Guten Tag, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Direktoren! Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Professor András Balogh!
Es ist mir eine Freude, Sie wiederzusehen. Es weckt Erinnerungen an die gute alte Zeit.
Es ist nicht leicht, das Schlusswort auf einer Konferenz zu sprechen, an der man nicht teilgenommen hat. Vielleicht ist es das Beste, sofort Ihnen allen zum Geburtstag zu gratulieren! Aber das kann ich selbst in zwei kurzen Minuten feststellen, dass hier auch als Feier gearbeitet wird. Das ist vielleicht auch richtig, aber es ist auf alle Fälle notwendig.
Vielleicht sollte ich damit beginnen, die Frage zu beantworten, die laut des volkstümlichen ungarischen Spruches lautet: Was hat der Stiefel auf dem Tisch zu suchen? Was mache ich hier auf der Konferenz zum 50-jährigen Bestehen des Ungarischen Instituts für Auswärtige Angelegenheiten? Wenn ich diese Frage ganz einfach, im amerikanischen Stil Ihres Präsidenten, kurz und klar beantworten will, dann würde ich sagen, dass ich hier bin, weil Sie alle von nun an direkt für den Ministerpräsidenten arbeiten. Denn das Institut für Auswärtige Angelegenheiten wird in Zukunft meine Arbeit durch das Büro des Premierministers und den Politischen Direktor unterstützen, eine Position, die bisher noch niemand genau definieren konnte, was das ist. Die Arbeit des politischen Direktors ist ungefähr so konturlos wie die Welt der auswärtigen Angelegenheiten konturlos ist, so dass sie gut zusammenpassen, und aus diesem schwer fassbaren Bereich hoffe ich, dass wir in der Lage sein werden, auf einen Hintergrund zurückzugreifen, der für die Entscheidungen der Regierung von Nutzen sein wird. Ich glaube nicht, dass die derzeitige Änderung der Klassifizierung die Aufgaben verändern wird, aber sie wird sicherlich bedeuten, dass die gleichen Aufgaben anders erledigt werden müssen.
In Wirklichkeit ist die Situation, dass das Institut für Auswärtige Angelegenheiten direkt für das Büro des Ministerpräsidenten und den Ministerpräsidenten arbeitet, keine neue Situation, sondern dies ist die Wiederherstellung der alten Welt. Wenn Ungarn in seiner langen Geschichte zeitweise in der Lage war, eine souveräne und unabhängige Außenpolitik zu betreiben, dann war es immer eine Außenpolitik, die auf den Ministerpräsidenten ausgerichtet war. Die Leitlinien der außenpolitischen Strategie wurden vom Ministerpräsidenten und seinem Stab formuliert und vom Außenministerium umgesetzt. Wenn wir auf die größten von ihnen zurückblicken – Tisza, Bethlen, Teleki – und uns ansehen, wie sie arbeiteten, werden wir feststellen, dass die gegenwärtige Situation eine Rückkehr zur früheren Tradition ist. Die Rückkehr zur Tradition ist in der Regel ein vernünftiger Reflex, denn Traditionen werden, insbesondere in einem Land mit einer so langen Geschichte wie Ungarn, nicht vom Wind zusammengetragen, sondern das Wissen mehrerer Generationen wird dort angesammelt. Mit anderen Worten: Traditionen entstehen nicht zufällig. Es gibt Länder – und ich denke, Ungarn ist eines davon – , die von der Geschichte dazu verurteilt wurden, sich ehrgeizigere Ziele zu setzen, als es aus ihrer Größe oder ihrer Wirtschaftskraft folgen würde. Wir sind nicht das einzige Land dieser Art, aber es gibt nicht so sehr viele davon. Diese Länder können es sich nicht leisten, auf die Energie, die Dynamik und die Initiative zu verzichten, die in der Außenpolitik, den auswärtigen Angelegenheiten liegen. Mit anderen Worten: Die Zügel der Außenpolitik müssen in solchen Ländern fest in der Hand gehalten werden, was in unserem Verfassungssystem bedeutet, dass es gut ist, wenn der Ministerpräsident sie in der Hand hält. Das entspricht der ungarischen Politikauffassung. Das funktioniert aber nur dann gut, wenn dem Ministerpräsidenten ein entscheidungsvorbereitendes Team zur Seite steht, am besten ein großes, breites und qualitativ hochwertiges Team, das beim Denken unterstützt. In diesem Bereich gilt in besonderem Maße das, was ich im Alter von 35 Jahren als Schlachtruf für meine Arbeit als Ministerpräsident gewählt habe, wenn auch auf viel poetischere Weise als heute, der in etwa so lautet, und diesem Kompass folge ich seither: Allein kannst du nie klug genug sein. Und das zeigt sich wohl am deutlichsten in der Außenpolitik. Es ist daher eine natürliche Notwendigkeit, dass das Institut für Außenpolitik den Ministerpräsidenten bei seiner Arbeit unterstützt.
