Zsolt Törőcsik: Viktor Orbáns Friedensmission wurde im Vatikan fortgesetzt, wo der ungarische Ministerpräsident auch mit Papst Franziskus über die Möglichkeiten des Friedens konsultiert hat. Ich frage unseren Studiogast, Ministerpräsident Viktor Orbán, auch nach den möglichen Ergebnissen des Besuchs vom Mittwoch. Guten Morgen!
Einen schönen guten Morgen wünsche ich! Der Begriff „Konsultation“ ist vielleicht unzutreffend, denn man kann den Heiligen Vater nicht konsultieren. Der offizielle Wortlaut lautet, dass er die Staatsoberhäupter der Welt in einer Audienz empfängt, und das ist der genaue Wortlaut, es gibt keine Gleichheit, und eine Konsultation würde das voraussetzen. Hier ist es anders, denn die Staatsoberhäupter treffen sich doch mit dem geistlichen Oberhaupt der christlichen Welt, so wie ich es getan habe, und das auch noch in der Adventszeit, was die geistliche, spirituelle Kraft und den Charakter solcher Treffen noch verstärkt. Und währenddessen sitzen wir hier, leben im Schatten des Krieges, und ich sehe, dass im Zentrum des Denkens der vatikanischen Diplomatie – jetzt auch des Heiligen Vaters –, im Zentrum des Denkens über die Welt die Frage von Krieg und Frieden steht, also habe ich mich an den besten Ort begeben, um eine Bekräftigung zu erhalten.
Wie stark kann der Vatikan im Übrigen als Verbündeter im Kampf um den Frieden sein?
Zwischen Ungarn und dem Vatikan besteht ja ein Bündnis, das mehr als tausend Jahre zurückreicht, wenn ich das so sagen darf. Ungarn konnte sich immer auf die katholische Kirche verlassen, auf den Vatikan nicht immer, hier können wir uns an die Verteidigungskämpfe erinnern, als manchmal Hilfe kam und manchmal nicht, aber im spirituellen, im geistigen Sinn auf jeden Fall. Und auch jetzt, nach dem Gespräch oder der Audienz mit dem Heiligen Vater, habe ich mich mit den Staatslenkern getroffen, denn der Vatikan ist auch ein Staat, er hat Staatslenker, und der Heilige Vater steht über ihnen, er hat einen Ministerpräsidenten und einen Außenminister, wie alle Staaten, und da kann man schon verhandeln. Es gab dort also eine echte Diskussion, teils über internationale Angelegenheiten, teils über die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Ungarn, bei der wir die beruhigende Bestätigung erhielten, dass Ungarn sich weiterhin auf die katholische Kirche und ihren Sitz in Rom verlassen kann, nicht nur in Fragen des Friedens, sondern auch in allen Bereichen, in denen die katholische Kirche helfen kann: bei der Sorge um die Armen, die Alten, die Kranken und bei der Erziehung der jungen Menschen. Und hier haben wir eine hervorragende Zusammenarbeit, die schon lange zurückreicht, denn nach dem Systemwechsel wurde ein zwischenstaatliches Abkommen zwischen dem Vatikanstaat und Ungarn geschlossen, das die Situation der katholischen Kirche in Ungarn regelte, und wir haben dann die Situation der anderen protestantischen Kirchen auf analoge Weise geregelt, und so ist die Situation entstanden, die wir heute haben, wo wir alle unseren historischen Kirchen dankbar sein können, die eine extrem schwere Last des gemeinsamen Lebens der ungarischen Nation auf sich nehmen.
Wenn wir auf den russisch-ukrainischen Krieg zurückkommen, können wir jetzt eine Dualität erkennen, denn es wird immer mehr von Frieden gesprochen, sei es vom ukrainischen Präsidenten, vom Kreml oder von künftigen amerikanischen führenden Politikern. Gleichzeitig erhöht der Westen die Waffenlieferungen an Kiew, der neue Hohe Vertreter in der EU für Außen- und Sicherheitspolitik oder die deutsche Außenministerin sprechen darüber, dass das Erscheinen europäischer Truppen, von Friedenstruppen nicht auszuschließen ist. Welchem Umstand ist diese Dualität zu verdanken und was kann damit die Diplomatie, die nach Frieden strebende Diplomatie anfangen?
