Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: NATO-Truppen sollten in die Ukraine geschickt werden, um nicht kämpfende ukrainische Einheiten zu ersetzen, damit sie an die Front gehen können, sagte der Parteisprecher des französischen Präsidenten Emmanuel Macron kürzlich. Und der polnische Außenamtssprecher erklärte gestern, Warschau erwäge, russische Raketen über ukrainischem Gebiet mit seiner eigenen Luftabwehr abzuschießen. Die westlichen Staats- und Regierungschefs argumentieren für ihre immer weiteren Ideen, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf, aber wenn es doch dazu kommt, würde Moskau nicht an der ukrainischen Grenze Halt machen. Ich begrüße Premierminister Viktor Orban im Studio. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Im Westen ging es in den letzten Jahrzehnten doch darum, Armeen abzubauen, Toleranz, Akzeptanz und die Stärkung von Minderheiten stellten die Hauptroute dar. Was wir jetzt erleben, ist das komplette Gegenteil davon. Wie erfolgreich kann das Einstimmen der westlichen Gesellschaften auf den Krieg sein, und was ist das Ziel davon?

In diesem einfachen Satz hier, den Sie hier gerade gesagt haben, vermischen sich mehrere Fragen. Die Existenz von Armeen ist ja notwendig, sie führt nicht zum Krieg. Seltsamerweise führt das Fehlen von Armeen zum Krieg, denn der Grund für Kriege ist meistens die Schwäche, nicht die Stärke. Wenn es jemand dahingehend deutet – vielleicht jetzt mit gutem Grund –, dass ein anderes Land, dessen Territorium und Wirtschaft man begehrt, nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, dann kann ein Land, ein starkes Land, von dem Instinkt und dem Wunsch übermannt sein, das Territorium und die wirtschaftlichen Ressourcen eines anderen Landes an sich zu reißen. Dagegen gibt es eine einzige Medizin, dass das Land, das als Opfer ins Visier genommen wird, stark genug ist, um sich zu verteidigen, und der, der es angreifen will, damit rechnen muss, dass er einen höheren Preis zahlen muss, um sein Ziel zu erreichen, als wenn er gar nicht erst versucht hätte, diesen Krieg auszulösen. Deshalb ist Stärke, ist die Armee, notwendig, um einen Krieg zu vermeiden. Deshalb heißt es: Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor, aber nicht, damit du in den Krieg ziehst, sondern damit dein Frieden erhalten bleibt. Das ist also ein seltsamer Zusammenhang, der für Menschen, die sich nicht mit Militärpolitik befassen, vielleicht schwer zu verstehen ist, denn die meisten Menschen denken, dass der Frieden kommen wird, wenn alle einen Moment der Erleuchtung haben und ihre Gewehre, ihre Schusswaffen, ihre Messer und alles andere weglegen, und eine Art ätherischer Frieden eintritt. Vielleicht wird das geschehen, und wir wären froh, wenn es geschehen würde, aber es wird nicht morgen früh geschehen, bis dahin brauchen wir eine Armee, Soldaten, Vorbereitung, die Fähigkeit zu Selbstverteidigung. Es ist schlimm genug, dass Ungarn diese Fähigkeit schon lange nicht mehr hatte, und wir haben sie auch als NATO-Mitglied noch nicht vollständig, weil unsere nationale Armee noch nicht stark genug ist, aber wir sind auf dem richtigen Weg, sie zu stärken. So viel zum Zusammenhang zwischen Armee und Krieg. Wird Russland aufhören, wenn es die Ukraine besiegt? Dies ist eine der wichtigsten Fragen. Einige Leute sagen dies, Sie haben gerade nicht sie zitiert. Ich sehe das folgendermaßen. Die russische Armee führt heute einen schweren, schwierigen Krieg gegen die Ukrainer, und sie kann sie nicht niederringen. Es ist also ein sich in die Länge ziehender Krieg. Wenn die Russen stark genug wären, die Ukrainer auf einen Schlag zu besiegen, hätten sie sie bereits niedergerungen. Die Stärke der NATO ist nicht mit der der Ukraine vergleichbar, sie beträgt das Hundertfache, aber vielleicht das Tausendfache davon. Daher halte ich es nicht für logisch anzunehmen, dass Russland, das nicht einmal mit der Ukraine fertig wird, plötzlich daherkommt und, hamm, die gesamte westliche Welt verschlucken würde. Es könnte sie provozieren, es gibt also jene Geschichte der internationalen Diplomatie und der Beziehungen, die zeigt, wie Nationalstaaten sich gegenseitig Schwierigkeiten bereiten können, aber die Chancen, dass irgendjemand einen Angriff wagt – und ich spreche nicht nur von den Russen, sondern auch von anderen –, dass irgendjemand es wagt, einen NATO-Mitgliedstaat anzugreifen, sind heute äußerst gering. Vor allem, weil wir in der NATO deutlich machen, dass es sich um ein Verteidigungsbündnis handelt und wir keine militärischen Aktionen dulden werden, die die Souveränität irgendeines NATO-Mitgliedstaates verletzen würden. Die NATO wurde gegründet, damit wir im Falle eines Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines NATO-Mitgliedslandes als Verteidigungsbündnis zusammenstehen, als ein Land hinter dem angegriffenen Land aufmarschieren. Daher interpretiere ich diesen Hinweis auf die russische Bedrohung eher als Vorbereitungsmanöver für einen Kriegseintritt der Europäer oder der Westler. In einer solchen Situation müssen ja Politiker wie ich, die eine führende Position innehaben, nicht nur nach vorne schauen, sondern auch nach hinten. Seit vielen, vielen Monaten lese und studiere ich die Geschichte der stimmungsmäßigen Vorbereitung des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Ich lese vor allem Memoiren, Tagebücher, wie es dazu kam. Und die Ähnlichkeiten sind erschreckend. Sowohl in den Medien als auch in der Kommunikation der Politiker vor den ersten beiden Weltkriegen gab es also eine ziemlich lange Vorbereitung auf den Kriegseintritt. Und ich denke, dass das, was heute in Brüssel, in Washington, vielleicht jetzt mehr in Brüssel als in Washington, passiert, eine Art Stimmungsvorbereitung für einen möglichen direkten militärischen Konflikt ist, wir können es getrost eine Vorbereitung Europas auf einen Eintritt in den Krieg nennen. Das ist es, was in den Medien geschieht, und das geschieht auch in der Welt der Erklärungen der Politiker.

