Zsolt Törőcsik: Neben dem möglichen Einsatz europäischer Truppen in der Ukraine wird von westeuropäischen Politikern zunehmend der Gedanke an die Wiedereinführung der Wehrpflicht geäußert, in die auch Frauen einbezogen werden sollen. In der Zwischenzeit überlegt die NATO, ob sie Kiew erlauben soll, russische Ziele mit den schweren westlichen Waffen anzugreifen, die Ukraine erhalten hat. In welche Richtung weisen diese Erklärungen für die Kriegsstrategie des Westens, und wie kann man dem fernbleiben? Dazu werde ich in der nächsten halben Stunde auch Ministerpräsident Viktor Orbán befragen. Guten Morgen!
Guten Morgen!
Am konkretesten wird die Debatte über die Wehrpflicht vielleicht in Deutschland geführt, aber sie steht auch in vielen anderen Ländern auf der Tagesordnung. Und dass sie nicht in weiter Ferne liegt, zeigt die Tatsache, dass zum Beispiel Lettland im vergangenen Jahr die Wehrpflicht wieder eingeführt hat. Was ist der Grund für die rasante Militarisierung Europas?
Es gab eine Vorstellung vor dreißig Jahren, denn damals war die Wehrpflicht noch gang und gäbe, und der Gedanke lautete, dass da es in Europa gelungen war, den Frieden zu schaffen, sei der Kalte Krieg vorbei, es war gelungen, die Russen, die Sowjetunion, aus Mitteleuropa zurückzudrängen, die NATO habe im Grunde genommen keine rivalisierende Militärmacht auf dem Globus, weshalb die ständige Bereitschaft, die ständige Ausbildung junger Generationen in der Kriegsführung, die durch die Wehrpflicht erreicht wurde, nicht mehr notwendig sei und unsere Länder auch durch eine so genannte Berufsarmee verteidigt werden könnten. Die Länder wählen also eine Schicht, es entsteht eine Schicht in jedem Land, die bereit ist, ihr Leben zu riskieren, ja laut ihres Eides sogar ihr Leben zu opfern, um das Heimatland zu verteidigen. Das werden die Berufssoldaten sein. Das ist meiner Meinung nach der beste Teil der Gesellschaft, das sind also die Engagiertesten, die Ernsthaftesten, der den schwerwiegendsten Schwur ablegende Teil der ungarischen Gesellschaft oder unserer Gesellschaften, die sagen, wir sind bereit, anders zu leben als ihr, um bereit zu sein, das Heimatland zu verteidigen, wir leben nicht wie ihr, sagen wir, als bequeme Zivilisten. Als ich Soldat war, hat man mir gesagt, wir seien schwache Zivilisten, weil ich uns nicht beleidigen will aber wir leben nicht wie ihr, Zivilisten, wir leben anders, wir leben wie Soldaten. Dazu gehört ein körperlich sehr anstrengender Lebensstil, Waffenfreundschaft, Kameradschaft, Ehrlichkeit, Demut, die Fähigkeit, sich für sein Land aufzuopfern. Und diese Leute werden ausgewählt, sie werden isoliert, und sie werden zur Berufsarmee, und die anderen gehen ihrem Leben nach. Das war das Grundkonzept. Jetzt, da in Europa wieder Krieg herrscht, steht hinter diesem Konzept ein großes Fragezeichen. Und auch ich denke, dass Bescheidenheit, Disziplin, Selbstverteidigung, Aufopferungsfähigkeit, Kameradschaft, Teamarbeit Werte sind, die über die Berufssoldaten hinaus vorhanden sein sollten. Aber das erfordert nicht unbedingt die Wiedereinführung der Wehrpflicht, denn wir haben Reservistenausbildungsprogramme, wir haben Militärgymnasien, wir haben Sommerprogramme, mit denen wir den Menschen, den jungen Menschen, die Waffen, die Selbstverteidigung, die Ehre und den Patriotismus näherbringen können, auch ohne Wehrpflicht. Deshalb hat Ungarn noch nicht das Gefühl, dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht die einzige