Interviews / Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Auf dem gestrigen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs wurde eine Einigung über die Unterstützung für die Ukraine erzielt. Das kriegsgebeutelte Land wird nun 50 Milliarden Euro erhalten, über die es Rechenschaft ablegen muss, und die Kommission wird darüber jährlich Bericht erstatten. Im Vorfeld des Gipfels war der Druck auf die ungarische Regierung groß, der Vereinbarung zuzustimmen. Und Viktor Orbán kommentierte die Vereinbarung mit den Worten, wir hätten ausgehandelt, dass das Geld der Ungarn nicht an die Ukrainer gehen dürfe. Premierminister Viktor Orbán ist zu Gast in unserem Studio. Guten Morgen!

Guten Morgen!

Sie haben gestern in Ihrem Eintrag in den sozialen Medien geschrieben, dass Ungarn weiterhin auf der Seite des Friedens steht. Ist dies auf die Weise möglich, dass die EU der Ukraine diese 50 Milliarden Euro schließlich doch gibt?

Der Frieden ist in der Tat die Schlüsselfrage hier. Wir sind in keiner guten Position, denn Brüssel ist im Kriegsfieber und alles dreht sich um den Krieg. Die europäischen Staats- und Regierungschefs argumentieren also in Richtung Krieg, während Ungarn der Meinung ist, dass sich in Brüssel alles um den Frieden drehen sollte, und dass wir so schnell wie möglich einen Waffenstillstand anstreben sollten, gefolgt von Friedensverhandlungen. Denn zwei Jahre sind fast vorbei. Es gab viele Hoffnungen, sowohl auf Seiten der Ukrainer als auch auf der der Westler, die sich nicht erfüllt haben. Der Krieg bleibt offen. Mehrere hunderttausend Menschen haben ihr Leben gelassen. Es wird praktisch an der Front gemordet, die Zustände sind wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Jeden Tag sterben Hunderte und Tausende, und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir müssten daran arbeiten, dass die Dinge so schnell wie möglich ein Ende finden. In diesem Umfeld muss Ungarn also eine friedensfreundliche Politik betreiben. Unsere Position ist klar: Wir liefern keine Waffen. Wir können die Brüsseler nicht daran hindern, kriegsbefürwortend zu sein, weil sie den Ausgang des Krieges anders sehen als wir – und dazu kann ich gerne etwas sagen, wenn dies Sie interessiert – und sie liefern Waffen und wollen auch weiterhin Waffen in die Ukraine liefern. Wir liefern keine Waffen und wir geben auch kein Geld für Waffen. Es ist sehr wichtig, dass, wenn wir darüber sprechen, dass die Ukraine jetzt 50 Milliarden Euro erhält, dies nicht für Waffen vorgesehen ist. Das ist eine andere Debatte. Auch die ist im Gange. Das ist ein weiterer Finanzfonds, der im Orwellschen Sprachgebrauch als Friedensfazilität bezeichnet wird und in den man das Geld steckt, um Waffen in die Ukraine zu schicken. Das tun wir nicht. Es gibt eine Diskussion über die Aufstockung dieses Fonds, aber sie hat gestern nicht stattgefunden und wird in den nächsten Tagen auf der Ebene der Außenminister abgeschlossen werden. Auch hier ist unsere Position klar: Wir geben kein Geld für den Kauf von Waffen und für die Lieferung von Waffen an die Ukraine, denn wir stehen auf der Seite des Friedens. Die 50 Milliarden Euro, über die wir sprechen, sind nicht für Waffen bestimmt. Es handelt sich also nicht um die finanzielle Grundlage für eine Waffensubvention, sondern