Nur sehen wir in der Zwischenzeit die Bilder, die aus der Ukraine kommen. Die Zerstörungen des Krieges in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, in den Schicksalen der Menschen, in den Menschenleben. Warum steht die Verhinderung dieser Zerstörung, der weiteren Zerstörung, nicht an der ersten Stelle?

Das ist unbegreiflich! Es ist eine so einfache Frage, wie Sie sie gesagt haben. Und es gibt darauf – es ist eine einfache Frage – keine einfache Antwort, ja es gibt überhaupt keine Antwort. Auch ich habe kein einziges Mal eine Antwort erhalten. Ich versuche seit zwei Jahren, jemanden zu finden, der mir sagt, warum wir, anstatt diesen Konflikt zu isolieren und das auszusprechen, was wir, Ungarn, sagen, dass dies ein Krieg zwischen zwei slawischen Völkern ist und dass es dafür eine historische Vorgeschichte gibt, man auch über die Wahrheit sprechen könnte, und es mag sein, dass alle Argumente auf der Seite der Ukrainer sind, aber dennoch: dies ist letztlich doch ein Krieg zwischen zwei slawischen Völkern. Und es wäre im Interesse aller anderen, die nicht an diesem Krieg beteiligt sind, diesen Konflikt zu isolieren. Genauso, wie es im Übrigen in mehr als einem Fall schon geschehen ist. Und das tun wir nicht, sondern wir stürzen uns in diesen Krieg. Wir haben noch keine Soldaten geschickt, aber Waffen schon. Und wir lassen uns hineintreiben. Wir erkennen diesen Krieg als unseren eigenen Krieg an, also wir Ungarn tun das nicht, aber die Westeuropäer schon. Zuerst wollten die Deutschen nur Helme schicken, sie sagten, dass es für Deutschland unmöglich sei, Geräte zu schicken, die Menschen töten können, dann schickten sie natürlich die Schusswaffen, dann Munition, dann gepanzerte Fahrzeuge, dann Panzer, und jetzt schon Flugabwehrsysteme und Flugzeuge… Man kann also sehen, wie Monat für Monat die Veränderung der, sagen wir, deutschen Position ein gutes Maß dafür ist, wie wir uns Monat für Monat dem Krieg annähern, wie wir in den Krieg hineindriften, bis zu dem Punkt, an dem wir jetzt darüber sprechen, wie einige Länder russisches Militärmaterial im Luftraum der Ukraine zerstören werden, oder wie einige Länder russische Kampfflugzeuge im Luftraum der Ukraine zerstören möchten, und der andere führende Politiker darüber spricht, wie wir wirklich schon einen Fuß auf das Territorium der Ukraine setzen könnten und  nicht an die Frontlinie. Ich wiederhole es noch einmal: In Kenntnis der europäischen Geschichte ist dies eine Kommunikationsoperation zur Vorbereitung einer kriegerischen Aktion. Nun, wenn ich die Frage stelle – wenn Sie mir gestatten, werde ich Ihnen erzählen, was für Abenteuer ich am internationalen Verhandlungstisch zum Thema Krieg erlebe –, in Ordnung, es ist also die europäische Strategie, dass die Ukrainer an der Front kämpfen und wir sie mit Geld, Waffen und technischer Ausrüstung versorgen, während die Russen ihre eigene Operation durchführen, könnte mir oder den ungarischen Wählern jemand in Europa oder Amerika sagen, wie denn ihre Schätzungen lauten, um wie viel mehr Waffen wir liefern müssen, wie viel mehr Geld wir ausgeben müssen, um das Ziel zu erreichen, damit die Ukrainer die Russen aus dem von den Russen besetzten Gebiet vertreiben können? Verfügen wir über irgendwelche Schätzungen? Das ist also die Strategie, die wir zurzeit verfolgen und die Präsident Macron in dem einfachen Satz zusammenfasst, dass Russland den Krieg nicht gewinnen darf, was bedeutet, dass sie aus der Ukraine zurückgedrängt werden müssen, denn den Krieg zu gewinnen würde sicherlich bedeuten, dass die Russen das Gebiet behalten, das sie besetzt haben. Sie haben etwa ein Fünftel der Ukraine besetzt. Wie viel Geld und wie viele militärische Mittel werden also benötigt, damit wir die Russen von dort hinausschieben? Nennen Sie mir doch endlich eine Größenordnung! Und da herrscht Schweigen. Wir sind also auf die Weise in einer Strategie gefangen, dass uns niemand sagen kann, wie lang der Weg unserer eigenen Strategie zum Erfolg sein wird, wie hoch die Kosten sind und welche Waffen wir brauchen. Das Schlimmste ist also, was passieren kann, ist, dass wir auf die Weise an einem Krieg teilnehmen, ohne dass es eine Schätzung, geschweige denn eine Einigung über das Ausmaß der Mittel gibt, die erforderlich sind, um das Ziel des Krieges zu erreichen. Wie lange werden wir das dann also noch tun? Wie viele Waffen werden wir noch schicken? Und wie viel Geld werden wir schicken? Und bei einer solchen Berechnung muss berücksichtigt werden, wie viel die Russen produzieren können. Wo wird das enden? Und das Ende wird langsam ein Zusammenstoß zwischen der NATO, der Europäischen Union und Russland sein, das eine Atommacht ist. Also ein militärischer Zusammenstoß von Akteuren, die über Atomwaffen verfügen, gibt uns also die düstersten Visionen ein oder gibt Grund zu ihnen.

Wenn Sie schon die NATO erwähnen und Sie vorhin ja sagten, dass sie im Wesentlichen ein Verteidigungsbündnis ist, gibt es immer mehr Erklärungen und vielleicht auch Aktionen, die darauf hindeuten, dass sie versucht, aus dieser Rolle herauszutreten. Sowohl die NATO-Mitgliedsstaaten als auch die NATO selbst auf institutioneller Ebene. Was kann Ungarn als NATO-Mitglied tun, um sich entweder aus der von der NATO organisierten Mission oder aus dem Druck, den die NATO-Mitglieder auf Ungarn ausüben, herauszuhalten, heraushalten zu können?

