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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Heute endet die Voks2025, die meinungsäußernde Abstimmung über die beschleunigte EU-Mitgliedschaft der Ukraine, bei der bisher mehr als zwei Millionen Menschen ihre Meinung dazu geäußert haben, ob sie die Aufnahme unseres östlichen Nachbarn in die Europäische Union unterstützen. Was die Regierung mit dem Ergebnis der Abstimmung machen wird, werde ich auch Ministerpräsident Viktor Orbán fragen. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Was sollen diejenigen bedenken, die noch darüber nachdenken, ob sie den Stimmzettel ausfüllen sollen? Was steht jetzt, am letzten Tag dieser Abstimmung, auf dem Spiel?

Ich schlage einen einfachen Ansatz vor. Wenn zwei Millionen und einige hunderttausend Menschen diese Angelegenheit für wichtig halten, dann ist sie es sicherlich auch. Wer sich bisher nicht beteiligt hat, sollte jetzt auf die anderen hören. Es geht also um eine Angelegenheit, zu der sich bereits mindestens zwei Millionen Menschen geäußert haben, denn wir wissen ja noch nicht, wie sich die abgegebenen Stimmen insgesamt verteilen, aber mehr als zwei Millionen Menschen haben ganz sicher gesagt, dass sie das wichtig finden und dass sie dazu ihre Meinung äußern wollen und dass die führenden Politiker des Landes ihre Meinung kennen sollen, und wenn das für zwei Millionen Menschen wichtig ist, dann ist es meiner Meinung nach auch für die restlichen drei, vier oder fünf Millionen wichtig. Ich schlage den Wählern daher vor, dem Beispiel ihrer Mitbürger zu folgen, die ihre Stimme bereits abgegeben haben. Es geht um die wichtigste Frage, die die Zukunft und das Schicksal Ungarns in den nächsten Jahren bestimmen wird.

Gleichzeitig sagte beispielsweise der Europaabgeordnete der Tisza-Partei, Zoltán Tarr, diese Woche, dass diese Abstimmung völlig nutzlos sei. Was denken Sie, wie viel sind diese zwei Millionen Stimmen wert, die abgegeben wurden – oder wie viele es am Ende sein werden?

Betrachten wir das einmal aus einer anderen Perspektive! Versetzen wir uns in einen Bauern aus Békés, der auf seinem Traktor sitzt und jeden Tag arbeitet. Und wenn er über seine Zukunft nachdenkt, über die Chancen und Risiken, die vor ihm liegen, dann sollte er bedenken, dass, wenn die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen wird, was übrigens die gesamte Europäische Union, einschließlich der Tisza-Partei, der DK, der Europäischen Volkspartei und der Sozialisten, also eine große Mehrheit in der Union, von der Leyen, die Kommission, darauf drängen, dass dies geschieht, also wenn ein Traktorfahrer aus Békés daran denkt, dass die Ukraine bis 2030 in die Union aufgenommen wird, dann bedeutet das, dass ein Großteil oder sogar die gesamte landwirtschaftliche Förderung verloren geht, weil es kein Geld mehr für die landwirtschaftliche Förderung geben wird, da das Geld in die Ukraine fließt. Oder er könnte denken, dass, wenn die Ukraine aufgenommen wird und billiges Getreide aus der Ukraine eingeführt wird, er hier zwar sein Getreide anbauen kann, es aber sicher nicht verkaufen kann oder nur zu einem sehr niedrigen Preis, weil er mit dem Preis für ukrainisches Getreide nicht konkurrieren kann, das immer billiger sein wird. Oder ein Budapester Kellner sollte daran denken, dass wenn zwischen 2026 und 2030 die Ukrainer in die EU aufgenommen werden, er jetzt vielleicht 600-700 Tausend Forint verdient, und die ungarische Regierung dann kein Mittel mehr hat, um zu verhindern, dass Hunderttausende ukrainische Arbeitnehmer nach Ungarn kommen. Derzeit haben wir noch dieses Mittel in der Hand, heute kann ich das noch verhindern, aber wenn sie Mitglieder werden, kann ich das nicht mehr. Und dann wird die Arbeit, die er für 600.000 bis 700.000 Forint verrichtet hat, von Ukrainern für 500.000 Forint erledigt, und er verliert seinen Arbeitsplatz. Und es werden nicht fünf Ukrainer kommen, sondern mehrere Hunderttausend, denn der Unterschied zwischen den Löhnen ist offensichtlich enorm. Und es leben doch noch immer viele Millionen Menschen in der Ukraine, die dort keine Existenzgrundlage finden. Die ukrainische Mitgliedschaft bringt also eine solche Gefahr mit sich, die unser tägliches Leben unmittelbar bedroht. Darüber sollte man nachdenken, wenn man über Voks2025 spricht.

