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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Viktor Orbán hat am Mittwoch im Europäischen Parlament das Programm der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt. Der Ministerpräsident sagte, dass die Situation der EU jetzt viel ernster sei als 2011, als Ungarn das letzte Mal den Vorsitz innehatte, und dass er gekommen sei, um einen Weckruf zu geben. Der Regierungschef machte auch Vorschläge zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und zur Migration, zu deren Einzelheiten ich ihn jetzt, da Ministerpräsident Viktor Orbán im Studio ist, befragen werde. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Bevor wir zum Inhalt des Programms des Ratsvorsitzes kommen, lassen Sie uns über die Debatte selbst sprechen, denn es war interessant, dass Sie über Europa, über die Aufgaben und Herausforderungen der Union sprachen, während die Redner in der Debatte, darunter Kommissionspräsidentin von der Leyen und der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei, Herr Weber, die ungarische Regierung und ihr Programm und ihre Maßnahmen angriffen. Was ist der Grund für diese Zweiteilung?

Ich befand mich in der Tat in einer interessanten Situation, genau inmitten dieser. Ich bin dorthin gegangen, wie es sich gehört: Der ungarische Ratsvorsitz, wir haben ein Programm, es hat Tiefe, es ist ein gut durchdachtes Programm, ich denke, es ist eine ausgezeichnete professionelle Arbeit. Wir haben hier ein sehr gutes Team, angeführt von Minister János Bóka. Wir haben ein sehr hochwertiges Programm zusammengestellt. Außerdem sind wir nicht die Einzigen, die an solchen Programmen arbeiten, sondern der Draghi-Bericht ist inzwischen auch veröffentlicht worden, so dass sich auch andere ernsthafte Länder und Menschen mit den Problemen Europas befassen. Man hätte also eine ziemlich niveauvolle Debatte darüber führen können, warum die europäische Wirtschaft in Schwierigkeiten steckt, warum die Amerikaner und die Chinesen an uns vorbeiziehen und was wir ändern müssen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Europäisches Geld, die Ersparnisse der Menschen, landen schließlich in Amerika, weil die europäische Wirtschaft sie nicht richtig nutzen kann. Da ist das Problem mit den Migranten, und auch darüber hätten wir reden müssen. Wir haben ein Problem mit dem grünen Übergang: Für Strom zahlen europäische Unternehmer zwei- oder dreimal mehr als Amerikaner, für Gas zahlen wir vier- oder fünfmal mehr, wie um alles in der Welt könnten wir so konkurrieren? Es gibt hier also Probleme, die man hätte diskutieren müssen, und ich hatte mich darauf auch vorbereitet. Nun, im Vergleich dazu ist es klar, dass diejenigen, die zusammengekommen sind, in einem fiebrigen Zustand waren und keine ruhige, besonnene, intelligente Debatte über die größten Herausforderungen, vor denen Europa steht, führen wollten, sondern sich eine politische Schlägerei, ein Handgemenge, ein Schubsen, ein Hauen und Stechen – wie auch immer – vorgestellt haben, und sie haben uns angefallen. Wenn zehn Leute auf dich losgehen, dann ist das Rock and Roll. Es gab dort also Rock ‘n’ Roll.

Aber was kann der Grund dafür sein? Denn natürlich gibt es politische Parteien, von denen man sogar sagen kann, dass sie ihre Arbeit machen, aber hier haben wir zum Beispiel die Präsidentin der Kommission, und die Kommission sollte ein Akteur über der europäischen Politik, ein über den politischen Verwerfungen stehender Akteur sein.

