Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich befinde mich in einer schwierigen Situation. Meiner Ansicht nach hat der für die Erweiterung verantwortliche Kommissar der Kommission alle wichtigen Dinge gesagt, also kann das, was ich zu sagen haben, es hinsichtlich der Bedeutung nicht mit ihm aufnehmen, eventuell in der Hinsicht, wie interessant es ist. Also wenn Sie es erlauben, würde ich über etwas sprechen, worüber der Herr Kommissar sicherlich weniger sprechen konnte oder vielleicht ist es ihm auch untersagt. Über den breiteren Kontext, der die Frage der Wachstumspolitik des gesamten Westbalkan umgibt. Ich freue mich, dass auch unsere italienischen Freunde hier sind. Auf Englisch sagt man das vielleicht so: „upgrading“, dies wertet uns auf, schließlich ist ja einer der Gründungsstaaten der Europäischen Union unser Gast. Zwar besitzt auch Ungarn schon eine Vergangenheit in der Europäischen Union, doch deren Erfahrung, Tiefe und Reichtum ist nicht mit den Erfahrungen unserer italienischen Freunde zu vergleichen. Wir danken also dem Herrn Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer, dass Sie gekommen und hier bei uns sind.
Europa blickt jetzt zu einem schwierigen Zeitpunkt auf Ihre Region. Auch bisher hat sich die Europäische Union hinsichtlich der Erweiterung nicht hervorgetan. Es ist viel begründeter, im Tenor der Kritik zu sprechen als mit der Stimme der Anerkennung. Das ist nicht das Problem des Kommissionsmitglieds, des Herrn Kommissars, vielmehr geht es darum, dass die EU selbst nicht in der Lage ist zu entscheiden, wie sie über die südosteuropäische Region denken soll. Das ist eine unbequeme Aufgabe, irgendetwas muss man mit diesen Ländern anfangen, sieht sie in ihnen irgendeine Schwierigkeit, ein Problem oder aber eine Möglichkeit? Wir, die wir der EU uns später angeschlossen haben, wir haben die Erweiterung auch aus der Perspektive der EU immer als eine Möglichkeit angesehen. Natürlich gibt es heute unter den alten Mitgliedsstaaten eine Schule, die sagt, die Dinge gehen deshalb nicht so gut wie früher in der EU voran, weil wir diese hier aufgenommen haben, die aus der postsowjetischen Welt kamen. Es gibt also eine Schule, die die Erweiterung eher im negativen Kontext betrachtet. Wir denken darüber anders. Wir sagen: „Ziehen wir von den wirtschaftlichen Ergebnissen der vergangenen fünf Jahre das ab, was die als Ergebnis der Erweiterung aufgenommenen Länder der gemeinsamen europäischen Leistung hinzugefügt haben. Ziehen wir das Wirtschaftswachstum Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens und das der Balten ab, und schauen wir uns an, was für ein Wachstum es in Europa in den vergangenen fünf Jahren gegeben hat. Und wir sehen: beinahe keines. Dynamik, Wachstum, Energie, Stärke kommen in Wirklichkeit noch immer aus der Wirtschaft der neuaufgenommenen Länder.“ Es ist nicht meine Aufgabe, die Gründe dessen zu suchen, ich wollte Ihnen nur so viel verdeutlichen, dass unsere Länder, die Länder der V4, die Mitteleuropäer – nunmehr aus dem Inneren der EU heraus – die Erweiterung in Richtung auf den Balkan als eine Energiequelle, eine Kraftquelle und eine Möglichkeit betrachten. Deshalb ist für uns die Erweiterung, wie das der Engländer sagt, ein „must”: Sie muss geschehen.
