeiten, in denen sie beurlaubt werden, zu Hause bleiben, und das schlägt sich sofort in der Leistung der Industrie und in den Wirtschaftsdaten nieder.

Ja, das ist ein Teil davon. Und Sie haben erwähnt, dass sich das Ziel der Regierung für das Wachstum im nächsten Jahr nicht ändert, ebenso wenig wie die Lohnziele. So ist die Anhebung des Mindestlohns auf 400.000 Forint und des Durchschnittslohns auf 1 Million Forint das Ziel der Regierung für den nächsten Zeitraum.

Aber auch hier bin ich etwas vorsichtiger.

Und es scheint, dass auch die Arbeitgeber nach der Veröffentlichung der BIP-Daten vorsichtiger sind. Was müssen die Arbeitgeber tun, um diese Löhne zu erwirtschaften?

Zunächst einmal gibt es jetzt einen neuen Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK). Diese Woche wurde ein neuer Vorsitzender gewählt. Wir sollten auf jeden Fall mit ihm in Kontakt treten, denn die Industrie- und Handelskammer war der wichtigste Wirtschaftspartner der ungarischen Regierung in Bezug auf Wirtschaftswachstum, Löhne und Arbeitsplätze. Und sogar für die Berufsausbildung. Also die bedeutenden wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten 14 Jahre, denn unabhängig von den politischen Debatten bestreitet niemand, dass dies eine andere Wirtschaft ist als die, in der wir 2010 lebten. Ein großer Teil dieser Errungenschaften geht auf das Konto der Industrie- und Handelskammern. Sie haben sehr viele Vorschläge für uns entwickelt, sie haben zu vielen unserer Vorschläge Stellung genommen. Und jetzt, da wir nach László Parragh, mit dem wir hervorragend zusammengearbeitet haben und dem ich meinen Dank schulde, einen neuen Vorsitzenden haben, möchten wir diese Beziehung mit dem neuen Präsidenten aufrechterhalten. Das hängt insofern mit den Löhnen zusammen, als ich die Regierung immer davor warne, zu sagen, wie hoch der Durchschnittslohn in der Wirtschaft sein sollte, wie hoch das Lohnniveau sein sollte. Denn die Menschen, die das wirklich sagen können, sind die, die tagtäglich in der Wirtschaft arbeiten. Wir, als Regierung, wir arbeiten auch, aber wir regulieren die Wirtschaft. Die Arbeiter und die Kapitaleigentümer halten sie am Laufen. Das ist ein großer Unterschied. Und was sich die Wirtschaft in Bezug auf die Löhne leisten kann, mit anderen Worten, was ein Unternehmen noch zahlen kann und was das Lohnniveau ist, das es in den Ruin treibt, kann nicht von einem Schreibtisch aus gesagt werden, sondern von den Menschen, die in der Wirtschaft arbeiten und sie betreiben. Und es besteht kein Zweifel daran, dass es einen Interessenunterschied zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geben kann. Sagen wir, zwischen den Kapitaleignern und den Arbeitnehmern. Aber die Verhandlungen, die Schlichtungsverhandlungen, sind ja dazu da, um eine Einigung zwischen ihnen darüber zu erzielen, was sie noch aushalten können. Die Arbeitnehmer haben auch berechtigte Forderungen, und die Unternehmer wollen keine Löhne zahlen, die dazu führen würden, dass das Unternehmen Pleite geht und schließen muss. Das wäre auch für die Arbeitnehmer nicht gut. Sie sind also am besten in der Lage, diese komplexe Interessenverflechtung bei Lohnverhandlungen abzubilden. Es ist ja nicht so, dass jemand von der Regierung aus Budapest kommt, in seinem schicken Anzug die Hand hebt und sagt, ich schlage nicht fünf, sondern sechs vor, oder nicht sechs, sondern sieben. So funktioniert das also nicht. Es gibt Politiker, die so etwas sagen, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen, dass sie keine Ahnung davon haben, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert. Es muss also eine Einigung erzielt werden. Und die Regierung hat nur so viel zu tun, dass sie, wenn diese Einigung zustande kommt, sie genehmigt. Und es kommt auch vor, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen und die Regierung bitten, zum Beispiel die Steuern zu senken, damit sie sich höhere Löhne leisten können. Der vorherige sechsjährige Tarifvertrag, der gerade ausgelaufen ist, sah so aus. Auch ich habe an diesen Verhandlungen teilgenommen. Wir konnten dort helfen, der Haushalt war in guter Verfassung, wir konnten mit Steuersenkungen helfen, um die Tarifverträge zu unterstützen. Jetzt wird auch verhandelt, und es wird Vereinbarungen geben sowohl für 2025, als auch für 2026 und 2027. Ich möchte, dass die Vereinbarungen nicht nur für ein Jahr gelten, sondern für einen möglichst langen Zeitraum, mindestens drei Jahre, so dass wir dann eine vorhersehbare, planbare Lohnzunahme haben. Ich wiederhole es also, die Regierung hat hier eine Verantwortung, denn sie reguliert die Wirtschaft, aber sie betreibt sie nicht. Und diejenigen, die sie betreiben, müssen zu einer Einigung kommen.