Gleichzeitig haben Sie erwähnt, dass das gesamte Brüsseler Institutionensystem und ein Großteil der politischen Kräfte daran arbeiten, dass die Ukraine so schnell wie möglich Mitglied wird. Übrigens hat auch ein Politiker der nächsten dänischen Präsidentschaft diese Woche angemerkt, dass sie in den nächsten sechs Monaten daran arbeiten werden. Wenn Brüssel so entschlossen ist, die Ukraine aufzunehmen, wie kann dann die Meinung der Bevölkerung Ihnen helfen? Zum Beispiel beim EU-Gipfel nächste Woche.

Der EU-Gipfel nächste Woche wird eine hässliche Arbeit werden, so sehe ich das an den Vorzeichen. Aber natürlich hat auch diese hässliche Arbeit ihren Reiz, denn es wird eine große Debatte geben, und ich hoffe, dass sie in einem intelligenten Rahmen bleibt, auch wenn das nicht immer gelingt und manchmal auch Emotionen hochkochen. Und in solchen Fällen brauche ich zwei Dinge. Das eine ist klar: das nennt man Erfahrung. Das ist ein großer Vorteil für mich und für Ungarn, denn von allen dort anwesenden Staats- und Regierungschefs ist die ungarische Regierung am längsten im Amt, und ich bin der Ministerpräsident, also erinnere ich mich daran, wie es 2010 war, und ich erinnere mich sogar daran, wie es zwischen 1998 und 2002 war. Die anderen waren damals alle noch woanders, vielleicht noch nicht einmal in diesem Beruf, daher hilft die Erfahrung sehr, man kann sich auf etwas beziehen. Ich bin schließlich ein Augenzeuge, ich weiß, wann wir gute und schlechte Entscheidungen getroffen haben. Wenn man also seine Gelassenheit bewahren kann, und darum bemühe ich mich, dann hat man strategische Ruhe und Erfahrung, und das ist eines der Mittel. Das andere Mittel, das ich brauche, ist Kraft. Es geht also nicht darum, was der ungarische Ministerpräsident denkt, das mag interessant sein, aber es ist nicht wichtig. Die Frage ist, was die ungarischen Menschen denken, das ist nicht interessant, sondern wichtig, das kann man nicht umgehen. Wenn ich also im Namen Ungarns spreche, ist es nicht egal, ob ich die Position der Regierung vertrete oder offensichtlich die Position eines Landes, die keine Vermutung ist, sondern ein tatsächlich bestehender, erklärter Volkswille, wie Voks2025. Das ist eine Kraft, auch wenn wir nur zehn Millionen sind, sagen wir, gegenüber den 84 Millionen Deutschen, dann ist es dennoch eine Kraft, die Kraft eines Volkes, die man nicht umgehen, überspringen oder beiseiteschieben kann. Wenn also Erfahrung und Kraft vorhanden sind, kann man in Brüssel etwas erreichen.

Lassen Sie uns auch über die innenpolitische Seite und die Terminierung der Abstimmung sprechen, denn vor einigen Tagen hat der Vorsitzende der Tisza-Partei gesagt, dass auch die Tisza einen beschleunigten EU-Beitritt der Ukraine nicht unterstützt, es scheint also Einigkeit zu herrschen, aber sie sagen, dass sie, sobald die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen sind und die Bedingungen bekannt sind, ein Referendum zu dieser Frage initiieren werden. Warum muss Ihrer Meinung nach und nach Ansicht der Regierung jetzt eine Entscheidung in dieser Frage getroffen werden, warum kann das nicht später geschehen?