Dazu gibt es vielleicht nicht so viel, nicht mehr viel zu sagen, aber es gibt ein oder zwei Punkte, die geklärt werden müssen, und ich könnte dahingehend formulieren, dass die meiner Meinung nach bestehende ungarische Position, das ungarische Interesse es ist, worüber es sich lohnt, ein paar Worte zu sagen. Das ist klärungsbedürftig, denn das Schlimmste, was ich aus meiner Erfahrung gelernt habe, ist, wenn im Laufe der Arbeit sich herausstellt, dass die Kollegen nicht auf der gleichen Grundlage stehen. Um dies zu vermeiden, lohnt es sich, die scheinbar grundlegenden, manchmal klischeehaften, aber dennoch entscheidenden Grundthesen gemeinsam zu überblicken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Natürlich bin ich kein Neuling auf dem Gebiet der Außenpolitik, und ich weiß sehr wohl, dass die Außenbeziehungen der anspruchsvollste Bereich der Politik sind, derjenige, der am ausgefeiltesten ist, den größten Wert auf Äußerlichkeiten und Formalitäten legt. Das ist auch richtig so, denn es handelt sich oft um eine heikle Angelegenheit, und das diplomatische Protokoll wurde nicht zufällig erfunden. Das heißt aber nicht, dass jeder, der heikle Fragen oder erstaunliche Aussagen, Einsichten oder neuartige Vorschläge hat, per se ein Verstoß gegen die Norm ist. Und das gilt selbst dann, wenn man vielleicht den Pfad, die Spur des diplomatischen Protokolls verlassen muss. Ich würde vorschlagen, dass wir solchen Sirenengesängen, die uns eine Lektion in wohlerzogenen außenpolitischen Verhalten erteilen wollen, nicht nachgeben sollten. Es gibt Länder, die aufgrund ihrer Größe und Kraft großzügig sein können, die nur Anerkennung suchen, persönliche Anerkennung, die es sich leisten können, in allen Fragen, sagen wir mal, ein „easygoing“ Partner zu sein und durch ständige Zustimmung eine Art von Ruhm zu sammeln. Diese Länder, die es sich leisten können, sind in der Regel Länder mit Großmachtstatus. Sie haben eine natürliche Abschreckung durch ihre Größe. Wenn man die nötige militärische und wirtschaftliche Macht hat, kann man sich Respekt verschaffen, ohne dass man seine Partner noch extra warnen müsste.
Doch wir, Ungarn, sind keine Großmacht, und doch beanspruchen wir unser Recht auf eine unabhängige Außenpolitik, und wir erwarten von anderen, die größer sind als wir, dass sie diesen Anspruch akzeptieren. Das ist eine relativ schwierige Aufgabe, denn ich denke, wenn man es in Ihrer Sprache ausdrücken würde, würde man in etwa sagen: Unsere relative Dominanz ist gering; sie ist so gering, dass sie im Minusbereich ist. Folglich hat ein Land mit diesem Ehrgeiz, dieser Größe und dieser Macht keine andere Wahl, als sich auf seine Haltung zu verlassen. Auf die markante und mutige Haltung, auf den Instinkt, in schwierigen Situationen nicht wegzulaufen, nicht Tarnfarben anzunehmen, nicht sich hinein zu tricksen, sondern den Konflikt anzunehmen. Auch daraus kann man eine relative Dominanz machen, und das tun wir auch. Unser erfolgreichstes politisches Produkt in internationalen Gewässern ist ja gerade die Tatsache, dass Ungarn, obwohl es ein Land mit nur zehn Millionen Einwohnern ist, ein Bruttoinlandsprodukt besitzt, wie es eben eines hat, und über die Anzahl von Soldaten verfügt, die es eben besitzt, dennoch eine unabhängige Außenpolitik betreibt bzw. betreiben kann. Obwohl Sie die Experten sind und in der Theorie das Wesentliche sicherlich besser erfassen können als ich das tun werde, ist es von der Grundlage der Praxis kommend vielleicht nützlich, wenn ich Ihnen darlege, was ich für die Eckpfeiler einer unabhängigen und proaktiven Außenpolitik halte. Ich habe ein, zwei oder drei Thesen.