Ich befand mich in einer schwierigen Situation, denn schließlich sind die Ungarn ja ein höfliches, großzügiges, wohlerzogenes Volk, und wenn man zu einer solchen Debatte eingeladen wird und ein Thema hat, möchte man darüber sprechen. Aber wenn man auf diese Weise angefallen wird, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt es sein, und zuerst dachte ich, ich lasse es sein und konzentriere mich auf die Arbeit, aber es kamen so viele Leute, die so unhöflich waren, dass ich Angst hatte, dass wir, wenn wir weiterhin so höflich sind, als Trottel dastehen würden. Also habe ich beschlossen, dass wir es nicht dabei belassen können, wir müssen es tun. Wir dürfen niemandem etwas schuldig bleiben. Ich dachte, dass sie für diese Situation verantwortlich sind, dass wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch heraus. Nun, jeder bekam, was er verdiente, ein paar verbale Ohrfeigen wurden dort ausgeteilt, und ich hielt mich nicht zurück, ich brachte alle meine Argumente, mein Wissen, meine Erkenntnisse vor, und ich versuchte, Ungarn zu verteidigen. Nun, ich glaube, das hat alle schockiert, also wahrscheinlich nicht nur mich, sondern auch die ungarischen Zuschauer, die ein ganz anderes Bild von Europa in ihren Köpfen haben. Wir dachten, dass es dort intelligente Menschen gibt. Wir dachten, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments – natürlich gibt es unter ihnen einige seltsame Leute, die interessante Dinge sagen, aber dennoch – einen gewissen europäischen Standard repräsentieren würden. Europäische Kultur ist ein qualitativer Begriff in den Köpfen der Ungarn. Und wir pflegen auch schlechte Dinge über ungarische Politiker zu sagen, und ich glaube, es gibt viele Leute, die denken, dass politische Debatten in Europa doch von höherer Qualität sind. Das ist aber nicht so! Jeder konnte sehen: Es war alles auf einem niedrigsten Niveau. Wahrscheinlich stehen ziemlich viele Leute unter Schock. Auch ich war in einem solchen Kulturschockzustand, als ich sie dort beobachtete, wie sie die Fakten ignorierten, wie sie voller Hass waren, wie sie ignorierten, warum wir überhaupt dort sind, Europa ignorierend, die Menschen in Europa ignorierend, nur Hass, nur Angriff… Aber es beruhigt sich wieder. Auch ich bin jetzt darüber hinweg, so dass ich in der Lage war, darüber nachzudenken, was der Sinn dessen war, was dort passiert ist. Und ich habe versucht, die Bedeutung aus ungarischer Sicht zu entschlüsseln, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass, wenn unsere Sicht nicht durch diese Gräueltat und all diese Beleidigungen und Lügen getrübt ist, es sich letztendlich ganz klar abzeichnet, was passiert ist. Die Präsidentin der Europäischen Kommission und der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Ursula von der Leyen und Herr Manfred Weber, haben angekündigt, dass sie die ungarische Regierung zu Fall bringen wollen. Sie haben angekündigt, dass sie eine andere Regierung wollen. Und sie haben auch die Mitglieder dieser zukünftigen, sagen wir brüsselitischen Regierung benannt, weil diese nationale, souveräne ungarische Regierung für sie nicht gut ist. Und das haben sie ganz offen gesagt. Ich habe auch schon bisher immer gedacht, dass sie das vorhatten, man muss kein Nobelpreisträger sein, um das herauszufinden, aber die Tatsache, dass sie das Ungarn oder der Welt offen ins Gesicht werfen, dass sie, anstatt sich mit europäischen Fragen zu befassen, die Regierung eines Mitgliedstaates stürzen und durch eine andere Regierung ersetzen wollen, die Offenheit und Schamlosigkeit dessen ist ungewöhnlich. Und die beiden haben auch die Mitglieder der neuen ungarischen Regierung benannt. Die europäischen Sozialisten wollen Klára Dobrev entsenden, und sie haben sie auch nach vorne geschoben und ihr applaudiert, während die Volkspartei der Tisza-Partei mit Péter Magyar. Und sie haben deutlich gemacht, dass dies die Koalition ist, deren Vertrag im Grunde oder deren Ehe, vor unseren Augen geschlossen wurde. Als Priesterin oder Standesbeamtin zelebriert durch von der Leyen, der Zeuge war Manfred Weber, und die beiden betroffenen Parteien haben deutlich gesagt, dass sie bereit sind, dem nachzukommen, was Brüssel verlangt. Das bedeutet vier schwerwiegende Dinge. Und alle vier wurden auch akzeptiert. Das eine ist, dass wir in den Krieg in der Ukraine einsteigen. Wir werden ihnen Waffen liefern und wir werden ihnen Geld aus dem ungarischen Haushalt geben. Es war klar, dass sie die Migrationspolitik Brüssels unterstützen: Die Migranten müssen reingelassen werden. Die Gesetze zum Schutz der Familie und zum Schutz der Kinder müssen abgeschafft werden. Und schließlich müssen wir uns auf den kalten Krieg in Wirtschaft und Handel einlassen. Dieses Abkommen wurde vor unseren Augen geschlossen. Brüssel will also einen Sozialisten und ein Mitglied der Volkspartei in die künftige ungarische Regierung entsenden, die dann die wichtigsten Brüsseler Ziele unterstützen werden, die die Ursache für die Konflikte zwischen Ungarn und Brüssel sind. Das Ende der souveränistischen ungarischen Politik, wir werden eine brüsselitische Regierung haben, und wir werden so aussehen wie diese Herren und Damen, die wir dort im Parlament haben sehen können. Das ist der Sinn dessen, was geschehen ist.