Wir befinden uns in diesem Moment in einer sehr schwierigen Lage, denn schließlich sind wir das Land, das an der NATO-Charta und an dem gemeinsamen Verständnis festhält, das den Auftrag der NATO definiert. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis, das wir geschaffen haben, damit wir, wenn einer von uns angegriffen wird, sicher sein können, dass die anderen uns zu Hilfe kommen. Warum war dies notwendig? Es war notwendig, weil die früheren Militärbündnisse nicht funktioniert haben. Ich möchte jetzt hier nicht die Geschichtslehrbücher der Mittelschule wiedergeben, doch hatten einige Länder, wie z. B. Polen, vergeblich militärische Beistandsabkommen mit den Franzosen und den Briten, als sie angegriffen wurden, kam plötzlich keine Hilfe. Die Erfahrung der europäischen Länder zeigt also, dass wir uns weit im Voraus absichern müssen, damit wir im Falle eines Angriffs durch einen unserer potenziellen Gegner auf alle unserer anderen Freunde, unsere Partner in Militärbündnissen, zählen können. Darum geht es bei der NATO. Davon ist keine Rede, dass die NATO dann außerhalb des NATO-Gebiets militärische Aktionen durchführt und gegen Nicht-NATO-Staaten außerhalb des NATO-Gebiets sich in einen Krieg einlässt. Das ist also unser Standpunkt. Aber als ob alle schon in einer anderen Zukunft leben würden, sind sie einfach nicht bereit, diese Argumente zu berücksichtigen, außer dass sie diese sich höflich anhören. Und die Kriegsplanung geht weiter. Es arbeiten also heute Ausschüsse im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Es gibt einen Finanzausschuss, dann gibt es einen Ausschuss, der sich mit der Ausbildung beschäftigt, ich will jetzt natürlich keine NATO-Informationen herausgeben, aber der NATO-Generalsekretär hat das alles schon gesagt. Es arbeiten hier also Arbeitsgruppen, um festzulegen, wie sich die NATO an diesem Krieg beteiligen könnte. Wir sind dort in diesen Kommissionen, aber wir haben im Vorfeld darauf hingewiesen, dass wir, da wir Mitglieder der NATO sind, dabei sein müssen, aber wir sind nicht damit einverstanden und wir wollen weder finanziell noch mit Waffenhilfe beteiligt sein – nicht einmal innerhalb des Rahmens der NATO. Deshalb ist unsere Situation eine seltsame: Es ist eine Situation, in der wir dabei und zugleich nicht dabei sind. Ich weiß nicht, wie lange das so aufrechterhalten bleiben kann, aber in der NATO wurde jetzt ein neuer Begriff erfunden, um die ungarische Position zu beschreiben. Er heißt ‘Nichtbeteiligung’. Jetzt sind wir keine teilnehmende Partei. In der internationalen Politik gibt es den Begriff des Opt-Out, des Außenvorbleibenden. Jetzt kann man damit spielen, jetzt sind wir keine Teilnehmer, aber wir sind noch keine Opt-Outs. Wenn wir Außenvorbleibende wären, würde sich auch unsere Beteiligung an der militärischen Struktur der NATO, unsere Position, ändern. Es hat in der Geschichte der NATO selten eine Situation gegeben, in der sich ein Mitgliedstaat so offen und klar zur Grundphilosophie der NATO bekannt hat wie jetzt Ungarn, und deshalb müsste seine Position innerhalb des Militärbündnisses neu definiert und neu festgelegt werden. Unsere Juristen und unsere Offiziere arbeiten daran, es ist also eine ernsthafte Arbeit im Gange, wie Ungarn als Mitglied der NATO existieren kann, ohne sich an NATO-Aktionen außerhalb des NATO-Gebiets zu beteiligen. Dies ist die Frage, die die ungarische Diplomatie lösen muss. Nicht umsonst heißt es oft, dass Politik die Kunst des Möglichen ist. Dies ist sicherlich eine Frage der Kunst, denn hier geht es nicht darum, alte Muster aufzugreifen, sondern etwas zu schaffen, einen neuen Ansatz, eine neue Beschreibung, eine neue Definition, also ist Innovation auf ungarischer Seite notwendig.

Wie werden sich die Wahlen am 9. Juni auf die friedensfördernde Kraft auswirken, die Ungarn in solchen Situationen zeigen kann, sei es in der NATO oder in der Europäischen Union?