Dies ist eine seltene Situation, denn es gibt zwei US-Präsidenten. Und in diesem Krieg, der sich in der Ukraine abspielt, ist Amerika einer der Hauptakteure. Ohne Amerika würde es diesen Krieg nicht geben. Ohne Amerika wäre dieser Krieg schon lange zu Ende. Ohne Amerika, ohne Amerikas Teilnahme, wäre die Ukraine nicht in der Lage, Widerstand zu leisten. Die amerikanische Präsenz in der europäischen Sicherheit ist also seit dem Zweiten Weltkrieg eine unausweichliche Tatsache. Wenn wir also an Amerika denken, das unser Verbündeter ist, dann müssen wir daran denken, dass es eine unverzichtbare Rolle im europäischen Sicherheitssystem spielt. Wenn sie also hier jetzt plötzlich ihre Sachen packen und nach Hause gehen würden, was immer eine offene, offene Möglichkeit ist, auf die andere Seite des großen Teiches und Europa über Nacht verlassen, alles stehen und liegen lassen würden, um es stilgemäß auszudrücken, dann würde in diesem Moment ein Sicherheitsvakuum entstehen. Jetzt sprechen wir natürlich von Krieg, denn das macht unser aller Herzen schwer. Die zahllosen, die vielen hunderttausend Opfer, die Witwen, die Waisen, alles, was mit dem Krieg und nach dem Krieg kommt, nimmt auch uns mit, auch wenn nicht wir, Ungarn, darunter leiden, sondern die Menschen in Subkarpatien sind betroffen, aber es ist vor allem doch die ukrainische Volksgruppe, die darunter leidet, was doch eine schreckliche Sache ist. Der Krieg ist auch im Allgemeinen schrecklich, aber hier an unseren Grenzen, und in einem Nachbarland ist er doppelt so schlimm, er ist nah, so dass der Atem von Tod und Zerstörung uns hier in Ungarn erreicht und sich auf die Landschaft legt. Auch wollen wir uns davon befreien. Aber wenn dieser Krieg auf die eine oder andere Weise zu Ende ist, wird man nicht einfach nur einen Waffenstillstand abschließen müssen, obwohl das der erste Schritt sein muss, sondern eine Regelung der Sicherheitslage von Europa. Russland hat sich auch verändert, es ist in diesem Krieg sehr stark geworden, die Ukraine hat sich auch verändert, sie ist sehr schwach geworden. Europa hat sich militärisch als äußerst schwach erwiesen, wir haben nicht einmal die Ausrüstung und die Munition, die man sonst in einem Konflikt mit den Russen braucht. Wir haben nicht einmal das Geld, um in den Krieg zu ziehen, also haben sich alle Zeichen der europäischen Schwäche gezeigt. Folglich werden wir nach dem Krieg über eine vollständige Neuordnung Europas nachdenken müssen, die die Sicherheit der europäischen Länder garantiert und auch den Platz Amerikas in diesem europäischen Sicherheitssystem definiert. Dies wird eine komplexe, lange Reihe von Verhandlungen sein, die noch vor uns liegt, eine Aufgabe für die nächsten ein oder zwei Jahre. Im Moment müssen wir uns noch auf den Waffenstillstand konzentrieren, und nicht auf die bevorstehende Friedenskonferenz. Was Sie nun sagen, dass die Tatsache, dass es in der Zwischenzeit zwei US-Präsidenten gibt, von denen einer für den Krieg und einer für den Frieden ist, das sorgt für Verwirrung. Jeder weiß also, dass Herr Präsident Trump kommen wird und dass er versuchen wird, Frieden zu schaffen. Und hier haben wir einen amtierenden US-Präsidenten, der, seien wir ehrlich, von den Soros-Leuten, von internationalen Machtgruppen wie George Soros, unterstützt wird, der den Krieg ausweiten und die Hilfe erhöhen will. Und auch hier geschehen auch Dinge, die wir nicht ohne einen Ton zu sagen ignorieren sollten, weil sie eines Tages auch uns betreffen könnten. Die Tatsache, dass der US-Außenminister von der anderen Seite des großen Teichs aus, aus Sicherheit und Komfort heraus, sagt, dass es für die Ukrainer jetzt schon an der Zeit sei, das Alter für die Wehrpflicht zu senken, denn es liegt bei 25 Jahren, ich glaube, sie haben mit 27 Jahren