Sie erwähnten, dass Sie bei den Zielen vorsichtiger sind. Was bedeutet das genau? 

Ich weiß nicht genau, was für eine Lohnerhöhung sich ein kleiner und mittlerer Unternehmer im Jahr 2025 leisten kann. Deshalb bin ich vorsichtiger. Nicht, was die Höhe betrifft. Ich würde auch jeden ermutigen, so hohe Löhne wie möglich zu zahlen. Mein Zweifel liegt also nicht hier, sondern darin, wie sich die Regierung verhalten sollte. Und ich schlage ein vorsichtiges Verhalten vor. Es sollte also nicht der Eindruck entstehen, und schon gar nicht sollte es die Realität sein, dass die Regierung vorschreibt, wie hoch die Löhne sein sollen, sondern dass diejenigen, die die Wirtschaft am Laufen halten können, eine Einigung erzielen.

Die erste der angekündigten Maßnahmen war der Arbeiterkredit, dessen Einzelheiten diese Woche vorgestellt wurden. Es handelt sich um ein Darlehen von bis zu vier Millionen Forint. Er steht Personen zwischen siebzehn und fünfundzwanzig Jahren offen, also Personen, die keinen Anspruch auf einen Studienkredit haben, aber erwerbstätig sind. Was ist der Zweck dieses Programms? Warum wurde gerade diese Gruppe anvisiert?