Meine erste These lautet: Wenn ein Land, das keine relativen Vorteile hat, eine unabhängige Außenpolitik betreiben will, muss es eine radikale Position einnehmen. Das bedeutet, dass dieses Land eine große Vision haben muss, eine Vision, die langfristig, aber auch ehrgeizig und konkret ist. Es muss einen Plan und eine Strategie haben, um ein starkes Land zu werden, das von anderen respektiert wird und dessen Forderung nach einer unabhängigen Außenpolitik durch die anderen akzeptiert wird. Dagegen können Argumente vorgebracht werden. Typische Argumente sind, dass diejenigen, die nicht stark genug sind, nicht viel wollen sollten. Das scheint ein ziemlich einfaches Argument zu sein. Wenn die Mittel begrenzt sind, dann sollte man sich kleine Ziele setzen, weil sie noch erreichbar sind. Die Regierung vor uns hat es auf witzige Art und Weise ausgedrückt: „Wir sollten es wagen, klein zu sein”. Wenn wir mit allen gut auskommen, dann bekommen wir dank der Großzügigkeit der Großen einen kleinen Krümel vom Tisch, und so weiter und so fort. Wenn wir so handeln, wie es solche Perioden in der modernen ungarischen Außenpolitik gegeben hat, dann haben wir zwar tatsächlich ein bisschen was, aber wir müssen akzeptieren, dass andere für uns in den Fragen entscheiden, die für uns wirklich wichtig und bedeutsam sind. Außerdem müssen wir uns auch der Tatsache stellen, dass, wenn wir unsere Partner an den Gedanken gewöhnt haben, dass wir immer die Guten sind, und wenn die Situation eintritt, dass wir uns dem Willen der Großen widersetzen müssen, dann wird uns auch das, was wir bis dahin aus Wohlwollen erhalten haben, wieder genommen. Deshalb ist es vielleicht am besten, so zu tun, als wolle Ungarn nicht der beste Schüler einer anderen Macht sein, sondern sein eigener Meister. Dies kann nicht mit einer Politik des „Wir sollten es wagen, klein zu sein” geschehen, sondern erfordert eine radikale Haltung, eine radikale Haltung, die für den Erfolg notwendig ist. Aus taktischer Sicht aus dem Grund, denn wenn wir nicht radikal genug sind, gibt es in der Debatte nichts, worin wir nachgeben könnten. Mit anderen Worten: Radikalität vergrößert immer den Spielraum. Das ist die taktische Seite der Sache. Aber es gibt auch eine strategische Seite. Denn radikal bedeutet in der ungarischen Sprache, in unserem kulturellen Kontext, vielleicht etwas anderes als in den meisten westlichen Sprachen. Radikal bedeutet im Ungarischen mit Wurzeln versehen. Radikal bedeutet, eine Position einzunehmen, die das Mark, das Wesentliche einer Sache erfasst.
