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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Die Staats- und Regierungschefs der EU sind gestern zu ihrem letzten Treffen in diesem Jahr zusammengekommen, auf dem sie über den Krieg in der Ukraine diskutiert und den ungarischen Ratsvorsitz bewertet haben. Aus diesem Grund sprechen wir jetzt mit Ministerpräsident Viktor Orbán im Öffentlich-Rechtlichen Medienzentrum in Brüssel. Ich wünsche Ihnen und den Zuhörern einen guten Morgen!

Guten Morgen!

Im ersten Teil des Gipfels war der ukrainische Präsident Selenskyj zugegen, der Ihnen in dieser Woche eine ziemlich unverblümte Botschaft zukommen ließ, nachdem Sie einen Waffenstillstand zu Weihnachten vorgeschlagen hatten. Wie stehen die Chancen nach dem gestrigen Tag, dass dieser Waffenstillstand Wirklichkeit wird?

Man darf ja auf keine Provokation hereinfallen. In solchen Zeiten des Krieges, wie wir sie jetzt haben, ist die strategische Ruhe das Wichtigste. Und man muss auch verstehen, dass der Anführer eines Landes, das sich in Schwierigkeiten befindet, mit ausländischen Truppen auf seinem Territorium, die etwa 18-20% des Landesgebiets besetzt haben, viele Millionen von Menschen verloren hat, weil sie das Land verlassen haben, Hunderttausende von Menschen sind gestorben, es viele Verletzte, Verwundete, Witwen und Waisen gibt, die Energieinfrastruktur ist zerstört, und es ist nicht absehbar, wie dieses Land in Zukunft überleben wird, so dass der Anführer eines Landes in dieser Situation manchmal wütende Dinge sagt. Ich denke, wir müssen damit großzügig umgehen. Nun, was den Frieden betrifft, so habe ich hier am Ende unserer sechsmonatigen europäischen Präsidentschaft noch einen letzten Versuch unternommen. Wir hatten damit begonnen, mit der ersten Runde, wir haben sie Friedensmission genannt, und jetzt hier, am Ende, habe ich den neuen US-Präsidenten besucht, der die Wahlen gewonnen hat, ich habe ausführlich mit dem Präsidenten Russlands gesprochen, und ich habe persönlich mit dem Präsidenten der Türkei verhandelt. Die Türkei spielt eine Schlüsselrolle für den Frieden, denn sie ist bisher der einzige erfolgreiche Vermittler. Der einzige Bereich, in dem sie in der Lage waren, Frieden zu schließen, in dem sie eine Einigung erzielen konnten, ist die Einfuhr von Getreide aus den Kriegsgebieten, und das wurde von der Türkei und dem türkischen Präsidenten selbst arrangiert, was ich für einen großen Erfolg halte, und ich sehe, dass beide Seiten die Türken als jemanden ansehen, mit dem sie auch für den Frieden zusammenarbeiten wollen. Ich habe also eine letzte Runde gedreht, denn wir arbeiten daran, dass wir, selbst wenn es in diesem Jahr keinen großen, umfassenden Frieden geben sollte, selbst wenn die Parteien nicht bereit sind, einem längeren und dauerhaften Waffenstillstand zuzustimmen, zumindest so viel wie möglich aus dieser Situation herausholen, nämlich zumindest einen Waffenstillstand zu Weihnachten. Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, denn selbst im blutigsten Krieg, dem Ersten Weltkrieg, konnten sich die gegnerischen Seiten zu Weihnachten darauf einigen, dass zumindest für einige Tage niemand an der Front sterben würde. Deshalb versuche ich, einen mehrtägigen Waffenstillstand und einen groß angelegten Gefangenenaustausch am orthodoxen Weihnachtstag, der nicht mit unserem Weihnachtstag zusammenfällt, zu erreichen. Wir könnten 700-800-900, vielleicht sogar tausend Kriegsgefangene austauschen, und dann könnte es neben ein paar tausend Menschen, die nicht sterben, auch keine Witwen und Waisen mehr zu Weihnachten geben und ein paar hundert Männer könnten nach Hause zu ihren Familien gehen. Da es hier um zwei oder drei Tage geht, sind die strategischen Einwände gegen den Waffenstillstand, nämlich dass sich die gegnerische Seite während des Waffenstillstandes neuformiert und dies zu ihrem Vorteil ist, damit hinfällig, denn es geht hier ja um zwei oder drei Tage. Die eigentliche Frage ist, ob die führenden Politiker unter den offensichtlich unmenschlichen Bedingungen eines sehr brutalen Krieges bereits an Frieden denken, denn früher oder später wird es eine Einigung geben müssen, und es wird Frieden geschlossen werden müssen. Und ich denke, dass es bei einem weihnachtlichen Waffenstillstand darum gehen würde, dass es nicht hoffnungslos ist, einen kurzfristigen Frieden und Waffenstillstand in Europa zu haben. Denn wenn er für ein paar Tage geschlossen werden kann, wie es der christlichen Tradition Europas entspricht, dann kann er nach Weihnachten auch als Ergebnis längerer Verhandlungen abgeschlossen werden. Daran arbeite ich also. Es ist mir gelungen, den russischen Präsidenten dazu zu bewegen, dies in Erwägung zu ziehen. Als ich bei der ersten Runde der Friedensmission unterwegs war, gab es auf beiden Seiten keine Aufgeschlossenheit. Jetzt gab es zumindest auf einer Seite eine. Und ich glaube, die Ukrainer haben eher aus Instinkt reagiert. Wenn sie sich hinsetzen und über den Vorschlag nachdenken, könnten sie ihre Position leicht ändern. Ich denke, es wäre auch in ihrem Interesse, dies zu tun.

