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Die Antwort von Viktor Orbán

Man hofft vergeblich, dass jede Sitzungsperiode eine neue Chance bringt, aber alles wird dort weitergehen, wo es im Frühjahr aufgehört hat, vielleicht mit dem Unterschied, dass ich den Vorsitzenden der Demokratischen Koalition und seine Abgeordneten um Geduld bitten möchte. Haben wir Verständnis für sie, haben wir Verständnis für die Nervosität in ihren Reihen, weil sie jetzt schon darum kämpfen müssen, überhaupt ins Parlament zu kommen. Da wird man schon mal nervös.

Was die wirtschaftlichen Fragen angeht, auch wenn das schon vor mehr als einer Stunde geschehen ist, so haben einige in den Reihen von Jobbik die Politik der wirtschaftlichen Neutralität in Frage gestellt und die Regierung beschuldigt, diese nur mit chinesischen Krediten erreichen zu wollen. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir gerade bei der Europäischen Entwicklungsbank einen großen Kredit für den Ausbau der ungarischen Eisenbahnen beantragt haben. Ich möchte Ihnen auch mitteilen, dass wir nicht nur von China, nicht nur von den europäischen Finanzmärkten, sondern auch von Japan und Katar Kredite aufnehmen und sie bei Bedarf in die Entwicklung der ungarischen Wirtschaft einbeziehen.

Ich sehe mich gezwungen, auf Ihre Bemerkung über die technologische Sackgasse zu antworten, indem Sie behaupteten, dass die Elektromobilität eine technologische Sackgasse wäre. Ich bin nicht der Experte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften auf diesem Gebiet, daher wähle ich in diesen schwierigen Fragen gewöhnlich den Ansatz, die Betroffenen zu fragen. Ich habe in den vergangenen Monaten Gespräche mit den Spitzenmanagern aller großen deutschen Autokonzerne geführt und ihnen diese Frage gestellt, und sie haben gesagt, das ist keine Sackgasse, das ist die Zukunft, was wir machen, ist richtig.

Was die Frage der offenen Stellen und der ausländischen Gastarbeiter betrifft, so gibt es eine klare Regel, eine Faustregel, die für uns verbindlich ist, und die Regierung hält sich immer daran: Ungarn gehört den Ungarn, ungarische Arbeitsplätze gehören den Ungarn, und nur so viele Gastarbeiter können nach Ungarn kommen, wie es offene Stellen in Ungarn gibt – kein einziger mehr.

Sie sprachen davon, dass die Zahl der Verbrechen zunimmt. Dem möchte ich entgegnen, dass Ungarn heute das sicherste Land Europas ist, und den Eindruck zu erwecken, als ob Ungarn – wie Sie sagen – von Kriminalität überschwemmt werden würde, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit und widerspricht nicht nur der Realität, sondern schätzt auch die Arbeit der Zehntausenden von Polizisten gering, die es uns ermöglicht haben, die Kriminalität in den letzten rund zehn Jahren radikal zu senken und diesen Lebensbereich zu einem Erfolg im europäischen Vergleich zu machen. Ich schlage Ihnen also vor, dass Sie nicht übertreiben sollten, jedes Verbrechen muss bekämpft werden, selbst ein Verbrechen ist zuviel, aber das ist kein Grund, die Arbeit unserer Polizisten herabzuwerten.

Worin ich Ihnen allerdings zustimme, wenn auch nur aus einer anderen Perspektive, ist der Punkt des Drogenhandels. Auch ich selbst sehe hier ernste Probleme. Der Drogenhandel und -vertrieb ist eine ernste Herausforderung. Früher dachten wir – und das haben wir gelernt, das haben wir früher beobachtet –, dass es sich hierbei im Wesentlichen um ein Phänomen der Großstädte handelt, aber ich sehe, dass das nicht mehr der Fall ist und dass es auch die Reihen der armen Landbevölkerung heimsucht. Es ist also so, dass die Regierung in der nächsten Zeit eine wichtige Aufgabe haben wird, mit aller möglichen Härte gegen den Drogenhandel und den Drogenvertrieb vorzugehen, und es wird ein umfassendes staatliches Handeln notwendig sein, und ich erwarte vom Innenminister, dass er immer die notwendigen Aktionspläne vorbereitet und umsetzt.

