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Interview mit Viktor Orbán für die französische Wochenzeitung Le Point

Emmanuel Berretta és Charles Sapin.

Viktor Orbán hat die Angewohnheit, freitags aus der Routine der Machtausübung auszubrechen, andere Menschen zu treffen, andere Meinungen zu hören und andere Erfahrungen zu sammeln. An diesem Freitag, dem 24. Mai, wird er vor der Residenz des Ministerpräsidenten, dem Karmeliterkloster, einen großen Mann, Evander Holyfield, „einen ehemaligen amerikanischen Boxer, zu seinem Auto hinausbegleiten. Erinnern Sie sich? Das ist der, dem Mike Tyson das Ohr abgebissen hat…“, sagte er und ahmte den ehemaligen Schwergewichtsweltmeister nach. Zwei Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament bereitet sich Viktor Orban ebenfalls darauf vor, die Boxhandschuhe anzuziehen. Zunächst, um Péter Magyar, seinen neuesten Rivalen in Ungarn, k.o. zu schlagen, dann, um Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, die eine zweite Amtszeit anstrebt, auf den Boden zu schicken, und schließlich, um die rotierende Präsidentschaft des Europäischen Rates für sechs Monate zu stellen. Vor allem hofft er darauf, dass eine politische Supergruppe von Nationalisten und Souveränisten entsteht, die dann im Europäischen Parlament genügend Gewicht haben wird.

Welche Prioritäten wird Ungarn ab dem 1. Juli haben, wenn es den rotierenden Vorsitz in der Europäischen Union übernimmt?

Beginnen wir damit, dass wir zunächst diejenigen in Europa beruhigen sollten, die sich vor dieser Aussicht fürchten. Da wir bereits die rotierende Präsidentschaft innehatten, sollten wir die Bedeutung dieser Rolle nicht überschätzen. Es ist die Rolle eines ehrlichen Vermittlers, nicht die eines echten Leiters. Die Prioritäten des ungarischen Ratsvorsitzes sollten für uns alle ein Programm vorgeben. Ich möchte fünf von ihnen hervorheben. Die allererste davon ist auch die Migrationsfrage. Wir sind mit dem derzeitigen Pakt nicht einverstanden, weil wir mehr Migranten aufhalten wollen, als der Pakt zulässt. Zweitens wollen wir eine rationale Debatte über unsere Beteiligung am Krieg zwischen der Ukraine und Russland führen. Es reicht nicht, zu sagen: „Wladimir Putin darf nicht gewinnen.“ Wir brauchen eine Schätzung darüber, was uns dieses Engagement kostet, und wir müssen unsere Zielsetzungen klären. Drittens: Die Europäische Union hat uns lange Zeit versichert, dass eine ökologische Ausrichtung nicht im Widerspruch zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit steht, sondern im Gegenteil deren Stärkung ermöglicht. Es ist jedoch offensichtlich, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir müssen den grünen Übergang neu überdenken, bevor er unsere Industrie zerstört. Der vierte Punkt ist, dass wir die europäischen Verteidigungsfähigkeiten verbessern müssen. Wenn unsere Sicherheit hauptsächlich von den Amerikanern gewährleistet wird, werden wir niemals eine echte strategische Autonomie erlangen. Schließlich und als letzter Punkt sollten die europäischen Länder ihre bewährten Verfahren zur Bewältigung der demografischen Krise untereinander austauschen, abgesehen von der Einwanderung. Wir müssen uns daran erinnern, dass die Hauptursache unserer demografischen Probleme der Krieg ist [aber bei weitem nicht die einzige Ursache, Anm. d. Red.]. Ohne die beiden Weltkriege und den Tod von Millionen junger Europäer und Christen in den Kriegen gäbe es jetzt keine demografische Krise in Europa.

Die Meinungsumfragen deuten auf einen Durchbruch der nationalistischen Kräfte auf dem gesamten europäischen Kontinent hin. Was wird sich Ihrer Meinung nach bei den aktuellen Wahlen zum Europäischen Parlament ändern?

