Tünde Volf-Nagy: Guten Tag! Ich begrüße Sie recht herzlich aus Brüssel – drei Wochen nach den Wahlen zum Europäischen Parlament, nach zahlreichen diplomatischen und politischen Verhandlungen und an dem Tag, an dem Ungarn offiziell den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt, es gibt also ausreichend Themen, über die man sich unterhalten kann. Ich begrüße den Herrn Ministerpräsidenten. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.
Guten Tag!
Wir übernehmen den Staffelstab von Belgien. Herr Ministerpräsident, Sie kommen gerade aus dem Büro des belgischen Ministerpräsidenten, wo sie eben diese rotierende Präsidentschaft von dem im Übrigen amtierenden Ministerpräsidenten übernommen haben, denn der belgische Ministerpräsident ist gerade am Abend des 9. Juni wegen der Erfolglosigkeit bei den nationalen und europäischen Wahlen zurückgetreten. Wie viel Legitimität, wie viel Bestätigung, wie viel Autorität verleiht es Ungarn, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament in Ungarn die Position der Regierung gestärkt haben?
Zum Glück bin ich nicht abergläubisch. Es ist in der Tat kein sehr gutes Zeichen, die EU-Präsidentschaft von einem Mann zu übernehmen, der gerade in der EU-Präsidentschaft und im Amt des Ministerpräsidenten gescheitert ist, und tatsächlich, als die Präsidentschaft vorbei war, war er in der Tat auch nicht mehr Ministerpräsident, sondern nur noch amtierender Ministerpräsident. Aber ich schätze den scheidenden belgischen Ministerpräsidenten im Übrigen sehr, unabhängig vom Ausgang der Wahl. Sie haben in den letzten sechs Monaten gute Arbeit geleistet. Wir übernehmen jetzt die Präsidentschaft, aber unsere Zusammenarbeit begann schon früher als eine Zusammenarbeit zwischen drei Ländern, nämlich Spanien, Belgien und uns: In dieser Reihenfolge kommen wir einer nach dem anderen. Wir übernehmen die Arbeit und die Dossiers voneinander, und deshalb kann ich sagen, dass der belgische Ministerpräsident im Übrigen gute Arbeit geleistet hat. Es ist schade, dass er die Wahlen verloren hat, aber das ist so ein Beruf; wenn die Menschen ihrem Anführenden nicht vertrauen, ist dies das Ende davon. Meine Situation ist – im Moment noch – eine völlig andere, denn wir haben bei den Wahlen tatsächlich 45 % erhalten, die höchste Zustimmung in Europa, und wir haben den Zweitplatzierten um etwa 15 % übertroffen, wir haben die alte und die neue Opposition gleichzeitig geschlagen, so dass wir zu Recht das Gefühl haben, dass das Vertrauen in die Regierung bestärkt wurde und dass wir die Präsidentschaftsarbeit mit dieser Stärke, diesem Schwung und diesem Gefühl der Sicherheit beginnen können. Ich werde Ihnen einige Details nennen, nach denen Sie mich ohnehin nicht fragen würden, weil es sich um technische Details handelt. Wir werden 1.500 Arbeitsgruppensitzungen abhalten, wir werden 230 Veranstaltungen der Präsidentschaft haben, 37 hochrangige Treffen, das Gipfeltreffen der 27 europäischen Ministerpräsidenten wird in Budapest stattfinden, es gibt eine Organisation, die sich Europäische Politische Gemeinschaft nennt, der 47 europäische Ministerpräsidenten und Staatsoberhäupter angehören, und auch sie werden nach Budapest kommen. 260 unserer Leute arbeiten jetzt in Brüssel, 1.000 Leute arbeiten in Budapest an den Aufgaben der Präsidentschaft, und es gibt 120 Gesetzgebungsdossiers, die vorangetrieben und vorangebracht werden müssen. Das ist die Arbeit, die auf uns wartet.
Wir werden über die rotierende Präsidentschaft noch sprechen, aber lassen Sie mich damit beginnen, dass Sie bei unserem letzten Treffen, am Tag nach den Wahlen, sehr optimistisch waren, weil es ja offensichtlich war, dass die Rechte in Europa an Stärke gewonnen hat. Die Spitzenposten der letzten Tage und die Allianzen, die geschmiedet wurden, zeigen jedoch nicht dieses Bild. Was sind die Folgen einer solchen Diskrepanz zwischen Wählerwillen und politischem Willen?
