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Rede von Viktor Orbán anlässlich der Übergabe des Polyol-Komplexes der Mol-Gruppe

Guten Tag, meine Damen und Herren!

Ich möchte alle, die bereits von meinen Vorrednern begrüßt wurden, herzlich willkommen heißen. Es ist mir eine Freude, dass wir an diesem schönen Tag hier zusammen sein dürfen. Mit der nötigen Bescheidenheit kann ich aber sagen, dass wir mit Mol und mit Direktor Zsolt Hernádi eine gute Gewohnheit entwickelt haben: Alle paar Jahre kommen wir hier in Tiszaújváros zusammen und weihen jeweils eine neue Mol-Fabrik ein. Das taten wir 2015, drei Jahre später 2018 und jetzt, sechs Jahre später, 2024. Ich hätte schon früher kommen können, wir hätten den Drei-Jahres-Zeitplan einhalten können, aber die Epidemie und der Krieg haben dazwischengefunkt und es uns schwer gemacht, doch wir kennen Mol als ein Unternehmen, das nicht aus solchem Holz geschnitzt ist, dass diese Schwierigkeiten sie von einer Investition abgehalten hätten, wie die Tatsache deutlich zeigt, dass wir heute hier zusammen sein dürfen.

Meine Damen und Herren!

Bei den letzten beiden Gelegenheiten, 2015 und 2018, hatte ich die Ehre, die Investoren aus Japan und die Vertreter des japanischen Staates zu begrüßen. Diesmal begrüße ich aber aus Deutschland Frau Ilse Henne, Vertreterin von Thyssenkrupp, und wir müssen zugeben, dass die heutige Investition ohne ihren technologischen Beitrag nicht möglich gewesen wäre. Es war richtig von Mol, diese Technologie zu kaufen. Wir pflegen immer zu sagen, wenn wir etwas tun, dann sollten wir es auf Weltniveau tun. Unter diesem Gesichtspunkt ist es für Mol eine gute Entscheidung, wenn sie in die Entwicklung investiert, sich nicht mit weniger als der japanischen und deutschen Spitzentechnologie zufrieden zu geben. Das ist beruhigend, denn Mol ist Ungarns größtes und erfolgreichstes Unternehmen, und wir können sehen, dass wenn sie etwas bauen, dann – wie man in der Armee zu sagen pflegte – wird es auch gebaut.

Meine lieben Freunde!

Die Situation ist die, dass Ungarn, und wenn wir an die Ungarn jenseits seiner Grenzen denken, die gesamte ungarische Nation Mol viel zu verdanken hat. Ich erinnere mich, dass Mol in den schwierigen Zeiten, als zu Beginn des Systemwechsels die ansonsten wirklich veraltete sozialistische Industrie unter der Bezeichnung Privatisierung verramscht wurde, unsere letzte Zuflucht war und Mol das einzige seriöse ungarische Unternehmen blieb, das auch in den schwierigsten Zeiten erfolgreich war. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte Ungarn während des Systemwechsels und auch in den 2000er Jahren zur Zeit der unrühmlichen Regierung der Linken weitaus größere Narben davongetragen.

Meine Damen und Herren!

Mol und das Schicksal der ungarischen Wirtschaft sind zwei Seiten ein und desselben Buches. In dem Buch geht es im Wesentlichen darum, wie wir das 21. Jahrhundert gewinnen können, wenn wir das 20. bereits verloren haben. Mol beschreitet denselben Weg wie die ungarische Wirtschaft selbst. Vor zwanzig Jahren, wenn Sie sich erinnern, besaß das Tätigkeitsfeld der Mol – sagen wir es einmal so – eine Aufhängung und sie hieß Erdölhandel. Mol verfügte über Ölfelder, aber das meiste Öl wurde doch eher gekauft, verarbeitet und weiterverkauft, und dann expandierte es als erstes Unternehmen in Ungarn immer mehr in die umliegenden Länder. Ich bin froh, dass sich das Unternehmen damit nicht zufriedengegeben hat. Unter diesem Gesichtspunkt besitzen das Auftreten und die Tätigkeit von Herrn Zsolt Hernádi als Präsident und Geschäftsführer von Mol unvergängliche Verdienste, denn unter seiner Führung begann Mol mit der regionalen Expansion, errichtete neben den traditionellen Anlagen auch Biogas- und Biodieselanlagen, stieg in den Transportmarkt ein und wurde in jüngster Zeit zu einer unumgänglichen Kraft auch in der Abfallwirtschaft. Es ist wie bei der Schießbude: Jenes Ziel ist am schwierigsten mit Schüssen zu holen, das von den meisten Stäbchen gehalten wird. Auf diese Weise steht auch Mol auf seinen Beinen. Normalerweise sind solche Preise auch die wertvollsten. Kein Wunder, dass Mol das wertvollste Unternehmen Ungarns geworden ist, das auf mehreren Füßen steht.

