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Presseerklärung von Viktor Orbán auf der internationalen Pressekonferenz

Good afternoon, Ladies and Gentlemen. If you allow me, I would like to speak Hungarian. When we arrive to the question-answer section probably we can use the English as well.

Ich heiße Sie alle willkommen. Ich bin hier in Straßburg, um morgen dem Europäischen Parlament das Programm des ungarischen Ratsvorsitzes vorzustellen. Und wir dachten, da das übliche parlamentarische Gezänk und Geschubse morgen vom Wesentlichen des Programms des Ratsvorsitzes ablenken könnte, wäre es sinnvoll, wenn wir das Programm des ungarischen Ratsvorsitzes der internationalen Presse separat vorstellen könnten. Ich danke Ihnen, dass Sie uns mit Ihrem Interesse beehren.

Zunächst möchte ich Sie daran erinnern, dass Ungarn dieses Amt ab dem 1. Juli innehat. Es ist das zweite Mal, dass wir dieses Amt nach 2011 innehaben, es ist der zweite ungarische Ratsvorsitz, und es ist das zweite Mal, dass ich persönlich diese Arbeit leite, und ich habe bereits das dritte Datum in meinem Kalender eingetragen, denn Optimismus ist wichtig. Wenn ich an den ersten Ratsvorsitz zurückdenke, war das auch eine Zeit der Krise, mit den Nachwirkungen der Finanzkrise, man musste mit den Folgen des Arabischen Frühlings und auch der Katastrophe von Fukushima umgehen. Dies war also auch keine einfache Zeit, aber zusammenfassend kann ich Ihnen dennoch sagen, dass die Lage der EU heute viel ernster ist als 2011. Was sehen wir heute? Erstens tobt ein Krieg in der Ukraine, also in Europa. Im Nahen Osten gibt es schwere Konflikte, deren Auswirkungen wir spüren. Es gibt ernste Konflikte in Afrika, deren Auswirkungen wir ebenfalls spüren, und alle internationalen Konflikte drohen heute mit der Gefahr einer Eskalation. Die Migrationskrise hat Ausmaße erreicht wie seit 2015 nicht mehr. Die Bedrohungen der Sicherheit beinhalten die Gefahr, den Schengen-Raum zu lähmen und zu zerschlagen. Wenn ich Ihre Nachrichten richtig gelesen habe, waren es die Schweden, die heute angekündigt haben, dass sie die Schengener Freizügigkeitsregeln aussetzen werden. Und währenddessen Europa…

Vielleicht ist hier ein Satz der Erklärung für die ungarische politische Kultur nötig, denn Ungarisch ist eine direkte Sprache und die Kommunikation ist auch ziemlich rau. Aber wenn ein ungarischer Politiker zu einem anderen sagt, dass er ein Schurke ist, bedeutet das in unserer Kultur, dass ich mit Ihnen nicht übereinstimme.

Doch zurück zum Programm des ungarischen Ratsvorsitzes. Also in der Zwischenzeit verliert Europa inmitten von Migration und Kriegsdrohungen immer mehr von seiner globalen Wettbewerbsfähigkeit. Das sagt nicht der ungarische Ratsvorsitz, das sagt Mario Draghi. Ich zitiere aus seinem Bericht: „Europa droht eine langsame Agonie“. Herr Präsident Macron sagte vor ein paar Tagen, dass Europa sterben könnte, weil es aus seinen Märkten herausgedrängt wird. Im Vergleich zu Mario Draghi und Emmanuel Macron bin ich ein gemäßigter Ministerpräsident, aber ich selbst sehe den Rückgang der europäischen Wettbewerbsfähigkeit als die größte Herausforderung, vor der wir stehen. Dies wäre also die Situation, in der der ungarische Ratsvorsitz seine Arbeit verrichtet. Meine Aufgabe ist es in solchen Momenten, dem Europäischen Parlament vorzustellen, was Ungarn in dieser Situation vorschlägt. Der ungarische Standpunkt ist, dass wir diese Probleme nur überwinden können, wenn wir Änderungen vornehmen. Die Europäische Union muss sich also ändern. Und wir wollen durch die Arbeit unseres Ratsvorsitzes der Katalysator für diesen Wandel sein. Aufgrund der Größe des Landes kann der ungarische Ratsvorsitz nur Probleme ansprechen und Vorschläge unterbreiten. Wir sind also so groß wie wir groß sind, und die Deutschen und die Franzosen sind groß genug, um Probleme zu lösen. Wir können Probleme ansprechen, wir können Vorschläge machen, und es liegt an den europäischen Institutionen und den großen Staaten, Entscheidungen zu treffen.