angefangen, und jetzt liegt die Untergrenze bei 25 Jahren, und diese sollen sie schön auf 18 Jahre senken, das heißt, mehr junge Ukrainer sollen sterben, und das wird von drüben aus, ich muss sagen, auf eine unverschämte Weise der Welt ins Gesicht gesagt, dies zeigt doch, dass es höchste Zeit für eine Veränderung in Amerika war. Also die Ukrainer, die Armen, sitzen also in der Falle, sie befinden sich in einer schwierigen Situation, ich glaube, sie haben auf das falsche Pferd gesetzt, sie haben die falsche Strategie gewählt, irgendwann um den April 2022 herum, als sie die Möglichkeit hatten, ein Friedensabkommen oder ein Waffenstillstandsabkommen mit den Russen zu schließen. Das haben sie auf angelsächsischen Druck hin nicht getan, und seitdem werden sie von dem Strudel des Krieges immer tiefer hinuntergezogen, aus dem sie nur sehr schwer den Weg hinausfinden, und in der Zwischenzeit bekommen sie so gute Ratschläge von ihren Freunden in Amerika. Die ganze Situation ist also absurd. Aber die Wurzel des Ganzen ist letztendlich, dass es zwei US-Präsidenten gibt, und diese Periode wird bis zum 20. Januar dauern, wenn der eine abtritt und der andere offiziell eintritt, und dann, denke ich, werden die Dinge geglättet, vereinfacht, handhabbar sein, aber bis dahin wird es dieses Gefühl und die internationale Situation von „wir sind gleichzeitig nahe am Frieden, aber wir sind in einer schwierigen, gefährlichen Situation“ geben.
Neben dem russisch-ukrainischen Krieg gibt es noch ein weiteres Thema, das Ungarn und der europäische bzw. westliche Mainstream unterschiedlich sehen, und das ist die Migration. Anfang dieser Woche hörte das Fidesz-Präsidium einen Bericht von Europaabgeordneten. Wie schätzen Sie jetzt das Ausmaß des Konflikts zwischen Budapest und Brüssel in der Migrationsfrage ein?
Vorgestern habe ich nicht nur den Heiligen Vater getroffen, und ich habe nicht nur mit den Chefs der Diplomatie im Vatikan gesprochen, sondern auch mit der italienischen Ministerpräsidentin. Und unser Hauptthema war die Migration. Natürlich: Krieg, Frieden, aber auch die Migration. Da sind wir nämlich einer Meinung, die Italiener und wir. Sowohl die neue konservative italienische Regierung als auch die ungarische Regierung lehnen jede Form von Migration entschieden sowie nachdrücklich ab und wollen die Politik in Brüssel stoppen und ändern. Aber wir müssen dieses Migrationsproblem in einen größeren Zusammenhang stellen, denn in dieser Woche sind in der diplomatischen Hauptstadt Europas, Brüssel, wichtige Dinge geschehen. Dort ist nämlich eine Koalitionsregierung gebildet worden. Dies wird unmittelbare Folgen für Ungarn haben. Es wurde eine Einigung zwischen den Liberalen, den Sozialisten und der Volkspartei erzielt. Auch der Fidesz gehörte früher zu dieser Gemeinschaft, aber dann ist sie nach links gegangen, und wir sind an dem Platz geblieben, wo wir waren, und unsere Wege haben sich getrennt, und so haben wir dann die Patrioten genannte europäische Abgeordnetengruppe gegründet, deren Vertreter an diesem Wochenende übrigens hier in Budapest sind. Aber indem die drei Parteien, die drei linken Parteien, die Volkspartei, die Liberalen und die Sozialisten, eine Vereinbarung getroffen haben, eine schriftliche Vereinbarung, ist eine Koalitionsregierung in Brüssel und die Brüsseler Regierung entstanden. Man nennt dies Kommission. Jetzt sind wir die Opposition dazu. Wir sind also die Opposition von Brüssel. Die Regierung, die jetzt in Brüssel gebildet wurde, ist für die Einwanderung, für Gender, für den Krieg, und ihre Wirtschaftspolitik ist auch noch schlecht für Ungarn. Wir haben also keine andere Wahl, als die Opposition zu Brüssel zu arbeiten. Und diese Brüsseler Regierungskoalition will uns in allen Fragen ihren Willen aufzwingen. In Sachen