Meine Damen und Herren!

Es gibt einen bekannten Weg für ein Unternehmen, sich wertvoll zu machen. Fachleute nennen dies das Aufsteigen in der Produktionskette. Mol hat auch hier ein starkes Stück gezogen, denn es ist nicht nur in der Produktionskette aufgestiegen, sondern selbst zu einer kompletten Produktionskette geworden. Hier, in Tiszaújváros, hat sie einen Chemiekomplex errichtet, in dem sie die von ihr produzierten und verarbeiteten Rohstoffe zu Fertigprodukten verarbeitet und gleichzeitig ist Mol auch am Transport beteiligt. Was hier produziert wird, Polyol, ist das, was wir Laien als das Schweizer Taschenmesser der Kunststoffproduktion bezeichnen könnten. Es ist für alles gut, von der Autoindustrie über die Möbelherstellung bis hin zum Bauwesen und zu Textilien wird es überall benötigt. Wir kochen mit dem, was wir haben, und stellen das her, was für alles funktioniert. So einfach ist das, aber trotzdem sind nur wenige dazu in der Lage. Mol war dazu in der Lage. Herzlichen Glückwunsch dazu! 

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn es stimmt, dass Mol eine Seite aus demselben Buch ist, in dem die Geschichte der ungarischen Wirtschaft geschrieben steht, dann ist es logisch, dass das, was mit der ungarischen Wirtschaft geschieht, auch mit Mol geschieht. In dem Maße, in dem Mol sich auf mehrere Füße gestellt hat, in den Wertschöpfungsketten aufgestiegen ist und immer mehr an Wert gewonnen hat. Das ist auch mit der ungarischen Volkswirtschaft geschehen. Wir haben uns auf mehrere Füße gestellt, wir haben diversifiziert, wir wollen in den Produktionsketten aufsteigen, und wir wollen Ungarn immer wertvoller machen. Wir nennen das die ungarische Strategie der Konnektivität. Wir wollen unsere einseitigen Abhängigkeiten auch auf nationaler Ebene verringern. Mol selbst hilft uns dabei, indem es zum Beispiel neue Gas- und Ölvorkommen in Ungarn findet. Wir können es kaum erwarten, Mol bzw. seinen Generaldirektor als den ungarischen Jockey Ewing betrachten zu können. Wir wünschen Ihnen, Herr Generaldirektor Hernádi, viel Glück bei Ihren künftigen Erkundungen! Die ungarische Wirtschaft diversifiziert ihre Energieversorgungsquellen, wir haben neue Energietransitrouten ausgebaut. Wir werden Erdgas aus Katar kaufen, wir werden Ökostrom aus Aserbaidschan beziehen, wir werden unsere Solarkapazitäten erhöhen und wir werden ein neues Kernkraftwerk bauen, um uns weniger anfällig für von uns unabhängige Entwicklungen auf dem Weltmarkt zu machen. Wir werden auch viel Energie brauchen, denn wir planen, den Strombedarf des Landes bis 2030 um 50, d.h. fünfzig Prozent zu erhöhen.

Kurz gesagt, dies wird geschehen, weil wir die fortschrittlichsten Industrien nach Ungarn holen werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Ungarn ein Treffpunkt für östliche Rohstoffe und Ressourcen und westliche Technologie und Know-how wird. Wir werden westliche und östliche Autofabriken haben, wir werden die Technologie und die Produktionskapazitäten haben, um grüne Energie zu speichern, wir werden uns an der Weltraumforschung beteiligen, wir werden Ungarn in die modernsten Informationstechnologiekreisläufe einbinden, wir werden die modernste europäische Militärindustrie aufbauen, wir werden die Lebensmittel-, Pharma- und Chemieindustrie voranbringen. Es gibt skeptische Stimmen, die sagen, dass es dafür nicht genug Energie und Arbeitskräfte geben wird, aber ich gehöre zu denen, die davon überzeugt sind, dass die ungarische Industriepolitik in der Lage sein wird, der Industrie ausreichend Energie und gut ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. In dieser Hinsicht ist Ihr Beispiel ermutigend, denn wir übergeben jetzt eine Fabrik, in der, soweit ich sehen kann, etwa 300 qualifizierte Ungarn arbeiten werden. Diese ungarischen Menschen füllen immer bessere Arbeitsplätze aus; auch diese Fabrik ist ein gutes Beispiel: 300 neue, langfristig wettbewerbsfähige Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung für 300 Menschen bedeuten eine sichere, vorhersehbare Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein wichtiges Element der ungarischen Industriestrategie ist der Einsatz staatlicher Mittel, um ungarische Unternehmen zu ermutigen, auf ausländische Märkte zu gehen. Wir sind so sehr gewachsen, die ungarische Industrie ist so sehr gewachsen, dass Ungarn jetzt schon zu klein ist. Es ist nicht notwendig, hier sich gegenseitig auf den Füßen zu stehen, sondern man muss neue Industrien und neue Bereiche finden, man muss im Ausland investieren und Gewinne aus dem Ausland nach Hause holen, um die von den multinationalen Unternehmen, die in Ungarn produzieren, exportierten Gewinne auszugleichen und das Gleichgewicht des Kapitals in der ungarischen Wirtschaft wiederherzustellen – dies wird nicht morgen eintreten, aber in einigen Jahren. Deshalb planen wir, zusätzlich zu den bestehenden 12.000 Unternehmen, die derzeit im Ausland tätig oder in der Lage sind, ins Ausland zu liefern, 5.000 neue KMU zu gründen und zu unterstützen, damit sie sich auf diese Ebene begeben können. Wir werden auch bald ein entsprechendes Programm dazu ankündigen. Die ungarische Industriestrategie, meine Damen und Herren, ist ein guter Plan, und Mol spielt darin eine wichtige Rolle. Diese ungarische Industriestrategie ist, wie Mol, ambitioniert und verfolgt sogar große Ziele. Sie ist ambitioniert und ehrgeizig, aber sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Wir haben guten Grund dazu. Einer davon wurde bereits von Herrn Generaldirektor Zsolt Hernádi genannt. Die heutige europäische Politik unterstützt die Industrie nicht. Die heutige europäische Politik sieht die Industrie als gefährlich an, will sie einschränken, will sie verkleinern, nennt es Greening, aber in Wirklichkeit verlieren wir eine Menge industrieller Kapazitäten in einem, wie ich finde, schlecht konzipierten Prozess des sogenannten Greenings.