Nach diesen Ausführungen möchte ich einige Worte zu den Zielen des ungarischen Ratsvorsitzes sagen. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Unser Wirtschaftswachstum ist seit zwei Jahrzehnten durchweg langsamer als das der Vereinigten Staaten oder Chinas. Unser Anteil am Welthandel ist rückläufig. Ein EU-Unternehmen muss zwei- bis dreimal so viel für Strom bezahlen wie ein US-Unternehmen und vier- bis fünfmal so viel für Gas. Unsere Unternehmen, die Europäer, geben nur halb so viel für Forschung und Entwicklung aus wie die Amerikaner. Und dann sind da noch die ungünstigen demografischen Trends. Und auch wenn ich verstehe, dass es eine Reihe von europäischen Regierungen gibt, die der Entvölkerung durch Migration entgegenwirken wollen, geht die Rechnung nicht einmal so auf, die Migration kann die fehlenden ungeborenen Kinder nicht ausgleichen. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass wir, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, damit rechnen müssen, dass das Wachstum des europäischen Bruttoinlandsprodukts zum ersten Mal nicht mehr durch einen stetigen Anstieg der Zahl der Arbeitskräfte unterstützt wird, was bedeutet, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Produktivität doppelt so wichtig ist wie zuvor, denn die Produktivitätssteigerung muss die Wachstumsrate in den USA übertreffen. Deshalb wollen wir, dass am 8. November in Budapest, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs informell zusammenkommen, ein neuer europäischer Pakt für Wettbewerbsfähigkeit verabschiedet wird. Wir befinden uns am Anfang des institutionellen Zyklus, am Anfang des Fünfjahreszyklus, und mit einem solchen Pakt könnten sich alle europäischen Staats- und Regierungschefs und Länder zu einer langfristigen, fünfjährigen Politik zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit verpflichten. Diese würde aus den folgenden Elementen bestehen. Verringerung des Verwaltungsaufwands. Verringerung der Überregulierung. Erschwingliche Energiepreise. Eine grüne Industriepolitik, was bedeutet, dass wir nicht nur einen grünen Übergang brauchen, sondern dass wir ihn auch mit einer europäischen Industriepolitik koordinieren müssen. Die Stärkung des Binnenmarktes. Die Beseitigung von Hindernissen für den Waren- und Dienstleistungsverkehr. Dem Draghi-Bericht zufolge werden wir allein durch diese Vorschriften 10 % des europäischen BIP verlieren. Wir schlagen eine Kapitalmarktunion vor, denn heute landen die Ersparnisse der Europäer in den Vereinigten Staaten, und der europäische Kapitalmarkt kann das Geld der Europäer nicht in Europa halten.

Und schließlich ist auch die Konnektivität Teil unseres Paktvorschlags. Es genügt, Sie auf die Absurdität der gerade heftig umstrittenen europäischen Entscheidung gegen chinesische Elektroautos hinzuweisen. Wir haben 27 Mitgliedstaaten, von denen 10 für die Einführung von Strafzöllen sind, 17 sind dagegen. Einige haben sich enthalten, einige haben mit Nein gestimmt, aber nur 10 haben dafür gestimmt. Und wenn ich mir die 10 Staaten anschaue, dann repräsentieren sie nur 45% der Gesamtbevölkerung der Europäischen Union, also auch die Mehrheit der Menschen ist nicht dafür. Und ich nenne die Situation absurd, weil ein Schutzzoll durchaus einen Sinn haben kann. Ich bin kein Doktrinär, ein vernünftiger Schutzzoll, dessen Folgen man sich ansieht, kann – wenn auch nur vorübergehend – sinnvoll sein. Aber es ist doch absurd, dass ein Schutzzoll, der eine bestimmte Branche schützen soll, von den europäischen Automobilherstellern, die durch diesen Schutzzoll geschützt werden sollen, abgelehnt wird, und die Kommission ihn trotzdem einführen will! Was ist das? Es ist kein Schutzzoll, es ist etwas anderes. Ein Schutzzoll ist jener, der unsere eigene einheimische Industrie schützt, die sich mit Händen und Füßen gegen diesen Schutz wehrt. Hier handelt es sich um etwas anderes, eher um eine Gewaltanwendung, und nicht um einen Schutzzoll.

