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Viktor Orbáns Presseerklärung nach seiner Unterredung mit Edi Rama, dem Ministerpräsidenten Albaniens

Herr Ministerpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zunächst einmal spreche ich meinen Dank meinem Freund Edi Rama dafür aus, dass er uns hierher eingeladen hat, in dieses äußerst interessante Land, in das ich in den vergangenen dreißig Jahren immer gerne gekommen bin. Ich war bereits mindestens ein dutzendmal hier, manchmal im Partei-, ein anderes Mal in staatlichem Rahmen, und ich habe immer gedacht, dass die Albaner und die Ungarn nicht einfach über diplomatische Beziehungen verfügen, sondern es besteht zwischen den beiden Ländern auch eine tiefere Verbindung, dessen Ursache die gemeinsame Leidensgeschichte ist. Denn wenn auch hier in extrem brutaler Form, so doch auch bei uns ziemlich schmerzvoll mussten wir doch vierzig Jahre lang in kommunistischen Systemen leben. Und diese gemeinsame Erfahrung hört nie auf, auch nach dreißig Jahren erinnern wir uns an sie als eine gemeinsame Leidensgeschichte, die die beiden Völker auch seelisch einander näherbringt. Deshalb komme ich immer mit großer Freude und fühle mich zu Hause.

Auch persönlich freue ich mich, hier sein zu dürfen, und dass ich der Gast von Edi Rama sein durfte. Die ganze Welt schreitet in Richtung der Standardisiertheit – Hamburger, Smartphone, Marken –, und das ist auch in der Politik so, und ich freue mich sehr, wenn ich jemanden finde, der außerhalb der Marken steht, originell und authentisch ist und besondere Gesichtspunkte, neue Gesichtspunkte in die Politik einbringen kann. Und Ihr Ministerpräsident ist zweifellos so ein Führer, sodass ich mich immer auch intellektuell erfrische, wenn ich die Möglichkeit habe, mich mit ihm zu unterhalten. Abgesehen von dem einzigen Problem, dass wenn man sich neben ihm stellt, dann bekommt man ein Minderwertigkeitsgefühl, aber das ist eben der Unterschied zwischen Basketball und Fußball.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was die Unterredungen angeht, so ereignet sich dieser Besuch in einem sehr schwierigen Zeitraum, denn eine Europa schwerwiegend betreffende, große Umordnung vollzieht sich in der Weltwirtschaft. Und diese Umordnungen zeigen auf die schwachen Punkte Europas, die wir in den vergangenen Jahren nur sehr langsam oder überhaupt nicht beheben konnten, mit dem Ergebnis, dass auf dem globalen Schauplatz sich die Wettbewerbsfähigkeit Europas verschlechtert. Und die Frage ist, wie es sich im Zusammenhang auf die Mitgliedschaft des Balkan bzw. Albaniens in der Europäischen Union zu blicken lohnt. Ist das ein Problem oder eine Möglichkeit? Ich sage immer meinen westeuropäischen Kollegen, sie sollten sich die Europäische Union in der jetzigen Situation so vorstellen, als ob Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Kroatien nicht Mitglieder der Europäischen Union wären. Wie würden wir aussehen? Wie würde die europäische Wirtschaft aussehen? Was für ein Wachstum hätte jene Europäische Union? Es gäbe in ihr kein Wirtschaftswachstum! Heute gibt es nur deshalb ein Wachstum in der Europäischen Union, nicht null, ein halbes und ein Prozent, sondern ein spürbares Wirtschaftswachstum, weil wir, Mitteleuropäer eine Wirtschaftsdynamik in die EU gebracht haben. Und meiner Ansicht nach ist das die Brille, durch die wir Albanien betrachten müssen und durch die wir den Balkan deuten müssen. Europa muss sich die Frage stellen, wo seine Wachstumsreserven sind. Wenn es im großen globalen Wettlauf nicht zurückbleiben will, wo sind die Wachstumsreserven der Europäischen Union? Und die Antwort ist, dass sich die Wachstumsreserven ausschließlich auf dem Balkan befinden. Es gibt keine andere Region, die für die Europäische Union eine Wachstumsreserve darstellen würde, nur der Balkan, Albanien mit inbegriffen. Deshalb ist zwar Albanien ein Mitgliedskandidat und es beantragt, der Europäischen Union beitreten zu können, doch ist die Situation in Wirklichkeit eine umgekehrte: Wenn wir die Balkanländer, unter ihnen Albanien, nicht schnellstens in die Europäische Union aufnehmen, dann können wir die Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der EU nicht aufhalten, wir können keinen Schwung nehmen und wir können im globalen Wettbewerb nicht unseren Mann stehen, das heißt ihre Wettbewerbsfähigkeit kann die Europäische Union nur so zurückgewinnen, wenn wir mehr werden. Deshalb muss der Raum der europäischen Wirtschaft erweitert werden, er muss auch im wirtschaftlichen und im sicherheitspolitischen Sinn verstärkt werden. Deshalb muss ich, zwar mit der nötigen Höflichkeit, aber dennoch sagen, dass es inakzeptabel und schändlich ist, wie langsam dieser Erweiterungsprozess voranschreitet. Ich habe mir jetzt den Kalender angesehen und ich habe gesehen, es hat Albanien dreizehn Jahre beduft, bis es zum Beginn der Beitrittsverhandlungen angekommen war. In zehn Jahren wird, wenn die Voraussagen eintreten, unter den größten Wirtschaften der Welt keine einzige aus der EU sein oder höchstens die Deutschen werden sich unter den zehn größten Wirtschaften der Welt befinden. Wenn wir die Europäische Union so langsam erweitern, wie werden wir dann wettbewerbsfähig sein? Dieses Tempo ist ganz einfach inakzeptabel, das ist ein suizidartig langsames Tempo. Deshalb unterstützt Ungarn nachdrücklich den Beitritt der Länder des Balkan, die Mitgliedschaft Albaniens. Albanien wird immer darauf vertrauen können, dass Ungarn aus den hier angeführten Gründen, aus der Freundschaft zu Albanien und auch aus unserem eigenen Interesse Ihre Mitgliedschaft unterstützen wird.

