Zsolt Törőcsik: Diese Woche gab es mehrere beunruhigende Nachrichten aus Europa, die auf eine Verschlechterung der aktuellen Sicherheitslage hindeuten. Der belgische Verteidigungsminister sagte, wenn Putin eine Rakete auf Brüssel abschießen würde, würden wir Moskau von der Landkarte tilgen. Britische Verteidigungschefs würden ihre Atomwaffen mit Berlin teilen, und in Kroatien wurde die Wehrpflicht wieder eingeführt. Ich werde Ministerpräsident Viktor Orbán auch dazu fragen, in welche Richtung diese Erklärungen, Pläne und Maßnahmen weisen. Guten Morgen!
Guten Morgen! Ich begrüße die Zuhörer!
Wohin steuert Europa Ihrer Meinung nach angesichts der eben aufgeführten Nachrichten?
Zu den aufgeführten Nachrichten möchte ich noch eine hinzufügen, dass die Großmächte der Welt neue Waffensysteme vorstellen, und diese werden immer effektiver. Wir befinden uns also spürbar am Anfang eines Wettrüstens, einer Spirale, und alle sprechen von einer massiven Aufstockung der Militärbudgets. Der menschliche Verstand ist nun einmal so, dass er, wenn er nach Anhaltspunkten sucht, um eine Situation zu verstehen, oder wenn er aus den gegenwärtigen Ereignissen Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen will, sich der Vergangenheit zuwendet, also nach Mustern sucht. Ich arbeite auch so: Wenn ein Fall kommt, der etwas ähnelt, hole ich eine Akte hervor und weiß, wie es damals war. Ich denke, das trifft im Großen und Ganzen zu, nicht nur für diejenigen, die im Bereich der Organisationsführung arbeiten, sondern auch für diejenigen, die sich mit dem Verständnis der Welt beschäftigen. Es gibt ja zwei Analogien: Ich schaue mir internationale Analysen und Studien an, mit denen versucht wird, die heutige Situation zu verstehen. Die eine geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück, die andere auf den Ersten. Es gibt Leute, die sagen, dass wir uns in derselben Situation wie 1938 befinden: Hitler rückt vor, die europäischen Großmächte halten ihn nicht rechtzeitig auf, sondern einigen sich lieber, und diese aufeinanderfolgenden kleinen Kompromisse und Friedensabkommen führen uns schließlich zu einem mächtigen, großen Nazi-Deutschland, aus dem der Zweite Weltkrieg hervorgeht. Es gibt Leute, die den aktuellen Konflikt so interpretieren. Ich bin damit nicht einverstanden, aber das ist für die Zuhörer jetzt vielleicht uninteressant. Das andere, was meiner Interpretation näherkommt, ist der Erste Weltkrieg, in dem eigentlich niemand einen großen Krieg wollte. Jeder wollte etwas, aber niemand wollte einen großen europäischen Krieg. Und am Ende gerieten die europäischen Staats- und Regierungschefs in eine Situation, aus der es kein Zurück mehr gab. Ich sehe derzeit eine ähnliche Stimmung. Ich habe das Gefühl, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht erkennen, dass sie mit dem Feuer spielen, und dass sie nicht erkennen, dass einzelne Entscheidungen, neue Waffensysteme, mehr Geld für die Ukraine, noch mehr Soldaten, Wehrpflicht und so weiter, also Maßnahmen, die sich zu einem gefährlichen Gemisch, zu einem Zündstoff zusammenfügen können, der irgendwann explodiert. Meiner Meinung nach steuert Europa heute auf einen Krieg zu. Es fallen Sätze, die man bei hochrangigen Beratungen nicht für möglich halten würde. Eine Großmacht sagt, dass wir beispielsweise Deutschland wieder aufrüsten werden. Wir werden Europas größte Armee haben, die meisten Soldaten, die meisten Waffen, die größte Rüstungsindustrie. Oder Ursula von der Leyen sagt, dass wir in fünf Jahren für den Krieg bereit sein müssen. Das sind alles sehr, sehr gefährliche Äußerungen, und diejenigen, die sie machen, denken nicht darüber nach, dass es sich dabei um sich selbst erfüllende Prophezeiungen handeln könnte. Wenn man eine Pistole auf den Tisch legt – eine alte Theaterregel –, wird früher oder später etwas damit passieren, vielleicht wird sie abgefeuert. Ich habe also das Gefühl, dass Europa heute