Dies ist im Übrigen auch eine kulturanthropologische Eigenschaft der Ungarn. Dieser englische Reisende, John Paget, hat ein erschreckend, ein abschreckend dickes Buch veröffentlicht, in dem er seine Reisen in Ungarn im frühen 19. Jahrhundert beschreibt, in dem er seine volkstümliche Erfahrung beschreibt, wie die Ungarn damals waren. Wer sich da noch nicht durchgearbeitet hat, dem empfehle ich, dies zu tun. An einer Stelle schreibt dieser brave englische Reisende, dass die Ungarn ehrlich sprechen und, wie er sagt, selbst dann, wenn sie genau wissen, dass sie von Spionen umgeben sind, keineswegs gekünstelt sind. Die Ungarn scheren sich einen Dreck um sie. In den modernen Begriffen des 20. Jahrhunderts würden wir dies eine Kaffeehausnation nennen. Der einstige Reisende hat einen entscheidenden Punkt getroffen, denn in der Tat: Die Ungarn haben Freude daran, wenn es ihnen gelingt, die Dinge beim Namen zu nennen. Und sie freuen sich auch, wenn sie dabei das Problem beim Schopf gepackt haben, wenn sie es geschafft haben, so viel Kontext wie möglich über den untersuchten Gegenstand in einen einzigen Satz zu pressen. Im Englischen ist es vielleicht einfacher zu sagen: „You can’t say anything without saying everything.” Mit anderen Worten: Es ist klar, dass die geradlinige, deutliche, allumfassende Art zu sprechen an die Wurzel geht, und dass der ungarische Radikalismus, der das Problem an der Wurzel zu packen versucht, im Wesentlichen ein intellektuelles Phänomen ist. Es handelt sich nicht um Grobheit, nicht um physische Gewalt, sondern um ein Phänomen intellektueller Natur.
Um aus dieser abstrakten Erklärung herauszukommen, werde ich Ihnen ein konkretes Beispiel geben, das vielleicht verdeutlicht, dass ich nicht über eine theoretische Frage spreche. Sie haben sicher auch bemerkt, dass wir Ungarn nicht über den Mechanismus streiten – wir haben uns an keiner dieser Debatten beteiligt –, nach dem die Migranten verteilt und nach der Verteilung integriert werden sollen. Für uns ist die Frage, wie sie verteilt werden sollen und wie sie integriert werden sollen, keine inhaltliche, ich würde sagen irrelevante, technische und an sich uninteressante Frage. Die wesentliche Frage für einen Ungarn ist, ob Migration generell und überhaupt eine gute Sache ist oder nicht. Solange wir das nicht auseinandergesetzt haben, solange wir das nicht geklärt haben, hat es keinen Sinn, darüber zu reden, wie man sie verteilt und wie man sie integriert. Die Debatten im Westen gehen nie so weit, die Frage zu stellen: Ist die Migration an sich gut oder schlecht? Aber jetzt geht es seit Jahren nur noch darum, die Prinzipien der Verteilung zu diskutieren, die Details einer gelungenen oder misslungenen Integration. Das nenne ich Radikalismus.
Meine zweite These ist, dass die ungarische außenpolitische Praxis, Fragen auf das Wesentliche bezogen zu stellen, entgegen allen entgegengesetzten Gerüchten dem Ansehen und der Wertschätzung Ungarns nicht schadet, sondern sie steigert. Denn die Tatsache, dass andere nicht in dieser Weise sprechen, ihr Wissen nicht in diesem sprachlichen Rahmen ausdrücken, bedeutet nicht, dass diese Fragen sie nicht beschäftigen würden. Ich glaube nicht, dass ein Italiener, ein Franzose oder ein Deutscher sich nicht von Zeit zu Zeit, wenn er allein zu Hause ist, sich – von seinen Emotionen hingerissen – die Frage stellt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, das alles wieder rückgängig zu machen, und darüber zu sprechen, wie wir, statt z.B. Migranten zu integrieren, zu der Zeit zurückgehen könnten, in der wir auf eine Art und Weise, die niemand nachvollziehen kann, dorthin gekommen sind, wo wir jetzt sind, aus einer Situation heraus, in die es uns vielleicht zurückzieht. Und wenn wir die Wahl hätten, würden wir uns für den Zustand von vor dreißig oder vierzig Jahren entscheiden und nicht für den Zustand