Es ist also gut, wenn wir mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, denn wir müssen die europäische Politik und die Industriepolitik unbedingt ändern, aber andererseits gibt es hier noch eine andere Art von Gefahr, denn die größte Gefahr ist heute nicht die fehlgeleitete europäische Industriepolitik, sondern in Wirklichkeit der Krieg. Wir Ungarn kennen den Krieg: Er bedeutet Zerstörung, den Verlust von Heimen, die Entwertung unseres Geldes. Er ist nicht weit weg, wir sehen die Ukraine, wir sehen, was dort geschieht. In einem Krieg braucht man wirklich keine Möbelindustrie, keine Textilindustrie, keine Automobilindustrie, keine Kreativwirtschaft, viel weniger Konsumgüter sind nötig, und nicht einmal die breite Palette von Lebensmitteln wird gebraucht, die wir aus Friedenszeiten kennen. Denn im Krieg wird eine einzige Sache wirklich gebraucht: Im Krieg stellt ein jeder militärische Ausrüstungen und Munition her. Im Krieg geht die Arbeitskraft nicht in die Fabrik, sie wird an die Front gebracht. Es gibt keinen Bedarf für irgendetwas anderes als die Kriegsindustrie, es gibt niemanden, der in der Fabrik arbeitet, und folglich gibt es keine Kaufkraft, die letztlich die Wirtschaft in Gang hält. Wir sehen die Ukraine: Im Krieg geht alles zurück. Im Krieg geht die Wirtschaft unter, das Land geht unter und die Menschen selbst gehen unter. Es gibt heute viele in Europa, die den Kontinent trotzdem immer noch in den Krieg führen und Ungarn darin mit hineinziehen würden. Deshalb müssen neben den großen Wirtschaftsplänen Aufmerksamkeit und Energie darauf verwendet werden, diese Kräfte einzudämmen, zu bändigen und zu zerschlagen. Ich ersuche daher alle hier in Tiszaújváros, bei den Wahlen am 9. Juni wählen zu gehen. Beteiligen Sie sich an der Wahl der Kommunalpolitiker, aber ich bitte Sie auch, sich an den Europawahlen zu beteiligen, denn diese Wahl wird für die Frage von Krieg und Frieden entscheidend sein. Ich ermuntere Sie, hinzugehen und für den Frieden einzutreten, um dazu beizutragen, die Kriegsfalken in Brüssel zu vertreiben. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir den vor 14 Jahren begonnenen industriepolitischen Aufbau fortsetzen und Ungarn zu einem der tatsächlich blühendsten Länder Europas machen können.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Herzlichen Glückwunsch an Sie alle! Glückwunsch an die Entwickler, die Unternehmer, die Geldgeber, die ausländischen Partner! Ich gratuliere den Arbeitern hier, den qualifizierten Arbeitskräften, die immer der entscheidende Faktor bei der Wahl eines Standorts für industrielle Investitionen sind. Egal, was die Bosse sagen, die Wahrheit ist, dass Investitionen dorthin gehen, wo es gut qualifizierte Fachkräfte gibt, die arbeiten können und wollen. Ich gratuliere also den Arbeitern in Tiszaújváros, die letztlich diese Investition geholt haben.

Vorwärts Ungarn!

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