Ja, Selenskyj sagte auf seiner gestrigen Pressekonferenz, dass es seiner Meinung nach nur dann Sinn mache, über einen Waffenstillstand zu sprechen, wenn man wisse, was danach passieren werde. Aber er gab auch zu, dass der Schlüssel zumindest teilweise in den Händen von Donald Trump liegt. Aber gibt es eine Antwort auf die Frage, was danach passiert, und wie schwierig wird es für den neuen US-Präsidenten sein, nach seinem Amtsantritt Frieden zu schaffen?

Auch ich höre viele Spekulationen darüber, was nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten passieren wird. Das wird am 20. Januar geschehen. Ich bin eher ein vorsichtiger Mensch, und alles, was ich jetzt sehe, ist, dass es noch einen Monat dauert, bis der neue Präsident sein Amt antritt. Und ich schlage vor, dass wir beten, dass dem neuen US-Präsidenten in diesem einen Monat nichts passiert, dass er sein Amt antreten kann, und dann werden wir alles Weitere sehen.

Auch interessant ist, nicht wahr, der europäische Aspekt in dieser Situation. Wir stellen fest, dass in der europäischen Öffentlichkeit immer mehr von Frieden die Rede ist, aber gleichzeitig haben gestern mehrere Staats- und Regierungschefs der EU erklärt, dass sie die Ukraine, wie sie es ausdrückten, bis zum Ende unterstützen wollen. Was ist die vorherrschende Meinung der Staats- und Regierungschefs bzw. der führenden Politiker in Brüssel?