In der Frage der Migration spricht sich der ungarische Ratsvorsitz für den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union aus. Die Verteidigung der Frontländer ist die Verteidigung von ganz Europa, ihre Arbeit sollte anerkannt und ihre Verteidigung unterstützt werden. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich seit geraumer Zeit fast bis zur Brust im politischen Blutbad der Migrationsdebatte stehe. Wir haben ja gleich zu Beginn einen Zaun gebaut und die Migration gestoppt. Und ich sage seit 2015 immer wieder das Gleiche, und ich sage es immer noch: Wir können alle möglichen Pakete und Migrationspakte und diese und jene Dimension ausprobieren, aber es gibt nur einen Weg, die Migration zu stoppen und unter Kontrolle zu bringen. Das Schlüsselwort hier, das Zauberwort, wie man heute sagt: innovative Lösung, ist der externe Hotspot. Jeder, der in das Gebiet der Union einreisen will, muss an der Grenze der Union anhalten, einen Antrag auf Einreise stellen, und solange dieser Antrag nicht positiv beschieden wurde, kann er nicht in das Gebiet der Union einreisen; wenn wir das nicht erreichen, werden wir die Migration niemals stoppen. Das ist der einzige Weg! Ungarn wird heute gerade dafür bestraft, dass es genau das tut. Wenn jemand in das Gebiet der Union eingereist ist und sich bereits dort aufhält, hat er Rechte, er hat die Rechte eines Unionsbürgers, er wird das Gebiet der Union nie wieder verlassen, auch wenn er keine Aufenthaltsgenehmigung hat. Und ich kenne keine Regierung, die solche Menschen gewaltsam zusammentreiben, in ein Fahrzeug stecken und sie dann aus dem Gebiet der Union abschieben will oder kann. Das wird niemals geschehen! Das ist eine Illusion! Die einzigen Migranten, die nicht hierbleiben werden, sind diejenigen, die wir nicht hereinlassen. Und die illegale Migration wird nur dann aufhören, wenn wir selbst jeden einlassen, den wir einlassen wollen, und zwar mit einer vorherigen Einreisegenehmigung und nicht mit der legalen Möglichkeit nach der Einreise. Deshalb werde ich seit 2015 ständig mal als Idiot für diese Position beschimpft und mal als böser Mensch. Sie lassen mir keine große Wahl, aber beachten Sie, dass am Ende jeder an diesem Punkt landen wird. Am Ende wird es einen Konsens in der Union darüber geben, dass wir externe Hotspots einführen müssen und nur noch diejenigen reinlassen dürfen, die vorher eine Genehmigung bekommen haben. Es ist offensichtlich, dass das Asylsystem der Union gegenwärtig nicht funktioniert, die illegale Migration in Europa hat zu einem Erstarken des Antisemitismus geführt, sie hat zu einem Erstarken der Gewalt gegen Frauen geführt und sie hat zu einer Zunahme der Homophobie geführt. Das ist die Folge der Migration. Da wir keine gemeinsame erfolgreiche Migrationspolitik haben, versuchen die Mitgliedstaaten, sich einzeln zu verteidigen; Österreich, Deutschland, jetzt Schweden, bei allem Respekt für den neuen französischen Innenminister, der es versucht, aber diese individuellen Versuche werden das Schengen-System tatsächlich zerstören. Wir brauchen eine große gemeinsame Entscheidung, und hier ist ein Vorschlag des ungarischen Ratsvorsitzes. Der Vorschlag des ungarischen Ratsvorsitzes lautet, dass wir ein System von Schengen-Gipfeln nach dem Vorbild des Eurosummits einführen sollten. So wie sich die Staats- und Regierungschefs der Länder der Eurozone regelmäßig treffen, sollten dies auch die Staats- und Regierungschefs der Schengen-Länder tun, und so wie sie den Euro verwalten, sollten wir auch die Schengen-Grenzen gemeinsam auf höchster politischer Ebene verwalten.

Das dritte wichtige Thema des ungarischen Ratsvorsitzes, nach Wettbewerbsfähigkeit und Migration, ist die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir schlagen Schritte zur Schaffung einer europäischen Verteidigungsindustrie und zur Stärkung der technologischen Basis vor. Auch dies wird am 7. November in Budapest diskutiert werden.

Der vierte wichtige Punkt für unseren Ratsvorsitz ist die Erweiterungspolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Europa wird ohne die Integration der Balkanländer niemals vollständig sein. Vor zwanzig Jahren haben wir den Ländern des westlichen Balkans versprochen, dass wir sie aufnehmen werden. Es wäre an der Zeit, dieses Versprechen einzulösen. Aus diesem Grund hat der ungarische Ratsvorsitz auch ein Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den westlichen Balkanstaaten einberufen. Der westliche Balkan umfasst mehrere Länder, und die Erweiterung muss auf der Grundlage von Leistungen erfolgen, aber erlauben Sie mir eine geopolitische Bemerkung. Ohne Serbien wird es keine erfolgreiche Erweiterung geben. Die Länder des westlichen Balkans können also nicht ohne Serbien integriert werden. Jeder, der glaubt, dass dies möglich ist, gibt sich Illusionen hin. Serbien ist ein Land von solchem Gewicht, solcher Kraft und derart bestimmend, dass der Balkan ohne Serbien nicht zu stabilisieren ist. Deshalb müssen wir auch eine Einigung mit Serbien erzielen, und wir wollen während des ungarischen Ratsvorsitzes dort Fortschritte erzielen.

Der ungarische Ratsvorsitz spricht auch über die Landwirtschaft. Der Grund dafür ist, dass wir, obwohl wir uns erst in der Mitte des aktuellen siebenjährigen Haushaltszeitraums 2021-2027 befinden, bereits mit der Planung des Haushalts und seiner Ausrichtung für die sieben Jahre nach 2027 begonnen haben. Und wir haben damit begonnen, die Richtung der Agrarpolitik für den nächsten Siebenjahreshaushalt festzulegen. Ungarn will sich auch während seiner Präsidentschaft an dieser Debatte beteiligen, damit wir eine wettbewerbsfähige, krisenfeste und bauernfreundliche europäische Landwirtschaft schaffen können.

Meine Damen und Herren!

Das ist die Essenz des ungarischen Ratsvorsitzes. Wenn wir all dies erreichen, wird auch das Motto des ungarischen Ratsvorsitzes Wirklichkeit: Make Europe Great Again!

Das sind unsere Pläne. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben und stehe Ihnen gerne zur Verfügung.

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