Familienschutz, Kinderschutz, Migration, Wirtschaft und auch in der des Krieges. Deshalb müssen wir uns in Brüssel widersetzen, bis wir die Mehrheit in Brüssel übernehmen können, denn wir arbeiten daran, und deshalb kommen die Patrioten an diesem Wochenende hierher, um die derzeitige Regierungskoalition abzulösen, also um die in Brüssel zu ersetzen, um eine neue Mehrheit zu schaffen, die gegen Migration ist, die die Familien und Kinder schützt, die für den Frieden und nicht für den Krieg ist, und die endlich die Wirtschaft in Ordnung bringt, denn wenn das so weitergeht, wird diese Kommission die europäische Wirtschaft umbringen, vor allem mit ihrer Politik, die hohe Energiepreise zum Ergebnis hat. Wir müssen also eine neue Mehrheit in Brüssel aufbauen. Daran arbeiten wir mit der italienischen Ministerpräsidentin, denn auch sie sind in Brüssel in der Opposition. Dies wird Zeit brauchen, aber wir kommen voran, wir werden immer stärker. Wenn ich die beiden europäischen Fraktionen zusammenzähle, die nicht Teil dieser Koalition sind, die Patrioten und die Europäischen Konservativen, oder wenn ich sie als Ganzes betrachte, sind sie bereits größer als die Sozialdemokratische Fraktion, die zweitstärkste Fraktion oder Gruppierung oder Allianz im Europäischen Parlament, und ich bin sicher, dass, da die derzeitige Regierung in Brüssel zum Scheitern verurteilt ist, die Zahl der Abgeordneten, die sich uns anschließen werden, steigen wird und wir dann in absehbarer Zeit eine Mehrheit auch in Brüssel haben werden.
Inzwischen sehen wir, dass die politischen Kräfte auf den verschiedenen Seiten zumindest auf der Ebene der Worte immer mehr aneinandergeraten. Manfred Weber, der Präsident der Volkspartei, hat Sie kürzlich nicht als Gegner, sondern als Feind bezeichnet, aber auch hierzulande haben wir Bilder gesehen, die darauf hindeuten, dass die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Seiten immer heftiger werden. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür und was bedeutet das für die Zukunft?
Man kann das auf zwei Arten betrachten: politisch und menschlich. Politisch ist die Situation klar: Es gibt eine Regierungsmehrheit in Brüssel, und es gibt eine Opposition dazu, und die heutigen ungarischen Regierungsparteien, Fidesz und die Christlich-Demokratische Volkspartei, gehören dazu, und wie das zu sein pflegt, arbeitet man in Brüssel daran, dass Ungarn eine Regierung bekommt, die die Brüsseler Politik vollstreckt. Sie wollen auch uns, Ungarn, auf die Seite der Brüsseler Regierung stellen, aber das ist gegen die Interessen Ungarns, und wir werden deshalb nicht auf diese Seite hinüberwechseln. Wenn wir es nicht mit schönen Worten schaffen, werden wir es um den Preis des politischen Kampfes tun. Und der Abdruck dessen ist dann, dass sowohl Ursula von der Leyen als auch Manfred Weber Ungarn nicht als Partner, nicht einmal als Gegner, sondern als Feind sehen. Sie haben ihre eigene Entscheidung getroffen, sie wollen einen Regierungswechsel in Ungarn, was sie übrigens auch in Polen und an einigen anderen Orten getan haben. Sie haben jene Partei auch benannt, und sie haben das uns in Brüssel auch mitgeteilt, uns direkt ins Gesicht gesagt, was sie wollen. Sie sagten: „Hier ist diese neue Partei, diese Tisza, und die hat einen Anführer, na, sie wollen wir in Budapest an der Regierung sehen.” Jetzt findet dieser Kampf statt, das ist die politische Seite des ganzen Phänomens. Und natürlich ist es immer der Herausforderer, der die Waffen wählt, und die Tisza-Partei hat in Ungarn einen neuen, aggressiven Stil gewählt, der mir unsympathisch ist, der aber andere vielleicht beeindruckt, einen Stil, nicht um zu diskutieren, sondern um niederzumachen. Aber die Politik ist eine Welt, in der man machen kann, was man will, aber man kann nicht