Diese Wahlen sind von historischer Bedeutung. In zehn Jahren werden wir wahrscheinlich so auf sie zurückblicken, dass sie darüber entschieden haben, ob Europa in Frieden oder im Krieg leben wird. Weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg wurde sofort als ein die Welt umspannender Krieg angesehen. Der Krieg 1914-1918 wurde zunächst als dritter Balkankrieg gesehen, und der Krieg 1939-1945 wurde zunächst als deutsch-polnischer Krieg angesehen… Abgesehen davon, wie viele Sitze diese oder jene Partei gewinnt, ist es meiner Meinung nach am wichtigsten, wie viele Abgeordnete bereit sein werden, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen, und wie viele sich für die Beendigung des Krieges aussprechen werden. Neben dem Sieg der den Frieden befürwortenden Abgeordneten hoffe ich auch, dass sich mehr souveränistische Abgeordnete als bisher dann ein Europa der Nationen unterstützen werden. Ich weiß nicht, ob es gelingen wird, einen Durchbruch zu erzielen, das müssen die Völker entscheiden. Was ich jedoch weiß, ist, dass die Zukunft des europäischen souveränistischen Lagers, wie die der gesamten Rechten im Allgemeinen, heute in den Händen von zwei Frauen liegt. Alles hängt von der Fähigkeit der Französin Marine Le Pen und der Italienerin Giorgia Meloni ab, zusammenzuarbeiten. Wenn sie einen Weg finden, in einer einzigen Fraktion oder in einer Koalition zusammenzuarbeiten, werden sie zu einer europäischen Kraft werden. Die Anziehungskraft ihrer Zusammenarbeit wird sehr groß sein. Sie könnte ausreichen, um die europäische politische Rechte umzugestalten und sogar die Europäische Volkspartei [d.h. die EVP, die heute die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament ist, Anm. d. Red.] in den Schatten zu stellen, über die die Deutschen die vollständige Kontrolle übernommen haben: Praktisch handelt es sich dabei um eine deutsche Fraktion.

Werden die gewählten Abgeordneten von Ihrer Partei Fidesz der ECR, der Fraktion von Giorgia Meloni, beitreten, wie Sie es in Le Point im vergangenen Dezember angekündigt haben?

Ja, das steht auch weiterhin noch auf der Tagesordnung. Aber die Geschichte, die jetzt in Großbuchstaben geschrieben wird, könnte alles ändern. Bislang war das Haupthindernis für eine Zusammenarbeit zwischen der ECR-Fraktion und der Partei Identität und Demokratie (ID) von Marine Le Pen die Präsenz der deutschen Extremisten der AfD. Dieses Hindernis ist nun nach dem Ausschluss der AfD aus der Fraktion beseitigt. Ich hoffe, dass Giorgia Meloni und Marine Le Pen einen Weg finden werden, unmittelbar nach den Wahlen miteinander zu verhandeln. Natürlich werden wir auch die Kraft, die Energie und den Schwung der gewählten Fidesz-Vertreter nutzen, um die richtige Zusammenarbeit aufzubauen. Wir würden gerne mit Fidesz der ECR anschließen, aber wir müssten auch wissen, wie das Verhältnis zur französischen Partei Nationaler Zusammenschluss (Rassemblement National) einerseits und zur EVP andererseits sein wird. Was wir brauchen ist, dass die Rechte die Ansichten der rechten Wähler reflektieren und einsammeln sollte, damit nicht eine Situation entsteht, in der die EVP weiterhin rechte Wähler um sich schart und sie dann täuscht, indem sie mit der Linken zusammenarbeitet. Diese Fragen müssen nach den Europawahlen geklärt werden.

Was halten Sie von Giorgia Melonis Kehrtwende im Zusammenhang mit der Europäischen Union? Ist sie für Sie inspirierend oder finden Sie sie bedauerlich?

Sie hatte eine sehr schwierige Aufgabe. Unmittelbar nach ihrer Wahl wurde sie beschuldigt, eine Extremistin zu sein, die Werte der EU nicht zu respektieren… Ein bisschen so wie uns hier oder die vorherige polnische Regierung. Man startete eine Reihe von politischen Angriffen gegen sie, deren Ziel es war, sie umzubringen. Aber sie überlebte es und stellte die italienischen Positionen klar. Heute respektiert jeder ihre rechtsgerichtete Regierung, die auf christlichen Werten basiert, eine Anhängerin der Demokratie ist und für europäische Werte kämpft. Dies ist eine große Herausforderung für die Linke. Der Ruhm, den sie sich in Italien und in der Europäischen Union durch die Schaffung einer neuen Rechten erworben hat, nötigt mir großen Respekt ab.