Und wie können wir vor diesem Hintergrund über die eigentliche Agenda sprechen, denn der ungarische Ratsvorsitz hat auch Vorschläge für die Zukunft der Union. Einer davon ist zum Beispiel die Migration.

Ja, aber zunächst einmal müssen wir klarstellen, dass wir verstehen, dass dies Ihr Plan ist, wir haben diese schöne Hochzeitszeremonie, diese offene Vertragsunterzeichnung gesehen, aber auch wir sind noch da. So einfach geht das nicht! Das ist vielleicht das, was sie in Brüssel wollen, aber das ist nicht das, was die Ungarn wollen. Und vielleicht wollen sie hier eine Regierung aus den ungarischen Sozialisten und der Tisza-Partei delegieren, aber die Ungarn werden ein Wörtchen mitzureden haben. Und auch wir werden nicht tatenlos zusehen. Deshalb musste ich eingreifen und mich wehren, um deutlich zu machen, dass ich verstehe, dass es hier ein solches politisches Konzept gibt, aber wir werden uns dagegen wehren. Und die Ungarn werden selbst entscheiden wollen, welche Art von Regierung sie haben wollen, auf der Grundlage welcher Art von Programm. Wir können nicht zulassen, dass Brüssel uns vorschreibt, wie wir zu leben haben, und uns dann seine Söldner schickt, um das umzusetzen und uns das aufzuzwingen. Das ist schon einmal passiert, als sie uns von außen vorschreiben wollten, wie wir zu leben haben. Das wird nicht funktionieren! Wie wir heiraten sollen, wen wir ins Land lassen sollen, gegen wen wir Krieg führen sollen, und dann mit wem wir Handel treiben sollen und mit wem nicht? Nun, das hatten wir schon einmal, als uns das gesagt wurde. Davon haben wir uns vor dreißig Jahren befreit. Ich glaube nicht, dass die Ungarn hierher zurückkehren wollen, das ist die Vergangenheit. Was ich dort gesehen habe, die von Brüssel nach Ungarn zu delegierende Regierung, war genauso verkrampft wie der Sozialismus und die Sowjetunion. Wir haben das hinter uns gelassen, und wir wollen das nicht mehr. Dies ist ein freies Land, und das ungarische Volk wird dann entscheiden, was sein soll. Deshalb ist das Erste und Wichtigste, dass ich den Widerstand angekündigt habe. Dass wir uns also gegen diesen Plan aus Brüssel wehren, der eine solche Regierung an Ungarn delegieren will, dem wir ablehnend gegenüberstehen. Was sein wird, wird sein, wir werden den Konflikt, den das mit sich bringt, annehmen. Das ist es, was wir ihnen jetzt begreiflich machen mussten. Sie werden es akzeptieren, denn sie werden sehen, dass sie in diesem Kampf verlieren werden. Also Öffentlichkeit, Fakten und Ehrlichkeit begünstigen letztlich nicht diese Art von Brüsseler Absichten. Unser größter Verbündeter sind die Realität und die Öffentlichkeit. Und ich werde offen sprechen, wie ich es gerade getan habe. Wenn wir angegriffen werden – Freundschaft zu den Russen? –, werde ich mit den Fakten herausrücken und sagen, dass Ihr es seid, die heimlich mit den Russen Handel treibt, dass Ihr diejenigen seid, die Gas und Öl, wenn auch von indischen und türkischen Raffinerien gekauft haben, und Ihr habt dafür Geld bezahlt. Lassen Sie uns also Klartext reden! Wollt Ihr diese Art von Kampf? Das glaube ich nicht, denn sie haben zu viel zu verbergen. Ich denke, sie werden sich ein wenig beruhigen, sie werden diese Debatte zu schätzen wissen und erkennen, dass dies kein gutes Geschäft ist, dass wir zur normalen europäischen Politik zurückkehren sollten, dass man die Mitgliedstaaten in Ruhe lassen sollte, dass Ungarn in Ruhe gelassen werden sollte, wir werden diese beiden guten Vögel, mit denen wir einen Vertrag geschlossen haben, dass sie nach Ungarn gehen werden, auf andere Weise bezahlen, und vergessen wir das alles und kehren wir zu einer Politik europäischen Stils zurück.