Andererseits besitzen wir, Mitteleuropäer auch eine historische Empfindlichkeit. Wir blicken auf die Landkarte – das ist eine beliebte Form der Unterhaltung hier in Mitteleuropa, sich alte und neue Landkarten anzusehen –, und dann werden Sie sehen, dass es zwischen Griechenland und Ungarn ein geopolitisches Loch gibt. Denn Griechenland ist Mitglied der EU, Ungarn ist es auch, was dazwischen liegt, das ist es nicht. Und da es in der Politik einige Gesetze gibt, die jenen der Physik ähneln, also dass es keinen unausgefüllten Raum gibt, dann werden – wenn wir diese Region nicht integrieren – auch andere Pläne hinsichtlich dieser Region haben. Ich fälle jetzt kein Urteil oder spreche keine Meinung aus, ich gebe nur eine Deskription, ich beschreibe die Sache. Auch ich freunde mich jetzt mit jener neuen Situation an, dass plötzlich die ungarisch-serbische Grenze zum Treffpunkt, zur Grenzlinie zwischen der chinesischen Freihandelszone und der Europäischen Union geworden ist. Denn Serbien hat ja ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen. In den kommenden fünf Jahren werden sie mehr als 10 tausend Zollposten abbauen. Das würde sicherlich nicht mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union einhergehen können, da wir Serbien nicht aufgenommen haben, haben sich auch andere zu dem Wettbewerb angemeldet. Und die Serben tun gut daran, mehrere Eisen im Feuer zu halten, wenn man Europa schon nicht anders zum Handeln anspornen kann, nur so, dann muss man es so machen. Ich möchte Ihnen also signalisieren, dass das positive Denken über die ganze Region und die positive Beurteilung der Erweiterung heute keine Evidenz in der Europäischen Union darstellen, dafür müssen wir kämpfen, wir, um die man die EU bereits erweitert hat, und auch der Herr Kommissar, der als Kommissionsmitglied für dieses Portefeuille verantwortlich ist. Das ist also die erste Ursache für die Unsicherheit der EU hinsichtlich des Südostens.
Jetzt hat sich in den vergangenen beiden Jahren auch noch ein weiterer Grund gemeldet, der alles ganz schön durcheinandergebracht hat. Und die ist der russisch-ukrainische Krieg, der auf die Weise eine Wirkung auf Sie besitzt, indem er die Europäische Union verunsichert. Die Europäische Union, deren intellektuelle Leistung ich ständig kritisiere, womit ich niemals sagen will, sie sei gleich Null, also selbst noch diese jetzige, sich in einer schlechten Verfassung befindlichen, sich intellektuell in einer schlechten Verfassung befindlichen Europäischen Union hatte doch eine Strategie, wie sie zurechtkommen, wie sie erfolgreich sein will in der Welt. Diese Strategie besaß ein Sicherheitsbein und ein Wirtschaftsbein. Das Sicherheitsbein hörte sich so an: Es muss eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur geben, die wir mit Hilfe aller möglicher internationaler Verträge, Waffenbegrenzungs- und anderer, militärischer Verträge stabilisieren. Und da eine Bedrohung aus dem Osten häufig kommt, war auch Russland ein Teil davon. Seit dem Krieg ist es damit vorbei. Diese Sicherheitsarchitektur ist praktisch zusammengebrochen, ist nicht gegen eine andere ausgetauscht worden, sondern ist ganz einfach zusammengebrochen. Und heute ist die Antwort darauf nicht klar, mit was für einem Sicherheitssystem der Verträge, mit welcher Architektur wir langfristig die europäische Sicherheit garantieren wollen. Das wissen wir nicht. Noch eine Unsicherheit.
