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Viktor Orbáns Erklärung nach seinem Gespräch mit Ilham Älijew, dem Präsidenten Aserbaidschans
- Speeches
- Source: Kabinettsbüro des Premierministers
Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident Älijew! Liebe Freunde aus Aserbaidschan!
Wenn sich die Führung Aserbaidschans mit der Führung Ungarns trifft, ist das immer ein prominenter Anlass. Der Herr Präsident und ich arbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt daran, dass die Tiefe und die Breite der Beziehungen der beiden Länder ihnen würdig seien. Doch jetzt kam es hier nicht einfach nur zu einem freundschaftlichen Treffen, sondern zu einer Unterredung, in der es um strategische Fragen ging. Das Ergebnis dessen ist, dass wir unsere bisherige strategische Zusammenarbeit eine Stufe höher gehoben haben, in den Status der besonderen strategischen Kooperation. Wir haben dies getan, da beide Länder es deutlich sehen, dass nicht nur Europa, sondern auch jene Regionen der Welt, die in Verbindung mit Europa sind, das Zeitalter der Gefahren betreten haben. Unser jetziges Treffen unterscheidet von den früheren, dass das Umfeld, in dem es zustande kam, das System der internationalen Beziehungen, welches uns umgibt, viel gefährlicher ist als jemals zuvor. Und der in der Nachbarschaft Ungarns tobende Krieg und die darauf als Antwort verhängten Brüsseler Sanktionen haben eine eigentümliche Gefahrensituation für Ungarn entstehen lassen, diese ist die Verletzlichkeit der Sicherheit der europäischen Energieversorgung. Dieser Umstand hat Aserbaidschan in Raketengeschwindigkeit aufgewertet. Aserbaidschan war auch schon bisher unser Freund, doch jetzt ist es für ganz Europa zu einem strategisch wichtigen Land geworden. Dies ist aus dem Grund so, da ein jeder in Europa weiß, dass die einzige hoffnungsvolle Antwort auf die Situation, in der wir jetzt leben, die Diversifizierung ist: Aus möglichst vielen Quellen muss auf möglichst vielen Routen Energie nach Europa transportiert werden. Wir haben jetzt mit dem Herrn Präsidenten unsere Erfahrungen von vor zehn und einigen Jahren wieder in Erinnerung gerufen, als bereits beide Länder die Ansicht vertraten, es solle Energie aus Aserbaidschan nach Europa kommen. Damals nannte man den Plan, der nicht verwirklicht wurde, Nabucco-Plan. Ich hoffe, eines Tages werden die Historiker Zeit haben, um zu erforschen, warum genau der Gedanke eines Energie aus südlicher Richtung nach Europa transportierenden Korridors noch lange vor dem russisch-ukrainischen Krieg nicht umgesetzt wurde. In dieser derzeitigen Situation ist es offensichtlich, dass es das realistischste Drehbuch der Diversifikation ist, wenn wir in Aserbaidschan hergestellte Energie nach Europa hereintransportieren. Deshalb begrüßen wir es und schätzen es hoch, dass sich Aserbaidschan für die Verbesserung der europäischen Energiesicherheit engagiert und eine Vereinbarung mit der Europäischen Union unterzeichnet hat, laut dem sie bis 2027 die Menge des aus Aserbaidschan nach Europa kommenden Gases verdoppeln werden und wir haben auch eine andere Vereinbarung unterschrieben, laut dem dann auch elektrischer Strom aus Aserbaidschan nach Europa transportiert wird. Wenn Sie einen Blick auf die Landkarte werfen, dann können Sie sehen, dass sowohl das Erdgas als auch die Elektroenergie, die aus Aserbaidschan kommt, durch Ungarn geleitet werden muss, deshalb wird Ungarn auch der Gewinner dieser neuen Lage sein. Natürlich erlebt in erster Linie Aserbaidschan eine Aufwertung, aber als Transportroute nimmt auch das Gewicht Ungarns zu. Und wir freuen uns, dass Ungarn nicht das Problem ist, sondern vom Gesichtspunkt der europäischen Energieversorgung zu einem Teil der Lösung wird. Wir wissen auch, dass selbstverständlich große infrastrukturelle Entwicklungen notwendig sind, hier sprechen wir über riesige Summen und Investitionen. Wir haben auch die Kooperation zwischen den das bulgarische, das rumänische, das ungarische und das slowakische Energiesystem betreibenden Firmen begonnen, damit wir zu den hierzu nötigen riesigen Investitionen die entsprechenden finanziellen Bedingungen herstellen. Es ist vollkommen klar, dass ab jetzt die Kooperation der Bulgaren, der Rumänen, der Ungarn oder der Slowaken in der Angelegenheit der Energie keine regionale Frage darstellt, sondern eine gesamteuropäische Frage, denn wir können ganz Europa über diese Länder versorgen, deshalb erwarten wir, dass die Kommission dann diese Projekte dementsprechend unterstützen wird. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass ich auch in Bukarest gemeinsam mit dem Herrn Präsidenten unlängst eine Vereinbarung unterzeichnet habe, in der es um den Ausbau der längsten Unterwasserstromleitung der Welt geht, über diese werden wir die in Aserbaidschan produzierte grüne Energie im Rahmen einer aserbaidschanisch-georgisch-rumänisch-ungarischen Kooperation auf den europäischen Kontinent hereintransportieren. Das sind jene neuen Umstände, die es begründeten, dass sich die Leitung der beiden Länder erneut getroffen hat.
Ich bin dem Herrn Präsidenten dankbar, dass er uns mit seinem Besuch beehrt hat. Dieser Tage nehmen natürlich die Freunde zu, wenn man über viel elektrischen Strom und Erdgas verfügt, doch unsere Freundschaft ist älteren Datums. Wir beide sind nicht Energiefreunde, sondern Bewahrer und Gestalter der Freundschaft des aserbaidschanischen Volkes und des ungarischen Volkes. Ich bin dem Herrn Präsidenten dankbar, dass ich mit ihm in den vergangenen Jahren zusammenarbeiten durfte, und ich hoffe, dies wird sich auch in der Zukunft fortsetzen.