Wir stehen jetzt kurz vor den Wahlen. Und wir Ungarn denken, dass es bei dieser Wahl um Krieg und Frieden geht, denn worum sonst könnte es gehen? Natürlich gibt es auch – damit sie es auch in Brüssel verstehen – wie wir es sagen: No Migration und no Gender, also geht es natürlich auch um Migration und den Schutz traditioneller Familien, der durch allerlei europäischen Schwachsinn und unverständliche ideologische Trends gerade bedroht ist, na aber das Thema Krieg schiebt sich vor all diese ansonsten wichtigen Themen. Wir alle wissen das, denn wir befinden uns in einem Wahlkampf. Was mir Sorgen macht, ist vielmehr, wie wir diese Europawahl in einigen Jahren interpretieren werden. Oder etwas hochtrabender ausgedrückt: Was wird die Nachwelt darüber sagen? Und ich denke, es ist durchaus möglich, dass die Nachwelt sagen wird, dass dies die Europawahl war, die die Frage von Krieg und Frieden in Europa entschieden hat. Vielleicht ist das, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht, deshalb ist es leichter zu verstehen als die übliche Routine des Wahlkampfs: Wir stehen vor einer Wahl, die die Nachwelt als die bestimmende Entscheidung über Krieg und Frieden ansehen wird, vielleicht für die nächsten Jahrzehnte. Es gab schon so viele Ereignisse in der europäischen Militärgeschichte, denen man damals nicht die ihnen gebührende Bedeutung beigemessen hat, und im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es der entscheidende Moment war. Und ich denke, dass diese Europawahl ähnlich ist, und, um noch weiterzugehen, nicht nur die Europawahl, sondern auch die amerikanische Wahl im November, denn die europäische Sicherheit ruht auf zwei Säulen: einer europäischen und einer amerikanischen.

Wenn die Ukrainer unter diesem Krieg leiden, die Europäer leiden, zumindest wirtschaftlich, und die Situation, über die wir gerade gesprochen haben, anhält, für wen lohnt es sich dann, diesen Krieg fortzusetzen?

Das ist die schwierigste Frage. Denn ich verstehe, was wir gelernt haben, was wir wissen und was wir als Erwachsene in der Welt gesehen haben, dass nämlich der Krieg nicht nur Verlierer hat, dass der Krieg nicht nur Leid verursacht, sondern auch Profit generiert, dass es einen Extraprofit im Krieg gibt. Wir alle haben solche literarischen Erfahrungen oder wir haben von unseren Eltern gehört, dass ungarische Soldaten in Papierstiefeln losgeschickt wurden, wir alle wissen also, dass es die Betrügerei der Heereslieferanten gab, die im Krieg Geschäfte gemacht haben, anstatt auch selbst das Land zu verteidigen. Dies besitzt seine eigene Kulturgeschichte. Gerade in Ungarn ist das eine Kulturgeschichte, die in starken Tönen gemalt worden ist. Die Situation ist also auch jetzt so, dass offensichtlich die Kriegsindustrie, die Waffenhersteller, die Waffenhändler sich zu Tode verdienen. Und sicherlich, da der Krieg einen Einfluss auf die Wirtschaft ausübt, sind diejenigen, die über Insiderinformationen über den Krieg verfügen, und in der Wirtschaft eher zu spekulieren als zu produzieren pflegen, diejenigen, die am frühesten