Ich kann ehrlich sagen, dass ich mich schon sehr lange darauf vorbereitet habe. Ich hatte das Glück, nach der Mittelschule an die Universität gehen zu können. Damals gab es natürlich noch keine Studienkredite. Aber ich habe einen Abschluss gemacht. Damals kamen weniger Leute an die Universität, aber ich habe diesen Weg bis zum Ende gegangen. Aber ich habe tolle Leute kennen gelernt, wirklich tolle Leute in der Mittelschule, und wenn auch nicht im Gymnasium, dann in der Fußballmannschaft von MÁV Előre, in der Umkleidekabine und im Gemeinschaftsleben der Schüler in Fehérvár. Die übrigens auch die Berufsschule und die Fachmittelschule besucht haben. Das waren hervorragende Jungs, und ich hatte das Gefühl, dass ich auf die Universität gehen würde, und ich sah, dass ich dort ein Leben vor mir hatte, dass ich, wenn ich die Universität abschließen würde, wahrscheinlich mehr verdienen würde als die, die das nicht taten. Früher war das eher der Fall, aber auch heute gibt es einen mehrfachen Unterschied. Ich sehe das so, dass der Durchschnittslohn für Leute mit einem Hochschulabschluss etwa eineinhalb Mal so hoch ist wie bei Leuten, die manuelle Arbeit verrichten. Und das Studiendarlehen, das auch unser Kind ist, wenn ich das so sagen darf, weil wir es während der ersten nationalen Regierung eingeführt haben, nach 1998, zwischen 1998 und 2002, und es hilft ja Universitätsstudenten. Leuten wie uns, könnte ich sagen. Ungefähr 20.000 Studenten haben heute Studienkredite, und weitere 30.000 zahlen sie zurück, sie haben also schon ihren Abschluss gemacht. Wir haben in den letzten Jahren ungefähr 50.000 Studenten geholfen, zu studieren und einen Abschluss zu machen. Und ich hatte immer ein Gefühl des Mangels. Aber was ist mit den anderen? Nun, nicht jeder geht zur Universität. Was ist mit den malochenden jungen Kumpels, wenn ich das mal so sagen darf, mit denen ich mich früher in der Umkleidekabine umgezogen habe, mit denen ich das Schülerleben in Fehérvár gelebt habe, also was ist denn mit denen? Und es stimmt, dass sie früher anfangen zu arbeiten als ein Universitätsstudent, also fangen wir später an zu verdienen als junge Leute, die eine Berufsschule und eine Berufsakademie besucht haben. Aber trotzdem müssen auch sie anfangen, und der Anfang ist auch für sie schwierig. Ich habe also sehr lange darüber nachgedacht, wie der Arbeiter irgendwie, um eine alte Sprache zu verwenden, so eine sozialistische Sprache, was man den jungen Arbeitern als Starthilfe für das Leben geben könnte. Und es ist keine einfache Geschichte, es ist nicht einfach, das sich auszudenken, denn man muss es an einen Job binden, denn natürlich wollen wir nicht die Faulen unterstützen, und wir wollen auch nicht denen helfen, die nicht arbeiten wollen. Aber die Mehrheit ist nicht so. Die Mehrheit will arbeiten, einen Beruf erlernen und ihren Beruf ausüben. Und früher oder später müssen sie auf eigenen Füßen stehen. Da sind die Wohnungsprobleme, die die Menschen plagen. Ich sehe auch, als ob die Partnerbeziehungen später entstehen würden. Kinder werden später geboren. Der Start ins Leben verzögert sich also. Und ich denke, das hat neben dem kulturellen Kontext auch finanzielle Gründe. Es ist schwer, ein unabhängiges Leben zu beginnen, es ist schwer, auf eigenen Füßen zu stehen, weil es keine solche Hilfe gibt. Und jetzt sehe ich, dass wir es geschafft haben, das uns auszudenken. Es gibt etwa 300.000 junge Menschen, die entweder ab dem sechzehnten oder achtzehnten Lebensjahr arbeiten oder noch einen Beruf erlernen und bis zum fünfundzwanzigsten Lebensjahr beginnen zu arbeiten. Und dieser Kredit für Arbeiter soll jungen Menschen zwischen siebzehn und fünfundzwanzig Jahren, die arbeiten, eine einmalige Chance geben, ihr Leben zu beginnen. Es handelt sich um ein Darlehen von vier Millionen Forint. Wir sind dafür, dass dieses Darlehen praktisch zinsfrei sein soll, denn es ist nicht nur schwierig, Geld zu bekommen, weil man es entweder zurückzahlen kann oder nicht, sondern man muss nicht so viel zurückzahlen, wie man erhalten hat, sondern man muss Zinsen zahlen. Und dies ist zinslos, es läuft zehn Jahre, und wenn man in der Zwischenzeit Kinder hat, kann man nach dem ersten Kind die Rückzahlung für zwei Jahre aussetzen, nach zwei Kindern kann man sie für weitere zwei Jahre aussetzen und bekommt die Hälfte des Betrags erlassen, und wenn man drei Kinder hat, wird der ganze Betrag erlassen. So ist das Gesamte: junger Mensch, Arbeitnehmer, Familie, Kind und Ehefrau miteinander verbunden. Also zeichnet sich hier vor einem ein ganzes Lebensbild ab, wenn man sich das vorstellt. Ich bin also sehr froh, dass Ungarn endlich den Punkt erreicht hat, an dem es nicht nur junge Menschen, die studieren, sondern auch junge Menschen, die arbeiten, unterstützen kann.

Über den Arbeitnehmerkredit hinaus wollen wir nun die gesamte Politik der wirtschaftlichen Neutralität und die neue Wirtschaftspolitik ein wenig in die Alltagssprache übersetzen. Denn wir haben viel über die Ziele und die Strategie dahinter gesprochen, aber wie werden sich Familien und Unternehmen im Alltag fühlen? Wie wird es für sie einfacher sein?