Wie stehen die Chancen dafür? Denn wir sehen, dass die Angriffe auf Ungarn nicht nachlassen, ob wir nun an die Migrationsstrafe denken oder an andere Themen, die als Streit erscheinen, sie scheinen sich als fachpolitischer Streit zwischen Brüssel und Budapest zu erweisen.

Wir haben Vorschläge. Zunächst einmal erinnere ich mich gut daran, wie wir mit den Folgen der Finanzkrise von 2008 fertig werden mussten. Das war das erste Mal, dass wir Präsident der Europäischen Union waren, im Jahr 2011. Und damals wurde das spezielle Gremium der europäischen Ministerpräsidenten, die die Länder der Eurozone führen, geschaffen. Und wir sagten, dass die einzige Möglichkeit, die Finanzkrise zu bewältigen, darin bestünde, ein separates Gremium einzurichten, das sich mit der Eurozone und dem Problem der gemeinsamen Währung befasst, und dass darin die Ministerpräsidenten vertreten sein sollten, was zum Rat der Eurozone wurde, und zwar nicht in den traditionellen Rahmen der europäischen Debatten, sondern um sich separat darüber zu einigen, wie man europäisches Geld retten kann. Wir sind nicht Mitglied der Eurozone, werden aber manchmal zu diesem Treffen eingeladen. Es ist ein sehr effektives Gremium. Es hat zunächst informell existiert, dann wurde es institutionalisiert, wir haben uns also darauf geeinigt, wir haben schriftlich festgehalten, dass es ein solches Gremium gibt und dass es auch über Befugnisse verfügt. Jetzt schlage ich vor, und hier schlägt Ungarn vor, dass wir dasselbe mit dem Schengen-Raum machen. Es gibt Länder, die Mitglieder des Schengen-Raums sind – das ist der Raum der Freizügigkeit ohne Grenzen – und es gibt Länder, die das nicht sind. Und diejenigen, die Teil dieser Schengen-Zone sind, die auch die Außengrenzen Europas nach außen hin schützen müssen, diese Länder sollten sich auf höchster Ebene treffen; zunächst informell, dann institutionalisieren und dort entscheiden, nicht in den jetzigen europäischen Foren, denn die sind nicht effektiv, die funktionieren nicht, der Stand der Migration zeigt, dass das jetzige System nicht funktioniert, sondern die am Schengen-System beteiligten Ministerpräsidenten entscheiden lassen, wie die Grenze zu schützen ist, wie Migranten nicht eingelassen werden, wie sie kontrolliert werden, wie sie nach Hause gebracht werden, wenn sie illegal eingereist sind, und lassen wir die Kommission und die ganze komplizierte Struktur außen vor, und lassen wir die betroffenen Ministerpräsidenten entscheiden, was zu tun ist. Frontex, die für den Grenzschutz in Europa zuständig ist, soll unter diesem Gremium angesiedelt werden, und wir werden Frontex wegführen von einer Touristenagentur, wie sie jetzt ist, die eigentlich Migranten nach innen transportiert, und hinführen zu einer Organisation, die sich endlich um den Schutz der europäischen Außengrenzen kümmert. Das ist der Kern unseres Vorschlags.