Möglichkeit ist, auf den gegenwärtigen Krieg zu reagieren. Deshalb steht in Ungarn die Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht auf der Tagesordnung, aber es gibt viele militärische Studien, Ausbildungen, die Einführung von Verteidigungswissen in den Mittelschulen, wir tun also vieles, was das ganze Land, die ganze ungarische Gesellschaft in die Lage versetzen wird, sich ohne Wehrpflicht selbst zu verteidigen. Nun, diese Debatte findet auch anderswo statt. Anderen geht es so, ich sehe da vor allem Deutschland, aber auch die baltischen Staaten, die die Wehrpflicht fast wieder eingeführt haben, manche haben es getan, manche wollen es jetzt tun und führen die Wehrpflicht wieder ein. Das ist Sache der einzelnen Nationen, damit müssen wir uns nicht beschäftigen. Womit wir uns beschäftigen müssen, ist, dass sie auch über die Wehrpflicht in einem Kontext sprechen, insbesondere in Deutschland, und der deutsche Vorsitzende der Europäischen Volkspartei spricht auch über die Wehrpflicht in einem Kontext, als ob sie in einer Art einheitlicher – und das sage ich schon – imperialer, Brüsseler, EU-Armee durchgeführt werden sollte. Dies würde bedeuten, dass die Kontrolle über das Schicksal unserer eigenen jungen Menschen der nationalen Gerichtsbarkeit entzogen würde, wir würden unsere Souveränität verlieren und jemand anderes würde über das Blut der Ungarn entscheiden. Das ist inakzeptabel! Noch bevor diese Idee Wurzeln schlägt, muss sie aus dem Boden herausgerissen werden, sobald die Saat gefallen ist, damit sie nicht ungewollt Realität wird.
Es gibt noch einen anderen Plan, der aber viel konkreter auftaucht. Dieser hängt damit zusammen, ob die NATO Kiew erlauben soll, russische Ziele mit westlichen Waffen anzugreifen, und die NATO spielt in diesem Krieg sowieso bereits eine viel aktivere Rolle als bisher. Wie beurteilen Sie diese Art von Verschiebung, diese Pläne?
Jetzt, wo ich wegen des Krieges öfter in Ihr Studio komme, habe ich jedes Mal, wenn ich mich auf dieses Gespräch vorbereite, die Gelegenheit, zu vergleichen, was letzte Woche passiert ist, und von wo aus wir wohin gelangt sind. Und es ist erschreckend, wenn man die Ereignisse nicht so betrachtet, wie man es von der täglichen Hektik her gewohnt ist, sondern innehält und sagt, wo waren wir vor einer Woche und wo sind wir jetzt. Jede Woche sind wir dem Krieg näher. Jede Woche passiert also etwas, das darauf hindeutet, dass wir in den Krieg abdriften, in diesen eintreten. Diese Woche sind zwei Dinge passiert. Das erste ist, dass es Verhandlungen zwischen Frankreich und der Ukraine gibt, damit französische Ausbildungsoffiziere in die Ukraine gehen können. Wir wissen, dass sich Berater auf dem Territorium der Ukraine auf diese halboffizielle Weise aufhalten, dass es dort NATO-Soldaten gibt, aber nicht offiziell oder zumindest nicht in Ausübung einer militärischen Tätigkeit. Die Ausbildung ist das Militärischste, was es geben kann. Es ist also eine neue Qualität, dass die Franzosen es auf sich nehmen, in der Ukraine offen Soldaten auszubilden. Die andere, noch beunruhigendere Entwicklung in dieser Woche ist, dass immer mehr Leute, einschließlich des NATO-Generalsekretärs, sagen, dass die Waffen, die der Ukraine von westlichen Ländern zur Verfügung gestellt wurden, nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zum Angriff auf die Russen verwendet werden können. Der NATO-Generalsekretär sagt, dass die Waffen, die wir den Ukrainern gegeben haben, der