benebelt auf eine Situation zutorkelt, die eine immer unmittelbarere Kriegsgefahr darstellt. Und deshalb sage ich den Ungarn, mir selbst, der Regierung, den Menschen, Ihnen, allen, dass wir uns jetzt entschließen müssen, uns auch im Falle einer ungünstigen Wendung der Ereignisse nicht hineinziehen zu lassen. Während alle unbewusst auf einen Krieg zusteuern, müssen wir ganz bewusst festbleiben, auf der Seite des Friedens verbleiben und im Voraus verkünden, dass wir uns aus allen aktuellen kleinen Entscheidungen heraushalten werden, damit wir uns am Ende nicht mitten in einem Krieg wiederfinden. Daher ist es für die Zukunft Ungarns von entscheidender Bedeutung, dass das Land eine kriegsfeindliche und friedliebende Regierung hat und dass auch die Menschen dies verstehen, sich daran beteiligen und ihren Willen zum Ausdruck bringen, dass sie nicht gemeinsam mit den europäischen Ländern in eine gefährliche Situation stolpern wollen, sondern sich rechtzeitig daraus heraushalten. Das ist meiner Meinung nach der Schlüssel zu dieser Situation.
Ja, vor dem Ersten Weltkrieg fiel tatsächlich ständig ein Dominostein nach dem anderen, aber wie realistisch ist es in der aktuellen Situation überhaupt, über Frieden zu sprechen und ein Friedenslager zu organisieren, was beispielsweise das Ziel Ihrer Reise nach Rom war?
Die Lage ist viel besser als früher. Heute wollen die Europäer Krieg. Sie sprechen also offen darüber, dass man sich darauf vorbereiten muss, dass sie einen Krieg gegen Russland führen werden. Wir haben solche Erfahrungen gemacht, nicht nur einmal, nicht nur zweimal, wir geben ihnen keine Ratschläge, aber sie sind die Großen, wir sind die Kleinen, wir sind schon froh, wenn wir unser eigenes Schicksal beeinflussen können, geschweige denn glauben, dass wir die Absichten der Großen ändern können. Natürlich stehen wir zur Verfügung, auch wenn wir klein sind, denn unser Gehirnvolumen ist in Ordnung, also haben wir Gedanken, Aussagen und Vorschläge, aber Ungarn hat nicht genug Macht, um die Großmächte zu zwingen, sich rationaler zu verhalten. Aber es ist unsere Pflicht, diese Abgründe, über die wir hier sprechen, aufzudecken und alle zu zwingen, in den Brunnen zu schauen, damit jeder, der von Krieg spricht, sich über die möglichen Folgen seiner Worte im Klaren ist, Klammer zu. Vor einem Jahr war die Lage jedoch noch schlimmer, denn damals standen auch die Amerikaner auf der Seite des Krieges. Jetzt sind nur noch die Europäer und die Ukrainer übrig. Die Amerikaner stehen auf der Seite des Friedens, und auch die Russen sind so weit gekommen, dass sie unter bestimmten, mittlerweile als bekannt geltenden Bedingungen bereit sind, Frieden oder einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Die Ukrainer führen auch weiterhin einen Verteidigungskrieg, sie wollen keinen Frieden schließen, was zwar verständlich ist, aber für uns ist es eine äußerst ungünstige Entwicklung, dass sie 20 bis 22 Prozent ihres Territoriums verloren haben und sich damit nicht abfinden können und deshalb lieber den Krieg fortsetzen. Die Europäer finanzieren diesen Krieg, obwohl es offensichtlich keine Lösung für ihn gibt und er an der Front nicht zum Stillstand kommt. Wer also glaubt, dass in diesem Krieg ein militärischer Sieg errungen werden kann, wenn die Russen glauben, dass sie die Ukraine unterwerfen können, und die Ukrainer glauben, dass sie die Russen aus dem bereits besetzten Gebiet vertreiben können und deshalb den Krieg fortsetzen müssen, wer so denkt oder dies sagt, der irrt sich. Dies wird zu einer eingefrorenen Situation führen, zu einer festgefahrenen Frontlinie, an der ständig Kriege geführt werden, unermesslich viele Menschenleben verloren gehen, viel Geld verschlungen wird, und die Debatte darüber kann dazu führen, dass das eine oder andere europäische Land in diesen Konflikt hineingezogen wird. Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen Situation.