Was die bilaterale wirtschaftliche Kooperation angeht, so habe ich mit Freuden die Bewertung des Herrn Ministerpräsidenten über die Arbeit der ungarischen Investoren in Albanien gehört. Auch wir mögen es, wenn man eine gute Meinung über uns hat, wir sind ja doch auch nur Menschen, die Anerkennung tut immer gut. Und ich freue mich auch darüber, dass die ungarischen Investoren auf eine respektvolle Weise verhalten. Wir sind ein Land eines Ausmaßes, in dem viele Länder, die größer als wir sind, investieren. Und natürlich ist die Investition eine Investition, wie das die Römer sagten: Das Geld stinkt nicht, aber sein Besitzer schon. Man kann also ein guter Investor sein und man kann auch ein schlechter Investor sein. Es gibt jene, die die Menschen vor Ort respektieren, und es gibt jene, die die Menschen vor Ort nicht respektieren. Und Ungarn hat in den vergangenen dreißig Jahren schon alles gesehen. Es gab Investoren, die uns respektiert haben, und es gab jene, die das nicht taten; es gab jene, die dachten, die ganze Welt sei nur eine einzige große globale Wirtschaft und es sei egal, wer dort die Eingeborenen sind. Wir haben viel darunter gelitten, wir kennen dieses Verhalten und ich hoffe doch sehr, dass sich ungarische Firmen niemals irgendwo, so auch in Albanien nicht, so verhalten werden. Dass sie immer Albanien den Respekt zollen, zur Kenntnis nehmen, dass dies das Land der Albaner ist, wo man uns als Gäste empfängt und wo wir uns dafür bedanken müssen, dass man mit uns kooperiert, auch wenn wir das Kapital bringen. Also, mein lieber Freund Edi Rama, damit kannst Du auch in der Zukunft rechnen. Die Ungarn werden Investoren sein, die die ansässigen Menschen respektieren werden, die Eure Geschichte respektieren werden, Eure Absichten, Eure Zukunft, und wir suchen jene Form der Zusammenarbeit, die für Euch und auch für uns gut ist.

Was den Tourismus angeht, so möchte ich darüber noch eine Bemerkung machen. Ungarn ist ein Land, das kein Meer besitzt, trotzdem erwirtschaftet der Tourismus mehr als 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es ist keine leichte Sache, doch wir verstehen also etwas vom Tourismus, wir verstehen etwas von diesem Industriezweig. Ich freue mich, wenn wir dieses unser Wissen mit Euch teilen können. Und Ungarn besitzt eine Strategie für Investitionen im Ausland, in deren Rahmen wir ungarische Investitionen im Ausland unterstützen. Und heute sind wir darüber übereingekommen, dass wir diese Strategie für Investitionen im Ausland auch um die nach Albanien gerichteten ungarischen touristischen Investitionen erweitern werden. Ich hoffe, wir werden eine genau so gute Zusammenarbeit ausbilden können, wie wir das auf dem Bankensektor, auf dem Sektor der Infokommunikation getan haben, und so wie sie sich jetzt auf dem energetischen Sektor und auf dem Gebiet der Zusammenarbeit im Wasserwesen abzeichnet. Wir haben den Tourismus unter die Schlüsselbereiche der Kooperation der beiden Länder aufgenommen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Liebe Hausherren!

Im Namen Ungarns wünsche ich Ihnen viel Erfolg! Wir danken Ihnen dafür, dass wir hier sein durften!

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