um die Verhinderung des Zusammenbruchs des bankrotten ukrainischen Staates. Denn die Ukraine, die ukrainische Wirtschaft, ist im Wesentlichen zusammengebrochen. Sie hängt an einem Beatmungsgerät. Wenn die Amerikaner und wir Europäer kein Geld schicken, müssen sie den Laden dicht machen. Das bedeutet: keine Rente, kein Gehalt, kein Krankenhaus, kein gar nichts. In der Praxis zahlt die Europäische Union jetzt die Kosten für den Betrieb des ukrainischen Staates. Darum ging es in der Debatte, nämlich um die Frage, was zu tun ist. Und zweifellos hätte Ungarn gewollt, dass wir Geld schicken, um des Friedens willen, und so weiter. Aber das war nicht möglich, weil der Westen immer noch glaubt, dass die Zeit auf ihrer, auf unserer Seite sei. Je länger also der Krieg andauert, desto mehr werde sich die militärische Lage in der Ukraine verbessern. Und ich glaube, dass das Gegenteil dessen der Fall ist. Ich denke, die Zeit ist auf der Seite der Russen, und je länger der Krieg andauert, desto mehr Menschen werden sterben, und das Kräfteverhältnis wird sich nicht zugunsten der Ukraine ändern. Warum also setzen wir den Krieg fort? Aber da es die Entscheidung der Ukrainer ist, weil es ihr Land, ihre Heimat ist, dass sie in den Krieg ziehen wollen, haben wir die Verantwortung zu entscheiden, ob wir die Ukrainer mit Waffen in einer Kriegssituation mit so schlechten Aussichten unterstützen. Unsere Antwort ist nein, wir schicken keine Waffen, also braucht Ungarn auch weiterhin keine Waffen in die Ukraine zu schicken. Es bestand jedoch die Gefahr, dass, wenn wir keine Einigung erzielt hätten, über das für das Funktionieren des ukrainischen Staates benötigte Geld in der Runde der 26 dahingehend entschieden werden würde, dass sie das Geld, das uns zusteht, nehmen und es an die Ukraine schicken werden. Ich musste also so verhandeln, dass das um jeden Preis verhindert wird. Und der Grund, warum die letzte Nacht oder die gestrige Verhandlung oder die vorbereitende Verhandlung in der Nacht für mich ein Erfolg war, ist, dass es möglich war, mit den großen Akteuren zu vereinbaren, dass dies nicht passieren wird, und dass Ungarn sich dann auch daran beteiligen wird, das Geld zu schicken, das für das Funktionieren des ukrainischen Staates benötigt wird, aber wir werden keine Waffen schicken, und das Geld, das uns zusteht, wird weiterhin an Ungarn gehen. Unser Geld wird nicht an die Ukraine gehen. So kann ich die Verhandlungen zusammenfassen. Es war nicht einfach, auch die Themen waren schwierig, und auch die Meinungen waren sehr geteilt, aber das Schwierigste war, dass in Brüssel Bauerndemonstrationen stattfanden, und da, wo ich schlief, waren etwa 200 Traktoren vor meinem Fenster stationiert, und sie hupten und spielten Rindergebrüll vom Kassettenrekorder, so dass ich alle zehn Minuten aufwachte und zu den Verhandlungen ging, ohne eine Nacht verbracht zu haben. Ich sagte dem deutschen Bundeskanzler, dass ich mich in der gleichen Situation befand wie die ungarische Fußballmannschaft 1954, als sie – soweit wir wissen, auf ihre Veranlassung hin – in der Nacht vor dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft ein Straßenfest vor dem ungarischen Hotel in Bern veranstaltet wurde und wir das Endspiel verloren. Das war kein gutes Omen.