Ja, aber gibt es dafür eine Bereitschaft, oder macht es Sinn, darüber zu reden, solange sich die Einstellung der EU zur Migration nicht ändert? Denn wie Sie schon sagten, erleben wir, dass die Mitgliedstaaten oder die Politiker, die sich für einen strengen Grenzschutz eingesetzt haben, in gewisser Weise bestraft werden.

Aber die Welt verändert sich in der Zwischenzeit, denn in Europa herrscht letztlich doch Demokratie, und die Menschen sind überhaupt nicht glücklich über das, was geschieht. Die Regierungen scheitern an der Migration. Also diejenigen, die großspurig sagten: „Willkommenskultur”, also die Kultur des „Kommt nur herein” und wir werden das schon regeln, und dass Migration eigentlich eine gute Sache sei, und dass anständige Menschen Migranten unterstützen würden, und diese Dinge nur von schlechten Menschen abgelehnt würden – das ist in einer Veränderung begriffen. Die Menschen in Europa haben ihr Gefühl zu Hause zu sein, verloren. Die Straßen, die früher sicher waren, sind nicht mehr sicher. Frauen gehen abends nicht mehr auf die Straße. Die Kriminalität nimmt zu. Sie sind von spektakulären Terroranschlägen bedroht. Die finanzielle Belastung durch die gesamte Migration ist enorm. Einem Westeuropäer passt es nicht, dass ein Migrant, der nicht arbeitet, ungefähr den gleichen oder einen höheren Lohn erhält, während er, sagen wir, einen schlechter bezahlten Job hat und ehrlich für seinen Lohn arbeitet. Das ist das europäische System, und das wird nicht lange toleriert werden. Deshalb hat es eine Trendwende gegeben. Deshalb habe ich zu Bundeskanzler Scholz gesagt: Willkommen im Club, Herr Bundeskanzler, wir freuen uns. Oder der neue französische Innenminister, der – und ich sage schon harte Worte zur Migration – weit über mich hinausgeht. Oder in den Niederlanden. Nun, die Wahl dort wurde von den migrationsfeindlichen Kräften gewonnen, Kräften, von denen man früher sagte, sie seien wie der leibhaftige Teufel. Sie haben das Vertrauen der Niederländer erhalten. Ganz Europa wendet sich. Sie brauchen ein wenig mehr Zeit und werden sich einer Anti-Migrationspolitik anschließen.

Die andere Sache, die der ungarische Ratsvorsitz vorgeschlagen hat, ist die Wettbewerbsfähigkeit, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Dass dies ein Problem ist, darüber sind sich immer mehr Menschen einig, aber jeder sieht die Ansatzpunkte zur Lösung ein wenig anders. Und wir haben in der EU schon oft erlebt, dass sich alle über das Problem einig sind, aber nicht über die Lösung, und das wird letztlich das Hindernis für Maßnahmen sein. Wie stehen die Chancen für einen gemeinsamen Ausweg aus dieser Wettbewerbsfalle?