verlangen, dass die andere Seite das zur Kenntnis nimmt. Hier wird gekämpft, und also wer den Wind sät, wird Sturm ernten. Oder, wie ich hier am Advent sagen würde: Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen. Wir alle kennen Menschen mit diesem aggressiven Stil am Arbeitsplatz oder in der Familie, es sind äußerst unangenehme Menschen, mit denen man nicht vernünftig reden kann, das Einzige, was man tun kann, ist, sie zu stoppen. In der Politik scheint es nun die Aufgabe der Pressesprecher zu sein. Und ich sehe, dass diese Woche, als wir beim Heiligen Vater waren und in Rom verhandelt haben, hat unser Pressesprecher, Tamás Menczer, sich dieser schrecklichen, aggressiven Politik und ihrem Vertreter angenommen und ihn gestoppt. Das hat er richtig getan. Wir werden dann sehen, wohin sich das alles entwickelt. Ich kann nur sagen: Wie es in den Wald hineinruft so schallt es heraus, das ist eine Regel der Politik. Niemand ist darüber glücklich. Wir alle sehnen uns nach Ruhe und Respekt und nach einem humanen Umgangston, im Allgemeinen nach Zusammenarbeit: Auch wenn es in der Politik Wettbewerb gibt, muss am Ende daraus doch irgendeine Art von Zusammenarbeit entstehen, die dem Land und den Interessen der Menschen dient, aber die Bedingungen dafür sind nicht immer gegeben. Wenn Brüssel versucht, uns einen Statthalter aufzuzwingen, werden wir uns natürlich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Es kann nicht sein, dass Brüssel entscheidet, welche Art von Regierung wir in Ungarn haben sollen, dass es uns eine Brüsseler Politik aufzwingt, die schlecht für uns ist, und dass es erwartet, dass wir dies akzeptieren. Wir werden das nicht akzeptieren, wir werden für uns selbst eintreten und für die Souveränität Ungarns und die Interessen der ungarischen Menschen kämpfen.
Diese Debatten haben oft eine wirtschaftliche Dimension, zum Beispiel die Debatte über EU-Gelder und die Zurückhaltung von EU-Geldern. Aber wenn wir uns die Fakten ansehen, dann sehen wir auch, dass die beiden Länder mit den größten Volkswirtschaften in der EU derzeit keine Regierungen haben. Wie viel Spielraum geben diese Faktoren und diese Debatten zum Beispiel Ungarn, um eine eigenständige Wirtschaftspolitik zu betreiben, was das Ziel für das nächste Jahr wäre?
Die Situation ist in der Tat so, dass die französische Regierung in Paris gestern oder vorgestern gescheitert ist und die deutsche Regierung vor ein oder zwei Wochen ebenfalls eine Bauchlandung hingelegt hat. Die beiden größten Volkswirtschaften in Europa haben also jetzt keine Regierungen an ihrer Spitze. In Frankreich ist die Situation etwas besser, oder um genauer zu formulieren, es gibt eine geschäftsführende Regierung, und jeder weiß ja, dass es sich nicht lohnt, dauerhafte Vereinbarungen mit geschäftsführenden Regierungen zu treffen, in Frankreich ist die Situation insofern einfacher oder besser, da es einen vom Volk gewählten Präsidenten der Republik, und somit einen Souverän der Hauptmacht gibt. In Deutschland ist die Lage schwieriger. Was nun die Gelder betrifft, so bin ich immer wieder über die Eigenheit der öffentlichen Debatten in Ungarn erstaunt, dass die Diskussionsteilnehmer voller Selbstvertrauen über Fakten sprechen, die sie nicht kennen. Das erkennt man daran, dass sie Unsinn reden. Und in der Zwischenzeit wird über absurde Dinge debattiert, d.h. über Dinge, die keine faktische Grundlage haben. So etwas sind zum Beispiel die EU-Gelder. Also erstens: Ungarn hat mehr als 12 Milliarden Euro auf dem Konto. Dieses Geld steht uns zur Verfügung. Wir können es in die ungarische Wirtschaft einfließen lassen. Es liegt nur an uns, zu entscheiden, in welchem Tempo wir sie einbeziehen. Um genau zu sein, liegt es nicht an der Regierung, denn es ist nicht etwas, das abgerufen werden