Ich danke der Frau Ministerpräsident dafür, dass wir hier sein dürfen. Wir haben eine großartige und spannende Unterredung hinter uns. Ich hatte schon darauf gewartet, kommen zu dürfen, um die Führung der neuen bosnischen Regierung kennenzulernen, und ich kann sagen, ich habe sehr gute Eindrücke gewonnen. Ich bin auf Freundschaft und Respekt gestoßen. Und wir sind ja eine stolze Nation und der Respekt ist für uns wichtig, sodass wir diesen auch immer Bosnien zollen werden, so wie wir uns freuen, wenn dies eine Erwiderung findet.
Das Verhältnis Ungarns zu ihnen formen drei Faktoren. Der erste, dass wir Nachbarn sind. Es fehlen zwar einige zehn Kilometer. Aber im geographischen Sinn, im wirtschaftlichen und politischen Sinn sind wir Nachbarn, und deshalb blicken wir mit der Verantwortung darauf, was in Bosnien geschieht, wie das ein Nachbar tun muss. Ich habe der Frau Ministerpräsident versichert, dass Sie seitens Ungarns immer mit einer verantwortungsvollen Nachbarschaftspolitik rechnen können.
Die zweite Sache ist, dass wir mit großer Bewunderung beobachten, wie Sie das komplizierteste politische System der Welt am Laufen halten, wir betrachten das mit fachlicher Anerkennung und Bewunderung. Für uns, Ungarn, bedeutet zeitweilig selbst die Erhaltung einer kleinen Koalition Schwierigkeiten, geschweige denn eines derart komplizierten Gebäudes. Wir drücken also unsere Anerkennung dafür aus, dass Sie das Land funktionstüchtig halten.
Und unser dritter Ausgangspunkt ist, dass Sie und wir uns in einer Schicksalsgemeinschaft befinden. Wir haben unter unterschiedlichen Arten des Kommunismus gelitten, doch jede war Kommunismus und der darauffolgende Übergang, der noch immer währt, hat uns zugesetzt, sowohl Ihnen als auch uns. Es gibt also eine natürliche Schicksalsgemeinschaft. Sie sind uns nicht fremd, sondern sie gehören zur Familie.
Ich habe die Frau Ministerpräsident über die inneren Prozesse der Europäischen Union unterrichtet. Ich teilte ihr mit, dass sich alles in Bewegung befindet, und es vollziehen sich große Veränderungen sowohl in der europäischen Wirtschaft als auch in der europäischen Technologie und auch in der europäischen Sicherheitspolitik. Und ein Abdruck dieser großen Veränderung ist gerade der russisch-ukrainische Krieg und die europäische Teilnahme an ihm. Wir, Ungarn, sind der Ansicht, dass dies den Balkan aufwertet. Europa benötigt jetzt alle Energie, jede Dynamik, denn jetzt befinden wir uns im Verlust von Wettbewerbsfähigkeit, und dieser Prozess muss aufgehalten werden, und danach muss man ihn umdrehen. Und dies kann die Europäische Union, indem sie sich nur auf ihre jetzt vorhandenen, inneren Kräfte stützt, nicht vollziehen. Eine neue Dynamik ist notwendig, neue Akteure sind nötig, deshalb ist für uns, Ungarn, der Balkan kein Problem, sondern die letzte bedeutende Reserve an Kraftquellen der Europäischen Union. Es kann sein, dass es sich merkwürdig anhört, was ich sage, aber die Europäische Union benötigt heute den Balkan und so auch Bosnien und Herzegowina mehr als es umgekehrt der Fall ist.
Ich habe die Frau Ministerpräsident über die Balkanpolitik Ungarns unterrichtet, die in einigen Punkten mit der Politik der Europäischen Union übereinstimmt, und in einigen wichtigen Punkten sich von dieser unterscheidet. Ungarn ist also ein Nachbar von Ihnen, der eine souveräne Außenpolitik besitzt. Dementsprechend sind wir – was immer man auch in Brüssel sagt – für die rasche Mitgliedschaft des Balkan, von Bosnien und Herzegowina in der Europäischen Union. Unserer Ansicht nach müsste man die Quellen, die dafür vorgesehen sind, das Aufschließen zu erleichtern, schon jetzt hergeben und damit nicht auf die vollumfängliche Mitgliedschaft warten. Den Zugang zu den Entwicklungsgeldern muss man zeitlich vorziehen, es kann nicht sein, dass alle Gelder nur in die Richtung der Ukraine gehen sollen, man muss auch in die Sicherheit und die Entwicklung auf dem Balkan investieren. Wir, Ungarn, unterstützen nicht die auf Sanktionen aufbauende Politik, die Sanktionspolitiken führen zu keinem Ergebnis, und langfristig ist unserer Ansicht nach es gut, wenn möglichst viele Zuständigkeiten in die Hände der hier lebenden Völker zurückgelangen. Die langfristige Lösung liegt nicht in der Anwesenheit der Fremden, sondern der Zusammenarbeit der hier lebenden Völker. Deshalb ist es gut, wenn wir möglichst viele Zuständigkeiten und Möglichkeiten in die Hände der hier Lebenden legen. Das ist das Wesentliche unserer Balkanpolitik.
Wir haben auch über wirtschaftliche Fragen gesprochen. Ich habe die Frau Ministerpräsident um Signale gebeten. Ungarn ist ein Land, das Sie respektiert, die politischen Absichten der bosnischen Regierung respektiert. Deshalb erwarten wir Signale, welche jene Sektoren sind, auf denen das Erscheinen ungarischer Investoren erwünscht ist. Und auf diesen Sektoren werden wir gerne präsent sein, so wie wir es auch mit Freuden aufgenommen hatten, dass wir hier auch im Luftverkehr, auf dem Finanzsektor und dem der erneuerbaren Energie anwesend sein dürfen. Hier werden wir unsere wirtschaftliche Arbeit fortsetzen und wenn wir auch auf weiteren Gebieten eine Möglichkeit erhalten, dann werden wir das gerne nutzen.
Ich habe der Frau Ministerpräsident mitgeteilt, dass wir auch weiterhin gerne an der Garantierung der Sicherheit des Balkan teilnehmen. Wir nehmen an der EUFOR teil, haben auch bisher schon daran teilgenommen, das werden wir auch aufrechterhalten, und wenn es nötig sein sollte, dann sind wir bereit, dies auch zu erweitern.
Insgesamt muss ich Ihnen sagen, dass diese heutige Unterredung ein guter Anfang war. Jetzt ist die Möglichkeit gegeben, dass die Geschäftsleute und die Fachminister der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern eine Tiefe und Dynamik verleihen.
Noch einmal, Frau Ministerpräsident, ich bin dankbar, dass ich hier sein durfte!