Die Chancen dafür sind jetzt gering, denn die Positionen liegen weit auseinander, so dass Ungarn sich nicht mit Europa, sondern mit sich selbst beschäftigen muss, auch wenn wir die Präsidentschaft innehaben. Die Wahrheit ist, dass ich mich jetzt schon seit Wochen nur noch mit der ungarischen Wirtschaft beschäftige. Diese Intifada in der Europäischen Union und in Brüssel, oder dieser Kreuzigungsversuch, war ein Abstecher, denn wir müssen uns mit uns selbst und mit der ungarischen Wirtschaft beschäftigen. Was auch immer Europa tut, wir haben den Aktionsplan aufgestellt, den ersten großen Aktionsplan, mit dem wir der ungarischen Wirtschaft neuen Schwung geben werden. Ich habe gestern den ganzen Tag, den ganzen Nachmittag, mit dem Chef des Wirtschaftskabinetts gearbeitet, und jetzt zeichnen sich auch schon die konkreten Maßnahmen ab. Wir werden also der ungarischen Wirtschaft einen gewaltigen Schub geben. Es ist ja egal, was Europa sagt, wir werden die wirtschaftliche Neutralität wahren, d.h. wir werden vom Westen und vom Osten nur das akzeptieren, was für die Ungarn gut ist, und alles ablehnen, was unseren Interessen zuwiderläuft. Es gibt also eine strategisch-philosophische Grundlage für unser Handeln. Diese wirtschaftliche Neutralität wird zu einem Wirtschaftswachstum von 3-6 Prozent führen. Das werden wir noch nicht in diesem Quartal sehen, ja auch nicht einmal im vierten Quartal, weil das Wachstum hier irgendwo zwischen 1 und 2 Prozent liegen wird, aber wir werden einen enormen Schub im ersten Quartal des nächsten Jahres, 2025, erleben. Wir haben drei große Interventionspunkte identifiziert. Der erste ist bezahlbarer Wohnraum. Damit müssen wir uns jetzt wirklich befassen, lassen wir die europäischen Angelegenheiten, die haben wir erledigt, wir müssen uns mit unserem eigenen Leben befassen. Erschwinglicher Wohnraum. Hier warten wir darauf, dass Budapest vielleicht endlich etwas sagt, denn das größte Problem liegt in Budapest, aber es sieht so aus, als ob sie damit nicht beschäftigt sind, aber wir haben Pläne, wir sind bereit zu verhandeln. Wir haben hier also fertige Konzepte, vom Bau von Wohnheimen bis hin zur Unterstützung junger Menschen bei der Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum, sogar bei der Vermietung… Es steht gut um sie. Wir werden den Wohnungsbau in den Dörfern und den Bau von Häusern im Rahmen des ungarischen Dorfprogramms weiterhin unterstützen. Die Ersparnisse der Menschen, die sich angesammelt haben und jetzt nicht für die Schaffung von billigem Wohnraum verwendet werden können, für sie werden die bürokratischen Hindernisse beseitigt, so dass sie dieses Geld nach eigenem Ermessen verwenden können, zum Beispiel für die Renovierung ihrer Wohnungen. Es wird also einen großen Wohnungsboom geben. Die zweite Sache ist, dass die Verhandlungen mit den Gewerkschaften gut laufen. Ich denke, wir werden uns über den Mindestlohn und die Höhe der Lohnerhöhungen einigen können. Die Entscheidung darüber liegt letztlich bei ihnen. Ich halte es nicht für unrealistisch – und ich wiederhole, dass es unser Ziel ist, in Ungarn einen Durchschnittslohn von einer Million Forint zu erreichen. Darüber hinaus werden wir den Arbeiterkredit einführen. Wir haben ein Studentendarlehen für junge Leute, die studieren, und wir geben jetzt auch jungen Arbeitnehmern ein Darlehen für den Start ins Berufsleben und ins Leben, und auch das ist mehr oder weniger fertig. Und unser dritter großer Interventionspunkt, unser Aktionsplan, gilt den Kleinunternehmern, die von der Inflation, vom Krieg, von den Sanktionen, von COVID schwer betroffen sind. Und da wollen wir eine Vergrößerung erreichen oder ihnen helfen, zu wachsen. Der Arbeitstitel dieses Programms, das noch nicht offiziell ist, weil wir noch keine Genehmigung erhalten haben, ist im Wesentlichen das Demján-Sándor-Programm, bei dem wir Kapital, zinsgünstige Darlehen und alle möglichen Instrumente bereitstellen, um kleinen und mittleren Unternehmern zu helfen, ihre Größe zu verändern, einen Schritt stabiler und größer zu werden. Wir werden also in diesen drei Punkten mit dem Sándor-Demján-Kleinunternehmensprogramm, bei den Einkommen, bei den Arbeitskrediten und höheren Mindestlöhnen sowie bei den Subventionen und Maßnahmen für erschwinglichen Wohnraum eingreifen. Zusammen werden diese Maßnahmen die ungarische Wirtschaft ankurbeln, und das wird im ersten oder zweiten Quartal 2025 sehr deutlich werden. Ich werde mich also darauf konzentrieren, und dann können die Brüsseler das auslöffeln, was sie gekocht haben.