Es gibt zwei wichtige Ereignisse, die sich parallel abspielen. Zum einen verschiebt sich das Kräfteverhältnis an der Front Tag für Tag zugunsten der Russen und zum Nachteil der Ukrainer. Es gibt also eine Neuordnung in der militärischen Situation, die allen bekannt ist. Natürlich gibt es diejenigen, die sagen, dass die Ukrainer dies in einem Monat aufhalten werden, und der ukrainische Präsident selbst hat übrigens gesagt, dass es in einem Monat ganz anders sein wird. Es gibt diejenigen, die dies glauben, und es gibt diejenigen, die eine andere Sicht auf die Realitäten haben, es gibt also eine bedeutende Veränderung an der Front. Die andere Sache ist, dass sich Washington verändert. Und Washington ist, wenn auch vielleicht nicht das Zentrum der Welt, weil das eher Rom ist, so doch ein wichtiges Hauptquartier der europäischen und westlichen Zivilisation. Es wird dort also große Veränderungen geben, große Zeiten stehen bevor. Ich denke, diese Veränderungen werden für die westliche Welt gut sein, wir werden ein normaleres Leben haben als bisher, die Ungarn werden auch wirtschaftlich davon profitieren, und ich denke, wir werden auch dem Frieden näherkommen. Diese beiden neuen Entwicklungen veranlassen uns Ungarn definitiv, vorsichtig zu sein. Wir denken, wenn eine so große Veränderung bald bevorsteht, ist es nicht sinnvoll zu sagen, dass wir unabhängig von den großen Veränderungen weitermachen werden wie bisher. Aber außer uns denkt kaum jemand in Brüssel so. Alle hier sagen immer wieder, egal was an der Front passiert, egal was in Amerika passiert, Europa muss genau so weitermachen wie bisher. Aber das, was wir bisher getan haben, hat nicht gefruchtet! – sage ich. Sie breiten ratlos die Arme aus und erwidern: „Bisher nicht, aber das wird es ab jetzt!” Das ist der Punkt, an dem wir im Moment stehen. Ich habe also das Gefühl, dass unter den führenden Politikern, unter den nationalen Anführern, eine Offenheit für Veränderungen eher besteht, dafür, dass hier neue Dinge kommen, und dass auch wir Veränderungen vornehmen müssen. Auch gestern haben alle gesagt, dass Europa allein diesen Konflikt nicht lösen kann und dass die so genannte transatlantische Zusammenarbeit, also die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, das Wertvollste ist, was seit dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist, und dass ohne sie Frieden und Sicherheit in Europa kaum gewährleistet werden können. Die europäischen Staats- und Regierungschefs, ich meine die nationalen Führer, spüren also offensichtlich den Druck ihrer eigenen Wählerschaft, dass die Dinge in Richtung Frieden gehen, dass dies beendet werden muss und dass ein dauerhaftes, berechenbares Sicherheitssystem geschaffen werden muss, das es Europa ermöglicht, auf den Weg der wirtschaftlichen Entwicklung zurückzukehren. Es ist schwierig für einen Kontinent, sich zu entwickeln, wenn an seinen Grenzen ein brutaler Krieg herrscht, Sanktionen verhängt werden, die Energiepreise in die Höhe schießen und dies auch die Wirtschaftsleistung beeinträchtigt. Natürlich gibt es auch einige interne Probleme in der europäischen Wirtschaft, aber es ist kein Zufall, dass diejenigen, die weiter vom Krieg entfernt sind, sich viel schneller entwickeln als wir, Europäer, die wir hier in der Nähe sind. Die Einstellung, die Beendigung des Krieges ist also auch ein primäres europäisches Wirtschaftsinteresse. Ich denke, dass die nationalen Entscheidungsträger dies spüren, denn überall, wie auch in Ungarn, haben die Menschen diesen Krieg, die Inflation und die Sanktionen satt und warten darauf, dass ihre Volkswirtschaften wieder auf den Weg der Entwicklung kommen. Anders sieht es in den europäischen Institutionen aus, also in Brüssel, nennen wir es der Einfachheit halber so, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission. Hier ist letzte Woche doch das Gegenteil von all dem passiert, denn die drei oder vier größten Parteien im Europäischen Parlament haben einen Pakt geschlossen, in dem sie schriftlich festgehalten haben, dass sie sehr wohl auch alles so weiter machen werden wie bisher: Sie unterstützen die Migration, sie unterstützen den Genderirrsinn, sie unterstützen den Krieg, und es kümmert sie nicht, wie sich die Welt außerhalb der Brüsseler Blase verändert, sie wollen weiter vorwärts gehen. Und sie haben auch eine schriftliche Vereinbarung darüber geschlossen. Darin sind auch solche Dinge vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat einen bestimmten Prozentsatz seines Bruttosozialprodukts in den gemeinsamen Topf einzahlen soll, im Falle Ungarns wären das 200 Milliarden Forint. Ich denke also, dass dies zeigt, dass die größten Probleme heute in Brüssel liegen, nicht in Berlin, nicht in Paris, nicht in Rom, nicht in Budapest, nicht einmal in Bukarest, sondern ich denke, dass die wahren Probleme hier, in Brüssel zu finden sind.

Noch eine Frage zum Krieg, denn er hat auch einen finanziellen Aspekt. Gestern sagte Ursula von der Leyen, dass Europa der Ukraine bereits insgesamt 52 Tausend Milliarden Forint in Euro gegeben hat. Wo fehlt dieses Geld? Wie hoch ist die Belastung für die Europäische Union, jetzt oder in Zukunft?