Ich bin jetzt noch optimistischer als ich vorher war, denn mein Optimismus nach den Wahlen beruhte auf der Tatsache, dass die Menschen in ganz Europa für Veränderungen gestimmt haben. Wir sprechen von 27 Ländern, und in 20 dieser 27 Länder haben Parteien gewonnen, die gesagt haben, dass es reicht, dass es in Brüssel so nicht weitergehen kann, dass das geändert werden muss. Deshalb ist der belgische Ministerpräsident gestürzt, deshalb ist die französische Regierung gestürzt, deshalb ist die Lage in Deutschland kritisch, also ist die erste Quelle für unseren Optimismus, dass die Menschen Veränderungen wollen. Aber die Bürokraten in Brüssel sehen das anders, sie wollen keine Veränderung. Aber das trägt zu unserem Optimismus bei, weil es die Tatsache, dass Veränderungen notwendig sind, noch offensichtlicher macht. Und je offensichtlicher die Tatsache ist, desto mehr wird die Änderung eintreten. Aus diesem Grund haben wir auch eine neue europäische Fraktion ins Leben gerufen, die mit unglaublicher Geschwindigkeit wächst. Sehr schnell werden wir die drittgrößte und dann die zweitgrößte Gruppe, politische Fraktion hier in Brüssel sein, und der Grund dafür ist ganz einfach, dass Brüssel nicht in der Lage war, die Unzufriedenheit aufzunehmen, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass es nicht auf die Menschen gehört hat, sondern die Entscheidung der Menschen zurückgewiesen hat. Sie haben einen Machtpakt geschlossen, dessen einziges Ziel es ist, dass sie die politischen Positionen hier in Brüssel weitere fünf Jahre dominieren. Aber das wird nicht funktionieren, denn man kann nicht gegen die Menschen regieren. Das macht uns, die wir den Wandel wollen, noch stärker, es erhebt uns, vergrößert unsere Kräfte und wir werden diese Veränderung hier erreichen. Wenn nicht in zwei Wochen, dann eben in zwei Monaten, aber dazu wird es kommen.
Wenn wir schon über die fehlende Veränderung sprechen: Ursula von der Leyen ist erneut an die Spitze der Europäischen Kommission gewählt oder zumindest nominiert worden, denn das Europäische Parlament muss sie noch bestätigen. Sie haben mit „Nein” gestimmt. Und ich erinnere mich noch sehr gut aus Berlin an die Zeiten, als Ursula von der Leyen Ihre und die Unterstützung der Ungarn nicht nur erbat, sondern sie auch erhielt. Was hat sich geändert?
Vor fünf Jahren wurde ja Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei als Präsident für die Kommission nominiert, was für Ungarn eine Katastrophe gewesen wäre. Nun, die Präsidentschaft von Ursula von der Leyen wird auch nicht in goldenen Lettern Einzug in die ungarischen Geschichtsbücher finden, aber was Manfred Weber angestellt hätte, der – wie das allgemein bekannt ist – anti-ungarisch eigestellt, ein ausgesprochen hungarophober Mensch ist, wäre noch viel schlimmer gewesen. Wir mussten also unbedingt verhindern, dass er Präsident der Kommission wird. Er hatte einen denkwürdigen Satz gesprochen, der uns einen Grund dafür lieferte, dies zu tun. Er sagte, er wolle nicht mit der Stimme der Ungarn Präsident der Kommission werden. Nicht mit der der ungarischen Regierung, nicht mit meiner Stimme, sondern nicht mit der Stimme des ungarischen Volkes, also hat er das ganze Land angegriffen. Das geht nicht! Man kann den Ministerpräsidenten beleidigen, das ist nicht nett, und man kann seinen Verhandlungspartner beleidigen, das ist auch nicht nett, aber das geht noch, aber man darf nicht ein Land beleidigen, man darf ein Land nicht von oben herab behandeln, denn ein Land wird für sich selbst einstehen. Und ich bin für Ungarn eingestanden, und die Bitte von Präsident Weber wurde erhört: Er wurde auch nicht Präsident der Kommission. Und so kam Ursula von der Leyen ins Spiel, die wir für besser hielten, als wenn es Manfred Weber geworden wäre. Ich bin immer noch dieser Meinung, ungeachtet der Tatsache, dass die Leistung der Präsidentin in den letzten fünf Jahren, insbesondere in Bezug auf den Krieg und die Migration und vielleicht auf den grünen Übergang, den Green Deal, wie dies auf Rotwelsch heißt, also ihre Leistung in diesen drei Fragen eher bescheiden ist, und deshalb würden wir gerne eine bessere, fähigere Führungskraft für den Präsidentenposten der Kommission finden, und deshalb konnte ich sie nicht unterstützen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie zuweilen unfaire Entscheidungen gegen Ungarn getroffen hat, dass die Kommission politische Angriffe auf Ungarn unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit gestartet hat, und dies kann man natürlich nicht unerwähnt lassen. Alles hat Konsequenzen, und wir können sie nicht darin unterstützen, Präsidentin der Kommission zu bleiben.