Stellt Ihrer Ansicht nach Wladimir Putin die größte Bedrohung für Europa dar, oder glauben Sie, wie Marine Le Pen, dass die größte Bedrohung die Schaffung eines „europäischen Superstaates“ unter Führung der Kommission wäre?

Die NATO ist sehr stark, Europa ist militärisch nicht in Gefahr. Die größte Gefahr besteht meiner Meinung nach auch weiterhin in der ideologischen Steuerung der Europäischen Union. In Brüssel und in vielen anderen Mitgliedstaaten ist die Vorstellung weit verbreitet, dass es wichtiger ist, bestimmten Prinzipien oder bestimmten politischen Werten zu dienen als dem Volk. Das ist seltsam. Für mich hat der Dienst an den Interessen unserer Nationen Priorität, aber andere führende Politiker der Europäischen Union betrachten dies als Populismus. Sie ziehen es vor, die ‘offene Gesellschaft’ zu verteidigen, die Vorstellung, dass nationale Werte oder Identität, traditionelle Familienwerte, ganz zu schweigen von christlichen Werten, inakzeptabel sind… Das ist die Ideologie von George Soros. Ich hoffe, dass diese Europawahlen es uns ermöglichen werden, dieser Falle zu entkommen, vor allem dank der Koalition, die zwischen der italienisch dominierten ECR-Fraktion und der französisch dominierten ID-Fraktion gebildet werden wird.

Was würden Sie aus der jüngsten Rede von Emmanuel Macron an der Sorbonne hervorheben?

Der französische Präsident ist ein Politiker, den man nirgendwohin einordnen kann. Ich versuche, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, indem ich mit ihm eingehende Debatten führe, insbesondere über philosophische Fragen. Er glaubt an eine progressive und liberale Zukunft für Europa, was für mich nicht zutrifft. Im Gegenteil, ich sehe darin eine Bedrohung. Ich glaube, dass die einzige stabile Grundlage für die Zukunft Europas die Rückkehr zu christlichen Werten ist. Deshalb sind meine Ansichten mit Macron diametral entgegengesetzt. Gleichzeitig hat er einen großen Einblick in die historischen Dimensionen der Dinge, was nur sehr wenige europäische Politiker von sich behaupten können. Das wird es uns ermöglichen, unsere Differenzen zu erörtern und einige Themen zu identifizieren, bei denen wir uns einig sind, wie die Kernenergie, die Wettbewerbsfähigkeit Europas oder die Frage unserer strategischen Autonomie… Es dauert nur doppelt so lange wie bei anderen europäischen Staats- und Regierungschefs (Lachen).

Die konservativen Abgeordneten der EVP schlagen die Schaffung einer integrierten europäischen Streitmacht vor, die zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Cyberspace operieren soll. Halten Sie das für eine gute Idee?

Natürlich gehört auch dies zu den guten Ideen. Ich unterstütze die Idee, unsere europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu verbessern. Aber wir müssen realistisch sein und schrittweise vorgehen. Wenn wir uns zu ehrgeizige Ziele setzen, gefährdet das eine gute Idee. Der erste Schritt besteht darin, eine militärisch-industrielle Zusammenarbeit aufzubauen. Dann müssen wir entscheiden, ob wir einen eigenen europäischen Pfeiler innerhalb der NATO wollen. Die Finanzierung dieser Verteidigungskapazitäten ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, aber die nationalen Haushalte stehen unter großem Druck seitens der Europäischen Kommission. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Armeen unter Ausschluss der Amerikaner könnte in Erwägung gezogen werden, aber das wird Zeit brauchen.

Unterstützen Sie die von Emmanuel Macron vorgeschlagene gemeinsame Kreditaufnahme zur Finanzierung der Verteidigungsanstrengungen?