Es gibt unterschiedliche Berechnungen. Die Amerikaner haben mir in unseren Verhandlungen mit ihnen die Zahl genannt, dass Europa und Amerika zusammen bisher 310 Milliarden Euro ausgegeben haben. Das sind gewaltige Zahlen! Es lohnt sich, nach dem Krieg zu berücksichtigen, wie viel Geld wir tatsächlich gegeben haben, denn wir haben Geld, Waffen und Ausrüstung gegeben, es ist also schwer zu berechnen, aber der Punkt ist, dass es ein riesiger Betrag ist. Wenn dieser Betrag zur Verfügung gestanden hätte, um beispielsweise die Länder des westlichen Balkans in ein oder zwei Jahren auf den europäischen Lebens- und Entwicklungsstandard zu bringen, dann hätten wir es mit diesem Geld tun können. Wenn wir gewollt hätten, dass dieses Geld die Entwicklung in den Ländern fördert, die Migranten schicken, zum Beispiel in der Sahelzone, damit es sich für die Migranten lohnt, zu Hause zu bleiben, anstatt nach Europa zu kommen, dann hätten wir das mit diesem Geld tun können. Wenn wir beschlossen hätten, dass weil Europa schwach ist und seine militärische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt hat und wir deshalb eine große, starke europäische militärische Kapazität und Waffenfabriken und Investitionen brauchen, um die Sicherheit zu garantieren, dann hätte dieses Geld all das tun können. Oder wenn wir gesagt hätten, lasst uns dieses Geld den Europäern geben, lasst es uns nicht aus dem Kontinent herausnehmen, lasst es uns hier ausgeben, lasst es uns in die europäische Wirtschaft stecken, dann wären heute die Energiepreise viel niedriger, das europäische Wirtschaftswachstum wäre viel höher, und den Menschen in Europa würde es viel besser gehen als heute. Das sind riesige Geldbeträge, die Wunder hätten bewirken können.

Sie haben vorhin den Pakt erwähnt, den die Fraktionen oder Parteifamilien der Liberalen, der Sozialdemokraten und der Volkspartei in Europa geschlossen haben, aber gleichzeitig gibt es die Patrioten, die in diesen Fragen eine andere Position vertreten als der Mainstream in Brüssel. Wie hat das Erscheinen der Patrioten die politischen Bruchlinien in Brüssel oder auch zu Hause geprägt und prägt sie noch?

Vielleicht noch ein wichtiges Detail zu diesem Pakt. Er besagt ja auch, dass die Ukraine sehr schnell, sehr schnell in die Europäische Union aufgenommen werden soll, worauf alle Länder mit einem bedeutenden Agrarsektor sofort und negativ reagierten. Wenn die Ukraine also schnell in die Europäische Union aufgenommen wird, ohne dass die Situation derjenigen, die von der Landwirtschaft leben, gelöst ist, dann werden die europäischen Landwirte ruiniert. Dann müssen auch wir uns sehr bemühen, damit wir die ungarische Landwirtschaft und die von der Landwirtschaft lebenden ungarischen Familien retten können. Dieser überstürzte, unüberlegte, schnelle Prozess ist deshalb also in keiner Weise zu unterstützen. Nun gibt es unter den Patrioten viele Staaten, über die Vertretung durch große Parteien, in denen die Landwirtschaft stark ist. Da sind die Italiener bei uns, unter den Patrioten haben wir die Franzosen, da sind wir, da sind die Österreicher, die Polen, also alles Nationen, denen die Zukunft der Landwirtschaft und der Millionen von Familien, die von ihr abhängen, sehr am Herzen liegt. Nun befindet sich die Fraktion der Patrioten in einer seltsamen Situation. Sagen wir es so: Es gibt globale Netzwerke in der Welt, d.h. Netzwerke, die von ihrem Geburtsort losgelöst sind und die einen ernsthaften Einfluss auf das öffentliche Leben, die Politik und die wirtschaftlichen Ereignisse in mehreren Ländern gleichzeitig ausüben, nach Möglichkeit in den wichtigsten Ländern. Es gibt viele solcher Netzwerke. Eines, das wir kennen und das mit uns Ungarn verbunden ist, weil wir es sind, die darunter leiden und unterdrückt werden, und außerdem ist es ein Sohn unseres Vaterlandes, ist das Soros-Netzwerk. Nun, das Soros-Netzwerk hatte zwei Zentralen. Es hat Amerika verloren. Was wir jetzt erleben, ist, dass diese liberale Lebens- und Weltanschauung und dieses riesige Netzwerk und die Weltmacht, die das Soros-Imperium verkörpert, jetzt aus Amerika herausgedrängt wird, und es jetzt nur noch Brüssel in der Hand hat, aber Brüssel ist in seinen Händen. Wir, Patrioten, müssen also der Tatsache ins Auge sehen, dass Soros zwar Washington verloren hat, aber Brüssel immer noch in seiner Hand hat, er zieht sich hierher zurück. Der Schlüssel zu unserer Zukunft ist also, ob die Patrioten hier in Brüssel, die alles das ablehnen, was passiert, die in Opposition zu Brüssel sind, in absehbarer Zeit eine Mehrheit in Brüssel gewinnen können und ob wir Brüssel von George Soros zurücknehmen können. Das ist hier die Frage! Die Patrioten arbeiten daran, wir werden jeden Tag stärker. Es ist ein großer Kampf. Ich gehöre zu den Optimisten.

