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Viktor Orbáns Trauerrede auf der Beerdigung von István Pásztor, dem Vorsitzenden des Verbandes der Woiwodinaungarn

Sehr geehrte Trauernde Familie! Sehr geehrte Anwesende!

Nomen est omen, wie eine Herde, die ihren Schäfer (ung. Pásztor) verloren hat, stehen wir hier. Mit hängenden Köpfen und beschwerten Herzen. Serben und Ungarn, Ungarn aus dem Mutterland und aus dem Ausland. Gemeinsam nehmen wir Abschied von unserem Freund und Mitstreiter, der ein mutiger Mann, ein starker Anführer, aber vor allen Dingen ein hervorragender Soldat war: Er lebte als Soldat, er kämpfte als Soldat und er ging auch als Soldat von uns. Jetzt nehmen wir von ihm mit dem einem Mitstreiter zustehenden Respekt Abschied. Von dem Kämpfer, der nicht nur wusste, wie man leben muss, sondern auch, wie man erhobenen Hauptes stirbt. Zum Ende seines Lebens ertrug er den Schmerz, die schwere Krankheit ohne zu klagen. Nie belastete er seine Mitarbeiter und Freunde mit seinen eigenen Sorgen. Er tat nur, was seine Aufgabe war, ganz bis zu dem Moment, bis der himmlische sofortige Einberufungsbefehl kam und er ging. Und wir stehen jetzt hier gebrochen und verstört gemeinsam mit Herrn Präsidenten Vučić, das serbische und das ungarische Volk vertretend. Am Sarg eines ungarischen Mannes, der uns zusammengeschmiedet und unsere Völker miteinander befriedet hat, wofür wir ihm gar nicht dankbar genug sein können. Wir spüren das Gewicht des uns hinterlassenen politischen Erbes. Wir sind Mitteleuropäer, deshalb wissen wir ganz genau, wie leicht aus einem Freund ein Feind wird und wie selten es in dieser Gegend vorkommt, dass frühere Feinde zu Freunden werden. Wir erinnern uns: Vor zehn und einigen Jahren wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass unsere Länder, unsere Völker in allem derart aufeinander zählen können. Heute wäre es das Undenkbare, dass wir nicht Anteil an der Freude und der Trauer des anderen nehmen würden. Unser Freund, Herr Vorsitzender István Pásztor war der erste, der nicht nur hoffte und nicht nur glaubte, dass das auch so sein kann, sondern er tat auch etwas dafür. Er zeigte uns den Weg, auf dem die Serben und die Ungarn gemeinsam schreiten können, so wie das die Schicksalsgemeinschaft der beiden Völker rational begründet.

Sehr geehrte Trauernde!

Herr Vorsitzender István Pásztor war nicht nur ein ausgezeichneter Mitstreiter, sondern auch ein wahrer Freund. Wir kannten uns schon seit ewigen Zeiten. Ich erinnere mich, im Mai 2010 war er der erste offizielle Besucher, nachdem ich den Eid des Ministerpräsidenten abgelegt hatte. Und das war kein Zufall. Ich weiß gar nicht, ob damals gerade er uns stützte oder ob wir ihn stützten, doch erinnere ich mich genau an das drückende Gewicht der gemeinsamen Verantwortung. Istán Pásztor trug diese Verantwortung nicht nur für die Seinen, die Ungarn der Woiwodina, sondern für die gesamte ungarische Nation. Verantwortung für die ganze Nation zu tragen, das ist eine Mission, die heute nur noch die Söhne weniger Nationen verstehen. Das ist ein schweres Gewand, doch man muss es tragen, denn der liebe Gott hat das den Ungarn zugemessen. Das ist ein besonders schweres Gewand, wenn es jemand als Mitglied des Ungarntums als Minderheit auf sich nimmt. Wir kennen uns gut: Die aus vielfarbigen, vielgesichtigen, auf ihre Unabhängigkeit peinlich bedachten Ungarn bestehende Menge zusammenzufassen und zu einem gemeinsamen Handeln zu führen, ist eine wahrlich herausfordernde Aufgabe. In solchen Momenten versteht man die Wahrheit, die in unserem Volkslied steckt: „Wer Dudelsackpfeifer sein will, der muss in die Hölle hinabsteigen.” Ich erinnere mich auch, dass die ungarische Nationalpolitik vor dem Vorsitz von István Pásztor und auch noch zu Beginn seiner Jahre im Amt – aufgrund des Verrats und der Unterminierungsarbeit der Pester Regierungen – am Auseinanderfallen und am Tiefpunkt war, man schlug gerade ihr Totenglöckchen. Man musste sie beinahe aus dem Grab zurückholen. Doch István gelang auch dies.

Sehr geehrte Trauergemeinde!