Weil jetzt die Entscheidung fällt. Ich respektiere diejenigen, die sich jetzt in die Politik und in die internationale Politik eingeschaltet haben, denn es ist immer gut, wenn es neue Akteure gibt und eine Erneuerung in der Politik stattfindet, aber die Erfahrung und die Fakten zählen auch. Wenn die Europäische Union einen Weg eingeschlagen hat, kann man sie nicht mehr aufhalten. Sie ist wie eine Dampfwalze, die, wenn sie einmal in Fahrt gekommen ist, in ihrem Tempo weiterfährt und alle anderen von der Bahn drängt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür. Ich erinnere mich, als die Europäische Union neue Regeln schaffen wollte, hat sie diese auch geschaffen. Die Franzosen und die Niederländer haben sogar in einem Referendum dagegen gestimmt. Dann haben sie ein Jahr gewartet, sie haben die Regeln neu aufgelegt, die Gesellschaft bearbeitet und sie annehmen lassen. Damit will ich also sagen, dass man die Europäische Union nicht unterschätzen darf. In der Europäischen Union kann man Dinge verhindern, wenn man nicht zulässt, dass sie einen Anfang nehmen. Wenn sie einmal in Gang gekommen sind, kann man vielleicht noch dies und das modifizieren, aber der Dampfwagen rollt bis zum Schluss. Wer also denkt, irgendwann einmal, später, der kennt die europäische Politik nicht, weil er so etwas noch nicht erlebt hat.

Wie beurteilen Sie die Versuche, Druck auszuüben, die in den letzten Wochen und Monaten sowohl in der Innenpolitik als auch von außen im Zusammenhang mit Voks2025 unternommen wurden?

Das sollten wir im gleichen Zusammenhang sehen wie die gesamte ungarische Innenpolitik. In jedem Land, nicht nur in Ungarn, ich habe kürzlich in Frankreich Unterredungen geführt, zuvor in Spanien, jetzt fahre ich in die Niederlande, also überall findet sich das gleiche Muster. Es gibt zwei Arten von politischen Kräften. Es gibt nationale Kräfte, die keine Einwanderung wollen, keine Befugnisse an Brüssel abgeben wollen und nicht wollen, dass die Ukraine der Europäischen Union beitritt. Und es gibt jene politischen Kräfte, die den Beitritt der Ukraine wollen, die die Migration tolerieren, akzeptieren, vielleicht sogar wollen, die gerne Kompetenzen an Brüssel abgeben, die der Meinung sind, dass Brüssel den Mitgliedstaaten vorschreiben muss, was sie zu tun haben. Das ist eine andere Gruppe, aber in allen Ländern ist es im Großen und Ganzen so. Das ist auch in Ungarn so. Und da heute, was die Machtverhältnisse in Europa angeht, die Letzteren, also die Ukraine-Freunde, die Migrantenfreundlichen, die „Gebt Brüssel so viele Kompetenzen wie möglich“-Gruppe in der Mehrheit sind, übt dies Druck auf Länder wie Ungarn aus, wo es nationale Regierungen gibt, noch mehr Kompetenzen abzugeben, in unserer Wirtschaftspolitik den Vorgaben Brüssels zu folgen – das war eine der sehr wichtigen Entwicklungen dieser Woche, vielleicht haben wir noch Zeit, darüber zu sprechen –, die Migrationsregelung zu unterstützen oder zu akzeptieren, die Ukrainer nicht nur in die EU, sondern möglicherweise sogar in die NATO aufzunehmen. Wir stehen also unter enormem Druck. Das ist also – wie soll ich sagen? – das natürliche Umfeld und der natürliche Zustand der europäischen Politik. Auf der einen Seite stehen Patrioten, Nationalgesinnte und nationale Regierungen, auf der anderen Seite Föderalisten, Brüsseler und Ukraine-Freunde.

Die Position der Regierung ist ja doch, dass Brüssel mit der Ukraine auch den Krieg in die Europäische Union tragen würde, gleichzeitig gibt es aber auch in unserem weiteren Umfeld einen Konflikt. Selbst Analysten wissen noch nicht, ob man dies bereits als Krieg bezeichnen kann. Es handelt sich um den Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Inwiefern sehen Sie darin eine Gefahr für Ungarn? Wir hören viel über die Energieversorgung, aber es gibt auch sicherheitspolitische Aspekte.

