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Rede von Viktor Orbán vor der Tagesordnung

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrtes Parlament!

Wir haben einen arbeitsreichen Tag vor uns. Heute werden wir den Rücktritt der Frau Staatspräsidentin annehmen, einen neuen Präsidenten der Republik wählen und auch den Beitritt Schwedens zur NATO genehmigen.

Sehr geehrte Mitabgeordnete!

Ich möchte der scheidenden Präsidentin für ihre Arbeit danken. Der Grund für den Rücktritt der Präsidentin war eine Gnadenentscheidung, bei der es nur eine Möglichkeit gab, nämlich sie abzulehnen. Das war nicht der Fall, und deshalb war der Rücktritt richtig. In Ungarn gibt es null Toleranz, wenn es um den Schutz von Kindern geht. Kinder genießen absoluten, uneingeschränkten Schutz. Der Täter muss bestraft und die Strafe muss verbüßt werden. Es gibt keine Schlupflöcher, keine Vergünstigungen, keine Bewährung, keine Gnade. Wer sich als Erziehender nicht auf die Seite des Kindes stellt, hat keine Entschuldigung und kann in Ungarn keine Gnade erwarten. Es scheint, dass menschliches Urteilsvermögen hier nicht ausreicht, und deshalb muss das Gesetz auch garantieren, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Es ist daher wichtig, die geltenden Vorschriften zu überprüfen, einschließlich der in der Verfassung vorgesehenen Garantien. Neben der Frage der Begnadigung muss auch sichergestellt werden, dass kein wegen pädophiler Straftaten verurteilter Straftäter auf Bewährung entlassen werden kann – aus welchen Gründen auch immer. In Ungarn ist dieses Tor nicht verschlossen. Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen, damit anzufangen. Und ich bitte die Gerichte höflichst, ihre Entscheidungen in den anhängigen Fällen in diesem Sinne zu treffen. Die Verbrechen, die im Kinderheim Bicske begangen wurden, geben Anlass zu ernster Besorgnis, unabhängig vom Gnadenverfahren. Warum ist es erst im zweiten Anlauf gelungen, einen pädophilen Kinderheimleiter zu verurteilen? Das muss man herausfinden! Ich habe deshalb eine Untersuchung angeordnet, die sich auf alle Leiter von Kinderschutzeinrichtungen beziehen wird. Wir überprüfen alle, denn die Eignungskriterien für den Leiter einer Kinderschutzeinrichtung müssen alles abdecken, von der Lebensführung über die sexuelle Abweichung bis zur psychologischen Eignung. Verbrechen gegen Kinder sind für uns alle erschütternd und wecken starke Emotionen, weil wir alle sofort an unsere eigenen Kinder denken. Wir erwarten daher zu Recht, dass die Behörden möglichst umfassende und gründliche Ermittlungen durchführen.

Verehrte Mitabgeordnete!

Heute können wir am selben Tag über den Rücktritt der Staatspräsidentin und die Wahl eines neuen Präsidenten entscheiden. Ungarn ist ein starkes und stabiles Land, und ein Präsidentenwechsel muss so vollzogen werden, dass es nicht einmal zu einer vorübergehenden Unterbrechung des Lebens im Lande kommt. Dafür hat uns das Volk schließlich gewählt. Wir können dieser Pflicht nachkommen, indem wir unverzüglich einen neuen Präsidenten wählen. Ich danke den Fraktionen von Fidesz und KDNP dafür, dass sie in diesem Sinne gehandelt und wieder einmal gezeigt haben, dass sie das Vertrauen der Wähler verdienen. Tamás Sulyok ist der Präsident des Verfassungsgerichts. Er ist ein Mann mit großer Erfahrung, respektablem Wissen und unbestrittener Autorität. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu den wichtigsten Fragen haben in den letzten Jahren einen klaren Weg aufgezeigt, und diese Entscheidungen haben auch die Zustimmung der Juristen und der Bevölkerung gefunden. Ich glaube, dass Ungarn jetzt einen solchen Präsidenten braucht. Ich möchte dem Präsidenten des Verfassungsgerichts dafür danken, dass er diese Aufforderung angenommen hat, und ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen, ihn zu unterstützen.

Verehrtes Parlament!