Meinem Kollegen, der im Namen von Párbeszéd gesprochen hat, kann ich nur sagen, dass Sie zwar die Position von Balázs Orbán in Frage stellen, aber das wäre vielleicht eher umgekehrt gerechtfertigt, denn Sie sind derjenige, der Ihre Partei verlassen hat, aber Sie sind trotzdem der Fraktionsvorsitzende. Herzlichen Glückwunsch, das ist eine große Leistung! Das ist fast beispiellos, und jeder kann Sie um Ihre fantastische Flexibilität und Ihre aalglatten Bewegungen beneiden! Ich denke, es ist in der Geschichte des ungarischen Parlaments beispiellos, dass jemand seine Partei verlässt und trotzdem die Fraktion seiner Partei führt.

Was den ukrainisch-russischen Krieg angeht, so ist das eine ernstere Angelegenheit. Ich möchte klarstellen, dass es sich meiner Meinung nach um einen Krieg zwischen zwei slawischen Völkern handelt, aus dem man uns besser auslassen sollte. Unser einziges Ziel ist es, dass dieser Krieg keinen Meter an Ungarn herankommt, denn er stellt eine enorme Bedrohung für Ungarn, für ganz Europa und – angesichts des Waffenarsenals, das eingesetzt werden könnte – für die ganze Welt dar. Deshalb muss verhandelt werden, ein Waffenstillstand muss geschlossen werden und man muss für den Frieden eintreten. Und ich lehne den Vorschlag von Párbeszéd, Waffen zu liefern und mit aller Macht in den Krieg einzutreten, auf das Schärfste ab. Ganz im Gegenteil, ich bin stolz darauf, dass Ungarn ein Land ist, das auf der Seite des Friedens steht, die Partei des Friedens ergreift.

Was die Cyberangriffe gegen das Außenministerium betrifft, so möchte ich Ihnen nur sagen, dass es jeden Tag ein Dutzend davon gibt, also machen wir nicht so ein großes Ding daraus! Ungarn wird ständig angegriffen, und wir müssen jeden Tag etwa ein Dutzend Cyberangriffe abwehren, und ich hoffe, dass wir jeden Tag auch eher mit mehr Erfolg als mit weniger Erfolg tun.

Jemand erwähnte die Sparmaßnahmen: Ich möchte Sie darüber informieren und klarstellen, dass die Restriktionen eine sozialistische Kunstgattung sind. Die bürgerliche Regierung, die nationale Regierung, wendet keine Sparmaßnahmen an, sie hat es in der Vergangenheit nicht getan und sie wird es auch in Zukunft nicht tun.

Der Punkt, den mein Kollege Péter Ungár angesprochen hat, verdient eine längere Diskussion, denn auf die blanke Art und Weise, wie ich ihn jetzt vortragen werde, könnte er beleidigend wirken – wofür ich mich im Voraus entschuldige, das ist nicht meine Absicht –, aber wenn ich ihn ausführlich erläutere, könnte er vielleicht die Grundlage jenes Gedankens verstehen, dass meiner Ansicht nach der von Ihnen verfolgte Ansatz in Wirklichkeit in eine Sackgasse führt und letztlich zur Unterwürfigkeit führt. Wenn wir also die ungarische Außenpolitik daraus ableiten wollen, was wir über die eine oder andere Großmacht in der Welt denken, dann landen wir in einer Sackgasse. Wir müssen zuerst definieren, wer wir sind, was unsere Interessen sind, was wir wollen und welche Mittel wir haben, um diese Ziele zu erreichen, dann folgt alles andere. Andersherum geht es nicht, denn dann zäumt man das Pferd von hinten auf. Ich habe also nicht generell eine spezifische Meinungsverschiedenheit mit Ihnen in bestimmten außenpolitischen Fragen – obwohl das durchaus der Fall sein kann –, sondern nur, dass die philosophischen Grundlagen des Denkens über Außenpolitik in unserem Fall grundverschieden sind. Vielleicht ist das der Grund, warum wir unser Verhältnis zu den Amerikanern anders sehen. Wir sehen es zum Beispiel nicht so, dass wir uns in die amerikanischen Wahlen einmischen, aber wir sehen es so, dass sie sich in die ungarischen Wahlen einmischen, und wir bemühen uns sehr, das in ein gewisses Gleichgewicht zu bringen, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Was die Frage angeht, wann unsere verschiedenen Annahmen über unsere Europapolitik funktioniert haben und wann nicht: Es ist zweifellos wahr, dass es schwierig ist, hundert Prozent zu erreichen, aber es ist nicht fair, uns etwas zuzuschreiben, wovon genau das Gegenteil wahr ist. Als der luxemburgische Premierminister Juncker zum Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt wurde, waren zwei Länder bis zuletzt dagegen – zwei! –, damals waren die Briten noch Mitglieder, das Vereinigte Königreich und Ungarn. Bis zum Schluss und ganz offen. Das ist auch der Grund für mein legendär gutes Verhältnis zu dem inzwischen aus dem Amt geschiedenen Kommissionspräsidenten. Wir haben das getan, weil wir überzeugt waren, dass, wenn wir das Programm von Herrn Juncker annehmen, das die Umwandlung der bisher politisch neutralen Europäischen Kommission in ein politisches Gremium ankündigte – das war sein Programm! –, das zur Folge haben würde, dass die Briten aus der Union austreten werden – und das haben sie ja auch getan – und wir Mitteleuropäer wären ohne die Briten der deutsch-französischen Zentralisierungsbestrebungen ausgeliefert, gegen die wir uns bis auf den heutigen Tag nur sehr schwer verteidigen können. Deshalb habe ich Herrn Präsident Juncker nie unterstützt, und ich wiederhole: Gemeinsam mit dem damaligen britischen Premierminister waren wir bis zum letzten Moment gegen seine Wahl.