In einer genau solchen strategischen Unsicherheit sind wir hinsichtlich der Wirtschaft. Der europäische wirtschaftliche Erfolg besaß ja eine einfache Formel. Wir waren mit den Russen übereingekommen, worunter man verstehen muss, dass die Deutschen mit den Russen übereingekommen waren, sie holten, wir holten billige Energie herein aus Russland, wir haben billige Rohstoffe von dort importiert. Das haben wir mit der hinsichtlich ihres Weltniveaus an führender Stelle stehenden europäischen Technologie verbunden, Maschinenbau, chemische Industrie, Nanotechnologie, Raumfahrttechnologie, mit den modernsten Dingen, und aus der Verknüpfung der beiden entstand ein europäischer wirtschaftlicher Erfolg. Und wir haben auch noch die so genannte Friedensdividende einkassiert, d.h. dass gar nicht wir jene Armee erhalten mussten, die die Sicherheit Europas garantierte und wir auch die Quellen der militärischen Ausgaben eher für die Wirtschaft verwenden konnten. Das ist häufig ein kontroverses Thema in den Gesprächen zwischen den Franzosen und Deutschen, wenn es darum geht, wie hoch in Wirklichkeit das Haushaltsdefizit von wem ist. Klammer zu. Das Wesentliche ist, dass dies die Strategie ist. Energie und Rohstoffe billig aus dem Osten, entwickelte Technologie, gute Universitäten, fantastische Forschungsinstitute aus dem Westen und die Verbindung der beiden Dinge und daraus europäische Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand: Auch das ist im Februar 2022 zusammengebrochen. Die Sanktionen haben dies im Wesentlichen unmöglich gemacht. Und wir haben keine neue Strategie, wir können die Frage nicht beantworten, was uns dann anstelle dieser Wirtschaftsstrategie wettbewerbsfähig und erfolgreich machen wird. Es gibt also auch drei Unsicherheiten im Zusammenhang mit der südosteuropäischen Region: eine historische Unsicherheit, eine sicherheitspolitische Unsicherheit und eine wirtschaftliche Unsicherheit. Ein solches Europa, das auf derart unsicheren Beinen steht, wie kann es eine Erweiterung beginnen?
Wenn wir ehrlich der Situation ins Auge sehen wollen, die die südosteuropäische Region in Europa einnimmt und die sie in den europäischen Köpfen einnimmt, dann kann ich Ihnen ehrlich jene Beschreibung geben, die ich jetzt gegeben habe. Der ukrainische Krieg bzw. Russlands Krieg gegen die Ukraine verursacht Ihnen noch eine weitere Schwierigkeit. Und jetzt spreche ich nicht über jene Evidenz, über die vor mir sicherlich schon gesprochen worden ist, dass wir eine alte Erweiterungsaufgabe haben, die haben wir auch nicht erfüllt, und schon wollen wir eine neue in Angriff nehmen, was an sich schon ein Problem darstellt. Doch jetzt rede ich nicht hierüber. Wir haben auch ein größeres Problem als das. Das größere Problem ist so eine raffinierte europäische Listigkeit, der ich Tag für Tag auf den Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten in kleineren und größeren Gruppen begegne, und die man folgendermaßen beschreiben kann. Das wir – das ist ein Narrativ – bereits zehn sich für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union meldende Länder haben, was bedeutet, dass die Zahl der Mitgliedsstaaten von 27 auf 37 anwächst, und die Struktur der Entscheidungsfassung bereits jetzt schon nur schwerfällig funktioniert, sicherlich könnte sie mit 37 Ländern auch gar nicht funktionieren, deshalb müssen wegen der Erweiterung gründliche innere Reformen vollzogen werden. Zuerst die großen inneren Reformen und danach die Erweiterung. Dies vertreten zahlreiche bedeutende große europäische Länder offen. Ich habe jetzt an solch einer Beratung teilgenommen, auf der die Deutschen dies auch klargemacht haben, und es gab auch schon einen EU-Gipfel, auf dem dies auch die Franzosen deutlich gesagt haben. Zuerst innere Reform, danach Erweiterung. Nun, wenn Sie schon eine innere Reform der EU gesehen haben, dann können wir ruhig sagen, dies bedeutet, dass es keine Erweiterung geben wird. Also wen wir zuerst das System der EU reformieren und danach erweitern wollen, dann können wir nicht nur nicht von 2030 reden, sondern nicht einmal von 2040. Denn jede innere Reform benötigt eine Modifizierung des Grundvertrages. Wenn man jetzt eine Grundvertragsmodifizierung durch die EU hindurchpeitscht, dann ruft man einen Konvent zusammen, man kommt zu einem Kompromiss, danach bringt man alles vor die 27 nationalen Parlamente, in einigen Ländern muss darüber eine Volksabstimmung abgehalten werden, daraus wird nichts. Wann also das Narrativ an der Oberfläche, dass man zuerst die EU reformieren muss und erst danach kann man erweitern, dann engt sich die Perspektive dieser Region in wesentlichem Maße ein. Also ist die erste Sache, von der wir gemeinsam, meiner Ansicht nach der Herr Kommissar, die neuen Mitgliedsstaaten, die neuen Mitgliedsstaatskandidaten die europäischen Entscheidungsträger überzeugen müssen, ist, dass dies eine schlechte Idee ist. Es ist nicht nötig, innere Reformen zu vollziehen, um zumindest die Länder unter die Mitglieder der EU aufnehmen zu können, die am besten dazu vorbereitet sind.