Die Idee einer gemeinsamen Verschuldung gefällt uns überhaupt nicht. In Ungarn sind wir bereit, unsere militärischen Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Verschuldung schafft eine gefährliche Abhängigkeit. Das Problem der europäischen Politik ist, dass viele Staats- und Regierungschefs eine Abhängigkeit von der gemeinsamen Verschuldung entwickelt haben. Verschuldung bedeutet, dass wir mehr Geld ausgeben als wir einnehmen. Das ist eine sozialistische Idee. Viele Menschen stellen sich vor, dass die europäischen Schulden schwerelos sind, dass sie nur von fernen, zukünftigen Generationen zurückgezahlt werden müssen… Aber Geld wächst nicht auf Bäumen. Ich bin kein Sozialist, ich bin kein Kommunist: Wenn ich über Geld spreche, lege ich das Geld auch tatsächlich auf den Tisch.

Sie stimmen mit Bundeskanzler Scholz überein, einem führenden sozialistischen Politiker, und nicht mit Emmanuel Macron…

Bundeskanzler Scholz war auch Finanzminister, er weiß, dass es um Geld geht. Er mogelt nicht.

In Frankreich hat Valérie Hayer, die Listenführerin von Präsident Macron, im laufenden Europawahlkampf gesagt: „Viktor Orban ist der größte Erpresser Europas.” Ist dies auf Ihr Veto zurückzuführen, insbesondere in Bezug auf die Ukraine. Was ist Ihre Antwort darauf?

Ich hoffe, dass es in Frankreich mehr begabte Politiker gibt, die fähig sind zu verstehen, dass die europäische Politik keine Frage der Erpressung ist. Es geht nur darum, dass jeder Mitgliedstaat das Recht hat, seine Interessen zu verteidigen. Wenn Ungarn von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch macht, übt es ein Recht aus, das das Wesen der Europäischen Union ist. Was die Ukraine betrifft, so muss ich Sie daran erinnern, dass die ukrainische Führung 2015 die Regelungen für die Minderheiten abgeschafft hat. Diese Entscheidung hat sich sehr negativ auf die Menschen ausgewirkt, die seit tausend Jahren in diesem Gebiet leben. Sie sind keine Migranten. Zweifellos haben die ukrainischen Behörden mit ihren Maßnahmen hauptsächlich auf die russische Minderheit abgezielt, aber alle Minderheiten haben unter dieser Entscheidung gelitten. Wir haben darum gebeten, dass die europäischen Minderheiten, einschließlich der ungarischen Minderheit, in der Ukraine anders behandelt werden. Wir wollen, dass die Situation von 2015 vollständig wiederhergestellt wird, und wir verlangen nicht mehr und nicht weniger. Die ukrainischen Behörden haben unseren Antrag abgelehnt.

Werden Sie schließlich der tatsächlichen Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zustimmen?

Die erste Frage ist, ob die Ukraine angesichts der Zerstörungen des Krieges auch in der Zukunft noch als lebensfähiger Staat funktionieren wird. Unsere moralische Verantwortung besteht darin, dass wir die Ukraine in diesen Konflikt hineingedrängt haben, indem wir ihr Unterstützung versprochen haben, ohne eine klare Vision zu haben. Wenn wir so weitermachen, wird die Ukraine in ihr Verderben rennen. Unter diesen Bedingungen wäre es noch zu früh, über den Beitritt zu verhandeln. Zunächst müssen wir klären, wo die Grenzen der Ukraine liegen und wie groß ihre Bevölkerung ist.

Ungarn sieht im Gegensatz zu vielen anderen die Erweiterung auf dem Balkan nicht als Last, sondern als Chance. Welche Reformen sind auf dem westlichen Balkan erforderlich, einschließlich des Beitritts von Serbien?

Im Gegensatz zu vielen anderen sieht Ungarn die Erweiterung auf dem Balkan nicht als Last, sondern als Chance. Sie müssen so schnell wie möglich wirtschaftlich integriert, in Großprojekte eingebunden und ihr Beitritt zum Schengen-Raum verhandelt werden. Institutionelle Schwierigkeiten können am Ende des Prozesses gelöst werden, nicht am Anfang. Wir kennen Serbien gut, ein Land mit 7 Millionen hart arbeitenden Menschen, die sich modernisieren wollen, wie wir es getan haben. Ihre Integration ist in unser aller Interesse.