Ja, aber die Europäische Union sagt, dass sie Frieden will, nur dass sie dies durch die Unterstützung der Ukraine erreichen will.
Sie sagen nicht die Wahrheit.
Aber wie lange kann die Europäische Union diese Unterstützung aufrechterhalten?
Wer Frieden will, schafft Frieden. Also lassen wir die Märchen, wir sind doch keine Kinder. Wir sind also über das Stadium hinaus, dass jemand etwas sagt und dann das Gegenteil tut, und wir merken das nicht oder tun so, als wäre das kein Widerspruch. Heute will nur eine Großmacht Frieden, die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn wir Frieden wollten, würden wir den Präsidenten der Vereinigten Staaten unterstützen. Aber wir unterstützen ihn nicht, sondern sagen alles Mögliche und tun dann das Gegenteil von dem, was wir tun könnten, um dem amerikanischen Präsidenten beim Friedensschluss zu helfen. Das heißt, das größte Hindernis für die Friedensbemühungen und Friedensinitiativen des amerikanischen Präsidenten ist heute die Gruppe europäischer Länder, die sich selbst als Koalition der Willigen bezeichnet. Sie sind bereit, andere in den Krieg zu schicken, damit sie sterben, denn sie selbst gehen natürlich noch nicht, sie rüsten sich nur auf. Heute besteht also zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union ein wesentlicher Widerspruch hinsichtlich der Art und Weise, wie der Krieg beendet werden soll, aber wir geben das nicht zu, wir wollen keine transatlantische Spaltung, keinen Konflikt heraufbeschwören. Wir wollen auch Sie, die Bürger, nicht in den Vordergrund einer solchen Konfrontation rücken, sondern sagen, dass sich alle beruhigen sollen, denn eigentlich wollen die Westler, Europäer und Amerikaner im Grunde dasselbe. Aber das stimmt nicht!
Wie lange kann die europäische Wirtschaft die Ukraine noch unterstützen? Denn Selenskyj hat diese Woche gesagt, er habe die europäischen Staats- und Regierungschefs aufgefordert, der Ukraine noch eine Zeit lang stabile finanzielle Unterstützung zu gewähren.
Der erste und wichtigste Satz lautet meiner Meinung nach: Wer die Ukraine unterstützt, unterstützt den Krieg. Wer also heute die Ukraine unterstützt, unterstützt eine Ukraine, die einen Krieg führen will, also unterstützt er den Krieg selbst. Und da für einen Krieg Geld, Geld und nochmals Geld benötigt wird, unterstützt jeder, der die Ukraine und damit den Krieg unterstützt, gleichzeitig auch Steuererhöhungen und die Entziehung von Geldern durch die nationalen Regierungen, denn Brüssel hat kein Geld. So etwas wie Brüsseler Geld existiert also nicht. Das ist ein schönes Märchen, das die Europäische Union in vielen Ländern verkauft hat und das vielleicht von weniger kritischen Völkern geglaubt wird, aber in Wirklichkeit hat Brüssel kein eigenes Geld. Es versucht, eigene Steuern zu erheben, aber das ist ein vernachlässigbarer Betrag. Das Geld Brüssels besteht aus dem Geld, das wir, die Mitgliedstaaten, nach Brüssel schicken. Wenn also Brüssel Unterstützung leistet oder die Union Kredite aufnimmt, für die wir, die Mitgliedstaaten, letztendlich als Sicherheit stehen, wenn also Brüssel Geld in die Ukraine schickt, ist das immer auch unser Geld. Nicht nur unseres, aber auch unseres. Aus dem nächsten Siebenjahreshaushalt, dessen Entwurf auf dem Tisch liegt, das ist der bereits