Ihre Nominierung ist ebenfalls umstritten, aber auch die Wahl des Präsidenten des Europäischen Rates, des portugiesischen Sozialisten António Costa, und der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, der liberalen estnischen Premierministerin Kaja Kallas, ist sehr umstritten, da sie von einer sehr kleinen Gruppe von sechs Personen für das Amt nominiert wurden. Matteo Salvini, der erste Mann der Lega, hat gesagt, dies sei ein europäischer Staatsstreich.
Wir müssen zwischen dem Verfahren, in dem die Entscheidung getroffen wurde, und den Entscheidungen, den Personalentscheidungen selbst, unterscheiden. Wenn wir das Verfahren betrachten, würde auch ich Ähnliches sagen, wie Präsident Salvini, wenn ich Italiener wäre. Denn die Tatsache, dass Ungarn manchmal bei einer Entscheidung außen vor gelassen wird, ist auch nicht schön, aber, sagen wir mal, die Größe des Landes und seine Rolle in der Europäischen Union machen dies nicht zu einem Skandal. Aber Italien außen vor lassen? Das ist doch einer der sechs Gründerstaaten! Mehr als 60 Millionen Menschen, eine fantastische Kultur, eine starke Wirtschaft – sie aus den Verhandlungen über die Positionen auszulassen, scheint keine kluge Sache zu sein. So hat auch der Brexit begonnen. Als Präsident Juncker, wir gehen jetzt zurück in prähistorische Zeiten, nicht zur letzten Wahl, sondern zur Wahl davor im Jahr 2014, damals wurde Präsident Juncker von den Engländern nicht unterstützt, aber sie haben ihn trotzdem gewählt. Der Brexit war das Ende davon. Die großen Gründungsmitgliedstaaten müssen also anständig behandelt werden. Man kann die Mitgliedstaaten nicht mit Respektlosigkeit behandeln, denn früher oder später werden alle hier die Konsequenzen zu spüren bekommen. Und die Italiener sind zu Recht entrüstet. Deshalb war das Verfahren nicht korrekt. Herr Salvini und Frau Ministerpräsidentin Meloni haben Recht. Das andere sind die Personalentscheidungen, die faktischen Fragen. Ich habe den ehemaligen sozialistischen portugiesischen Ministerpräsidenten unterstützt, weil er viele Jahre lang ein Kollege von mir war und sich Ungarn gegenüber immer anständig verhalten hat. Er war fair, gerecht und angemessen. Ich halte ihn auch für geeignet für dieses Amt. Bei der estnischen Dame als Außenbeauftragte habe ich mich der Stimme enthalten, weil ich nicht überzeugt bin, dass sie die Aufgabe lösen kann. Ich wage nicht einmal zu sagen, dass sie es nicht schafft, aber es ist eine sehr große Aufgabe. Estland ist ein Land, das den Krieg stark befürwortet, und es wird ausdrücklich dazu aufgerufen, Russland in einem Krieg zu besiegen. Unserer Ansicht nach gibt es für diesen Krieg keine Lösung auf dem Schlachtfeld, und sie wird auch unsere Position vertreten müssen. Ob sie dazu in der Lage sein wird, wird die Zukunft entscheiden, und ich wollte damit kein Misstrauen in ihre Richtung ausdrücken, sondern nur sagen, dass wir unsere Zweifel haben.