Jetzt setze ich ein „Klammer auf“, dies betrifft sie vielleicht noch nicht, doch zeigt es etwas von den Schwierigkeiten, die auf Sie warten, wenn Sie einmal drinnen sein werden, denn auch drinnen ist nicht alles ein Paradies. Natürlich wollen die inneren Reformen die innerhalb der EU miteinander diskutierenden Seiten auch für ihre eigenen Zwecke nutzen. Und heute gibt es zwei Lager, zwei Schulen innerhalb der EU hinsichtlich der inneren Reformen. Die eine, zu der auch wir gehören, möchte einige Aspekte der Souveränität zurückbekommen, über die wir glauben, man habe sie uns im vergangenen Jahrzehnt auf eine schleichende Weise unter Umgehung des EU-Grundvertrages weggenommen. Sie will also von Brüssel Zuständigkeiten an die Mitgliedsstaaten zurückführen und solche Instrumente, die die Brüsseler Bürokratie im Interesse der Zentralisierung nutzt, Rechtsstaatlichkeitsverfahren, Konditionalität, diese will sie streichen. Die andere Schule will die Diskussionen über die inneren Reformen dazu nutzen, um das Maß der Zentralisierung zu erhöhen und Zuständigkeiten von den Mitgliedsstaaten wegzunehmen. Das eklatanteste Beispiel dafür ist der deutsche Vorschlag, dass wir die einstimmige Entscheidungsfindung zu einer als QMV bezeichneten Mehrheitsentscheidungsfindung umändern sollen. Also dass wir die einstimmige Entscheidung zu einer Mehrheitsentscheidung umformen sollen. Um noch weiter auszuholen, diese beiden Schulen, diese beiden Denkweisen sind gleichzeitig europäisch. Sie, die Sie in die EU hereinkommen möchten, sollten wissen, dass Europa schon immer zwei Traditionen besaß. Die eine war die Tradition des Römischen Reiches: die große, einheitliche, europäische Kraft, mit einem ausgefeilten Rechtssystem, einer starken Armee, einer fantastischen Infrastruktur, auf eine Weise, um auch die Welt führen zu können, und die andere stellen die Nationalstaaten dar, die aus den nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches durch die verschiedenen Stämme besetzten Gebieten entwickelt haben, die für sich eine nationalstaatliche Souveränität wollen. Diese beiden Traditionen sind in den europäischen Diskussionen enthalten. Diese beiden Traditionen pflegen im Allgemeinen im Gleichgewicht zu sein. Dies hat sich in den vergangenen sechs Jahren geändert, seit die Briten ausgetreten sind, denn diese komplizierte historische Argumentation sah in der Sprache des Konkreten so aus, dass die Franzosen und die Deutschen immer schon zentralisieren wollten, und die V4, also die Mitteleuropäer zusammen mit den Briten wollten das nicht bzw. sie wollten die souveränen, nationalstaatlichen Souveränitäten stärken. Diese beiden waren im Gleichgewicht, denn die Briten und die V4 waren dazu in der Lage, jedwede Zentralisierungsbestrebung zu verhindern. Deshalb konnte so etwas wie „Rechtsstaatlichkeitsverfahren“, „Konditionalität“ gar nicht auf die Tagesordnung gelangen, solange die Briten Mitglied waren, denn es gab immer unsere blockierende Minderheit, die Engländer und die V4 gemeinsam. Doch mit dem Austritt der Briten ist das vorbei und wir besitzen keine blockierende Minderheit mehr. Deshalb schreiten in diesem Moment die Zentralisierungsbestrebungen in einem schnelleren Tempo voran als jemals zuvor. Sie umgehen die Rechtsvorschriften, tricksen das Grunddokument aus und das, was wir schon im