durch die Mitgliedsstaaten zusammengestellte Haushalt, würden mehr als 20 Prozent direkt oder über versteckte Kanäle an die Ukraine gehen, während die europäische Wirtschaft in großen Schwierigkeiten steckt. Meiner Meinung nach gibt es also kein Geld mehr, in der Europäischen Union gibt es kein Geld. Wir wollen auf die Weise einen Krieg finanzieren, wir wollen den Ukrainern auf die Weise Geld geben, wir wollen die ukrainische Armee auf die Weise aufrechterhalten, dass wir zugleich dafür keinen einzigen Cent haben. Entweder muss man es den Mitgliedstaaten wegnehmen, deshalb spricht die Tisza meiner Meinung nach von einer Rentensteuer, deshalb will sie die Steuern erhöhen, weil sie weiß, dass in Brüssel mehr Geld eingezahlt werden muss oder dass in Brüssel gemeinsam noch größere Kredite aufgenommen werden müssen, was dann Konsequenzen hat, das dicke Ende kommt dann, denn diese Kredite müssen zurückgezahlt werden. Ein weiterer großer Posten im nächsten Siebenjahreshaushalt ist neben den für die Ukrainer bestimmten Geldern die Zinslast der zuvor aufgenommenen Kredite. Und diese wächst und wächst und wächst und wird uns am Ende erdrücken, was zu einer klassischen Schuldenkrise führen wird.
Was nützt angesichts dieser Entschlossenheit Brüssels die in Ungarn gestartete Unterschriftensammlung gegen die Kriegspläne?
Wir müssen uns bemühen, dass aus dieser Debatte, der Debatte zwischen Amerikanern und Europäern, die pazifistischen Amerikaner als Sieger hervorgehen. Das ist ein seltsamer Satz, das haben wir nicht gelernt, daran sind wir in den letzten 60-70 Jahren nicht gewöhnt. Die Amerikaner waren in der Regel die Falken und eher kriegsbefürwortend, während die Europäer eher zur Ruhe und Vorsicht neigten, schließlich liegen zwei Weltkriege auf dem Kontinent hinter uns, das darf man nicht überstürzen. Jetzt hat sich das umgekehrt: Gott sei Dank gibt es in Amerika einen Präsidenten, der Frieden will, und die Europäer sind die Falken. Es liegt also in unserem Interesse, dass diese Debatte zugunsten des amerikanischen Präsidenten entschieden wird, dass also die friedensstiftende Absicht die Oberhand gewinnt. Der Vatikan ist nach wie vor, ich war dort, ich kann also aus persönlicher Erfahrung sagen, dass der Vatikan nach wie vor das spirituelle Zentrum des Friedens ist, von dort strahlt eine solche Absicht aus, das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. In solch schwierigen Situationen brauchen Entscheidungsträger spirituelle und geistige Bestärkung, daher war das Treffen mit dem neuen Heiligen Vater eine große Hilfe, der uns darin bestärkt hat, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um es weltlich auszudrücken, dass wir also auf dem Weg des Friedens bleiben müssen. Es ist gut, wenn die Christen in dieser Frage einig sind. Und nun kommen nach und nach die Wahlergebnisse aus Europa, wo anstelle von kriegstreiberischen Regierungen friedensliebende Regierungen an die Macht kommen. Das war in der Slowakei so, jetzt war es in Tschechien so, und ich erwarte weitere ähnliche Entwicklungen.
Nun, nächste Woche Freitag treffen Sie sich auch mit Donald Trump und werden im Weißen Haus teilweise über den Frieden verhandeln. Können wir in einer Woche dem Frieden näherkommen oder zumindest einem Friedensgipfel in Budapest?
