Als ich diesen Saal betrat, klang mir ein Lied aus meiner Jugend in den Ohren: „Sterne, glänzet nicht, Sterne, ich werde blind.“ Ich grüße die Athleten, ihre Trainer, ihre Leiter, alle, die diesen Sport der Ungarn groß gemacht haben. Mein zweiter Gedanke, als ich das Gebäude sah, war: Wenn wir schon etwas tun, dann sollten wir es auch ernsthaft tun. Wir sind schließlich eine Nation, die man einst vom Erdboden verschwinden lassen wollte, also muss sie mit jeder ihrer Gesten beweisen, dass sie lebendig ist und es verdient, zu existieren. Wenn sie also etwas tut, dann soll sie es ernsthaft machen. Wenn sie eine Akademie baut, dann sollte diese Akademie von Weltniveau sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich begrüße Sie recht herzlich. Danke, dass Sie mich eingeladen haben. Ich danke Ihnen, dass ich heute hier bei Ihnen sein darf. Wir haben eine starke Woche hinter uns und es ist erst Samstag. Diese Woche hatten wir eine Debatte in Straßburg, und wir haben auch die ständige Ausstellung des Museums für Völkerkunde eingeweiht. Debatten sind ein faszinierendes Genre, aber sie sind nur nützlich, wenn wir am Ende auch zu etwas kommen, und das ist immer seltener der Fall. Ich bin sicher, Sie bevorzugen Anlässe wie heute, wenn etwas Großes, etwas Zukunftsweisendes, etwas Vorwärtsgewandtes zustande kommt oder gerade beginnt. Von hier aus gesehen ist die Bilanz dieser Woche für die Ungarn positiv: Wir haben die Dauerausstellung des Museums für Völkerkunde eröffnet, und wir können endlich das neue Zentrum der Nationalen Kajak-Kanu-Akademie Katalin Kovács in seiner ganzen Pracht einweihen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir Ungarn haben eine besondere Beziehung zum Wassersport. Ich glaube nicht, dass jemand weiß, warum das so ist. Obwohl wir schöne Flüsse und wunderbare Seen haben, liegt Ungarn mitten auf dem Festland. Trotzdem waren Wasserball, Schwimmen und Kajak- und Kanufahren schon immer die Aushängeschilder des ungarischen Spitzensports. Seit Kurzem messen wir uns auch auf dem offenen Meer, und unsere Segelboote schlagen sogar die Teams der großen Seefahrernationen. Geben wir es zu, es ist fast ein Wunder. Aber Erfolge hin oder her, die letzten Olympischen Spiele haben gezeigt, wie leicht es ist, die oberste Stufe des Podiums zu verpassen. Ein tschechischer Held kam daher, riss sich zusammen und lief eine Strecke, wie sie die Welt schon lange nicht mehr gesehen hat. Die Lektion ist einfach: Wir müssen mit der Weltspitze mithalten, nicht nur auf der Bahn, nicht nur im Wasser, sondern auch in der Qualität unserer Vorbereitung und in der Qualität unserer Sportstätten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Katalin Kovács!
Wir hören oft, dass es auf die Teilnahme ankommt, nicht auf das Gewinnen. Ich würde es anders ausdrücken: Ohne Teilnahme kann man nicht gewinnen. Mitmachen bedeutet, den Sport zu einem Teil unseres Lebens zu machen. Man muss in langfristige Arbeit investieren, und wenn jemand weiß, was langfristige Arbeit ist, wie man durch jahrelanges hartes Training das Beste aus sich herausholt, dann ist es die Grande Dame des ungarischen Kajak-Kanusports, Katalin Kovács.
Liebe Anwesende!