von heute. Was ich Ihnen damit sagen will, ist, dass die Tatsache, dass andere diese radikale Art zu sprechen, die Lage zu analysieren und sich auszudrücken nicht wählen, nicht bedeutet, dass sie nicht an den gleichen oder denselben inhaltlichen Fragen interessiert sind. Und deshalb hören sie uns gerne zu. Sie mögen sich nicht anschließen. Sie wollen nicht in die Auseinandersetzung verwickelt werden, die auf die Präsentation eines ungarischen Standpunkts folgt, aber sie hören uns sehr gerne zu, weil auch sie irgendwo, tief im Inneren, an diesen grundlegenden Fragen interessiert sind. Und die Tatsache, dass wir in der Lage sind, unseren Standpunkt nicht nur inhaltlich darzulegen, sondern auch zu versuchen, ihn sowohl intellektuell als auch politisch zu verteidigen und sogar für ihn zu kämpfen. Das wird langsam zu einer Art Markenzeichen, das ist eigentlich die ungarische Soft Power. Das wird uns dann helfen, Koalitionen mit denen zu bilden, die nicht dasselbe sagen können wie wir, deren Ziele sich aber mit dem decken, worüber wir reden. Und es gibt immer mehr dieser schwierigen Situationen, wo sich gerade dadurch, dass wir offen und direkt reden – natürlich nicht in der Öffentlichkeit, sondern am Verhandlungstisch –, immer mehr Kombinationen und Koalitionen für uns öffnen. Wenn sich jemand dafür interessiert, wie das konkret aussieht, dann möchte ich Sie auf die diplomatischen Ereignisse der nächsten zwei, drei Wochen aufmerksam machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch mit dem weit verbreiteten Glauben auseinandersetzen, dass die radikale Erfassung des Wesentlichen nicht zu Prestige, sondern zu Isolation führt. Diese Vorstellung deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen. Ich möchte mich damit auch gar nicht auf theoretischer Ebene auseinandersetzen, sondern nur aus der Praxis heraus sagen, dass die ungarische Außenpolitik in einem Jahrhundert noch nie so aktiv und so umfangreich war wie in den letzten Jahren. Nur in jüngster Zeit: Peking, Kanzleramt in Berlin, italienischer Parlamentspräsident, Schweiz, UNO-Veranstaltung in Aserbaidschan, der Präsident des Europäischen Rates in Budapest, dann von hier aus Argentinien, Brüssel und wer weiß was noch für geheimnisvolle Reisen. Intensive Westkontakte, eine widerhallende Öffnung nach Osten und Süden. Schnelligkeit, Beweglichkeit, Handel, Investitionen und Konnektivität. Dies bringt das mit sich, worüber ich bisher gesprochen habe, und keine Isolation.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Bisher habe ich über die Formulierung unserer Position und die Art und Weise, wie sie vertreten wird, gesprochen. Ich habe einige Dinge darüber gesagt, was unsere Position in der Welt verbessert und stärkt. Jetzt müssen wir nur noch darüber sprechen, was der Standpunkt ist, was das Leitprinzip ist, auf dessen Grundlage wir die inhaltlichen Fragen angehen und artikulieren werden. Dies ist meine dritte These, die ich für heute vorbereitet habe. Dieser einfache Satz lautet, dass die ungarische Außenpolitik auf dem nationalen Interesse beruht. Offensichtlich denken Sie, dass Sie diesen Gedanken bis zum Überdruss kennen. Dennoch schlage ich vor, dass wir ein wenig darüber sprechen. Denn die Außenpolitik wird traditionell entweder als idealistisch oder als realistisch eingestuft. Wenn jemand idealistisch ist, versucht man, sich für ein Prinzip einzusetzen, das man in der Welt für wichtig hält. Dies nennen wir eine wertebasierte Außenpolitik. Wenn man Realist ist, glaubt man an Stärke und vor allem an das Gleichgewicht der Kräfte und versucht auch, seine Interessen mit Hilfe von größerer Kraft durchzusetzen. Dies ist eine interessenbasierte Außenpolitik. Ich denke, Sie kennen meine ablehnende Haltung zur wertebasierten Außenpolitik, aber ich möchte hinzufügen, dass ich auch von der interessenbasierten Außenpolitik nicht