Ich denke, wir könnten näherkommen. Wir arbeiten schon lange an diesem Treffen. Es ist ja nicht so, dass wir uns treffen, weil ich mich treffen möchte, aber der Präsident keine Zeit hat. Wenn wir uns also einmal treffen, muss es ernst gemeint sein. Es geht also nicht nur darum, dass ich mich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten treffe, was natürlich an sich schon bedeutend ist, dass der Chef der ungarischen Regierung sich mit dem amerikanischen Präsidenten trifft, was aus unserer Sicht von Bedeutung ist, sondern wir veranstalten quasi einen ungarischen Tag in Washington. Also Wirtschaftsführer, mehrere Minister, Leiter wichtiger staatlicher Einrichtungen, der Chefberater für nationale Sicherheit und so weiter. Wir reisen also mit einer großen Delegation, jeder hat seine Partner, und es findet eine vollständige Überprüfung und Auffrischung der amerikanisch-ungarischen Beziehungen statt. Ein wichtiger Punkt bei den Verhandlungen auf höchster Ebene ist der Frieden, aber für uns Ungarn gibt es noch einen weiteren wichtigen Punkt, denn wir verhandeln schon seit Monaten über wirtschaftliche Fragen, und ich habe das Gefühl, dass wir, wenn wir es dort nicht vermasseln – und warum sollten wir das tun? –, auch ein amerikanisch-ungarisches Wirtschaftskooperationspaket unter Dach und Fach bringen können.
Wie kann die ungarische Wirtschaft davon profitieren? Denn es gibt einen kleinen Schatten, der darauf fällt, nämlich die Frage der Energetik.
Das müssen wir noch klären, aber ich arbeite seit Monaten daran, dass sich die Amerikaner die Karte Europas oder Mitteleuropas vorstellen können. Das ist nicht ihre Aufgabe, denn sie haben ihre eigene Karte, auf der die Vereinigten Staaten von Amerika im Mittelpunkt stehen. Übrigens habe ich in meinem Büro auch drei Weltkarten, ich möchte Sie damit nicht langweilen, ich habe meinen Verstand nicht verloren, denn es gibt nur eine Erde, einen Globus, aber man kann ihn auf verschiedene Weise betrachten. Ich habe eine Karte, in deren Mittelpunkt Europa steht, von dort aus betrachtet man die Welt, und in meinem Büro hängt die Karte, die auch im Büro des amerikanischen Präsidenten hängt, auf der die Vereinigten Staaten im Mittelpunkt der Welt stehen und von dort aus der Globus dargestellt ist. Und es gibt noch eine dritte, die der chinesische Präsident jeden Tag betrachtet, auf der sie im Mittelpunkt stehen. Und wir, da wir nicht groß genug sind, müssen uns oft anpassen, wir müssen die Welt auch mit den Augen anderer sehen. Nun, wenn wir die Dinge so betrachten, muss ich sagen, dass natürlich die bilateralen Beziehungen am wichtigsten sind, also ist es für uns Ungarn doch am wichtigsten, dass die amerikanisch-ungarischen Beziehungen auch greifbare Vorteile für die ungarischen Menschen mit sich bringen. Ich möchte hier in Klammern anmerken, dass während die Amerikaner gerade nach Hause gehen und ihre Unternehmen aus vielen Teilen der Welt nach Hause holen, nach Hause locken, nach Hause ziehen, gleichzeitig amerikanische Investitionen nacheinander nach Ungarn kommen. Diese kommen nicht vom Himmel gefallen, sondern kommen auf der Grundlage von Vereinbarungen hierher. Und auch im aktuellen Paket zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit haben wir Wünsche und Vorschläge für weitere amerikanische Investitionen, die nach Ungarn kommen würden, aber die Voraussetzung dafür ist, wie Sie sagen, dass wir die Energiefrage klären, denn damit ein Investor über eine langfristige Investition entscheiden kann, muss er die Entwicklung eines wichtigen Produktionskostenfaktors sehen, nämlich den Energiepreis. Und ich muss die Amerikaner davon überzeugen, dass sie sich nicht vorstellen können, wie es ist, wenn ein Land keinen Zugang zum Meer hat, denn sie haben ja einen, nicht wahr? Wenn der amerikanische Präsident auf diese Karte schaut, sieht er, dass die Küsten links und rechts vom Meer umspült werden, während Ungarn ein Binnenland ist, wir haben kein Meer, Seetransporte sind nicht direkt möglich, wir