Meinem Mitabgeordneten Imre Komjáthi möchte ich nur sagen, dass ich mit Übertreibungen in Bezug auf den funktionalen Analphabetismus der Schulabgänger vorsichtig sein würde, denn diese Kinder werden unterrichtet, und die Qualität der Kinder, die die Schule verlassen, ist ein Maß für die Qualität der Lehrer. Seien Sie also vorsichtig! Ich empfehle also nicht, dass wir die Leistung der gesamten ungarischen Lehrerschaft abwerten sollten, die übrigens jahrelang mit diesen Kindern zu tun hat, und manche Menschen behaupten, die Ergebnisse dieser Arbeit seien massenhaft ungenügend. Das ist nicht wahr! Wir haben Probleme im Bildungssystem, aber ich muss Aussagen zurückweisen, die die Arbeit der ungarischen Lehrer generell abwerten würden.

Was die Bemerkung zum Gesundheits- und Bildungswesen angeht, muss ich Ihnen hier deshalb widersprechen, denn Sie waren in der Regierung, und wenn Sie vergleichen, wie viel unsere Regierung, die nationale Regierung, für Gesundheit und Bildung ausgegeben hat, mit dem, was Sie ausgegeben haben, dann ergibt sich ein ungleiches Ergebnis zu unseren Gunsten. Sie haben sowohl für Bildung als auch für Gesundheit viel weniger ausgegeben als dies die derzeitige nationale Regierung tut. Ich brauche nur auf die Lohnerhöhungen zu verweisen, die wir beim letzten Mal im Gesundheitsbereich durchgesetzt haben, auf die Beendigung der Gewohnheit der Parasolvenz und darauf, was für Lohnerhöhungen die Lehrer gerade jetzt in Ungarn erhalten haben.

Es tut mir leid, dass ich mich mit Ihnen über ein anderes wichtiges Thema in der Arbeitswelt streiten muss. Denn ich kann verstehen, dass unsere Kollegen mit intellektuellem Hintergrund oder mit akademischem Hintergrund oder mit elitärem Hintergrund regelmäßig über das Montagewerk in einer Weise sprechen, die einem Schimpfwort gleichkommt, das verstehe ich, weil sie das Leben nicht kennen – aber ich wundere mich, dass Sie es auch tun! Sie reden über Montagewerke, als ob sie etwas Verachtenswertes wären! Nun, Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, dass es jemals eine Wirtschaft geben wird, in der nur Menschen in weißen Kitteln arbeiten werden und keine Arbeiter mit öligen Händen und in Overalls; eine solche Wirtschaft wird es niemals geben! Man sollte also die Montagewerke nicht unterschätzen. Wenn es eine Sache gibt, über die es sich zu reden lohnt, dann ist es die, wie wir es mit der Forschung und Entwicklung halten, aber warum sollten wir das mit den Fabriken vergleichen, die die Lebensgrundlage der arbeitenden Menschen sind? Seien wir froh, dass wir sie haben! Es tut mir leid, dass ich einen Gewerkschafter in diesem Tonfall ansprechen muss, aber leider muss ich im Namen der Arbeitnehmer zurückweisen, was Sie über die Montagewerke sagen.

Was Herrn Abgeordneten László Toroczkai betrifft, so glaube ich, dass hinter seiner Bemerkung über den Bau von Stauseen ein Mangel an Wissen steckt. Ich schlage vor, dass Sie nachprüfen, wie viele Hunderte von Milliarden Forint der ungarische Haushalt in den letzten 14 Jahren für die Erhaltung von Wasser ausgegeben hat.

Im Namen der Regierung wünsche ich meinen Kolleginnen und Kollegen eine bessere Fortsetzung der Herbstsitzungsperiode als wie sie heute begonnen hat.

Vielen Dank!

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