muss, sondern bestimmte Dinge – Geschäfte, Investitionen, Entwicklungen –, die die Unternehmer in Ungarn zu tun haben, sie legen der ungarischen Regierung die Rechnung vor, diese schickt sie nach Brüssel, und von diesen 12,5 Milliarden Euro bezahlen sie uns. Die Summe von 12,5 Milliarden Euro muss man sich so vorstellen, dass sie den Bedarf der ungarischen Wirtschaft bis Ende 2026 decken. Darüber hinaus werden wir dann auch Geld bekommen, und ob wir das bekommen oder nicht, wird ein Problem nach 2026 sein. Meiner Meinung nach werden wir das natürlich auch bekommen. Wir werden es bekommen, weil die Verhandlungen über den Haushalt für die nächsten sieben Jahre nach 2027 begonnen haben, der einstimmig angenommen werden muss. Und was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass wir das Geld, das wir in den Jahren 2025-2026 nicht bekommen haben, in den Jahren 2027-2028 bekommen müssen, sonst gibt es keinen Haushalt für die Union, da stimme ich ihm nicht zu. Es lohnt sich also nicht, sich über EU-Gelder Gedanken zu machen. Es ist natürlich ärgerlich, dass sie uns Schwierigkeiten machen, dass sie es probieren, dass sie Gelder zurückhalten, es gibt also viele solcher Ärgernisse, aber es gibt keinen Zweifel am Wesentlichen, dass diese Gelder in der ungarischen Wirtschaft ankommen werden. Das ist unsere Aufgabe, die Aufgabe der Regierung und die Aufgabe der Außenpolitik, und wir werden uns darum kümmern, so wie diese Mittel auch jetzt verfügbar sind. Auch etwa 12 bis 15 Prozent der Gehaltserhöhung für Lehrer bestehen im Wesentlichen aus Mitteln aus Brüssel. Natürlich müssen wir die anderen 85 Prozent noch drauflegen, aber es ist auch eine Erleichterung, dass wir 15 Prozent der Löhne von dort in die ungarische Wirtschaft und das ungarische Bildungssystem einbeziehen können. Und das geschieht jeden Monat, und so geht es. Nun die andere Frage, die über das ungarische Geld hinausgeht, ist, was mit der europäischen Wirtschaft geschieht. Das ist eine schwierigere Frage, denn die europäische Wirtschaft bricht gerade auseinander. Der Grund dafür ist, dass man in Brüssel in den letzten Jahren eine schlechte Wirtschaftspolitik betrieben hat. Vor allem, weil ihre Entscheidungen zu höheren Energiepreisen geführt haben. Die Familien überleben das noch irgendwie, im Westen schwieriger als in Ungarn, weil wir einen Schutz der Nebenkosten für Familien haben, im Westen gibt es das aber nicht. Die Polen versuchen jetzt auch etwas Ähnliches wie das ungarische System, wir können also unsere Familien noch schützen, aber unsere Unternehmen nicht mehr. Die hohen Energiepreise, die Brüssel verursacht, erscheinen im Leben der ungarischen Unternehmen und schaden ihrer Wettbewerbsfähigkeit, schmälern ihre Gewinne, verursachen Schwierigkeiten, schränken ihre Märkte ein und bereiten ihnen somit große Probleme. Die Frage ist also: Wann und wie können wir Brüssel dazu bringen, seine Wirtschaftspolitik zu ändern, damit die Energiepreise endlich auf ein erträgliches Niveau zurückkehren? Aus diesem Grund hat der ungarische Ratsvorsitz in diesem Semester gearbeitet, und deshalb haben wir den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit geschaffen. Die Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, was getan werden muss, und Brüssel müsste es in den nächsten sechs Monaten umsetzen. Wir werden sehen, ob wir sie dazu zwingen können, und das wird nicht mehr Ungarns Aufgabe sein, denn wir werden am 1. Januar den Staffelstab weiterreichen, die Polen werden kommen, aber da wir die Polen kennen und ihre Probleme und Schwierigkeiten sehen, werden sie in dieselbe Richtung gehen. Wir müssen also die Brüsseler Regierung, deren Opposition wir sind, zwingen, ihre Wirtschaftspolitik zu ändern. Das wird die große Schlacht der nächsten sechs Monate sein.