Gestern wurde auf dem EU-Gipfel auch eine Bilanz der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft gezogen, die Ende des Jahres ausläuft, und von der Leyen sagte auf der Pressekonferenz, sie habe viel erreicht. Was meinen Sie: Ist Europa unter der ungarischen Ratspräsidentschaft stärker oder schwächer geworden?

Wir haben sie noch. Beginnen wir vielleicht mit einer weniger anspruchsvollen Aussage: Europa ist noch da. Der ungarische Ratsvorsitz hat einige Probleme gelöst. Er hat Probleme gelöst, die zuvor über Jahre oder Jahrzehnte nicht gelöst werden konnten, und das wurde einhellig anerkannt. Also selbst unsere Gegner, sagen wir Ursula von der Leyen, die ich nicht als Ungarn-Fan oder Ungarnanhängerin bezeichnen würde, oder es gibt Länder, deren Staatsoberhäupter überhaupt keine Sympathie für Ungarn haben, aber ganz abgesehen davon, ist die enorme Arbeit, die wir in den ungarischen Ratsvorsitz gesteckt haben, auf so einhellige Anerkennung gestoßen, dass dies öffentlich erklärt wurde. Die Kommissionspräsidentin hat also im Übrigen in Übereinstimmung mit dem, was geschehen ist, d. h. was in den Unterredungen gesagt wurde, dem ungarischen Ratsvorsitz auch öffentlich das Gütesiegel verliehen, denn es besteht Einigkeit darüber, dass dies große Leistungen sind. Ich werde einige davon nennen. Zehn und einige Jahre lang, vielleicht dreizehn Jahre lang, haben wir es nicht hinbekommen, Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum aufzunehmen, was bedeutet, dass wir seit zehn und einigen Jahren nicht in der Lage waren, die Schlagbäume an der ungarisch-rumänischen Grenze zu öffnen. Nun, jetzt haben wir sie alle geöffnet! Diese Länder werden am 1. Januar dem Schengen-Raum beitreten, und für sie wird ein neues Leben beginnen. Diese Länder oder diese Völker, die Rumänen und die Bulgaren, sind mit uns in einer Schicksalsgemeinschaft. Unsere Beziehungen zu den Rumänen sind natürlich bunt und umstritten, aber wir befinden uns in einer Schicksalsgemeinschaft, und unser Ziel ist es nicht, uns gegenseitig zu behindern, sondern uns gegenseitig zu helfen. Zumindest ist das die ungarische Haltung. Und jetzt haben wir auch helfen können. Wir haben uns ständig mit den Rumänen abgestimmt, ich habe mich mit ihnen abgestimmt, und am Ende können wir sagen, dass es dem ungarischen Ratsvorsitz gelungen ist, die Schengen-Mitgliedschaft Rumäniens auszuhandeln. Unsere historische Situation mit den Bulgaren ist einfacher. Wir sind froh, dass wir auch ihnen helfen konnten. Es gab schon Situationen, in denen sie uns geholfen haben. Das ist also eine große Leistung. Die andere große Errungenschaft ist jetzt, dass es in den westlichen Balkanländern, allen voran Serbien, seit zweieinhalb Jahren keine wesentlichen Fortschritte bei der Annäherung an die EU gegeben hat. Im Vergleich dazu ist es jedem der westlichen Balkanländer gelungen, einen, zwei oder drei Schritte in Richtung Europäische Union zu unternehmen, es gelang, den Stillstand zu überwinden und die Dinge wieder in Gang zu bringen. Und was die innereuropäischen Angelegenheiten betrifft, so ist das größte Problem im heutigen Europa, abgesehen vom Krieg, der Zustand der Wirtschaft bzw. die Tatsache, dass wir nicht wettbewerbsfähig sind gegenüber den großen Weltakteuren, z. B. sind die Amerikaner wettbewerbsfähiger als wir, die chinesische Wirtschaft ist wettbewerbsfähiger als wir, die indische Wirtschaft ist wettbewerbsfähiger als wir, und ich könnte noch mehr aufzählen, Europa muss etwas tun, um seine Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, denn das wird nicht von allein geschehen. Wettbewerbsfähigkeit ist kein abstraktes Konzept. Es bedeutet, dass wir alles, was wir hier in Europa produzieren, vom Auto bis zum Atomkraftwerk oder jedem anderen technischen Gerät, irgendwo in der Welt verkaufen müssen. Und wenn man nicht wettbewerbsfähig ist, kann man keinen solchen Preis anbieten, der den Markt dazu bringt, nicht die Produkte der Konkurrenten, sondern die eigenen zu kaufen, und Europa wird daher vom Weltmarkt verdrängt. Die Folge ist, dass es in Europa weniger Arbeitsplätze und niedrigere Löhne geben wird. Wenn wir also wollen, dass die Menschen in Europa besser leben oder zumindest ihren bereits erreichten Lebensstandard halten können, muss die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Nun, wie, darüber hat es tausend Gedanken gegeben und keinen Konsens. Aber es ist uns gelungen, ein Dokument zu erstellen, in dem sich alle 27 Staaten auf die wichtigsten Punkte einigen konnten. Das bedeutet, dass wir einen Arbeitsplan, einen Aktionsplan zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit haben, der als Ergebnis unserer Arbeit von allen akzeptiert wurde, und dies ist ein gemeinsamer Ausgangspunkt, eine gemeinsame Basis, von der aus wir mit der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit beginnen können. Dies sind im Großen und Ganzen die größten Errungenschaften des Ratsvorsitzes. Aber wir haben mehr als tausend Sitzungen und Beratungen abgehalten, die größte diplomatische Veranstaltung in der Geschichte Ungarns fand in Budapest statt und wurde von allen Seiten gelobt, es gibt also vieles, was ich sagen kann. Die Quintessenz ist, dass Arbeit in der Politik immer hilfreich ist. In der modernen Zeit sind wir daran gewöhnt, dass die Politik eher Gespräche und Kommunikation ist, das ist es, worüber die Analysten schreiben. Heutzutage geht es in der politischen Debatte immer weniger darum, was passiert, was die Leistung ist, was die Arbeit ist. Der ungarische Ratsvorsitz hat also allen ein wenig den Glauben daran wiederherstellen können, dass Leistung und Arbeit in der Politik noch eine Rolle spielen, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik.