Sie haben soeben erwähnt, dass gestern in Wien eine neue politische Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der österreichischen Freiheitlichen Partei und dem ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Babiš vereinbart wurde. Außerdem ist es heute eine neue Nachricht, dass auch die portugiesische Chega diesem Bündnis beigetreten ist. Patrioten für Europa – das ist der Name. Steht Patriotismus nicht im Widerspruch zu einem Engagement in einem internationalen Bündnis?
Dann lassen Sie uns ein wenig über das Wort und das Gefühl sprechen, das Patriotismus und Patriot implizieren. Wir lieben ja unser Land, das ist der Ausgangspunkt, ja wir lieben unser Land sogar leidenschaftlich. Das nennt man patriotisches Gefühl. Man pflegt dies auch als Nationalismus zu benennen. Es gibt zwei Arten davon: eine gute und eine schlechte. Jemand, der sein Land liebt und dabei andere mit Füßen tritt und sein eigenes Land gegen andere liebt, wird gewöhnlich als Chauvinist und schlechter Nationalist angesehen. Aber es gibt auch jene, die ihr Land um seiner selbst willen lieben, nicht gegen andere, sondern wegen seiner Kultur, seiner Sprache, seiner Errungenschaften, seiner Erde, seiner Geographie, seiner Familie, seiner Geschichte, wegen unserer Friedhöfe, unserer Kirchen, unserer Kinder, unserer Zukunft – das ist es, was wir lieben. Dies ist gegen niemanden gerichtet. Und wir wollen kein Europa, das uns alles wegnimmt, grau werden lässt, auslöscht, was uns Patrioten wichtig ist. Nun, diese Menschen, Menschen mit dieser Art von Denken, haben sich versammelt oder beginnen sich zu versammeln unter dem Banner, das wir drei am Sonntag in Wien gehisst haben: die Vorsitzenden der größten österreichischen Partei, der größten tschechischen Partei und der größten ungarischen Partei. Und sie versammeln sich unter der Fahne. Wir werden schneller eine große Gruppe von Parlamentariern sein, als man jetzt denkt. Noch vier oder fünf Tage, und viele Leute werden überrascht sein.
Ich frage nicht, mit wem ernsthaft verhandelt wird, denn darauf gibt es natürlich keine Antwort.
Alles, was ich sagen kann, ist, dass es mit vielen Leuten verhandelt wird.
Aber ist es realistisch, dass innerhalb weniger Tage eine Fraktion dieser Größe gebildet werden kann?
Die konstituierende Sitzung ist am 8. Mai.
Wo positioniert sich die Partei damit, sagen wir, auf der politischen Palette? Nicht die Partei, sondern das Bündnis.
Das, das wir jetzt geschaffen haben? Betrachten wir es von dem Punkt aus, was hier in Europa kaputt ist, denn wir sind diejenigen, die Europa in Ordnung bringen wollen. Unser Name bedeutet „Patrioten für Europa”. Wir sind also Patrioten, die ihr eigenes Land leidenschaftlich lieben und für die Europa wichtig ist. Wir wollen also eine starke europäische Zusammenarbeit, nicht gegen Europa, sondern zum Wohle unseres eigenen Landes. Wir wollen kein europäisches Imperium, wir wollen keine Vereinigte Staaten von Europa, wir wollen keine graue Masse, die von Brüssel aus gesteuert wird, wir wollen kein Kommandosystem, wir wollen nationale Souveränität und Unabhängigkeit unter unserer eigenen nationalen Flagge. Was ist jetzt falsch gelaufen? Was wollen die Menschen in Europa? Sie wollen Frieden – das ist schiefgelaufen, weil wir den russisch-ukrainischen Krieg nicht verhindern konnten, als er ausbrach, und wir konnten ihn nicht eindämmen, so dass die Menschen in Europa heute statt Frieden Krieg bekommen. Dann wollen wir Ordnung und Sicherheit. Stattdessen bekommen die Menschen in Europa die Migration und die daraus resultierende Bedrohung durch Terrorismus und Kriminalität zu spüren. Wir in Ungarn bekommen davon weniger mit, höchstens durch Ihre Nachrichtenberichte, weil es in Ungarn keine Migranten gibt, weil wir sie nicht hereinlassen. Diejenigen aber, die sie hereinlassen und hereingelassen