Ukraine gehören, und von da an können sie damit machen, was sie wollen. Das wird jetzt zu einer großen Debatte darüber führen, wie diese Waffen funktionieren. Von dem Moment an, in dem sie in die Hände der Soldaten gelangen, vor allem die Waffen mit ausgefeilterer Technologie, wie werden sie zu ihrem Ziel geführt, wie geschieht die Zielmarkierung, denn das geschieht in der Regel über ein Satellitensystem, und durch welche Computertechnologie passiert das? Inwieweit ist also die Waffe, die auf russisches Territorium abgefeuert wurde, ukrainisch und inwieweit ist sie es nicht? Daraus wird eine große Debatte werden, und offensichtlich, wie die Russen gestern verkündeten, betrachten sie es so, dass die Hand der NATO an den bewaffneten Schäden, die von Ukrainern auf russischem Territorium verursacht werden, im Spiel ist, d.h. also die Ukraine ohne die NATO nicht in der Lage wäre, russische Gebiete zu beschießen, und jetzt, wissen sie, hat die NATO eben doch etwas damit zu tun. Wir haben also gewissermaßen einen weiteren Schritt des Einbezogenwerdens getan. Hinzu kommt noch, dass das Lehrreichste und Wichtigste an der ganzen Sache ist, dass wir in der Lage sein müssen, die Absichten der einander gegenüberstehenden Parteien einzuschätzen – denn wenn wir das nicht tun, liegen wir sehr falsch. Und die Russen, unabhängig davon, was man von den Russen hält, denn schließlich haben sie die Ukraine angegriffen, sie haben eine Invasion gestartet, aber die Russen haben eine sehr klare Zielsetzung. Die Russen sagen, dass sie in die Ukraine einmarschiert sind, weil die Ukraine der NATO beitreten wollte. Ich denke auch, dass der Schlüssel zu dieser Situation die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO und die Zukunft dieser Frage ist. Und die Russen haben auch militärisch angekündigt, dass sie so weit in die Ukraine vorrücken werden, bis es ein Gebiet gibt, durch das die Ukrainer nicht mehr auf die Weise hindurchschießen können, dass sie die Bevölkerung und die Städte der russischen, d.h. nicht der besetzten Gebiete, sondern der alten russischen Gebiete beschädigen. Wie weit die Russen vorrücken, hängt also auch von den Waffen ab, mit denen die Ukrainer das Gebiet Russlands beschießen. Je besser die Waffen sind, mit denen sie beschossen werden, so haben es die Russen gesagt, desto weiter werden sie voranmarschieren. Natürlich weiß niemand, ob sie das tun werden oder nicht, aber zumindest sind dies klare Worte. Es besteht also ein Risiko. Wir müssen genau sehen, dass, wenn wir die Ukraine dabei unterstützen, auch auf russisches Territorium zu schießen, wir damit die Russen näher an uns heranbringen, wir die Russen näher an uns heranbringen könnten. Wir müssen über all diese Dinge nachdenken. Ich möchte Ihnen durch all dies nur andeuten, dass Woche für Woche konkrete Schritte unternommen werden, die auch solche tiefen Zusammenhänge aufdecken. Denn das Hineindriften in einen Krieg geschieht nicht von einem Moment auf den anderen. Es hat drei Phasen. Es gibt das Reden, dann die Vorbereitung und dann die Zerstörung. Das Reden haben wir bereits hinter uns. Worüber wir jetzt sprechen, was wir jetzt analysieren, ist bereits die Frage der Vorbereitungen, und das bedeutet, dass wir nur noch Zentimeter von der tatsächlichen Zerstörung entfernt sind.
Aber wenn dies solche Kontroversen auslöst und ein solches Risiko darstellt, warum sind westliche Politiker dann so entschlossen, die Ukraine auch weiterhin zu unterstützen?