Apropos Wettbewerbsfähigkeit der ungarischen Unternehmen: In den letzten zwei Tagen wurden zwei Details des Sándor Demján-Programms bekannt gegeben. Wie kann dies zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und letztlich zur Erholung der ungarischen Wirtschaft beitragen?
Gestern war ich nicht nur in Rom, sondern habe auch in Ungarn Gespräche mit einigen der wichtigsten Akteure der deutschen Wirtschaft geführt. Sie waren nicht glücklich, sie haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist das erste Mal seit etwa zehn und einigen Jahren, dass ich etwas erlebe, was ich das letzte Mal irgendwann in den frühen 2000er Jahren erlebt habe: die Schließung von Fabriken in Deutschland. Nicht eine, nicht zwei, sondern viele. Jetzt müssen wir also die Investitionen in Ungarn, die von den Linken in diesem Land oft herablassend als Montagewerke bezeichnet werden, wirklich würdigen. Das sind Fabriken, Autofabriken. Sie müssen hochgeschätzt werden, denn die deutschen Arbeiter, die heute in diesen Fabriken in Deutschland arbeiten, müssen jeden Tag darum bangen, ob sie morgen noch ihren Arbeitsplatz haben werden. Und wir müssen ein wettbewerbsfähiges Umfeld schaffen – und dazu waren wir bisher in der Lage –, damit die Fabriken in Ungarn nicht geschlossen werden. Stellen wir uns vor, dass aufgrund der Schwierigkeiten in der deutschen Wirtschaft beispielsweise Audi in Győr oder Mercedes in Kecskemét plötzlich schließen müssen. Es versinken also ganze Regionen in einer Situation der Hoffnungslosigkeit. Es handelt sich um äußerst wertvolle Fabriken, Produktionsstätten und Investitionen, und wir haben jedes Interesse daran, sie zu retten, ungeachtet der Tatsache, dass die Industrie in Deutschland offensichtlich in ernsten Schwierigkeiten steckt. Wir haben jetzt Vereinbarungen mit diesen Unternehmen, über die ich auch gestern verhandelt habe, und sie werden diese Fabriken nicht nur nicht schließen, sondern sie werden sie ausbauen; auch BMW baut jetzt seine Fabrik, weil sie es so sehen, dass Deutschland in Schwierigkeiten ist, aber das ungarische wirtschaftliche Umfeld ist für sie günstiger, und sie können ihre Arbeitsplätze hier besser sichern. Meine Meinung ist: Wenn Ungarn also geschickt manövriert und seine Politik der wirtschaftlichen Neutralität beibehält, das heißt, wenn es wirtschaftlich nicht nur auf Brüssel achtet, sondern auch Washington im wirtschaftlichen Sinne für wichtig hält, und wenn es auch Peking für wichtig hält, wenn also für Ungarn auch der chinesische und der amerikanische Markt wichtig ist, nicht nur der europäische Markt, und wenn wir das richtige Gleichgewicht und eine Wirtschaftspolitik finden, die der wirtschaftlichen Neutralität entspricht, dann werden wir in Ordnung sein. Ein Teil davon ist das Sándor Demján-Programm, zu dem ich sagen kann, dass es in Ungarn noch nie ein solches Programm zur Unterstützung ungarischer kleiner und mittlerer Unternehmen gegeben hat, dabei haben wir auch das erste Programm dieser Art eingeführt, und ich erinnere mich noch, ich war Anfang der 2000er Jahre Ministerpräsident, als György Matolcsy und ich den Széchenyi-Plan entwickelt und eingeführt haben. Aber er war viel kleiner als das, was wir jetzt tun. Man muss sich ja Ungarn so vorstellen, dass es in Ungarn etwa 900.000 kleine und mittlere Unternehmen gibt, und sie beschäftigen zwei Drittel der Arbeiter, zwei Drittel der Arbeitnehmer. Die Schlüsselfrage ist also, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen in Ordnung sein müssen, denn es ist eine Sache, dass wir die großen westlichen Investitionen und Fabriken am Leben erhalten müssen, aber die kleinen und mittleren Unternehmen müssen entwickelt werden, und das Sándor Demján-Programm bietet die Möglichkeit, dies zu tun. Natürlich ist die Regierung nicht in der Lage, kleine und mittlere Unternehmen zu entwickeln, dafür ist die Handelskammer da, nicht die Regierung. Das Ministerium ist kein Zentrum für wirtschaftliche Entwicklung, es kann Entscheidungen treffen, und in einem glücklichen Fall kann es gute Regeln und günstige Bedingungen schaffen, aber die Durchführung eines solchen Programms ist eben keine ministerielle Aufgabe. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir gestern oder vorgestern eine Einigung mit dem Vorstand der neu gewählten Ungarischen Industrie- und Handelskammer erzielen konnten, und dass wir dieses Programm über sie abwickeln werden. Ich könnte auch sagen, dass das Wirtschaftsleben dies selbst organisieren wird, und wir werden die Ressourcen und die Regeln dafür bereitstellen.