Eine längere Antwort wäre hier angebracht, aber dafür fehlt jetzt die Zeit. Die Frage ist natürlich der Iran. Iran ist ein ganz besonderes Land. Abgesehen davon, dass es über eine riesige Armee verfügt, vertritt es auch einen besonderen Zweig des Islam. Es liegt an strategisch wichtigen Verkehrswegen, d. h. es gibt dort eine Meerenge, die es kontrolliert, und dort werden 20 bis 30 Prozent des Welthandels und ein noch größerer Teil des Ölhandels abgewickelt. Es baut auch nukleare Kapazitäten auf, wir sprechen also von einem starken, großen Land mit mehr als 90 Millionen Einwohnern. Weniger bekannt ist jedoch, dass der Iran ethnisch gesehen ein gemischtes Land ist, was seine nationale Zusammensetzung betrifft. Dort leben also Farsen, Perser, die mit über 50 Prozent zwar die Mehrheit bilden, aber nicht viel mehr, daneben gibt es jedoch auch andere Volksgruppen, die in einem Block leben, ähnlich wie unsere Ungarn im Szeklerland. Und wenn die zentrale iranische Regierung zerfällt, kann das ganze Land auseinanderbrechen, was zu einer Destabilisierung führen kann. Da ist zum Beispiel der Fall Aserbaidschan, das derzeit etwa 10 Millionen Einwohner hat, aber 20 Millionen Aserbaidschaner leben im iranischen Gebiet. Das eine ist ein säkulares, sich Europa annäherndes Land, das uns in vielerlei Hinsicht ähnelt, nämlich Aserbaidschan, während die Iraner einer religiös fundamentalistischen Gemeinschaft angehören. Wenn also der Iran infolge des Krieges zerfällt, wird es nicht nur in Iran einen Kriegsherd geben, sondern dieser wird sich auf zahlreiche Nachbarländer ausbreiten. Pakistan befindet sich in derselben Lage. Die eigentliche Gefahr dieses Konflikts besteht also darin, dass ein bedeutender Teil der Welt unregierbar und unkontrollierbar wird.

Welche Schlussfolgerungen muss man daraus hier in Ungarn ziehen?

Man schaut immer auf die täglichen Ölpreise, das ist spannend, aber es lohnt sich auch, sie aus einer wöchentlichen und monatlichen Perspektive zu betrachten. Im letzten Monat ist der Preis für Brent-Öl um 20 Prozent gestiegen. Das war’s! Ungarn ist auf Importe angewiesen, wir importieren Energie, Kraftstoff, Öl und Gas. Wenn der Weltmarktpreis für Öl steigt, ist das immer schlecht für die Ungarn, denn der Krieg treibt die Preise in die Höhe, also ist der Krieg schlecht für die Ungarn.

Die Regierung sagt doch, dass in dieser Situation der Plan Brüssels, wonach die EU und damit auch Ungarn bis Ende 2027 von russischem Gas und Öl unabhängig werden sollen, wirtschaftlicher Selbstmord ist. Das Gegenargument der anderen Seite lautet jedoch, dass bis dahin noch zweieinhalb Jahre Zeit sind, um sich darauf vorzubereiten. Warum glaubt die Regierung, dass dieser Plan so drastische oder sogar sofortige Auswirkungen haben würde?

Aus den Zahlen. Wenn wir also kein Gas aus Russland importieren können, werden die Nebenkosten für Familien und Unternehmen, insbesondere aber für Familien, um das Zweieinhalbfache steigen. Das heißt, wer bisher 30.000 gezahlt hat, wird 70.000 zahlen müssen. Das ist Mathematik, keine Politik. Das wird passieren. Warum sollten wir das wollen? Die EU will also etwas, Brüssel will etwas, das den Interessen der Ungarn zuwiderläuft. Warum sollten wir das akzeptieren? Wir müssen für unsere Interessen kämpfen!

Welche Mittel stehen der Regierung zur Verfügung? Denn Sie haben nach der Regierungssitzung am Mittwoch erwähnt, dass es dabei hauptsächlich darum ging, wie man diese Brüsseler Pläne abwehren kann.