Weil sie glauben, dass sie gewinnen können. Darüber denke ich also auch oft nach, denn sie sind ja auch vernünftige Menschen, sie können Zerstörung und Krieg nicht wollen, oder zumindest nur aus sehr guten Gründen, und offensichtlich gibt es etwas, das ihr Gefühl der Gefahr niedriger hält als das unsere. Ansonsten würden auch sie sich so verhalten wie wir. Ich denke, die geografische Entfernung spielt hier eine Rolle. Also dass die großen europäischen Staaten weiter von Russland entfernt sind als Mitteleuropa, ist ein Faktor. Denn sie denken auf die Weise, dass es die Ukraine als Pufferzone gibt, die zwischen ihnen und Russland liegt – und natürlich auch Mitteleuropa. So war es doch früher auch, oder? Dafür haben sie uns benutzt. Sie denken also, dass sie weiter von der wirklichen Gefahr entfernt sind als Mitteleuropa. Natürlich jammern die Mitteleuropäer darüber, und der ungarische Ministerpräsident macht Radau und schlägt Alarm und spricht von den Schäden eines Krieges, was in Mitteleuropa vielleicht stimmt, aber an der Atlantikküste, in Frankreich, wie ist das denn da vorstellbar? Natürlich ignoriert dieses Argument die Tatsache, dass die moderne Technik größere Entfernungen überbrücken kann als in früheren Kriegen, aber dennoch ist das Sicherheitsgefühl der Franzosen viel stärker als das der Ungarn. Ganz zu schweigen davon, dass sie schon Kriege gewonnen haben. Und sie denken immer noch, und ich glaube inzwischen, dass dies der wichtigste Grund ist, warum sie sich anders verhalten als wir, dass sie diesen Krieg gegen Russland gewinnen wollen, dass sie Russland besiegen wollen. Was sie natürlich manchmal auf die eine und dann auf die andere Weise sagen, manchmal sagen sie, dass die Russen nicht gewinnen dürfen, aber der wesentliche Punkt ist derselbe: Sie wollen einen militärischen Erfolg gegen Russland erreichen – um jeden Preis.
Seit Wochen verweisen wir auf die Ereignisse vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, aber wenn es um die Frage des Ausstiegs geht, argumentierte der damalige ungarische Ministerpräsident István Tisza fast auf den Tag genau vor 110 Jahren in einem Brief vom 1. Juli 1914 an Kaiser Franz Joseph gegen einen Kriegseintritt: „Die schlimmste denkbare Situation wäre, unter den ungünstigsten Umständen einen großen Krieg zu beginnen.“ Letztendlich wurde damals Tiszas Stimme im Westen nicht gehört. Was braucht es, damit die ungarische Friedensstimme heute stärker ist als damals?
Der historische Rückblick ist interessant. Ich habe hier neulich darüber gesprochen, wie Ungarn sowohl in der Tisza- als auch in der Horthy-Ära in den Krieg hineingezwungen wurde. Das ist im Nachhinein von vielen Historikern, vor allem von solchen liberalen, bestritten worden, obwohl die Fakten ganz klar sind: Wir wollten weder am Ersten noch am Zweiten Weltkrieg teilnehmen. Wegen dieser Debatte habe ich in den schriftlichen Aufzeichnungen der Verhandlungen zwischen Hitler und Horthy hineingeblättert, und daraus ist ganz klar ersichtlich, dass Ungarn und der Gouverneur unter einem enormen Druck standen, so schnell wie möglich so viele Soldaten wie möglich an die Front zu bringen, und nebenbei bemerkt, so viele Juden wie möglich aus Ungarn zu deportieren. Die ungarische Regierung stand also zu dieser Zeit unter enormem Druck. Ich behaupte nicht, dass das, was wir jetzt erleiden und womit ich persönlich zu tun habe, das gleiche Niveau wie damals erreicht hat, aber wir bewegen uns darauf zu. Ich kann Ihnen also sagen, dass bei jedem EU-Gipfel der Druck auf mich und auf uns zunimmt. Er nimmt also nie ab, es gibt keine Pause, er nimmt ständig zu, und ich habe das Gefühl, dass er noch nicht vorbei ist. Hier muss also Widerstand geleistet werden. Die Frage ist, ob wir ein Land hinter uns haben, ob Ungarn geschlossen für den Frieden eintritt, ob wir für den Frieden einstehen und ob wir es wagen zu sagen, dass wir nicht bereit sind, für die Ukraine zu