Aber inwiefern hat die ungarische Ratspräsidentschaft im Vergleich zu den vorangegangenen Ratspräsidentschaften einen neuen Ansatz gebracht, indem sie es geschafft hat, echte Fortschritte bei Themen zu erzielen, die sich zuvor jahrelang hingezogen hatten?

Ich möchte die Zuhörer nicht mit internen Brüsseler Themen langweilen, aber vielleicht weiß jeder Ungar, dass man ein Problem erst einmal benennen können muss, um es zu lösen. Um sie benennen zu können, muss man Worte benutzen, man muss eine Sprache sprechen, die die Realität beschreiben kann. Wenn Sie nun ein europäisches Dokument lesen, werden Sie feststellen, dass es hier zwar Worte gibt, aber was sie mit der Realität zu tun haben, ist sehr schwer zu bestimmen. Brüssel ist also eine Blase, ein Luftschiff, das von der Realität, in der wir leben, losgelöst ist. Sie verwenden dort eine Sprache, ein Rechtssystem und eine politische Form, die es sehr schwer machen, mit ihnen auf die Realität einzuwirken. Wenn ich auf einer erkenntnistheoretischen Ebene etwas über den ungarischen Ratsvorsitz sagen soll, so kann ich sagen, dass die europäische Politik dank des ungarischen Ratsvorsitzes näher an die wirklichen Probleme herangekommen ist.