Zugang zu Informationen haben und damit gute Risikoanalysen machen und auf diese Weise damit zuverlässig spekulieren, nun, diese Spekulanten, bezeichnen wir sie jetzt als Risikokapitalfonds, was keine genaue Beschreibung ist, aber der Klang des Wortes gibt eine ungefähre Vorstellung davon, worum es geht, also stehen diese Risikokapital-Spekulanten direkt hinter den Befürwortern des Krieges. Auch der Sohn unseres Landes, George Soros, tut sich hervor, denn seine Gestalt scheint auch ganz am Anfang der Reihe auf oder zeichnet sich dort ab. Es ist also offensichtlich, dass diese Kräfte alle wirtschaftlich an dem Krieg interessiert sind. Ich verstehe auch, dass es Politiker gibt, die gekauft werden können. Das sind zum Beispiel unsere Leute. Da ist die ungarische Linke, die man zu Dumpingpreisen kaufen kann. Wir alle wissen, worum es dabei geht. In jedem Wahlkampf bekommen sie das Geld aus dem Westen, sie lassen die Dollars hierher hineinrollen, und natürlich gibt derjenige, der das Geld gibt, die Musik vor: Die den Krieg befürwortenden Finanzleute bezahlen die ungarische Linke. Kein Wunder, dass die ungarische Linke für den Krieg ist, im Gegensatz zu dem, was ich denke, dass die linken Wähler wollen. Was ich auch nicht verstehe, ist, dass die europäischen führenden Politiker, die ich respektiere und hochschätze, wobei ich von großen europäischen Ländern spreche, bei denen ich nicht davon ausgehe, dass deren führende Politiker allein schon aufgrund der Größe des Landes zu einem Dumpingpreis gekauft werden könnten, wie das die Westler mit der ungarischen Linken tun, warum das dort so ist. Besonders mit der Erfahrung, die wir gemacht haben, dass, wenn wir uns die Probleme des heutigen Lebens in Europa anschauen und die schwerwiegendsten herausgreifen, wie Bevölkerungsrückgang und die Frage der Migration, und nach den Gründen suchen, wie Europa so weit gekommen ist, die Wurzel der meisten großen Probleme in Kriegen zu finden ist. Denn natürlich hat der eine den anderen besiegt, die Deutschen haben verloren, sagen wir, die Franzosen haben gewonnen. Aber insgesamt haben alle verloren, denn jeder europäische Krieg, der zwischen den Nationen geführt wird, ist in Wirklichkeit auch ein gesamteuropäischer Bürgerkrieg, weil sich die weißen Christen gegenseitig umbringen. Und es ist kein Wunder, dass die christliche Welt Europas, die früher einen entscheidenden Einfluss auf den Rest der Welt hatte und in der Lage war, sich zu verteidigen, zum Beispiel gegen die Migration, heute dazu nicht mehr in der Lage ist, weil sie nicht genug Menschen hat. Warum fehlen denn viele Zehnmillionen Menschen auf dem europäischen Kontinent? Auch in Ungarn zum Beispiel. Weil unsere Soldaten eben im Krieg umgekommen sind. Wenn man also den Krieg, die Kriege in Europa, aus einer richtigen Perspektive betrachtet, sagen wir aus einer richtigen historischen und christlichen Perspektive, dann kann man sagen, dass jeder Krieg in Europa in den letzten hundertfünfzig Jahren, unabhängig davon, wer sich als Sieger und Verlierer sah, für alle ein Verlust war.