Mit 31 Weltmeistertiteln ist Katalin die erfolgreichste Kajakfahrerin der Welt. Außerdem hat sie 29 europäische Titel und drei olympische Goldmedaillen gewonnen. Sie begann ihre Kajak-Karriere im Alter von 11 Jahren im Jahr 1987 im Verein Spartacus und hat sich im Laufe der Jahre zu einer wahren Gladiatorin entwickelt. Ich erspare Ihnen eine Aufzählung all der Erfolge und Meilensteine in der Karriere unserer großen Sportlerin, wir müssten hier bis tief in die Nacht sitzen. Aber ich möchte daran erinnern, dass Frau Katalin Kovács, als sie gefragt wurde, was sie ihrem Erfolg verdankt, sagte: „Als Kind habe ich nicht wegen großer Träume trainiert, sondern ich bin wegen der guten Gemeinschaft bei diesem Sport klebengeblieben.“ Ich habe auch irgendwo von ihr gelesen: „Ich hatte immer den Gedanken, dass ich mich nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen sollte. Ich bin kein unzufriedener Mensch, aber ich glaube, dass man die Messlatte immer höher legen kann, um sich zu verbessern.“ Die Gemeinschaft und die als persönliche Ambition aufgefasste Unzufriedenheit. Da stehen die beiden wichtigsten Triebfedern für den Erfolg vor uns. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Zukunft der ungarischen Kajak- und Kanusportler in der Akademie von Katalin Kovács in guten Händen sein wird. Denn ohne Gemeinschaft, meine Damen und Herren, gibt es nicht nur keinen Wassersport, sondern auch keine Nation. Deshalb ist auch Pál Schmitt, den ich begrüße, unser Präsident der Republik geworden. Danke, dass Sie hier bei uns sind. Das ist der Zusammenhalt, den seine Arbeit zum Ausdruck gebracht hat. Deshalb ist es nicht gleichgültig, mit welchem Erfahrungsschatz in ihrem Sack die nächste Generation im Erwachsenenalter ankommt.
Unsere Kinder leben heute in einer zunehmend isolierten Welt, noch dazu unter ständiger Überwachung und Anleitung. Die große kameradschaftliche Freiheit, mit der wir aufgewachsen sind, gibt es kaum noch. Das größte Dilemma der Eltern ist die Frage, wie wir das Versäumte nachholen können. Auch wenn die Welt, in der meine Generation aufgewachsen ist, nicht mehr nachgebildet werden kann, so verlangen die Erfordernisse der Zeit doch, dass Gemeinschaft, kollektive Anstrengung, körperliche Kraft und Geschicklichkeit im Leben der Kinder weiterhin präsent sind. Und der Sport ist der beste Weg, dies zu erreichen. In der Gemeinschaft kann Sport getrieben werden, und in der Gemeinschaft wird die Leistung gemessen. Das gibt es nicht, dass man in seinem Kopf schneller rennt als alle anderen oder im Schlaf die Olympischen Spiele gewinnt. Man muss sich auf das Spielfeld begeben, man muss in das Boot steigen, man muss auf die Bahn gehen, um herauszufinden, was die eigene Arbeit wert ist, was man selber wert ist.
Die Sportler wissen, dass die Gemeinschaft einem Kraft und Ausdauer gibt. Die anderen vertrauen uns, und auch wir vertrauen ihnen. Lebenswichtige Werte wie Vertrauen, Ausdauer, Worttreue, Kameradschaft – all das lernt man am besten im Sport. Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg einer Nation ist der Ehrgeiz, sich nicht damit zufrieden zu geben, gerade gut genug zu sein. Wer Sport treibt, will immer besser werden, und schließlich lernt man zu gewinnen. Man lernt, im entscheidenden Moment nicht zu zittern, alles zu geben, seinen Willen zu stärken und nicht auf halbem Weg aufzugeben. Das sind Fähigkeiten, die Ungarn in der kommenden Zeit brauchen wird.
In den vergangenen 35 Jahren hat die Welt trotz aller Schwierigkeiten im Grunde eine friedliche Ära erlebt. Mit einfachen Lebensstrategien konnten Erfolge erzielt werden, und zwar mit Leistungen etwas über dem Durchschnitt. In der Zukunft wird mehr nötig sein. Ungarn wird Menschen brauchen, die die Messlatte immer höher legen können. Deshalb investiert die ungarische Regierung in den Sport und schafft Sportakademien wie diese.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Katalin Kovács!
Trotz aller Schwierigkeiten, trotz der Krisen, Epidemien und Kriege haben wir am Ufer des Velence-Sees einen Sportkomplex von Weltrang geschaffen. Die erstklassige Bahn ist gegeben, die hochwertige Ausbildung ist gegeben und da haben wir auch die gute Gemeinschaft. Wir haben alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein. In der Zukunft wird es keinen tschechischen Helden geben, der uns in unseren eigenen Disziplinen überraschen könnte. Auf uns, Ungarn, warten in den kommenden Jahren große Dinge. Nach fünf Jahren glaube ich, dass wir die Schwierigkeiten bereits überwunden haben und langsam den Kopf aus den Wolken der täglichen Sorgen heben können. Große Dinge warten auf uns. Auch im Kajak-Kanusport müssen wir wieder an die Weltspitze zurückgelangen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich glaube daran, dass wir es schaffen können.
Danke für die Akademie an alle, die an ihrer Erschaffung beteiligt waren.