Wir werden gleich noch über die Demonstrationen der Landwirte sprechen, denn Sie waren ja unter den Landwirten in Brüssel, aber lassen Sie uns noch über die Garantien sprechen, die mit dem gestrigen Abkommen verbunden sind. Sie sagten ja, dass es gelang, zwei Garantien zu erhalten. Erstens, dass die Gelder für die Ukraine von Zeit zu Zeit überprüft werden, und zweitens, dass die Gelder der Ungarn nicht an die Ukrainer weitergegeben werden. Wie stark sind die Garantien in dieser Hinsicht?

Sie sind ziemlich stark. Wir haben bereits im Dezember erkämpft, dass das uns zustehende Geld nach Ungarn kommt. Jetzt haben wir erkämpft, dass dies nicht aufhört und das Geld nicht an die Ukraine überwiesen wird. Und dafür habe ich klare Garantien erhalten. Ich wäre sehr überrascht, wenn diese Vereinbarung nicht zustande käme.

Sie haben ja erwähnt, dass der Ausgang des Krieges in Brüssel anders gesehen wird als in Ungarn und in der ungarischen Regierung.

Genauer gesagt, Verzeihung, ein Teil Ungarns, denn es gibt auch in Ungarn Kriegsbefürworter. Die ungarische Linke ist also kriegsbefürwortend. Vor zwei Jahren haben sie bereits gesagt, dass wir Waffen in die Ukraine schicken sollten, dass wir die ukrainischen Militäraktionen unterstützen sollten, und vielleicht hätten sie den Ukrainern sogar das Geld der Ungarn gegeben. Die Linke will sich also in Brüssel immer darauf einigen, wie Ungarn an militärischen Aktionen teilnehmen kann und wie es immer näher an eine Kriegssituation herankommen soll. Ich komme in Brüssel immer nur darüber überein, wie dies nicht passieren soll.

Ja, aber dass die beiden Seiten unterschiedlich denken, zeigt sich auch daran, dass zum Beispiel die deutsche Regierung zu Beginn des Krieges als erste fünftausend Helme angeboten hat. Das primäre Ziel war es, Putin zu stoppen, zum Beispiel durch Sanktionspolitik. Und im Vergleich dazu sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, an dem zum Beispiel die EU Waffen schickt, an dem sie ein spezielles Unterstützungsbudget dafür hat, an dem die Mitgliedstaaten sogar über die Entsendung von Flugzeugen nachdenken. Wie sind wir also in knapp zwei Jahren von den fünftausend Helmen zu den F-16 gekommen?

Das ist die Millionen-Dollar-Frage, und wenn ich Historiker wäre, würde ich dies als Thema meiner wissenschaftlichen Dissertation wählen, um dies aufzudecken. Niemand weiß das heute mit Sicherheit. Ich kann Ihnen nur sagen, was das Auge des teilnehmenden Beobachters festgehalten hat, denn ich habe seit Kriegsbeginn in Brüssel verhandelt. Es gibt einen natürlichen psychologischen Prozess. Du fängst an, etwas in geringem Maße zu unterstützen. Nach einer Weile identifizierst du dich mit der Person, die du unterstützest. Und deshalb habe ich plötzlich bemerkt, dass sie angefangen haben, über den Krieg als unseren Krieg zu sprechen, plötzlich haben sie angefangen, über die Ukrainer zu sprechen, die für uns kämpfen – was ich für ein völliges Missverständnis halte –, dass, wenn die Ukrainer die Russen nicht aufhalten, sie in Berlin einmarschieren werden. Wenn man die deutsche Presse liest, herrscht Weltkriegsstimmung, wo es doch offensichtlich ist, dass die Russen im Moment nicht einmal die Ukraine besiegen können, wie könnten sie es da mit der ganzen NATO aufnehmen? Wer ist also der Idiot – entschuldigen Sie die Formulierung – der unter diesen Umständen, unter denen er nicht mit einem Kleinen fertig wird, auf den Größten in der Straße, die NATO, losgeht? Die Argumente sind also absurd, aber man will sich mit dem, was man tut, irgendwie identifizieren. Es ist schwer für die Menschen zu erkennen, dass sie etwas angefangen haben, dies nicht die richtige Entscheidung ist und das geändert werden muss. Wir sind alle Menschen, das ist nicht einfach. Dies ist, sagen wir mal, die gutwillige Erklärung. Und dann habe ich auch gesehen, dass die Stimme der pro-amerikanischen Regierungen – Länder innerhalb der Europäischen Union haben unterschiedlich starke Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, und diejenigen, die stärkere Beziehungen haben, deren Stimmen – wurden immer lauter. Daraus schließe ich, dass der Druck der Vereinigten Staaten auf die Länder zunimmt, in denen Amerika in der Lage ist, diesen Druck auszuüben. Es gibt hier also eine Vermischung von europäischen und amerikanischen Gesichtspunkten, und ich habe oft das Gefühl, dass in Brüssel mit der einen oder der anderen Entscheidung nicht europäische, sondern amerikanische Interessen verfolgt werden. Wie dem auch sei – die Historiker werden es herausfinden –, eines ist sicher: Es wird dann Frieden geben, wenn es in Brüssel einen Wechsel gibt.

Sie haben ja die Druckausübung bereits erwähnt, und auch auf Ungarn wurde im Vorfeld des Gipfels ernsthafter Druck ausgeübt. In der Financial Times stand zum Beispiel ein Artikel darüber, wie wirtschaftlicher und finanzieller Druck auf Ungarn ausgeübt werden kann, wenn es sich weiterhin weigert, die Hilfe für die Ukraine zu unterstützen. Sie haben diesen Artikel als ein Handbuch für Erpresser bezeichnet. Geht es bei diesem Konflikt oder dieser Erpressung zwischen Budapest und Brüssel nur um die Ukraine, oder gibt es auch noch einen tieferen Inhalt?