Ja, aber wenn so viel Macht in den Händen derjenigen konzentriert ist, die ein ureigenes Interesse an dem Krieg haben und daran auch gewinnen, wie kann man dann mit diesem ureigenen Interesse konkurrieren?

Die Politik hat immer eine letzte Zuflucht: das Volk, was man jetzt natürlich als Populismus bezeichnen muss. Jeder, der etwas tut, was gut für die Menschen ist, wird also auf der europäischen Bühne sofort als Populist abgestempelt, was ich auch gar nicht verstehe. Denn was zum Teufel wäre der Sinn der Politik, wenn nicht, unsere Sache im Übrigen so zu tun, die Schritte eines Landes so zu gestalten, dass dies gut für die Menschen ist? Aber heutzutage sieht das irgendwie wie ein Verbrechen aus, weil von den Politikern in Brüssel erwartet wird, dass sie irgendeine Art von Idealen vertreten sollen. Und die Realität ist im Vergleich zu den Idealen sekundär. Wenn wir also einen europäischen Politiker fragen, warum er in der Politik ist, so werden nicht viele antworten, dass es darum geht, unserem eigenen Volk, unseren eigenen Bürgern, unseren eigenen Landsleuten zu helfen. Die meisten antworten lieber, dass sie irgendein erhabenes Ideal in der Politik vertreten. Was im Übrigen auch gut so ist, denn wir brauchen hehre Ideale, aber hehre Ideale können nicht wichtiger sein als die Menschen selbst. Man sollte also die Brille nicht verwechseln. Es lohnt sich immer, die Politik hinsichtlich der Ideale und unter dem Gesichtspunkt von Idealen zu betrachten, aber das ist nicht die erste, sondern die zweite Brille. Zuerst muss man schauen, was gut für die Menschen ist, in unserem Fall für das ungarische Volk, und dann kann man in allen möglichen anderen Zusammenhängen kluge Überlegungen anstellen. Daher muss ich sagen, dass die letzte Zuflucht, denn schließlich ist Europa doch eine Demokratie, das Gewicht der Stimme des Volkes, seiner Stimme und seiner Meinung ist. Deshalb sind die Wahlen so wichtig. Wenn es also eine echte Frage gibt, über die die Menschen entscheiden können, dann ist es die Frage von Krieg und Frieden. Deshalb baue auch ich unsere Strategie, die Strategie Ungarns, darauf, dass jetzt, bei den Europawahlen, die Zahl der Menschen, die den Frieden wollen und die ihre eigenen Regierungen nicht dabei unterstützen wollen, weiter in den Krieg zu marschieren, zunehmen wird, und damit auch das Gewicht ihrer Stimme. Nun ist die Frage von Krieg und Frieden keine statische Frage, sie ist also nicht schwarz-weiß, denn man kann sehen, dass das Abdriften in den Krieg ein Prozess ist. Ich wäre schon glücklich oder wäre auch schon damit zufrieden, wenn wir zumindest den Prozess des Abdriftens stoppen könnten. Um zu dem Ausgangspunkt zurückzukehren, dazu muss noch viel Arbeit geleistet werden, also die Hilfe für die Ukraine muss reduziert werden, aber damit wir zumindest nicht in unseren eigenen Untergang rennen; wenn wir im Luftraum der Ukraine, wie es in einem der ausgezeichneten Vorschläge, die Sie gerade zitiert haben, heißt, die Flugzeuge einer Atommacht abschießen und der Ukraine derartige Mittel geben werden, mit denen die Ukraine, wie sie das angekündigt hat, eine der Atommächte der Welt angreifen wird. Also sollten wenigstens die Menschen in Europa mit ihrer Stimme den Prozess des Abdriftens stoppen. Wir haben dazu die Möglichkeit, aber das ist nur die eine Hälfte der Arbeit, denn dann muss auch die andere Hälfte getan werden, damit dies auch in Amerika passieren kann, und dann kann die westliche Welt vielleicht noch vor dem Rand des Abgrunds stehenbleiben.