Wir haben wenig Zeit, aber lassen Sie uns noch über ein weiteres Thema sprechen, denn die rumänischen Parlamentswahlen haben stattgefunden, die RMDSZ hat eines der besten Ergebnisse in ihrer Geschichte erzielt, aber gleichzeitig ist auf der anderen Seite der Skala zu beobachten, dass die extremistischen Parteien sehr stark geworden sind. Welche Chancen und Gefahren birgt die nächste Zeit für die Ungarn in Siebenbürgen?
Ich denke, dass der Erfolg der RMDSZ, der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien, in Siebenbürgen auch uns, die Innerungarn oder die Kleinungarn, die wir hier leben, stärkt, weil wir doch eine ernsthafte Nation sind. Der Maßstab für die Ernsthaftigkeit einer Nation ist also ihre Fähigkeit, die Gefahr zu erkennen. Und wenn sie die Gefahr erkennt, ob sie dann auch handeln kann. Und jetzt ist in Rumänien eine gefährliche Situation entstanden, auch der Präsident der RMDSZ spricht darüber, und die ungarische Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft, eine Gemeinschaft mit einer staatsbildenden Tradition, die intellektuell und politisch in der Lage ist, diese Gefahr zu erkennen. Sie erkennt sie und ist in der Lage, gemeinsam aufzutreten, gemeinsam zu handeln, um die Gefahr zu bannen. Es ist eine großartige Sache, dass es einen Teil der ungarischen Nation gibt, der dies tadellos getan hat. Wir können eine Sache tun. Wir versuchen, freundschaftliche Beziehungen zu Rumänien aufzubauen, um eine gemäßigtere Politik für die dort lebenden Ungarn zu erreichen. Deshalb glaube ich, dass es von großer Bedeutung ist – und vielleicht sehen wir das heute noch nicht so deutlich wie morgen –, dass es letztlich doch uns während der ungarischen Ratspräsidentschaft gelungen ist, den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum und den Wegfall der rumänisch-ungarischen Grenze zu erreichen, was für die dort lebenden Menschen besonders wichtig ist und auch für das Wirtschaftsleben äußerst vorteilhaft ist, und natürlich liegt es auch im Interesse der Rumänen. Im vergangenen Zeitraum ist es niemandem gelungen, dies für Bulgarien und Rumänien zu erreichen. Es gab Untätigkeit und eine Pattsituation. So wie ich es sehe, ist es gelungen, dies aufzulösen, die endgültige Entscheidung steht noch aus, aber wir sind mit allen übereingekommen, und ich denke, es ist eine große Geste von Ungarn an Rumänien, dass gerade die ungarische Präsidentschaft diejenige ist, die Rumänien die Schengen-Mitgliedschaft erstreiten, erkämpfen kann. Ich hoffe, dass dies – egal welcher Präsident an diesem Wochenende gewählt wird – eine gute Startlinie, ein guter Ausgangspunkt sein wird.
Über die Friedenschancen, die EU-Diskussionen und auch die wirtschaftlichen Aussichten befragte ich Ministerpräsident Viktor Orbán.