Das ist also eine lange Liebesgeschichte, oder vielleicht ein Roman einer Ehe. Es gibt darin ein bisschen hiervon und ein bisschen davon. Im Moment geht es gerade um die Ukraine. Wenn wir über Migration sprechen, sprechen wir natürlich nicht über die Ukraine, sondern über die Tatsache, dass wir nicht das Schicksal teilen wollen, das die Westeuropäer bereits erleiden, nämlich dass massenweise illegale Einwanderer kommen und das Leben der Einheimischen, der einheimischen Europäer, verändern. Das wollen wir nicht. Wir führen auch diese Debatte. Wir haben eine Debatte über Gender. Sie schicken diese Sex-Aktivisten mit verdächtigen Identitäten in die Schulen, um den Kindern Sexualkundeunterricht zu geben. Da stellen sich mir die Haare im Nacken auf. Die Ungarn wollen das auf keinen Fall, und es gibt eine riesige Debatte darüber, weil sie meinen, es sei eine Frage der Menschenrechte, und wir meinen, es sei eine Frage des Kinderschutzes. Wir haben also eine Reihe von Debatten mit Brüssel. Zum Beispiel wollen sie die Senkung der Nebenkosten aufheben, wir sollen das Subventionssystem ändern. Strom und Gas sind ja in Ungarn am billigsten in Europa. Wir zahlen dafür, die Ungarn zahlen am wenigsten. Das gefällt ihnen nicht, und das sollte geändert werden – natürlich zum Nutzen der Unternehmen und des Marktes. Auch das Einfrieren der Zinssätze, das die Gewinne der Banken schmälert, wollen sie ändern. Es gibt also eine Reihe von Debatten. Die nationale Konsultation hat diese Debatten sehr schön zusammengefasst, und wir haben die Menschen gebeten, ihre bisherige Position zu ändern oder zu bestätigen. Sie haben uns bestätigt, dass sie nichts davon wollen. Aber das sind nicht die Debatten, die wir jetzt führen, also ist das, was wir sehen, rein das Ergebnis der Debatte um die Ukraine. Und Tatsache ist, dass es, wie in allen solchen Auseinandersetzungen, Instrumente in den Händen der Brüsseler gibt und gab, und natürlich gibt es auch Instrumente in unseren Händen. Es stimmt, dass sie 26 sind wir sind allein, und das Ausmaß der Instrumente ist unterschiedlich, aber es ist klar, dass, wenn es keine Einigung gibt, sie uns natürlich Schaden zufügen können, aber der Schaden, den wir ihnen zufügen, wird auch nicht angenehm sein. Das ist etwas, was jeder vermeiden möchte, denn wir sind nicht auf der Erde, um uns gegenseitig das Leben zu erschweren, sondern um uns gegenseitig das Leben zu erleichtern, und das gilt nicht nur im Alltag, sondern auch in der Politik. Es ist also besser, sich zu einigen als zu streiten. Und deshalb suchen wir nach den Punkten, bis zu dem jeder gehen kann. Ich bin bis an die Wand gegangen. Was ich also sagen kann, ist, dass, wenn diese Einigung nicht zustande kommt und Ungarn weiterhin sein Veto einlegt, wir eine Situation hätten, in der sie in der Runde der 26 unter sich eine Einigung erzielt hätten, sie würden das Geld an die Ukraine schicken, das kann ich nicht verhindern, und sie würden sogar das Geld, das den Ungarn zusteht, nehmen und es wegschicken. Warum wäre das gut gewesen? Gleichzeitig ist aber auch klar, dass, wenn sie das hätten tun müssen, das nur mit großen Konflikten zu machen gewesen wäre. Das wollten alle vermeiden. Und am Ende haben wir eine Lösung gefunden, eine Vereinbarung, eine gute Vereinbarung: Wir werden keine Waffen schicken, wir werden unser Geld aus Brüssel bekommen, und wir werden im Übrigen zum Erhalt der Ukraine beitragen, zum zivilen Erhalt der Ukraine.