Wenn Sie schon die Vertretung von Idealen erwähnt haben, eine der Ideen, die die Brüsseler Elite vertritt, ist die Idee der Aufnahme, die Idee der kritiklosen Aufnahme – nur hat das praktische Auswirkungen. Gestern sagte Gergely Gulyás, der das Ministerpräsidialamt leitende Minister, dass die EU Ungarn wegen der juristischen Grenzsperre eine Geldstrafe von 6 Millionen Forint pro Tag auferlegen würde. Was sagt dies über die Haltung gegenüber der Migration oder überhaupt gegenüber den Mitgliedstaaten aus?

Sie würde die Strafe nicht auferlegen, sie erlegt sie auf. Das ist also eine Tatsache. Der Europäische Gerichtshof hat also sein Urteil gefällt, und es besagt, dass wir 6 Millionen Forint pro Tag an Brüssel zahlen müssen, da Ungarn nicht bereit ist, Migranten aufzunehmen. Das ist an sich schon äußerst empörend – nicht einfach nur haarsträubend, sondern extrem empörend – wie jemand dazu kommt, den Ungarn vorzuschreiben, wen sie hierher hereinlassen sollen. Ich kann mir keinen Akteur in der Weltpolitik vorstellen, der das Recht hätte, den Ungarn zu sagen: „Liebe Ungarn, nicht ihr bestimmt, wer in euer Land einreisen darf, sondern wir werden es euch schon sagen.” Das ist unmöglich, absurd, ein Unding! Ich bin so empört, dass ich mich dazu auch nicht weiter äußern werde. Aber es gibt in dieser Sache ein noch absurderes Element: Während wir Europa verteidigen, während wir für Hunderte von Millionen Euro einen Zaun bauen, während wir inzwischen Milliarden Euro für den Grenzschutz ausgegeben haben, während wir unsere Soldaten, unsere Grenzschützer, unsere Polizisten dort unten haben, die Risiken eingehen, um Europa gegen eine immer gewalttätigere Welle von Migranten zu verteidigen, schießen sie uns in den Rücken. Es sind also nicht nur die Migranten, mit denen wir zu kämpfen haben, sondern sie schießen Ungarn auch noch von Brüssel aus in den Rücken, und sie geben uns keinen einzigen Pfennig dafür, dass wir auch sie schützen, jedoch ziehen sie uns 6 Millionen Forint pro Tag aus der Tasche, weil wir die Migranten nicht nach Ungarn hereinlassen. Die ganze Situation ist also ohnehin schon unsinnig, so wie sie ist. Darauf kann es unsererseits nur eine Antwort geben: Wir müssen die führenden europäischen Politiker, die solche Entscheidungen treffen, aus ihren Ämtern vertreiben.

In der letzten halben Stunde habe ich Ministerpräsident Viktor Orbán zum Russland-Ukraine-Krieg, zu den bevorstehenden Wahlen und zur Migration befragt.

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