Das Leben und das Schicksal von István Pásztor war ein schwieriges. Ich bin ihm dankbar, dass ich mir von ihm abgucken konnte, wie man die Sorgen auf die Weise ertragen muss, dass dabei auch die gute Laune erhalten bleibt. Er war ein weiser Mensch. Er wusste, wer kompliziert spricht, ist nicht klug, sondern besserwisserisch. Er wusste, die Weisheit steckt in der Einfachheit, darin, dass man in der Lage ist, selbst die kompliziertesten politischen Aufgaben auch für andere verständlich zu machen. Von Budapest in die Woiwodina kommend war es überwältigend zu sehen, mit welcher Überzeugungskraft er eine zerbröckelte, durch Interessen zerschnittene Gemeinschaft zum gemeinsamen Handeln anfeuern konnte. Er wusste, was Charisma ist. Ich erinnere mich, 2010 sprach er in Palics aus: „Das Ungarntum der Woiwodina will nicht nur eine die Nation bildende, sondern auch eine die Nation formende Kraft sein. Eine Gemeinschaft, die aus eigener Kraft zum Aufschwung der gesamten Nation beitragen kann.” Ja, sogar zu dem zweier Nationen – füge ich hinzu. Und so kam es auch! Wir lüfteten unsere Hüte davor, wie er als am längsten amtierender Präsident des Regionalparlaments in der Lage war, Einigkeit zwischen Serben und Ungarn zu schaffen. Es ist schwer zu zählen, in wie vielen Angelegenheiten wir in den vergangenen dreizehn Jahren vereint handelten. Wir konnten uns sicher sein, ich konnte mir immer sicher sein, dass István Pásztor sein Wort hält, sein Händedruck besaß eine stärkere Kraft als irgendein schriftlicher Vertrag. Er versprach niemals, sondern nahm Dinge auf sich, und was er auf sich genommen hat, das hat er auch immer restlos eingehalten. In Belgrad wusste man dies ebenso wie in Budapest, und man wusste es auch hier, in Szabadka.

Sehr geehrte Trauernde!

István war kein einfacher Mensch. Doch wer von uns ist das? Es ist leicht, Freundschaften zu schließen, wenn der Freund vollkommen ist. Wir müssen zugeben: Auch wir sind nicht ohne Fehler. Wer auf einer Mission ist, die den Menschen auf die Probe stellt – und das sind wir –, fügt zeitweise Wunden zu und erhält auch welche, und selten gibt es Zeit und Möglichkeit, um alle Wunden zu verbinden und jede Verletzung zu heilen.

Sehr geehrte Trauernde!

Obwohl schon hinter uns beiden eine längere Zeit lag, als vor uns, dachte ich, wir würden noch gute zehn-zwölf kämpferische, mit guter gemeinsamer Arbeit zu verbringende Jahre vor uns haben, und wenn wir diese bewältigt haben würden, dann könnten wir sagen, dass wir das Gros der Arbeit bewältigt haben, die jungen Wölfe können kommen. Doch der liebe Gott hat anders entschieden. Und hier gibt es keinen Widerspruch, keine Ausnahme. Wenn man gehen muss, dann muss man eben gehen. Wir bleiben noch und suchen nach der Antwort auf die Frage, was jetzt sein wird, wo der stärkste tragende Balken dem von Ungarn und Serben gemeinsam errichteten Gebäude entnommen worden ist. Was sollen wir jetzt tun, wo der Tragebalken der ungarischen Nationalpolitik in der Woiwodina entfallen ist? Wir verstehen nicht, was der Allmächtige wohl damit gewollt haben mag. Wir werden noch eine lange Zeit brauchen, bis wir dies akzeptieren, dass unser Freund nicht mehr unter uns ist. Der heutige Tag gehört der Trauer. Es ist noch früh. Unser Herz ist vom dunkeln Nebel der Trauer umgeben. Doch wenn wir auch unser Haupt unter dem Gewicht der Trauer verneigen, doch hoch mit dem Herzen, hoch, meine Freunde! Genau so, wie das auch István an unserer Stelle tun würde. Hier hört man die Worte des anderen großen Sohnes der Stadt Szabadka, die Worte von Dezső Kosztolányi: „Ja sehr wohl sein, sein: In erster Linie Mensch und menschlich, guter Europäer sein und guter Ungar sein, in zweierlei Richtung streitender Westler und Ostler, Großes anstrebender Schöpfungswille und demütiger Arbeiter. Jene Seele und jene Sprache, die wir für kurze Zeit als Erbe erhalten haben, müssen wir mit neuem Geist versehen, unverletzt unseren Nachfolgern übergeben. Das ist unsere Mission – «möge die Hand des Schicksals uns segnen oder schlagen« –: das ist unsere Mission.” Ja, das war und das bleibt auch die gemeinsame Mission von István Pásztor und uns. Der liebe Gott über uns allen, Ungarn vor allen Dingen!

Gott sei mit Dir, István! Gott sei mit uns, meine Freunde!

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