sind auf die Transportwege angewiesen, über die Energie nach Ungarn gelangen kann. Das sind vor allem Pipelines, natürlich gibt es auch Stromleitungen, aber das ist etwas anderes, und wir müssen uns an diese Pipelinesysteme anpassen, sonst haben wir keine Energie. Und den Amerikanern müssen wir – wie soll ich sagen? – diese seltsame Situation, die sie nicht kennen können, und die damit verbundenen Schwierigkeiten verständlich machen, wenn wir wollen, dass sie Ausnahmen von den gegen Russland verhängten amerikanischen Sanktionen zulassen. Aber wir sind nicht ganz allein, denn obwohl es in der ungarischen Presse untergegangen ist, was mich selbst überrascht, habe ich einen Geheimdienstbericht gesehen, vielleicht sogar eine öffentliche Meldung, dass die Deutschen, die über einen Zugang zum Meer verfügen, für eine ihrer Raffinerien eine Ausnahme von den amerikanischen Sanktionen beantragen. Während ich mich daran erinnere, dass man uns an den Ohren zieht, damit wir uns von russischer Energie lösen, stellt sich nun heraus, dass, wenn alle aussteigen müssen, die Deutschen sofort eine Ausnahme beantragen. Das hat sie jedoch nicht davon abgehalten, uns bis jetzt an den Ohren zu ziehen. Ich möchte also nur sagen, dass jedes Land das Recht hat, sich auf nationaler Ebene gegen ein solches Sanktionssystem zu verteidigen, sogar Deutschland, das über einen Zugang zum Meer verfügt, und warum sollten dann wir, die wir keinen Zugang zum Meer haben, nicht das Recht dazu haben?
Wirtschaftliche Fragen sind auch deshalb wichtig, weil die ungarische Wirtschaft im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal stagnierte und Experten, die mit der Tisza-Partei in Verbindung stehen, der Meinung sind, dass der Staat sparen sollte, weshalb beispielsweise Steuererhöhungen und die Besteuerung von Renten notwendig wären. Ist es gerechtfertigt, die Ausgaben zu senken und die Einnahmen zu erhöhen, selbst um diesen Preis?
Wenn man linksorientiert ist, sieht man das so, und nach ihrer Logik verstehe ich das, sie haben das immer so gemacht. Ich sage auch nicht, dass darin nicht ein wirtschaftlicher Kern der Wahrheit steckt. Nur! Wir haben wenig Zeit, aber ich werde versuchen zu erklären, was der Unterschied zwischen einem Ökonomen und einem Wirtschaftspolitiker ist. Ein Ökonom ist ein ausgebildeter Mensch, der an der Universität alle möglichen wirtschaftlichen Zusammenhänge gelernt hat und sich mit Zahlen auskennt, denn in der Wirtschaft geht es schließlich um Zahlen, und er betrachtet eine Situation, sieht die Zahlen und macht einen Vorschlag. Das ist der Ökonom. Der Wirtschaftspolitiker betrachtet eine Situation und sagt: „Oh, hier gibt es Familien, Rentner, Arme, Menschen, die im Ausland arbeiten, Menschen, die in dieser oder jener Branche arbeiten“, er arbeitet also mit einer gesellschaftlichen Realität. Das ist ein anderer Ansatz. Der Wirtschaftspolitiker sieht keine Zahlen, sondern Menschen. Das ist übrigens in meinem Beruf, dem Anwaltsberuf, genauso, denn es gibt gute Anwälte, die die Gesetze kennen, sie sehen Buchstaben, und es gibt den Gesetzgeber, der mit seiner Arbeit das Leben der Menschen beeinflusst. Er muss Menschen sehen. Das ist ein anderer Beruf. Der Ökonom und der Wirtschaftspolitiker sind also zwei verschiedene Berufe. Deshalb brauchen wir wirtschaftswissenschaftliches Wissen, aber wir dürfen niemals auf Ökonomen hören. Man kann ihren Rat befolgen, aber nicht, weil sie kluge Ökonomen sind, sondern weil man ihre Vorschläge durch den eigenen wirtschaftspolitischen Filter laufen lässt und das akzeptiert, was sich bewährt hat. Das Problem mit diesen Ratschlägen, die Sie gerade angeführt haben, mit den Vorschlägen der Linken, der Tisza oder der DK, ist, dass wir sie bereits ausprobiert haben und sie nicht funktioniert haben. Wir haben diese Vorschläge bereits durch den Filter der Wirtschaftspolitiker laufen lassen, diese großartigen Vorschläge von Wirtschaftswissenschaftlern wurden umgesetzt, Lajos Bokros, um einen symbolischen Namen zu nennen, und es kam zu großen Problemen. Ich schlage daher vor, dass wir diesen ganzen Unsinn von Tisza, DK und liberalen linken Ökonomen vergessen. Dieser Ansatz hat Ungarn bisher nur Probleme gebracht. Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gab es hier erst nach 2010, was genau das Gegenteil von dem ist, was sie empfehlen. Deshalb schlage ich vor, dass wir als Nicht-Ökonomen, die sich mit Wirtschaftspolitik befassen, bei allem Respekt gegenüber den Ökonomen, ihnen für ihre guten Ratschläge danken, sie aber schnell vergessen und das tun, was den Menschen guttut, und nicht das, was die Zahlen ausgleicht. Meiner Meinung nach kann man die ungarische Wirtschaft nicht durch Sparmaßnahmen auf Wachstumskurs bringen. Wir müssen verstehen, warum die ungarische Wirtschaft nicht schneller wächst. Und das hängt damit zusammen, warum die europäische Wirtschaft nicht schneller wächst. Im Übrigen wächst die ungarische Wirtschaft um 0,6 bis 1 Prozent, das ist immerhin etwas. Denjenigen, die sich nicht mit Wirtschaftsfragen beschäftigen, sage ich, dass beispielsweise ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent für den Haushalt, also als verteilbare Mittel, einen Betrag zwischen 400 und 500 Milliarden Forint ergibt. Das ist eine riesige Summe! Die Haushaltslage wäre jetzt viel einfacher, wenn es ein Wachstum von 3 Prozent gäbe, dann hätten wir tausend Milliarden Forint, mit denen wir beispielsweise die Schulden reduzieren oder sie den Menschen für einen guten Zweck zur Verfügung stellen könnten, aber lieber sollten wir die Schulden reduzieren, Klammer zu. Aber das ist nicht der Fall. Und genau aus diesem Grund kann die ungarische Wirtschaft nicht mehr als 1 Prozent wachsen. Ich habe die jüngste Erklärung der Präsidentin der Europäischen Zentralbank auf dem Ministergipfel in Brüssel gehört, wo sie für das nächste Jahr ein Wachstum von 1 Prozent für die Eurozone prognostiziert. 3 wäre das Minimum, das wir brauchen, und das kommt nicht zustande, weil Krieg ist. Der Krieg blockiert also die europäische Wirtschaft. Wenn das Geld für Waffen ausgegeben wird, wenn das Geld in die Ukraine fließt, also wenn die Europäer so weitermachen wie bisher, dann kann die europäische Wirtschaft keinen Schwung entwickeln, höchstens durch Kredite, was äußerst gefährlich ist. Deshalb sind Frieden und Waffenstillstand für die ungarischen Familien das Wichtigste, das unmittelbarste wirtschaftliche Interesse. Ja, wenn es keinen Krieg gibt, sage ich nicht, dass das Brot billiger wird, aber es wird mehr Einkommen geben, und im Vergleich zum Einkommen wird das Brot natürlich billiger sein. Die Belastung des täglichen Lebens wird also sinken, wenn der Krieg vorbei ist und es ein größeres Wirtschaftswachstum gibt. Ich erwarte also kein höheres Wirtschaftswachstum, solange der Krieg und die Wirtschaftssanktionen andauern. Das ist ein wahres Wunder, und deshalb ziehe ich meinen Hut vor dem ungarischen Wirtschaftsminister Márton Nagy, es ist ein wahres Wunder, dass er in einer Zeit, in der die europäische und die ungarische Wirtschaft durch einen Krieg blockiert sind, in der Lage ist, gleichzeitig Lohnsteigerungsprogramme durchzuführen – wir haben gerade gestern einige angekündigt –, ein 3-Prozent-Kreditprogramm für den Erwerb des ersten Eigenheims durchzuführen und die größte Steuersenkung Europas durchzuführen. Ich schaue mir die anderen europäischen Länder an, die sind dazu nicht in der Lage. Hut ab vor dem von ihm geführten Team der ungarischen Wirtschaftspolitiker, dass es ihnen gelungen ist, das Defizit in einem akzeptablen Rahmen zu halten und dabei keine defensiven, von den liberalen Ökonomen und der Tisza geforderten Kürzungen vorzunehmen, sondern auch bei geringem Wachstum weiterhin wichtige Programme durchführen zu können. Das birgt Risiken, da haben die Ökonomen Recht, aber es ist die einzige Lösung, die zu einer für die Menschen akzeptablen Wirtschaftspolitik führt, bei noch tragbaren Risiken. Ich möchte die Wirtschaftspolitik des Landes auf diesem Weg halten.