Kommunismus gesehen haben, wiederholt sich jetzt in Brüssel, das bezeichneten wir damals so: Das Recht wird zur Dienerin der Politik. Also gibt es in Brüssel keinen Rechtsstaat, das gibt es nur als eine Forderung gegenüber den Mitgliedsstaaten. Sie halten diese nicht ein, übertreten ihre eigenen Regeln und deuten sie je nach Belieben um. Ich habe an dem intellektuell äußerst spannenden Gespräch teilgenommen, als der Rat das Rule-Of-Law-Verfahren erschuf, ob man eine Kategorie als inneres politisches Instrument benutzen dürfe, dessen Definition der Grundvertrag nicht beinhaltet. Der nicht sagt, was das Rule Of Law ist, diesen Begriff nur hinwirft, dass es dies gibt, aber es nicht definiert. Keine einzige Rechtsvorschrift niedrigeren Ranges definiert das. Und von dem Punkt an ist das Rule Of Law eine Gummikategorie, man legt da hinein, was man politisch hineinlegen will. Sie legen es auch hinein. Jetzt zuletzt z.B. war eine der rechtsstaatlichen Beanstandungen gegenüber Ungarn, dass irgendeine Gerichts-, ich weiß nicht welche Körperschaft, weniger Quadratmeter an Büros besitzt als nötig. Das ist ein rechtsstaatliches Problem, dass den Grund dafür liefert, damit wir nicht jene Quellen erhalten, die im Übrigen Ungarn zustehen würden. Da sieht ja selbst der Blinde, dass das keine juristische Frage ist – dies ist eine einfache politische Frage. Zurückkehrend möchte ich also signalisieren, dass die Debatte über Sie, über die Erweiterung sich auch noch in diese größere Diskussion darüber eingliedert, wie die Zukunft Europa sein soll, zentralisiert oder dezentralisiert, und welche Schlachten selbst unter dem Vorwand der Erweiterung zwischen den diese Standpunkte vertretenden Ländergruppen geführt werden.
Wenn das die Situation ist, ich nehme an, Sie haben mich nicht hierher gerufen, damit ich mit allen möglichen schlechten Nachrichten diene, aber wenn wir ehrlich reden, dann ist das die Situation. Wir müssen eine Antwort auf die Frage finde, was man sinnvoll in so einer Situation machen kann. Und ich befürchte, da hat der Herr Kommissar vermutlich das meiste meiner Aufgabe übernommen, ich befürchte, er hat mir kaum noch etwas überlassen, denn meiner Ansicht nach muss man in solchen Situationen das tun, was er macht und was er empfiehlt. Und er empfiehlt, dass diese juristische Integration wichtig ist, wir sie nicht aufgeben sollen, sie vorantreiben sollen, doch gibt es eine Realintegration, die „real integration”, die er vertritt, und die besagt: „ Natürlich laufen diese Debatten in der Welt der hohen Politik, doch überblicken wir, welche konkreten, grundlegenden wirtschaftlichen Vorteile die Mitgliedschaft besitzt, und lassen wir an diesen wirtschaftlichen Vorteilen jene teilhaben, die noch nicht in der EU sind, doch schon auf dem Weg in sie hinein sind.“ Meiner Ansicht nach ist das eine gute Antwort auf diese Situation. In so einer unsicheren Situation muss man möglichst bestimmt und konkret bei der Festlegung der Ziele sein. Also unterstützt Ungarn jene Vorlage der Kommission, denn jetzt sprechen wir nicht mehr nur von der Meinung des Kommissars, sondern die Kommission hat ein Dokument, das aussagt, wir sollen möglichst schnell die Länder, die Kandidaten für den Beitritt sind, an den Vorteilen der Mitgliedschaft noch bevor sie als Mitglied beigetreten wären, teilhaben lassen.