Sie haben die Bauerndemonstrationen in Brüssel erwähnt, und in der Tat, wenn man sich die Bilder anschaut, kann man sehen, dass die belgischen Bauern sehr hart waren, sogar in Bezug auf das Gebäude des Europäischen Parlaments, aber wir haben Ähnliches in Frankreich, Deutschland und unzähligen anderen Ländern gesehen. Am Mittwochabend waren Sie bei der Demonstration in Brüssel und haben mit den Landwirten gesprochen. Was ist Ihre Erfahrung, wie nahe oder wie weit liegen die Ansichten der westlichen Eliten und Gesellschaften auseinander?

Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich es nicht vermeiden können, die Bauern zu treffen, denn sie blockierten den Eingang zum Hotel. Sie sind nicht wegen uns dorthin gekommen, aber es gibt dort einen kleinen Platz und sie haben alle Plätze eingenommen, auch diesen. Also bin ich sofort ihnen begegnet. Das war mir nicht zuwider, ich bin ja ein Dorfkind, ich verstehe, wovon die Bauern reden. Ich weiß auch die Welt der Traktoren zu schätzen, ich habe als Kind genug davon gehabt. Es war also interessant zu sehen… Ich habe hauptsächlich Spanier getroffen. Es gab auch Belgier, aber auch spanische Landwirte. Es war ein interessantes Gespräch, das mich an meine Kindheit erinnerte. Sie haben die gleichen Beschwerden wie die ungarischen Bauern. Ihr Problem ist also, dass Brüssel Vorschriften erlässt, die die Produktion für sie immer teurer machen. Das ist auch in Ungarn der Fall. Bestimmte Materialien dürfen nicht verwendet werden, es werden Tierschutzmaßnahmen eingeführt, die allesamt Geld kosten, so dass Vorschriften erlassen werden, die die Produktionskosten auf Seiten der Landwirte in die Höhe treiben. Das gibt es, auch das ist nicht gut. Aber gleichzeitig, sagen die Landwirte – und da liegt ihre Wahrheit – lässt man zu, dass landwirtschaftliche Produkte aus Ländern nach Europa importiert werden, in denen nicht die gleichen Standards gelten, so dass es dort billiger ist, zu produzieren. Und der spanische und der ungarische Landwirt sagen: Wie können wir konkurrieren, wenn ihr uns enorme Kosten auferlegt und gleichzeitig diejenigen hereinlasst, die billiger produzieren? Nun, ihr ruiniert uns doch! Und das ist so, genau das passiert jetzt. Daraus ergab sich eine große Debatte. Abgesehen von der ukrainischen Frage gab es also auf dem Gipfel der Ministerpräsidenten eine große Debatte darüber, und viele von ihnen waren sehr verärgert und forderten die Kommission auf, damit aufzuhören. Das ist unmöglich! Die Regeln müssen geändert werden! Wenn ich das jetzt ins Ungarische übersetze, bedeutet das, dass ukrainische Agrarprodukte nicht auf dem europäischen Markt zugelassen werden sollten, so wie es jetzt der Fall ist. Aber es ist am besten, es überhaupt nicht zuzulassen. Im Moment lassen sie Hühnerfleisch zu. Die Produktionskosten für ein Kilo Hühnerfleisch in Europa und in der Ukraine sind also völlig unterschiedlich. Und das ist nicht fair! Deshalb sind die Landwirte dort, und sie sagen, dass sie seit Jahren darauf hinweisen, dass die Vorschriften, die erlassen werden, für sie immer schlimmer werden und ihnen das Leben immer schwerer machen, und niemand hört ihnen zu, es wird nicht auf sie eingegangen, es wird nicht in ihrem Interesse vorgegangen. Sie haben also das Gefühl, dass zwischen ihnen und den Entscheidungsträgern in Brüssel Himmel und Erde liegen. Und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich Gehör zu verschaffen, auf den Plätzen zu stehen, zu hupen und mit der Polizei aneinander zu geraten – wenn ich die Bilder aus dem inneren Brüssel gesehen habe –, um ihren Anliegen eine Stimme zu geben. Ich wurde gebeten, zu blockieren. Damit die Polen, die Slowaken und die Ungarn die ukrainischen Transporte an den Grenzen Europas stoppen und sie nicht hereinlassen. Wenn die Leute in Brüssel schon nicht so schlau sind, dann sollten wenigstens unsere Bauern aufstehen und es physisch unmöglich machen.