Die Unternehmen sind unterschiedlich. Nach der traditionellen Klassifizierung gibt es ja große, mittlere und kleine Unternehmen. Und dann gibt es noch die Kleinstunternehmen. Ich denke, die großen Unternehmen sind in Ordnung. Die Entwicklung der letzten 14 Jahre hat aber doch die großen Unternehmen gestärkt. Die großen industriellen Produktionskapazitäten sind aufgebaut worden, die großen Dienstleistungszentren sind ausgebaut worden. Das kann man überall sehen. Es sind nicht mehr nur MOL und OTP, wie es früher der Fall war, sondern jetzt ist Richter auch schon sehr stark, die Bauunternehmen sind sehr stark, und unsere IT-Unternehmen sind sehr stark. Wir haben also das, was wir einen Club der Champions nennen, einen Club großer Unternehmen, die nicht nur im Inland, sondern auch international stark sind und bestehen. Vergessen wir nicht, dass wir im Kongo, sagen wir, eine Straße bauen, dann werden wir bald zwischen Afrika und Europa, wenn alles stimmt, ein Telekommunikationskabel verlegen. Ungarische Unternehmen machen also im Ausland ganz erstaunliche Dinge, die über die üblichen Bürogebäude und die Lebensmittelindustrie hinausgehen. Sie sind also in Ordnung. Die Herausforderung für mittelständische Unternehmen besteht darin, in den internationalen Raum vorzudringen. Ich werde Ihnen ungefähre Zahlen nennen. Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir 2010 dreitausend Unternehmen, dreitausend mittelständische Unternehmen, die im internationalen Raum auf ausländischen Märkten unterwegs waren. Jetzt sind es fünfzehn- bis sechzehntausend. Also sind auch die mittelständischen Unternehmen auf einem guten Weg, denke ich. Diejenigen, die es tatsächlich schwer haben, und das ist nicht nur bei uns so, sondern überall auf der Welt, sind die kleineren Unternehmen. Deshalb richtet sich unser aktuelles Programm, das Sándor-Demján-Programm, an die Kleinen. Und es hilft ihnen, Zugang zu Kapital zu bekommen. Denn es ist sehr schwierig für jemanden, der aus fünf Forint arbeitet, an den Punkt zu kommen, an dem er aus zehn Forint wirtschaften kann. Und wir werden ihnen helfen, indem wir einspringen, der Staat wird mit einem Einlagekredit einspringen, wenn er will, für jeden, der sich für dieses Programm bewirbt, und mit einem Kredit in Form einer Art Kapitalzufuhr als Mitgliederdarlehen können wir plötzlich die Größe des Unternehmens erhöhen, und das wird auch die Möglichkeiten für effiziente und gut funktionierende Unternehmen erweitern. Das hat es in Ungarn noch nie gegeben. Das ist etwas völlig Neues. Wir versuchen eine neue Wirtschaftspolitik. Die Welt verändert sich so schnell, es gibt alles Mögliche, vom Krieg bis hin zu allen möglichen Dingen, und das brauche ich hier nicht aufzuzählen. Jeder spürt, dass wir uns in etwas Neuem befinden, und in dieser neuen Situation wird die alte Wirtschaftspolitik nicht mehr funktionieren. Wir brauchen eine neue Wirtschaftspolitik. Wir müssen Dinge tun, die wir bisher nicht getan haben. Der Arbeiterkredit ist auch eines davon. Aber auch dieses Programm für Kapitalzuschüsse für kleine Unternehmen. Ich glaube also, dass, wenn es einen unternehmerischen Antrieb in den kleinen Unternehmen gibt, sie sich in das Sándor-Demján-Programm einschalten können, und dann werden sie in der Lage sein, ein schnelles, ungewöhnlich schnelles Wachstum zu zeigen. Und jetzt haben wir auch die Ausschreibungen der Europäischen Union angekündigt, und auch hier gibt es alle möglichen Schauermärchen, dass es so oder so kein Geld gibt. Natürlich gibt es das. 12 Milliarden Euro, das sind, wenn ich das mit 400 multipliziere, 4.800 Milliarden Forint auf unserem Konto, die auf Unternehmer warten, die dieses Geld für eine sinnvolle Entwicklung nutzen wollen. Einige dieser Ausschreibungen sind bereits erfolgt, andere werden in Kürze erfolgen. Kleine und mittlere Unternehmen werden also in der nächsten Zeit Zugang zu Unterstützung und Ausschreibungen haben, so dass der Charakter des drei- bis dreieinhalbprozentigen Wachstums im kommenden Jahr nicht darin bestehen wird, den großen Unternehmen beim Wachsen zuzusehen und die Wirtschaft zu stärken, sondern darin, dass sie in der Lage sein werden, sich einzubringen, teilzunehmen und Teil des Wachstums zu sein. Die guten Auswirkungen des Wirtschaftswachstums werden aufgrund von Lohnerhöhungen auch an die Arbeitnehmer und an kleine Unternehmen weitergegeben. Ich erwarte also ein fantastisches Jahr. Jetzt ist noch alles im Nebel gefangen, und darin, dass das GDP im dritten Quartal abgenommen hat. Natürlich liegen wir auf Jahresbasis immer noch unter dem Durchschnitt der Europäischen Union, aber ich sehe die Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden, und ich kann mir vorstellen, wie sie sich im kommenden Jahr auswirken werden, und deshalb muss ich mit aller Zurückhaltung sagen, dass uns ein fantastisches Jahr 2025 bevorsteht.