Auch jetzt könnte ich lange darüber reden, welche Instrumente zur Verfügung stehen, ich nehme an, Herr Kommissar Várhelyi hat das bereits getan. Man kann den Markt auch dann öffnen, wenn jemand noch nicht Mitglied ist. Man kann das freie Strömen der Waren einleiten, man kann die freie Bewegung der Dienstleistungen und der Arbeit starten, man kann auch dann einen Zugang zur einheitlichen Eurozone erhalten, wenn man kein Mitglied ist. Den Warentransport auf den Straßen kann man erleichtern, die Energiemärkte, den Energiemarkt der Mitgliedsstaaten kann man auch in den großen, einheitlichen europäischen Energiemarkt integrieren, man muss die Möglichkeit des Anschlusses an den einheitlichen digitalen Markt anbieten, dies kann man auch unabhängig von der Mitgliedschaft tun und man müsste diese Länder auch in die industriellen Versorgungsketten eingliedern. Realintegration, während man natürlich die politisch-juristische Integration vorantreiben und für sie kämpfen muss. Meiner Ansicht nach ist das die gute Antwort auf diese Situation. Dies wussten wir auch früher schon, denn der Herr Kommissar arbeitet schon seit Jahren an diesem Paket und jetzt befinden wir uns doch schon an einer ernsthafteren Station als es dies nur Idee war, denn es gibt bereits ein Dokument der Kommission, das diesem Gedanken auch Finanzquellen zuordnet. Weniger als nach meinem Geschmack notwendig wäre, doch im Fall eines auf den Beitritt wartenden Landes ist eine Summe von einigen Milliarden Euro nichts, über das man so einfach hinwegsehen könnte. Ich erinnere mich, als Ungarn noch kein Mitglied war, galten diese Summen als ernsthafte Gelder. Ich unterstütze also die Vorlage der Kommission, dass wir für den Zeitraum zwischen 2024 und 2027 als das Wachstum unterstützendes Instrument den Kandidatenländern eine nichtrückzuzahlende Unterstützung von 2 Milliarden Euro geben sollen, und wir sollten ihnen einen ermäßigten Kredit in der Höhe von 4 Milliarden Euro geben. Und wenn dies erschöpft sein sollte, weil sie dies gut nutzen können, dann sollten wir dies verdoppeln. Gehen wir dem nach. Starten wir es. Und wenn es sich herausstellt, dass es funktioniert, dann sollten wir es füttern, stecken wir noch Geld hinein. Es stimmt, dass es gegenwärtig eine große Debatte um die Heranschaffung der finanziellen Quellen dessen gibt, denn dies ist nicht im Haushalt enthalten. Man kann sie durch budgetäre Umordnung schaffen, aber es wäre einfacher durch eine Haushaltsmodifizierung, sauber, die Summen hierhin adressiert umzugruppieren. Das bedeutet zusätzliche Einzahlungen, auch wir müssen mehr einzahlen, doch im Interesse solch eines Instruments zahlt Ungarn gerne ein und nimmt im Interesse Ihrer Integration eine finanzielle, eine nationale finanzielle Last auf sich. Das Gleiche kann ich über die Ukraine nicht sagen, für sie wollen wir keinerlei Lasten übernehmen, wir werden das auch nicht tun, doch im Interesse der Integration des Balkan sind wir bereit, selbst mehr in den Haushalt der Europäischen Union einzuzahlen oder sind bereit, einen Teil unseres bereits dort sich befindlichen Geldes an Sie umzuleiten, denn diese Integration, die Integration der südosteuropäischen Länder ist real, historisch notwendig und kann insgesamt eine zusätzliche Energie produzierende politische Operation sein, weshalb ich sie voll und ganz unterstütze.
Ich will nur sagen, dass obwohl es jetzt viele Zweifel gibt, es in den kommenden anderthalb Monaten auch blutige, zeitweilig vielleicht in schlechter Stimmung verlaufende, starke Debatten geben wird, ich im Namen der ungarischen Regierung sage ich, Sie können auf uns zählen, wir werden auf der Seite der südosteuropäischen Region, der europäischen Integration der Region des Westbalkan aushalten. Wir werden die Schaffung der hierzu nötigen Quellen unterstützen, wir übernehmen dabei auch eine Rolle. Und wir werden daran festhalten, dass nicht nur die historische Gerechtigkeit, nicht nur der nüchterne Verstand, sondern auch das perspektivische wirtschaftliche Denken es fordert, dass die südosteuropäische Region möglichst schnell ein vollberechtigtes Mitglied der Europäischen Union sein soll.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!