Ist es auch in anderen Fragen typisch, dass die Brüsseler Elite nicht auf die Menschen hört? Sie haben ja die nationale Konsultation erwähnt. In Ungarn wurden die Ungarn zu 11 Fragen befragt, und 98-99% der Befragten stimmten für den Standpunkt der Regierung. Wie ist die Situation in Westeuropa in dieser Hinsicht?

Es ist zweifellos richtig, dass nicht zu Unrecht das Gefühl entsteht, Brüssel vertrete oft die Interessen eines anderen und nicht die Interessen der europäischen Bevölkerung. Genau wie im ungarischen Parlament, übrigens. So ist es auch hier, zum Beispiel bei der ukrainischen Waffenfrage, dass die ungarische Linke aus dem Ausland finanziert wird, und das ist sonnenklar, und die, die ihnen das Geld geben, sind alle für den Krieg. Und sie geben das Geld, um ganz Ungarn über die Linke in den Krieg zu verwickeln. Es ist also klar, dass die Linke in Ungarn nicht die Interessen des ungarischen Volkes vertritt, weil sie dazu nicht in der Lage ist, denn wer das Geld gibt, bestellt die Musik. Jetzt ist das auch in Brüssel oft der Fall, wo klar ist, was die Interessen der Menschen wären, aber sie vertreten die Interessen der anderen Seite. Es gab einen sehr interessanten Fall, als die Amerikaner Strafmaßnahmen gegen die europäische Autoindustrie mit der Begründung amerikanischer nationaler Sicherheitsinteressen einführten. Es hat einen schönen Namen: das amerikanische Anti-Inflationsgesetz, aber eigentlich ist es ein Gesetz gegen die europäische Industrie. Und wir haben darüber diskutiert, wie wir reagieren sollten. Und es gab einige von uns, die auf der Seite der europäischen Interessen standen, die sagten, lasst uns sofort die gleichen Maßnahmen einführen, Marktschutzmaßnahmen. Das nennt man Spiegelmaßnahmen. Lasst sie uns einführen, und dann lasst uns mit den Verhandlungen beginnen. Aber wir sind in der Minderheit geblieben, weil die Mehrheit gesagt hat, nein, lasst uns erst versuchen, mit ihnen zu verhandeln und dann werden wir sehen. Seitdem heißt es: „Wir werden sehen…”

Wohin führt diese Meinungsverschiedenheit zwischen den Eliten und den Menschen in Westeuropa auf lange Sicht oder sogar kurzfristig?

Im Juni finden Wahlen statt, was im westlichen Sprachgebrauch als Demokratiedefizit bezeichnet wird, und wenn die Demokratie, die Distanz zwischen den Wählern und den gewählten Führern, zu groß ist, dann wird es zu politischen Veränderungen kommen. Mit anderen Worten: Die Führer werden weggeschickt. Wahlen sind deshalb also riskant. Wenn man die Interessen der Wähler nicht gut bedient, kann man durchaus verdrängt und manchmal sogar weggeschickt werden. Ich denke, dass dies geschehen wird, es könnte sehr leicht im Juni bei den Wahlen zum Europäischen Parlament geschehen. Die Ungarn werden auch die Gelegenheit haben, da wir auch an dieser Wahl teilnehmen, eine Rolle bei diesem Wegschicken zu spielen.

Lassen Sie uns über einen weiteren Aspekt der Situation in der Ukraine sprechen, nämlich die ungarisch-ukrainischen Beziehungen. Anfang dieser Woche hat Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó seinen ukrainischen Amtskollegen und den Leiter des Präsidialamtes in Ungvár getroffen. Und nach dem Treffen sagte der Leiter des ukrainischen Außenministeriums, dass seiner Meinung nach weder Sie noch Péter Szijjártó pro-russisch, sondern pro-ungarisch sind. Wie bewerten Sie dieses Treffen insgesamt?