Was brauchen wir, um den haushaltspolitischen Spielraum für die Umsetzung dieser Programme zu haben, mit anderen Worten, um das Geld für diese Programme zu haben?

Wir brauchen Wachstum. Es gibt ja die Entwicklungen, die großen Entwicklungen. Dafür gibt es alle möglichen Entwicklungskredite, von der Europäischen Entwicklungsbank oder gerade von China oder von den europäischen oder asiatischen Finanzmärkten. Das ist etwas, das finanziert werden kann, etwas, das getan werden kann. Man kann Mittel für gute Investitionen finden, man muss nur seine Ziele klug setzen und seine Kapazitäten zum Tragen der Lasten gut verteilen. Für die Dinge, von denen ich hier spreche, müssen wir die Mittel aus dem internen Wachstum der ungarischen Wirtschaft generieren und gleichzeitig die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit reduzieren. Das ist möglich. Das haben wir berechnet, das haben wir geplant, das ist in vollem Gange, und die Regierung wird bald darüber beraten. Gestern hat mir der Wirtschaftsminister die Zahlen, die Trends, das ganze Konzept vorgestellt. In Kürze wird es einen allgemeinen Regierungsbeschluss geben, in dem die Aufgaben dargelegt werden, und in ein oder zwei Wochen können auch konkrete Maßnahmen folgen, denke ich. Und wir werden uns natürlich mit den Interessenvertretern, mit den Wirtschaftsakteuren beraten müssen, und schließlich werden wir diese Maßnahmen mit den Menschen besprechen müssen. Wir möchten eine Art Neue Übereinkunft schaffen, um die ungarische Wirtschaft anzukurbeln, denn wenn wir eine neue Wirtschaftspolitik brauchen, und wir müssen uns ja an die sich verändernde Welt anpassen, brauchen wir eine neue Wirtschaftspolitik, und das bedeutet eine Neue Übereinkunft.

Es stellt sich auch die Frage, wann sich diese Maßnahmen auf der Ebene der Menschen auswirken werden, mit anderen Worten, wann werden sie es spüren? Denn wenn wir uns die Wirtschaftsdaten anschauen, dann sehen wir, dass die Inflation im September auf 3 % gesunken ist, aber gleichzeitig versucht der Konsum etwas langsamer anzuziehen, obwohl die Reallöhne seit fast einem Jahr wieder steigen.