besonders begeistert bin. Der Grund dafür ist, dass das, was uns Ungarn und mich persönlich wirklich begeistert und inspiriert, eine auf nationalen Interessen basierende Außenpolitik ist, weil ich glaube, dass sie die besten Elemente von Idealismus und Realismus vereint. Die Benennung hilft uns auch, dies zu verstehen. Das Wort „national” ist hier kein einfaches Adjektiv, das Wort national ist in diesem Zusammenhang ein wesentliches, substantielles Wort; es verweist auf das idealistische Element, denn die Nation ist in erster Linie eine Idee. Und das Interesse, das wir mit dem Wort national verbinden, das nationale Interesse, ist selbst Realismus, die allgemeine Bezeichnung für das, was notwendig, nützlich und praktisch ist. Und dies wiederum erfordert eine besondere Denkweise, die in akademischen Kreisen selten diskutiert wird, es erfordert, dass eine Außenpolitik, die auf dem nationalen Interesse basiert, niemals dogmatisch sein kann. Ja, wenn wir verstehen, was das bedeutet, kann sie nicht dogmatisch werden. Denn die wichtigste Aufgabe einer am nationalen Interesse orientierten Außenpolitik ist es ständig in jeder Lage, zu erkennen, zu definieren und zu erfassen, was das nationale Interesse in jeder Situation ist – und, wie Sie wissen, in der Außenpolitik ändert sich jede Situation ständig – und auf dieser Grundlage zu handeln. Ich bin davon überzeugt, dass eine Außenpolitik, die sich am nationalen Interesse orientiert, einen intellektuellen Gehalt hat, dass sie auch Prinzipien und Werte enthält, aber dass sie diejenigen, die diese Auffassung vertreten, zwingt, sich ständig und flexibel anzupassen. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir Ungarn auf das Gleichgewicht der Kräfte achten, aber wir versuchen nicht, unsere Interessen durch ein bloßes Übergewicht der Kräfte durchzusetzen. Man könnte sagen, dass wir aus der Not eine Tugend machen, wir sind keine Großmacht, die sich allein auf ihre Stärke verlassen kann. Wir glauben an ein umfangreiches Netz von Beziehungen, die in alle Richtungen offen sind, an ein Arsenal von Soft-Power-Instrumenten, die klug eingesetzt werden. Das ist die wahre Stärke der ungarischen Außenpolitik.
Nun, das ist jene intellektuelle Aufgabe, bei der ich in Zukunft am meisten auf Ihre Hilfe zähle, nämlich die des Ungarischen Instituts für Auswärtige Angelegenheiten. Den Entscheidungsträgern zu helfen, sich in den großen Fragen der Welt zurechtzufinden, das Wesen des nationalen Interesses zu erkennen und diese ständige Anpassung den Entscheidungsträgern vorzuschlagen und aufzuzwingen. In dem Maße, in dem die auswärtigen Beziehungen Ungarns immer vielfältiger werden, in dem Maße, in dem wir in immer mehr Regionen der Welt präsent sind, in dem Maße, in dem unsere Aufmerksamkeit immer mehr auf die einzelnen Bereiche verteilt wird, besteht ein zunehmender Bedarf daran, dass die qualifiziertesten Experten des ungarischen außenpolitischen Denkens diese interpretierende, das nationale Interesse definierende und entscheidungsvorbereitende Arbeit leisten. Und das ungarische Außenministerium und das Büro des ungarischen Ministerpräsidenten können diese Außenpolitik nur umsetzen, wenn sie über einen qualitativ hervorragenden intellektuellen Hintergrund verfügen. Wenn hinter dem Außenministerium und hinter denjenigen, die Außenpolitik machen, eine tiefe, analytische Arbeit steht. Wenn uns eine besondere intellektuelle Truppe zur Verfügung steht. Und ich sehe das Ungarische Institut für Auswärtige Angelegenheiten als eine solche Spezialeinheit der ungarischen außenpolitischen Strategie. Ich gratuliere Ihnen zum Geburtstag und zähle auf Ihre Arbeit. Ungarn zählt auf Sie. Wir bitten Sie, Ihren Teil dazu beizutragen, dass Ungarn auf der internationalen Bühne auch weiterhin weit über seine Kraft auftreten kann.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und gute Arbeit!