sterben. Denn das ist ja der springende Punkt, und da kommen wir an: Sind wir bereit, ungarisches Blut in der Ukraine für die Ukraine zu geben? Und wir wollen das nicht. Und man kann daraufhin alle möglichen heftigen Kritiken von der den Krieg befürwortenden Seite aus vorbringen, so akzeptiere ich sie, aber ich stehe dort und ich stehe hier dazu, dass für uns das Wichtigste das ungarische Interesse ist, und dass dieser Krieg nicht unser Krieg ist, dass dieser Krieg nicht in unserem Interesse geführt wird, dass die Ungarn diesen Krieg nicht erleiden dürfen und dass wir uns aus diesem Krieg heraushalten müssen. Und ich stehe natürlich dazu, auch wenn es hier im Radio vielleicht nicht eine extrem unpopuläre Position ist, aber das ist sie in Brüssel, da ist es eine Position, die manchmal alleine dasteht. Aber man muss dem Druck standhalten. Wir haben schließlich nicht den Auftrag, uns immer gut zu fühlen, sondern wir haben den Auftrag, unseren Job zu machen. Und das ist nun unsere Aufgabe! Die Wahrheit ist, dass ich doch ein starkes Argument dafür habe, und es ist schade, dass Argumente langsam nicht mehr relevant sind, und dieses Argument ist, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis ist. Wir haben sie also geschaffen, oder sie wurde geschaffen, und wir sind ihr beigetreten, um sicherzustellen, dass die Verteidigung der Mitgliedstaaten gesichert ist. Und wir haben sie nicht geschaffen, um eine Mission zu organisieren, etwa eine ukrainische NATO-Mission, mit der wir in einen bewaffneten Konflikt außerhalb des NATO-Gebiets eingreifen und damit die Gefahr eines Weltkriegs heraufbeschwören. Es ist absurd, dass die NATO, anstatt uns zu schützen, uns als Mitgliedstaat in einen Weltenbrand hineinzerrt. Das ist genauso absurd wie die Entscheidung eines Feuerwehrmanns, mit einem Flammenwerfer zu kommen, um ein Feuer zu löschen. Dafür wurde die NATO nicht geschaffen. Das ist also ein starkes Argument, und dazu stehe ich, und ich bitte die ungarische Bevölkerung bei jeder Wahl und auch jetzt, die ungarische Regierung in dieser Frage zu unterstützen.
Die Organisatoren des morgigen Friedensmarsches, an dem Sie teilnehmen und auf dem Sie sprechen werden, sagen, dass eine friedensfreundliche Stellungnahme auch das Ziel des Marsches ist. Worin sehen Sie die Bedeutung des Friedensmarsches in dieser Situation?
Das Wichtigste ist, deutlich zu machen, dass wir jetzt wirklich zwischen Krieg und Frieden balancieren. Wir müssen also sagen, dass wir die Gefahr wahrnehmen, denn viele Menschen, vor allem in Westeuropa und die von ihnen bezahlte ungarische Linke, behaupten, dass es keine unmittelbare Kriegsgefahr wie die, von der wir sprechen, gibt. Aber es muss ausgesprochen werden, dass es sie gibt! Und diejenigen, die über die Kriegsgefahr sprechen können, sind diejenigen, die am meisten davon bedroht sind und sich selbst in Gefahr fühlen, nämlich die Menschen: das Volk. Es ist also das Wichtigste, dies deutlich zu machen. Und es muss gesagt werden, dass jeder, der wie ein Kriegsbefürworter redet, der Waffen liefert wie ein Kriegsbefürworter, der Truppen schicken will wie ein Kriegsbefürworter, sehr wohl ein Kriegsbefürworter ist. Und das gilt für die führenden europäischen Politiker, und es gilt für die ungarische Linke und das sie finanzierende gesamte Soros-System. Das ist der erste Punkt. Die zweite Sache, die wir klarstellen müssen, ist, dass die Ungarn einen starken Wunsch nach Frieden haben, und wir glauben nicht, dass Europa einen weiteren Krieg aushalten könnte. Da wir eine Woche vor den Europawahlen stehen, kann uns dieser Friedensmarsch daran erinnern, dass die Gründungsväter der Europäischen Union Recht hatten, denn sie haben sich auf diesen einen Satz gestützt, sie haben die Position eingenommen, die besagt, dass Europa keinen weiteren Krieg aushalten kann, und deshalb gründen wir die Europäische Union. Es handelt sich also um ein Friedensprojekt, und es wurde