Lassen Sie uns noch über zwei Dinge sprechen, auch wenn wir nur wenig Zeit haben. Gestern sagten Sie, dass es eine 14. Monatsrente geben wird, das steht bereits fest, man arbeitet nur noch an der Einführung. Was ist hier die wichtigste Frage, die noch ungeklärt ist?
Wir beschäftigen uns immer mit Renten und Löhnen. Aber das ist doch typisch für die Ungarn, aber vielleicht ist das keine typische Eigenschaft, sondern andere sehen das auch so, dass das, was bereits geschehen ist, hinter uns liegt und nicht mehr interessant ist. Wenn man jedoch eine Entscheidung für die Zukunft treffen will, muss man sich daran erinnern, was man getan hat. Im Falle der Rentner bedeutet das, dass sie 2010 gelitten haben. Sie haben gelitten, weil die vorherigen Regierungen den Wert der Renten gemindert und die 13. Monatsrente gekürzt, sie weggenommen haben. Deshalb haben wir mit den Rentnern ein Bündnis geschlossen, das besagt, dass es in Ungarn nie wieder vorkommen darf, zumindest solange es eine nationale Regierung gibt und ich Ministerpräsident bin, dass die Renten an Wert verlieren, und dass wir sie so weit wie möglich erhöhen und die 13. Monatsrente zurückgeben werden. Wir haben Blut geschwitzt, aber wir konnten die 13. Monatsrente zurückgeben. Und ich halte auch die 14. Monatsrente für notwendig, denn ich möchte keine Veränderungen im Rentensystem herbeiführen, weil jede gute Idee, jede moralisch richtige interne Veränderung im Rentensystem mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr Ungerechtigkeit hervorruft, als man damit beheben möchte. Ich habe Erfahrung damit, daher ist es immer besser, die Renten für alle Mitglieder des Rentensystems gleichermaßen anzuheben, das ist immer gerechter, als wenn man eine bestimmte Gruppe auswählt und sie bevorzugt behandelt. Deshalb müssen die Renten kontinuierlich angehoben werden. Die 14. Monatsrente ist daher eine gute Sache, die wir auch umsetzen müssen. Aber das gilt auch für die Löhne, nicht wahr? Im sozialen Bereich wird es nächstes Jahr eine 15-prozentige Lohnerhöhung geben. Ich habe mir angesehen, wie die Situation 2010 war: Das Bruttoeinkommen der Beschäftigten im Sozialbereich betrug 137.000 Forint. Jetzt liegt es bei den meisten Menschen zwischen 400.000 und 450.000, der Durchschnitt liegt sogar noch höher, der Durchschnitt ist immer höher als der Median, er liegt bei etwa 500.000. Und wir können ihn um 17 Prozent erhöhen. Das ist eine enorme Steigerung im Vergleich zu den 137.000 Forint im Jahr 2010 – und das, obwohl der Krieg das Wirtschaftswachstum blockiert. Ich sage es noch einmal: Selbst die Leute von der Tisza, von der DK und die liberalen Ökonomen sagen, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für die 14. Monatsrente ist, dass man so etwas nicht tun darf. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür, und es muss getan werden. Die Frage ist, in wie vielen Schritten wir dies einführen können. Natürlich können wir dies nicht in einem Schritt auf den Haushalt umlegen, aber wie bei der 13. Monatsrente, die wir in mehreren Schritten wieder eingeführt haben, ist dies auch bei der 14. Monatsrente möglich. Unsere Experten arbeiten derzeit an einem genauen Szenario dafür.
Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zu den Friedensbemühungen, den Renten und den Lohnerhöhungen befragt.
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