Natürlich gibt es einen geopolitischen Raum, in dem diese Wirtschaftspolitik umgesetzt werden muss, wie wir eingangs sagten, und deshalb sind die US-Präsidentschaftswahlen am Dienstag unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung. Wie könnte der Umstand die ungarische Wirtschaftspolitik oder den geopolitischen Raum um uns herum beeinflussen, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein wird?

Wir haben eine starke Woche vor uns. Eine starke Woche für die Geschichte der gesamten westlichen Welt. Vor einer Woche hatte ja die östliche Welt einen Gipfel. Es gab einen Weltgipfel, ich glaube in Kasan. Das sind die Länder, die BRICS genannt werden. China, Russland, Brasilien, Südafrika. Sie haben sich jetzt erweitert, es sind jetzt mehr, etwa zehn Länder, und sie haben sich in Kasan versammelt. Das war die Weltwirtschaft des Ostens. Das ist nicht zu unterschätzen, denn vor zwanzig Jahren wäre das keine ernstzunehmende Nachricht gewesen, aber heute müssen wir sagen, dass diese Länder einen größeren Anteil an der Weltwirtschaftsleistung haben als die westliche Weltwirtschaft. Die Ostländer haben sich also zusammengesetzt und beschlossen, was sie tun werden. Und nächste Woche kommen also in Ungarn die westlichen Länder zusammen. Nächste Woche findet also in Budapest ein westliches Weltgipfeltreffen statt. Wir werden etwa vierzig europäische Staats- und Regierungschefs zu Gast haben. Dies ist das größte diplomatische Ereignis in der Geschichte Ungarns. Ich weiß, dass es mit Unannehmlichkeiten verbunden sein wird. Ich entschuldige mich im Voraus, vor allem bei denjenigen unter Ihnen, die in Budapest leben. Aber auch der Verkehr auf dem Flughafen wird nicht einfach sein. Aber es werden letztlich doch 45-47 Staats- und Regierungschefs hier sein. Nicht nur die EU-Staats- und Regierungschefs, die Deutschen, die Franzosen, die Niederländer, sondern auch die Briten, die nicht der EU angehören, und die Türken, die Kaukasier, die Länder des nördlichen und westlichen Balkans. Es wird also ein westliches Gipfeltreffen sein, bei dem wir uns mit zwei Dingen befassen müssen. Die Präsidentschaftswahlen in den USA werden nur zwei Tage zuvor geschehen, und die europäische Wettbewerbsfähigkeit, die sich derzeit in einem ziemlich schlechten Zustand befindet und abnimmt, diesen Trend muss man umkehren. Wir erwarten auch den ehemaligen italienischen Herrn Ministerpräsidenten Draghi, den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, weil er eine große Studie zu diesem Thema geschrieben und Vorschläge formuliert hat. Auch diese werden wir hier in Budapest diskutieren. Am spannendsten wird aber zweifellos die US-Präsidentschaftswahl sein. Ich habe zu Beginn des Jahres gesagt, nicht aufgrund irgendeiner zufälligen Überlegung, sondern aufgrund der Deutung der Vorzeichen, dass das Kräfteverhältnis in der westlichen Welt am Ende des Jahres ein ganz anderes sein wird, als das, in dem wir uns zu Beginn des Jahres befanden. So habe ich es zuerst in der Rede zur Lage der Nation gesagt. Und genau das ist eingetreten, denn die Europawahlen haben zur Bildung der Patriotischen Fraktion im Parlament geführt, eine neue Kraft ist in Europa entstanden, die, wie ich glaube, bald die Mehrheit stellen wird, und in Amerika dreht sich der Wind. Die Demokraten gehen, die Republikaner kommen. Donald Trump wird wieder Präsident werden. Und das bedeutet, dass bis zum Ende des Jahres die politischen Kräfte im Westen, die für den Frieden sind, in der Mehrheit sein werden. Heute gibt es im Westen eine Mehrheit, die für den Krieg ist. Nach den US-Wahlen wird es meiner Meinung nach eine Mehrheit für den Frieden geben. Heute gibt es in der westlichen Welt eine Pro-Migrationspolitik. Nach den US-Wahlen wird es mit den Patrioten hier in Europa eine migrationsfeindliche Mehrheit im Westen geben, die die Migration abschaffen will. Und heute gibt es in der westlichen Hemisphäre auch in Bezug auf die Gender-Frage, in Bezug auf die Zerstörung der traditionellen Familie und der Propagierung dieser neuen Formen des Zusammenlebens eine Pro-Gender-Welt. Das wird sich ab nächsten Dienstag ändern, und die Patrioten und Donald Trump in Amerika werden gemeinsam eine traditionelle Pro-Familienpolitik betreiben. Es steht also ein großer Wandel in der westlichen Welt bevor. Es gibt eine neue Mitte, glaube ich. Es gibt eine neue Mehrheit. Die große Mehrheit der Menschen ist für den Frieden, gegen die Migration und gegen Gender. Das sind die Kräfte, die wir, Patrioten, in Europa repräsentieren, und ich denke, das sind die Kräfte, die am Dienstag in den Vereinigten Staaten an die Regierung kommen werden.