Die Regierung Ungarns hat den Mitgliedern des Parlaments den Beitritt Schwedens zur NATO vorgelegt. Wir unterstützen den Beitritt. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Wir schließen uns zusammen, um uns im Falle eines Angriffs von außen gegenseitig zu verteidigen. Es gibt keine ernsthaftere Verpflichtung. Deshalb ist es wichtig, dass wir, bevor wir ein neues Mitglied in dieses Bündnis aufnehmen, zunächst unsere Differenzen beilegen. Wir haben eine lange und umstrittene Beziehung zu den skandinavischen Ländern. Es hat mehrere Versuche gegeben, sich von außen in die Beilegung unserer Streitigkeiten einzumischen. Dies hat der Sache jedoch nicht geholfen, sondern sie eher behindert. Ungarn ist ein souveränes Land und duldet es nicht, sich von anderen etwas vorschreiben zu lassen, sei es in Bezug auf den Inhalt oder den Zeitpunkt von Entscheidungen. Ungarn und Schweden sind zwei Länder mit einer langen Geschichte in Europa. Wir wissen, wie wir unsere Streitigkeiten regeln können, wir brauchen nicht die unerwünschte Vormundschaft anderer oder deren gewalttätige und sogar respektlose Einmischung. Seien Sie nicht überrascht, wenn Sie leer ausgehen. Der Besuch des schwedischen Premierministers am Freitag war ein erfolgreicher Beitrag zu fairen und respektvollen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Meinungsverschiedenheiten gibt es nach wie vor und wird es auch weiterhin geben, denn wir Schweden und Ungarn sind nicht gleich, aber wir betrachten unsere Differenzen mit Verständnis, wie es sich für ernsthafte Nationen gehört. Ich möchte das Hohe Haus darüber informieren, dass Ministerpräsident Ulf Kristersson und ich auch Abkommen geschlossen haben, die für beide Länder von Vorteil sind. Diese werden die Sicherheit beider Länder stärken. Die militärische und militärisch-industrielle Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern hat bereits bestanden, und wir haben sie unter meiner ersten Regierung begonnen, gegen den Widerstand vieler NATO-Mitglieder, weil Schweden damals noch ein neutrales Land war. Dies wurde jetzt verstärkt und ausgeweitet. Ungarns Luftverteidigungs- und Luftangriffsfähigkeiten werden durch Kampfflugzeuge aus schwedischer Produktion sichergestellt. Der bisherige Vertrag über Kampfflugzeuge wird verlängert, und wir kaufen vier neue Kampfflugzeuge. Dadurch wird die ungarische Luftwaffe in die Lage versetzt, NATO-Einsätze außerhalb des Landes mit Kampfflugzeugen aus der eigenen nationalen Flotte durchzuführen. Das Luftverteidigungssystem wird von logistischen Dienstleistungen begleitet, und wir haben diesen Vertrag auch auf die Ausbildung ausgedehnt. Wir haben weiterhin auch vereinbart, dass ein in der Sprache der NATO „Exzellenzforschungszentrum” genanntes Institut durch die Swedish Defence Industry Corporation und das Verteidigungsinnovationsforschungsinstitut eröffnet wird, das heißt die Zusammenarbeit beginnt auch im Bereich der Forschung und Entwicklung. Die schwedisch-ungarische militärische Zusammenarbeit und der Beitritt Schwedens zur NATO werden die Sicherheit Ungarns stärken, weshalb ich meine Kolleginnen und Kollegen bitte, heute für die parlamentarische Entschließung zum Beitritt Schwedens zur NATO zu stimmen.

Meine sehr geehrten Mitabgeordneten!

Wir sollten die Verteidigungskapazitäten Ungarns auch deshalb stärken, weil seit zwei Jahren ein schrecklicher Krieg in unserer Nachbarschaft tobt. Vor nunmehr zwei Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Seit zwei Jahren geschieht das Töten und die Zerstörung. Hunderttausende wurden getötet, Millionen sind aus ihrer Heimat geflohen, das Ausmaß der Verwüstung ist unfassbar. Ungarn trauert um die Opfer des Krieges und hat Mitgefühl mit den Hunderttausenden von Witwen und Waisen. Wir helfen der Ukraine bei der Versorgung der Verwundeten und Kriegsinvaliden. Wir unterstützen Millionen von Vertriebenen und Flüchtlingen mit dem größten humanitären Hilfsprogramm in der ungarischen Geschichte. Wir tragen zur Energieversorgung der Ukraine und zum Wiederaufbau des Landes bei.

Meine sehr geehrten Mitabgeordneten!

Wir Ungarn haben von Anfang an gewusst und gesagt, dass es keine militärische Lösung für diesen Konflikt gibt. Der Krieg sollte nicht vertieft und ausgeweitet werden, sondern man muss ihn beenden. Deshalb fordert Ungarn am Jahrestag des Krieges erneut einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, und fordert die Kriegsparteien auf, dasselbe zu tun, und wir fordern unsere EU- und NATO-Verbündeten, die den Krieg unterstützen, auf, dasselbe zu tun. Wir wollen nicht in der Nachbarschaft eines sich endlos hinziehenden und auch für uns gefährlichen Krieges leben. Wir sind davon überzeugt, dass der Frieden auch im Interesse der Europäer, der Ukrainer und der Russen liegt. Wir werden uns für einen Waffenstillstand und Frieden in der internationalen Politik einsetzen, denn nur ein neuer Friedensprozess kann Europa und unserer Nachbarschaft wieder Sicherheit bringen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Mitabgeordneten!

Seit der letzten Sitzung des Parlaments hat die Regierung eine Reihe von wichtigen Entscheidungen getroffen. Sie kennen diese Maßnahmen, von der Ausweitung der Unterstützung für die Schaffung von Wohneigentum bis hin zu Lohnerhöhungen und der Entwicklung der Erzeugung und Speicherung von grüner Energie. Ich möchte Sie bitten, wegen des vor uns liegenden arbeitsreichen Tages davon abzusehen, sie zu erläutern, und es wird später noch ausreichend Gelegenheit dazu geben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg für Ihre Arbeit in der kommenden Sitzungsperiode.

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