Aber im September gab es eine Trendwende. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Debatte über den Konsum eine gesunde Debatte ist. Worum geht es denn überhaupt? Sie bekommen Ihr Einkommen. Jetzt soll weder die Regierung noch irgendein Wirtschaftswissenschaftler Ihnen sagen, was Sie tun sollen. Es ausgeben? Nun, Sie können es konsumieren, wenn Sie wollen, aber Sie könnten auch sagen, ich will es nicht konsumieren, ich will es sparen, weil mein Kind eine Wohnung braucht oder ich die Wohnung, die ich habe, durch eine größere ersetzen will. Oder wer weiß, was die Zukunft bringen wird? Dann behalte ich es lieber im Kissenbezug. Nun, das entscheiden Sie. Ich war noch nie ein Freund von wirtschaftspolitischen Debatten, die ich als Bürger als Versuch empfinde, mir vorzuschreiben, was ich mit meinem Geld tun soll. Schließlich sind die Menschen am besten in der Lage, sich selbst zu sagen, was sie mit ihrem Einkommen tun sollen. Man sollte sie in Ruhe lassen. Vielmehr muss man ihnen Optionen anbieten, und dann können sie wählen. Trotzdem finde ich, dass der Konsum im September recht ermutigend aussieht, es gibt offensichtlich Geld, mit einer Reallohnerhöhung von fast 10 %. Wenn ich also die Inflation vom Lohnzuwachs abziehe, bleibt ein Zuwachs von 9-10 % übrig, was meines Erachtens auch in Europa beispiellos ist. Das ist nicht das Problem. Das Problem besteht darin, dass sich die europäische Automobilindustrie verlangsamt hat, und die Automobilindustrie ist einer der Schlüsselsektoren der ungarischen Wirtschaft. Vor dreißig Jahren hätten wir das nicht von uns gedacht, aber wir sind eine große Automobilmacht. Ich glaube, es gibt nur drei Länder auf der Welt, in denen alle großen deutschen Automarken vertreten sind. Das sind Deutschland selbst, China und Ungarn. Hinzu kommt, dass wir jetzt, wo die Fahrzeugproduktion auf Elektromobilität umgestellt wird, also Elektrofahrzeuge die konventionellen Antriebe und Kraftstoffe ersetzen, hier sehr viel investiert und ein riesiges Entwicklungsprojekt auf den Weg gebracht haben, damit wir nicht versehentlich traditionelle Fabriken schließen und 300-400 Tausend Menschen hier ohne Arbeit lassen. Und deshalb haben wir uns an die Spitze dieses Wandels gestellt, so dass ich heute mit Sicherheit sagen kann, dass alle großen Automobilhersteller hier in Ungarn bleiben werden, weil die Investitionen bereits begonnen haben, in Absprache mit der ungarischen Regierung, die die Produktion in Ungarn auch in der zukünftigen Autoindustrie halten wird. Ich denke, das ist eine große Sache. Die Leute sehen das heute noch nicht, aber in zwei oder drei Jahren wird es offensichtlich sein, dass wir der Welt zwei oder drei Schritte voraus waren, als wir die ungarische Autoproduktion auf Elektromobilität umgestellt haben. Dazu gehören die Batterieproduktion und viele andere Dinge, über die viel diskutiert wird, und natürlich müssen die Meinungen der Menschen berücksichtigt und die Umwelt geschützt werden, denn wir haben ja doch nur ein Land, aber ich denke, dass dies durch die Übernahme der deutschen Standards möglich ist, und dann wird die ungarische Autoproduktion einen neuen Impuls bekommen. Ich würde den Termin dafür in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres ansetzen. Und wenn sich der Weltmarkt auch so entwickelt, dass diese Autos gebraucht werden, weil die Ungarn die hier produzierten Autos nicht oder nur zu einem kleinen Teil nutzen, wir sie aber in die Welt verkaufen, wenn der Autokauf wieder zunimmt, dann wird in der zweiten Jahreshälfte, wenn die neuen Fabriken in Ungarn in Betrieb genommen werden, auch die Autoproduktion einen Sprung machen. Deshalb wage ich zu sagen, dass die ungarische Regierung das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr auf 3 bis 6 Prozent steigern wird.

Wir haben über das nächste Jahr gesprochen, und Sie haben gestern im Museum für Völkerkunde gesagt, dass 2025 und 2026 Jahre des Aufräumens von Familien und kleinen Unternehmen sein werden, aber dann können wir uns wieder den großen Dingen zuwenden, und es ist Zeit für die Planer, ihre Bleistifte wieder zu spitzen. Wie sehen die längerfristigen Aussichten für die ungarische Wirtschaft aus?

Rosig.

Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch zur Debatte im Europäischen Parlament am Mittwoch, zu den Vorschlägen der ungarischen EU-Präsidentschaft und zur neuen Wirtschaftspolitik befragt.

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