Wie kann Europa, auch Europa im weiteren Sinne, wenn wir wirklich von der europäischen politischen Gemeinschaft sprechen, auf diese neue Situation reagieren? Denn in dieser Woche haben Sie an einer Gesprächsrunde mit dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder teilgenommen, wo Sie sagten, dass sich beispielsweise die Amerikaner und die Russen früher oder später in der Frage des Krieges verständlich machen und die Sprache der Gewalt sprechen werden. Aber wo ist der Platz Europas bei all dem?

Nun, es liegt an uns Europäern. Was wir jetzt machen, würde ich sagen, da ist unser Platz in der Ecke. Dort auf dem Hocker, da müssen wir sitzen, wir sitzen auf dem Hocker in der Ecke. Während die Herren im Sessel sitzen und miteinander verhandeln. Ich meine damit die Amerikaner und die Russen. Das ist die Situation heute. Wir müssen uns also zusammenreißen, wir müssen das in Budapest machen, und wir müssen begreifen, dass, wenn es in Amerika einen friedensfreundlichen Präsidenten gibt, was ich nicht nur glaube, sondern ich lese die Zahlen so, aber wir werden es am Dienstag sehen. Ich lese die Zahlen anders als das, was ich normalerweise in Ihrem Radio oder im ungarischen Radio höre, dass es ein knappes Rennen ist. Das ist nicht das, was ich sehe. Wenn also das eintritt, was wir erwarten, und Amerika sich für den Frieden einsetzt, kann Europa nicht auf der Seite der Kriegsbefürworter bleiben. Die Last dieses Krieges, in den sich Europa meiner Meinung nach in unverantwortlicher Weise hineingestürzt hat und in den die Führer der europäischen Institutionen Europa hineingezogen haben, kann Europa ganz einfach nicht allein tragen. Wenn die Amerikaner zum Frieden übergehen, dann müssen wir uns auch anpassen. Das werden wir in Budapest besprechen.

Ich befragte Ministerpräsident Viktor Orbán zur Lage der ungarischen Wirtschaft, zur Bedeutung der Präsidentschaftswahlen in den USA und zum diplomatischen Hochbetrieb der nächsten Woche.

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