gegen den Krieg geschaffen, damit wir nicht wieder in so eine Situation geraten. Im Vergleich dazu geht die Europäische Union jetzt selbst voran und führt uns in den Krieg. Es muss auch klar gemacht werden, dass wir der Europäischen Union nicht beigetreten sind, um dann gemeinsam in den Krieg zu ziehen, und wir sind der Europäischen Union auch nicht beigetreten, um 100 Milliarden Euro in den Krieg zu stecken. Es wird dorthin säckeweise Geld hineingeschüttet, Geld, das von Steuerzahlern und Unternehmen, von privaten und betrieblichen Steuerzahlern zusammengelegt wird, und anstatt es in der europäischen Wirtschaft zu halten und für die Entwicklung Europas zu verwenden, schicken wir es weg und verbrennen es im Krieg. Wir sind bereits bei 100 Milliarden angekommen, und es wird immer ein weiterer und weiterer Bedarf angekündigt. Der Krieg ist ein Moloch, ein Ungeheuer, das immer hungrig ist und gefüttert werden muss. Er muss auch mit Geld gefüttert werden, und soweit ich das sehe, sind die Amerikaner, zumindest die demokratische Regierung und die führenden Politiker der Europäischen Union, auch bereit, ihn zu füttern. Wenn wir all unser ganzes Geld in der Ukraine ausgeben, wie wollen wir dann die europäische Wirtschaft wieder in Gang bringen? Dies sind alles Fragen, die den europäischen Staats- und Regierungschefs offen gestellt werden müssen, und bei den Europawahlen geht es genau darum, ihnen klarzumachen, dass es Demokratie gibt und dass die Stimme eines wachsenden, friedliebenden Europas nicht ignoriert werden kann. Es ist nicht nur die Stimme der Ungarn, es gibt zusammen mit uns immer noch eine ganze Reihe von Ländern, die sich auf die Seite des Friedens geschlagen haben, schlagen oder schlagen werden. Es gibt also eine friedliebende europäische Öffentlichkeit, deren Wille berücksichtigt werden muss, und deshalb muss eine gute Europawahl die Kriegsführer vom Kriegspfad wegführen.
Ja, aber es stellt sich auch die Frage, wenn wir die letzten Wochen betrachten, sei es das Attentat auf Fico oder das Verbot der Pro-Friedenskonferenz in Brüssel, dass es eine gewisse Wut der Kriegsbefürworter gegen die Friedensbefürworter gibt. Was könnte der Grund dafür sein und wie kann man damit umgehen?
Das ist in der ersten Phase eines jeden Krieges der Fall. Es lohnt sich, nicht nur die Memoiren von Politikern zu lesen, sondern auch die von anderen Zeitzeugen, anderen Intellektuellen, Künstlern, Autoren, Wissenschaftlern. Und die erste Phase aller großen Kriege wurde unter starkem moralischen Druck ausgetragen, wobei die Kriegsbefürworter argumentierten, dass es für die entstandenen Konflikte keine andere moralisch richtige Lösung als den Krieg gibt und dass daher jeder, der auf der Seite des Friedens steht, in Wirklichkeit eine moralisch falsche Position einnimmt. Dies zeigte sich in leidenschaftlichen Kundgebungen und Zusammenstößen von Frankreich bis Ungarn, und als im Laufe der Zeit klar wurde, dass der Krieg keine Lösung für die Konflikte zwischen den europäischen Nationen war, verschob sich die Position der Kriegsbefürworter hin zur Position der Friedensbefürworter bzw. wuchs die Unterstützung für die Position der Friedensbefürworter, bis schließlich der Frieden erreicht wurde. Aber dies dauerte vier Jahre im Ersten Weltkrieg und fünf Jahre im Zweiten Weltkrieg. Es wurden schreckliche Opfer gebracht. Die Geschichte ist dazu da, damit wir aus ihr lernen. Diese vier oder fünf Jahre sollten wir uns sparen. Wir können also gleich jetzt zu Beginn sagen, dass es für diesen Krieg keine Lösung auf dem Schlachtfeld gibt. Wer diesen Krieg auf dem Schlachtfeld gewinnen will, verdammt sich selbst zum Krieg und riskiert einen Weltkrieg. Sparen wir ihn uns also! Lernen wir doch aus den bisherigen Beispielen! Nehmen wir die Initiative zurück, schließen wir einen Waffenstillstand und nehmen wir Verhandlungen auf, bevor wir uns mitten in einem großen europäischen Krieg wiederfinden.