Bisher war es ja so, dass die Lieferung russischer Energie nach Europa durch Sanktionsbeschlüsse eingeschränkt wurde. Für Sanktionsbeschlüsse, also für ein Verbot, ein Verbot aus Brüssel, ist Einstimmigkeit erforderlich, also auch die Stimmen der Ungarn. Und wir haben gesagt: Gut, wenn ihr euch selbst ins eigene Fleisch schneiden wollt, das ist eure Sache, wir werden euch nicht daran hindern, aber mit uns könnt das nicht machen, deshalb dürfen solche Beschränkungen nicht für Ungarn gelten. Und ich habe mein Veto eingelegt – bis sie es schließlich hineinschrieben und verabschiedeten, wie in der Geschichte von Ferenc Móra: Ja, mit Ausnahme des Richters aus Gyevi, also Ungarn. Nebenbei konnten wir auch noch die Slowaken und die Tschechen mit ins Boot holen, weil sie auch keine Küste haben. Das ist natürlich ein großes Problem für Länder, die nicht über den Seeweg transportieren können, sondern nur über Pipelines. Und wir transportieren Energie durch Pipelines. Also haben wir unser Veto eingelegt, und Ungarn hat eine Ausnahme bekommen. Das wollen sie uns jetzt wegnehmen. Das ist ein erkämpftes Recht. Es war ein harter Kampf, ich werde hier nicht alles wiedergeben, was gesagt wurde, denn nicht alles ist für die Öffentlichkeit geeignet, aber letztendlich haben wir es durchgesetzt. Und jetzt wollen sie es uns mit dem Trick wegnehmen, dass sie sagen, es sei keine Sanktion, sondern eine handelspolitische Maßnahme, was offensichtlich Betrug und Trickserei ist, also eine Blamage für den Rechtsstaat, eine Blamage für Brüssel. Aber egal, jetzt ist das das Schlachtfeld, hier werden wir kämpfen.

Ja, aber übrigens gibt es immer mehr Fälle, in denen die Kommission sagt – zuletzt hat sich diese Woche ein Kommissar geäußert –, dass in mehreren Fragen von einstimmigen zu Mehrheitsentscheidungen übergegangen werden muss, um – in Anführungszeichen – diejenigen Mitgliedstaaten auszuschließen, die nicht zustimmen. In welche Richtung würde dies die Europäische Union führen, wenn strategische Entscheidungen auch gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten getroffen werden könnten?

Das würde das Ende der ungarischen Staatlichkeit bedeuten. Lassen Sie uns also nicht um den heißen Brei herumreden. Die tausendjährige ungarische Staatlichkeit, wie wir sie kennen, wir sind souverän, wir sind frei, über unser Schicksal entscheiden die zehn Millionen, derzeit zehn Millionen, früher waren es 15 Millionen Ungarn, die hier in diesem Land, in dieser Heimat leben, das ist vorbei, denn wir haben zwar eine Meinung, die eine Stimme wert ist, aber wenn die anderen mehr sind als wir, dann kann diese eine Stimme leider nicht durchsetzen, und die Außenpolitik und Wirtschaftspolitik Ungarns werden nicht in Budapest, nicht vom gewählten ungarischen Parlament und der Regierung, nicht vom ungarischen Volk entschieden, sondern von den Brüsseler Bürokraten. Das würde das Ende der ungarischen Staatlichkeit bedeuten. Wir sprechen also nicht über eine rechtliche oder technische Frage, sondern über eine sehr wichtige historische Frage.

Nun, lassen wir die zukünftigen oder geplanten Entscheidungen beiseite und kommen wir zu den bereits getroffenen Entscheidungen, denn diese Woche hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen des Preismargenstopps eingeleitet. Sie kritisieren, dass die Geschäfte dadurch gezwungen sind, bestimmte Produkte mit Verlust zu verkaufen. Wessen Interessen muss die Regierung bei einer solchen Maßnahme berücksichtigen? Die der Geschäfte oder die der Verbraucher, der Familien?