Wen würden Sie gerne im Präsidium der Europäischen Kommission sehen?

Ich nehme an, Sie würden gerne Namen von mir hören, aber leider ist es noch zu früh, um Namen zu nennen.

Der Italiener Mario Draghi zum Beispiel, der Präsident der Europäischen Zentralbank war?

Er ist ein ehrenwerter Mann. Was wir tun müssen, ist, die derzeitige Führung loszuwerden, die die schlechteste Kommission ist, die ich jemals gesehen habe. Sie haben nicht ein einziges ihrer Versprechen in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Sanktionen, Einwanderung, Erweiterung usw. gehalten. Wenn wir in einem demokratischen System unsere Versprechen nicht einhalten, gehen wir. Es ist noch zu früh, Namen zu nennen, aber der nächste Präsident sollte jemand sein, der mehrere Jahre lang Ministerpräsident war. Mit seiner auf diese Weise erworbenen soliden Erfahrung wird er in der Lage sein, mit ernsten und wichtigen Themen wie Krieg, Wettbewerbsfähigkeit und Einwanderung umzugehen.

Sind Sie mit der Nominierung des Niederländers Mark Rutte als NATO-Generalsekretär einverstanden?

Die Verhandlungen zu diesem Thema laufen noch, aber Mark Rutte hat einige Aussagen gemacht, die für uns problematisch waren. Er hat einerseits gesagt, dass Ungarn die EU verlassen sollte, und andererseits, dass wir in die Knie gezwungen werden sollten. Das ist nicht der beste Weg, um unsere Unterstützung zu gewinnen.

China ist ein sehr großer Investor in Ungarn, es holt gegenüber Deutschland auf. Warum treten Sie nicht den BRICS bei, wenn Europa Ihnen so viele Probleme bereitet?

Wir bleiben in der EU, weil 75 Prozent unserer Exporte in den einheitlichen Binnenmarkt gehen. Er ist für unsere offene Wirtschaft mit 10 Millionen Menschen lebenswichtig. Wir sind Teil des Westens, auch wenn wir aus dem Osten kommen. Dennoch haben wir eine originelle Strategie, um die Zusammenarbeit zwischen Spitzentechnologien aus dem Osten und dem Westen zu entwickeln, zum Beispiel zwischen einer chinesischen Batteriefabrik auf demselben Gelände und einem BMW-Werk. Ungarn hat ein einzigartiges Potenzial, eine Brücke zwischen Ost und West zu bilden.

Sie haben mit Péter Magyar, der aus dem Fidesz, Ihrer Partei, kommt, einen neuen Gegner. Er hat Ihre rechte Hand, Antal Rogán, angegriffen, den er beschuldigt, im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Laut Meinungsumfragen sind 24-26% der Wähler bereit, Péter Magyar ihre Stimme zu geben, obwohl ihn zu Beginn des Jahres noch niemand kannte. Haben Sie Angst vor diesem neuen Gegner, einem neuen Herausforderer aus den eigenen Reihen?

Die Geschichte ist immer die gleiche. Da ich seit mehr als dreißig Jahren in der Politik tätig bin, habe ich schon viele Leute kommen und gehen sehen. So sehr, dass ich mich nicht einmal mehr an die Namen der Gegner erinnern kann, gegen die ich antreten musste. Warten wir ab und lassen wir die Ungarn wählen und über die Zukunft entscheiden.

Hätten Sie sich vorstellen können, dass die Scheidung von Judit Varga, Ihrer ehemaligen Justizministerin, und ihrem Mann Péter Magyar in der ungarischen Politik so viel Staub aufwirbeln würde?

Wissen Sie, es ist immer peinlich, wenn es um das Privatleben einer öffentlichen Person geht. In diesem speziellen Fall geht es um eine ehemalige Justizministerin, die eine der talentiertesten Politikerinnen ist, die ich je kennen gelernt habe. Es ist schwer vorstellbar, dass die Ungarn jemandem vertrauen, der ein Gespräch mit seiner Frau ohne ihr Wissen aufgezeichnet und die Aufnahme dann für politische Zwecke verwendet hat. Ich kann mir das nicht vorstellen, denn Ungarn ist ein seriöses Land.

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