Heute stimmt das Parlament in Budapest über den Haushalt für das nächste Jahr ab, und wir sehen auch weiterhin, dass sich politische und wirtschaftliche Veränderungen sehr schnell vollziehen, oft von einem Tag zum anderen. Was wird nötig sein, um diesen Haushalt unter diesen sich schnell ändernden Umständen im nächsten Jahr aufrechterhalten zu können?

Wir haben nur sehr wenig Zeit, also würde ich einfach sagen, dass auch in diesem Haushalt viel Arbeit steckt. Außerdem ist dieser Haushalt mit einem Wechsel verbunden, da das Mandat des Präsidenten der Notenbank im März ausläuft. Ein epochaler Wirtschaftsexperte verlässt die Notenbank. György Matolcsy ist ein Wirtschaftswissenschaftler, dessen Name untrennbar mit der Wirtschaftspolitik der letzten anderthalb Jahrzehnte verbunden ist und dem wir trotz aller Kontroversen viel zu verdanken haben. Immerhin hat er Hunderttausende Familien von Fremdwährungskreditnehmern vor dem Bankrott bewahrt und auch in der ungarischen Wirtschaftspolitik eine Reihe von Neuerungen eingeführt. Unser Finanzminister Mihály Varga wird ja dann Präsident der Notenbank, und das Finanzministerium als das für den Haushalt zuständige Ministerium wird mit dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zusammengelegt, so dass ein einziges, großes wirtschaftliches – vielleicht könnte man sagen – Spitzenministerium unter der Leitung von Márton Nagy entsteht, der natürlich kein Politiker ist, sondern ausgesprochen ein Wirtschaftsfachmann oder Wirtschaftswissenschaftler. Es wird also spannend sein zu sehen, wie er es schafft, sich bei den Wirtschaftsakteuren Gehör zu verschaffen, aber wir sprechen hier von einem Mann, der nicht nur ein Wirtschaftswissenschaftler und ein Spezialist ist, sondern ein Mann, der Dinge durchsetzen kann. Er ist also ein Mann, der, wenn er sich vornimmt, etwas zu tun, es auch umsetzt. Und schon jetzt, in diesem neuen Haushalt, haben wir die Ergebnisse seiner Arbeit. Wir kündigen ja doch eine neue Wirtschaftspolitik an, diese hat bereits er geschaffen, das ist die Márton-Nagysche-Wirtschaftspolitik. Sie hat einen Aktionsplan, der aus zwanzig und einigen Punkten besteht, diese hat er ebenfalls ausgearbeitet. Einige davon haben wir bereits angekündigt, und sie sind bekannt geworden: die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen, das Demján-Programm, die Wohngeldzuschüsse von Arbeitgebern an Arbeitnehmer bis zu einem Wert von 150 000 Forint pro Monat, die Einführung anderer Formen des Wohnungsbaus, der Bau von Wohnheimen in großem Umfang, die Einführung neuer Formen der Unterstützung für junge Arbeitnehmer zusätzlich zu den Studienkrediten. Das alles ist schon das Ergebnis seiner Arbeit. Ich hoffe also, dass dieser Haushalt ein fachlich fundierter und ausführbarer Haushalt ist. Das Wichtigste ist, dass wir einen fliegenden Start nehmen. Die eigentliche Aufgabe dieses Haushalts besteht also darin, bereits im Januar die Maßnahmen zu ergreifen, die den Familien, den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und den kleinen und mittleren Unternehmen das Gefühl geben, dass der Krieg vorbei ist, dass eine Zeit des Friedens beginnt, und dass sich die neue ungarische Wirtschaftspolitik dementsprechend ausrichtet, deren erste Anzeichen bereits an die Tür klopfen. Ein fliegender Start im Januar, das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wenn diese Maßnahmen im Januar anlaufen, wann und wie werden die von den Krisen der letzten Jahre gebeutelten Familien die Auswirkungen spüren?

Márton Nagy hat mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern bereits einen großangelegten Tarifvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren ausgehandelt. Durch die Anhebung des Mindestlohns können wir ja auch die weiteren Löhne nach oben drücken. In Ungarn wird es eine beispiellose Mindestlohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb von drei Jahren geben. Dies wird ab dem 1. Januar bereits der Fall sein, dies beginnt. Die meisten Maßnahmen werden sich also nicht erst in der Zukunft, sondern bereits ab dem 1. Januar im Leben der Familien bemerkbar machen.

Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán zum Krieg in der Ukraine, zur ungarischen EU-Ratspräsidentschaft und auch zum Haushalt befragt.

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