Vor fast jeder Wahl wird gesagt, dass sie eine schicksalsentscheidende, unsere Zukunft bestimmende Wahl sei, aber inwiefern steht bei dieser Wahl auf der Grundlage des bisher Gesagten und in der gegenwärtigen Situation etwas anderes auf dem Spiel als bei früheren Wahlen?
In der Tat, wie Sie sagen, verwenden wir manchmal die Worte „schicksalhaft“ und „historisch“ zu leicht, aber wenn man es sagt, fühlt man es. Ich kann das als Entlastung für uns sagen. Und auch jetzt habe ich das Gefühl, dass wir, wenn wir dann auf diese Zeit, diese Wahl, dieses Jahr zurückblicken werden, vielleicht sagen werden, wie wir es jetzt über 1914 oder über 1939 sagen, dass damals das große Übel begann. Als aus den Vorbereitungen der eigentliche kontinentale Konflikt wurde, der zu einer Verwicklung ganz Europas führte. Das kann vermieden werden. Es ist keineswegs so, dass alle Kriege bereits im Voraus in den Sternen stehen. Alle Kriege sind das Ergebnis von Führungsentscheidungen. Und wenn die Führenden vernünftig sind, wird es keinen Krieg geben. Wenn die Führenden beschließen, nicht in den Krieg zu ziehen, werden die Länder nicht in einen Krieg verwickelt werden. Wenn die Führenden entscheiden, dass Frieden wichtiger ist als Krieg, dann wird es Frieden geben. Das sind menschliche Entscheidungen. Und menschliche Entscheidungen werden immer wieder getroffen, wie Sie zu Beginn des Gesprächs sagten. Im Moment lautet die Entscheidung gerade, der Ukraine mehr Waffen zu geben und zuzulassen, dass der Krieg noch weiter eskaliert und sich ausweitet. Das sind menschliche Entscheidungen, das sind keine Notwendigkeiten. Und es gibt Demokratien in Europa, Demokratien, wie sie sind, manchmal kommen sie etwas ins Rutschen, aber sie sind trotzdem Demokratien. Die Führenden müssen gezwungen werden, friedensfreundliche Entscheidungen zu treffen, und die einzige Möglichkeit, friedensfreundliche Entscheidungen aus den Führenden in Demokratien herauszuholen, sind Wahlen. Die Kriegsbefürworter müssen abgewählt werden, man muss für den Frieden stimmen und die kriegsbefürwortenden Politiker absetzen und sie durch friedensfreundliche Politiker ersetzen. Jetzt können und müssen also zum Beispiel keine kriegsfreundlichen Abgeordneten in das Europäische Parlament entsandt werden, also in Ungarn keine Vertreter der ungarischen Linken, sondern friedensfreundliche Abgeordnete. Heute sind in Ungarn nur Fidesz und die KDNP für den Frieden, also sollten wir sie in das Europäische Parlament schicken, wenn wir Frieden wollen.
Ich habe Ministerpräsident Viktor Orbán auch über die Risiken des russisch-ukrainischen Krieges, den morgigen Friedensmarsch und darüber befragt, was bei den Wahlen auf dem Spiel steht.