Wir befinden uns derzeit in zwei großen Kämpfen. Wenn wir das Thema Öl, Gas und den Krieg in der Ukraine einmal beiseitelassen – was nicht so einfach ist –, bleiben die Frage des Zinsstopps und die Preismargenregulierung. Sie wollen ja auch, dass wir den Zinsstopp abschaffen, weil die Banken nicht an ihr Geld kommen. Zwar verursachen wir den Banken damit tatsächlich Verluste in Höhe von 55 Milliarden Forint, aber dieses Geld bleibt bei den Familien. Wir sprechen hier von 300.000 Familien, die vom Zinsstopp betroffen sind, die früher Kredite aufgenommen haben und deren Zinsen in die Höhe geschossen sind. Wenn wir zulassen würden, dass die Zinsen geltend gemacht werden, würden diese Familien in Konkurs gehen. 300.000 Familien! Nach unseren Daten würden davon etwa 27.000 bis 28.000 sofort in Konkurs gehen. Sie würden aus ihren Wohnungen hinausgeworfen werden. Wir schützen also derzeit 28.000 bis 29.000 Familien davor, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden, und weitere 270.000 vor unbezahlbar hohen Zinszahlungen. Ich weiß nicht, warum die Brüsseler nicht verstehen, dass das unmöglich ist. Wir brauchen also den Zinsstopp; natürlich ist die Frage berechtigt, wie lange. Der Zinsstopp ist so lange notwendig, bis die Nationalbank in der Lage ist, die Zinsen in Ungarn über den Leitzins der Zentralbank zu senken. Wenn die Zinsen für diese Familien tragbar sein werden, kann der Zinsstopp aufgehoben werden, aber bis dahin geht das nicht, weil sie sonst ruiniert sind. Das ist derzeit einer unserer Kämpfe mit Brüssel. Es geht hier um das Geld der Banken. Brüssel sagt, dass ihm die ungarischen Familien egal sind, dass ihm diese 300.000 Familien egal sind, dass dieses Geld den Banken zusteht und man es ihnen geben soll. Wir befinden uns hier auch in einem Kampf mit den Banken, die übrigens – also die ungarischen Banken – vor dem Verfassungsgericht die Maßnahme der ungarischen Regierung, den Zinsstopp, angefochten haben. Wir haben hier also auch eine interne Diskussion. Der andere große Kampf ist die Preismargenregulierung. Die Preismargenregulierung sollte man sich so vorstellen: Sie gehen in einen Laden und zahlen heute einen bestimmten Preis. Die Preise sind übrigens auch jetzt ungerechtfertigt hoch. Ohne Preismargenregulierung würden Sie für die meisten Lebensmittelprodukte morgen nicht so viel bezahlen wie heute, wenn der Preismargenstopp morgen abgeschafft würde, sondern beispielsweise 20 Prozent mehr. Rechnen Sie das mal aus! Das ist eine enorme Belastung für die Familien. Die ungarische Regierung greift also tatsächlich in die Preisgestaltung ein und sagt den Händlern, insbesondere den multinationalen Konzernen, schaut, es gibt eine Obergrenze für den Aufschlag, den ihr auf die Herstellungskosten von Lebensmitteln auf den Verkaufspreis aufschlagen dürft, nämlich 10 Prozent, bei anderen Produkten 15 Prozent, mehr darf daran nicht verdient werden. Sie wollen mehr verdienen. Aber meiner Meinung nach ist dies ungerechtfertigter Profit. Ich verstehe also, dass Händler und Unternehmer Gewinn machen wollen, dafür sind sie ja Unternehmer und Händler. Aber es gibt eine Grenze, ab der man Menschen ruiniert und ganz einfach wirtschaftlichen Schaden für Familien verursacht. Und deshalb muss die ungarische Regierung angesichts dieser ungerechtfertigt hohen Preise in einer so verrückten Welt, in der wir leben, zum Schutz der Familien eingreifen. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Gewinne der multinationalen Konzerne geringer ausfallen werden, weil das Geld an die Familien geht, da sie es ihnen nicht durch hohe Preise wegnehmen können. Die multinationalen Konzerne kommen nicht an genug Geld, sie erzielen nicht die Gewinne, die sie gerne hätten, sie können sie nicht aus dem Land hinausschaffen. Und Brüssel steht immer auf der Seite der multinationalen Konzerne. Deshalb ist es wichtig, dass es einen ungarischen Staat und eine nationale Regierung gibt, denn sonst steht Brüssel immer auf der Seite der multinationalen Konzerne, und dann können wir zusehen, wie wir ausgeraubt oder um das gebracht werden, was die ungarischen Familien in den letzten fünfzehn Jahren mühsam angesammelt haben. Die Preismargenstopps sind also nichts anderes als ein Instrument, das die Lebenshaltungskosten der Familien in Schach hält, den Preisanstieg bremst, die Profite der multinationalen Konzerne begrenzt, aber gut für die ungarischen Familien ist. Das will Brüssel uns aus der Hand nehmen. Sie haben uns aufgefordert, dies zu streichen; da wir dazu nicht bereit waren, haben sie nun ein Verfahren eingeleitet. Wir werden intensiv diskutieren, die Standpunkte werden sich nicht annähern, und dann werden sie uns vor den Europäischen Gerichtshof verklagen. Das wird sich lange hinziehen, und wir hoffen, dass bis die Debatte zu Ende geht, sich die Preise normalisiert haben werden und die ganze Debatte für die ungarischen Familien keine Bedeutung mehr haben wird.