Ihre Meinung interessiert mich in dieser Hinsicht nicht, denn Ungarn kann nicht so weit sinken, dass uns jemand anderes sagt, wie der ungarische Ministerpräsident und Außenminister sind. Wenn sie das tun – und das ist hier geschehen –, dann werden wir das ignorieren. Das gibt es nicht! Wir sind ein souveränes Land. Wir brauchen nicht das ukrainische Gütesiegel, um es so zu formulieren, dass sie sagen, was wir sind. Na, da sähen wir gut aus! Über einen tausendjährigen ungarischen Staat werden mir hier nicht die benachbarten Slawen sagen, wer wir sind. Wir werden das dann entscheiden! Also haben wir das deshalb ignoriert. Vielleicht meinten sie es als freundliche Geste, aber so etwas kann man einem Land mit Selbstachtung nicht sagen, und wenn doch, darf man sich nicht wundern, wenn wir es überhören. Ungarn ist natürlich ein ungarisches Land. Die ungarische Regierung vertritt die Interessen des ungarischen Volkes und verfolgt eine Außenpolitik gegenüber der Ukraine, gegenüber Russland, auch gegenüber Amerika und gegenüber Brüssel, wie es sich für einen souveränen Staat gehört. Das ist es, was wir tun. Die Tatsache, dass uns dieses oder jenes vorgeworfen wird, berührt uns nicht im Geringsten. Aber ich habe Péter, weil ich wusste, dass so etwas passieren würde, ich meine unseren Außenminister, gebeten, nicht beleidigt zu sein und nicht so zu reagieren, wie ich hier gerade gesprochen habe, sondern höflich zu sein und zu sagen, dass wir hoffen, dass wir in Zukunft besser zusammenarbeiten können, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Zwischen den beiden Ländern besteht in vielen Fragen eine sehr große Kluft. Wir wollen uns nicht in den Krieg einmischen, denn wenn die Ukraine beschließt, alles auf sich zu nehmen, was mit dem Krieg zusammenhängt, hat sie das Recht dazu, denn sie ist ein souveräner Staat, und sie kann natürlich nicht verlangen, und schon gar nicht moralisch, dass wir verpflichtet sind, ihren Kampf zu unterstützen. Wir helfen ihnen übrigens; wir helfen ihnen nicht im Krieg, sondern im Frieden. Wir haben die größte humanitäre Operation durchgeführt, wir haben die Einreise und den Aufenthalt oder den Transit von mehr als einer Million Menschen in Ungarn sichergestellt. Es gibt Tausende ukrainischer Kinder in der Schule, mehr als tausend ungarische Schulen und Kindergärten mit ukrainischen Kindern, und wir unterrichten sie kostenlos. Also bitte weniger vorwurfsvoll, oder mehr Respekt für die Ungarn! Das ist also unser Standpunkt. Eine andere Sache ist, dass es in Transkarpatien, in der heutigen Ukraine, 150.000 einheimische Ungarn gibt, die entrechtet sind. Sie leben in einer Entrechtung, einer regelrechten Entrechtung, die an die alten kommunistischen Zeiten erinnert. Ihnen wird der volle Gebrauch ihrer Sprache verwehrt, sie werden benachteiligt, weil sie Ungarn sind. Und das war nicht immer so, denn bis 2015 gab es zum Beispiel keine Entrechtung der Ungarn. Die Ukrainer haben den Ungarn also nicht ihre Rechte genommen, sie haben sie nicht in Frage gestellt. Dann haben sie sie 2015 weggenommen. Und jetzt versprechen sie, sie dann wiederherzustellen. Aber der Ungar sagt hierauf, dass ich es glaube, wenn ich es sehe. Das ist der Stand der Dinge.

Und gibt es nach dem Gipfel am Montag eventuell irgendeine Chance, dass sich dies klärt? Sei es die Frage der Minderheiten oder der Beziehungen zwischen den beiden Ländern?

So wie Sie sich ausdrücken, lautet die genaue Formulierung: Es gibt mehr Chancen, aber sie müssen erfüllt werden, wir werden sehen. Wenn es Gespräche, Verhandlungen, Kontakte gibt, geben sie immer eine Chance, die Dinge zu verbessern. Wenn es keine Verhandlungen gibt, werden die Dinge im Allgemeinen eher noch schlimmer. Deshalb denke ich, und nicht nur ich, sondern auch die ungarische Regierung und Ungarn im Allgemeinen, dass es im Interesse der Ukrainer und der Ungarn ist, über die Probleme zu sprechen.

In der letzten halben Stunde habe ich Ministerpräsident Viktor Orbán auch zum gestrigen EU-Gipfel, den Bauernprotesten und den ungarisch-ukrainischen Beziehungen befragt.

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