Bleiben wir noch bei den wirtschaftlichen Fragen, denn diese Woche hat das Parlament den Haushalt für das nächste Jahr verabschiedet, der sich auf Familien konzentriert und als kriegsfeindlicher Haushalt bezeichnet wurde. Gleichzeitig sehen wir auf dem Schlachtfeld, dass der Krieg vorerst nicht abklingen will. Was passiert, wenn der Krieg doch weitergeht? Wie können die im Haushalt festgelegten Verpflichtungen eingehalten werden?

Das werden wir dann wissen, dann können wir diese Frage beantworten, wenn es so weit ist. Die Bedrohung, von der Sie sprechen, schwebt hier über unseren Köpfen. Wenn also die Welt in Flammen steht, muss natürlich auch ein für Friedenszeiten geplanter Haushalt angepasst werden, aber wir haben uns bemüht, den Haushalt so zu gestalten, dass wir uns bei Bedarf flexibel anpassen können. Dieser Haushalt ist jedoch – wie soll ich sagen? – auch ein Haushalt des Willens. Man könnte also auch einen Haushalt aufstellen, bei dem man sagt, dass in Zeiten wie diesen – mit den Gefahren eines Weltkriegs, dem Krieg zwischen Israel und dem Iran, mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine vor unserer Haustür, den vergeblichen Friedensbemühungen der Amerikaner, dem Willen der Europäischen Union zum Krieg, die den Krieg in der Ukraine fortsetzen will und deshalb nicht den Amerikanern folgt, sondern Europa in den Krieg hineinzieht, in einem solchen Umfeld – sollte man sich keine Ziele setzen; man sollte sich mit dem zufrieden geben, was man hat. Das wäre auch eine sinnvolle und vertretbare Haltung. Aber das wären wir nicht, so sind wir nicht, wir sind Ungarn, wir sind nicht so, auch in schwierigen Zeiten muss man sich Ziele setzen. Und nicht nur ich, sondern auch die Gemeinschaft der Anhänger der Regierungsparteien, vielleicht kann ich sogar sagen, unsere Wähler gemeinsam, wir setzen uns auch in so schwierigen Zeiten Ziele, sie erwarten von uns, dass wir uns Ziele setzen. Und die Wahrheit ist, dass wir uns große Ziele gesetzt haben. Und ich habe dies bereits zu Beginn des Jahres angekündigt, dass wir nicht untätig herumsitzen und abwarten werden, wie sich die Weltlage entwickelt, sondern dass wir uns Ziele setzen und diese erreichen werden. Und der Haushalt für 2026 ist der Beweis dafür. Schon jetzt ab dem Juli werde ich endlich nicht mehr nur darüber reden, sondern die Menschen werden endlich sehen, wovon ich rede, denn ab dem 1. Juli erhöhen wir die Steuervergünstigungen für Kinder um 50 Prozent. Das bedeutet, dass dies bereits in den August-Gehältern sichtbar sein wird. Ebenfalls ab dem 1. Juli werden wir die Kinderbetreuungszulage und die Erziehungszulage steuerfrei stellen. Das wird sich bereits ab dem 1. August bemerkbar machen. Im Oktober werden wir die Gehälter der Mitarbeiter der kommunalen Selbstverwaltungen in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern um 15 Prozent erhöhen, ab Januar dann erneut um 15 Prozent. Und ich arbeite daran, dass wir die Gehälter auch in Gemeinden mit bis zu 30.000 Einwohnern erhöhen können. Und im Januar werden wir die Steuervergünstigungen für Kinder erneut um 50 Prozent erhöhen, und diejenigen, die mindestens zwei Kinder haben, werden wir lebenslang von der Einkommensteuer befreien. Das sind riesige Ziele. Diese haben wir uns gesteckt. Jetzt mag zwar Krieg herrschen und uns vieles bedrohen, aber ich möchte mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass wir diese Ziele erreichen, und das werde ich auch tun. Es mag wirtschaftliche Schwierigkeiten geben, und es ist bei weitem nicht alles perfekt, aber es gibt Ziele, die für ungarische Familien wichtig sind, und die Regierung muss diese Ziele erreichen. Und diese Ziele sind im Haushaltsgesetz verankert. Von diesem Zeitpunkt an ist es nicht mehr nur eine Verpflichtung der Regierung, sondern eine gesetzliche Verpflichtung. Das muss getan werden, und es wird gut sein.

Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zu Voks2025, dem EU-Embargo für russische Energieträger und zu wirtschaftlichen Themen befragt.

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