haben, leiden und haben tausend Probleme mit dieser neuen Situation, in der sie mit Millionen von Migranten aus fremden Kulturen zusammenleben müssen. Diejenigen, die sich jetzt unter unserer Flagge versammeln, wollen das nicht. Und außerdem wollen die Menschen in Europa auch Fortschritt, Wirtschaftswachstum, mehr Lohn, bessere Arbeitsplätze, ein besseres und sicheres Leben, ein existenziell vielversprechenderes Leben. Was sie stattdessen heute bekommen, ist Stagnation. Heute wurde eine Analyse veröffentlicht, die ich im Flugzeug gelesen habe, als ich mich auf Brüssel vorbereitete, und die besagt – es handelt sich um eine wirtschaftliche Analyse –, dass die Volkswirtschaften der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union im Jahr 2008 ungefähr gleich groß waren; heute sind die Vereinigten Staaten doppelt so groß wie die Europäische Union. Die Durchschnittseinkommen in Europa sind 27 % niedriger als in den Vereinigten Staaten, und die Durchschnittsgehälter sind in Europa 37 % niedriger als in den Vereinigten Staaten. Das Gleiche gilt für den Wert der Unternehmen, der hier kaum wächst oder eher stagniert, oft sogar sinkt, während er in den Vereinigten Staaten steigt. Die Aussichten sind also auch dort besser und nicht hier. Das zeigt sehr anschaulich, dass die europäische Wirtschaft feststeckt. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, auch die schlechten Entscheidungen der Kommission und ihrer Leiterin. Wenn Sie mich also fragen, wo dieses neue Bündnis anzusiedeln ist, dann würde ich sagen, ich positioniere es bei den Veränderungen, im Bereich von Frieden, Ordnung und Entwicklung. Wenn Sie mich nach der Ideologie fragen, dann bedeutet das, da wir Patrioten sind, das bedeutet in der europäischen Kultur rechts. Patriotisch zu sein bedeutet, rechts zu sein. Die Linken sind Internationalisten. Wenn sie es regional fragen, ob irgendeine Region Europas in der Allianz überrepräsentiert oder dominant sein wird, lautet die Antwort nein, denn obwohl es einen Hauch von Monarchie gibt, da wir in Wien, Österreich, der Tschechischen Republik und Ungarn gegründet wurden…
Es gibt auch ein bisschen ein V4-Gefühl…
…aber jetzt sind schon die Portugiesen dabei, die Italiener werden sich bald anschließen, ich weiß, wer in den nächsten Tagen kommen wird. Es wird eine gesamteuropäische Partei sein, die in Mitteleuropa ihren Ausgang hatte, aber dann auch westeuropäische Parteien um sich versammelt hat, so dass wir von einer paneuropäischen politischen Organisierung sprechen.
In der Tat hat diese Frage keine Legitimität mehr, da diese Allianz der Patrioten für Europa gegründet wurde, aber als wir das letzte Mal sprachen, am Tag nach den Wahlen, sagten Sie, dass es an der Allianz zwischen Le Pen und Meloni läge, zu sehen, ob es eine Chance für eine Einigung mit Fidesz gäbe. Die Antwort, das wissen wir jetzt, ist nein. Ich frage mich, warum.
Ich habe den größten Teil meiner beiden letzten Wochen in diesen Ländern verbracht und mit allen verhandelt. Das Ziel haben wir nicht modifiziert. Was wir alle wollen, ist, dass es eine große europäische Fraktion, eine große europäische politische Fraktion im Europäischen Parlament geben soll, die die Patrioten, die Rechten, vertreten kann. Das ist auch weiterhin das Ziel. Darin waren sich alle einig. Ich konnte die Damen in der Frage nicht zu einer Einigung bringen, wie und in welchen Schritten man dies tun sollte. Die einen wollten schneller, die anderen langsamer vorgehen. Und in den Verhandlungen konnte ich keinen Konsens über den Zeitplan herstellen. Deshalb haben wir uns nicht den Italienern angeschlossen, sondern die Verhandlungen mit anderen Parteien, mit anderen Ländern fortgesetzt. Und am Ende ist hieraus diese dreigliedrige Initiative entstanden, und Sie werden an der Liste derer, die sich anschließen, sehen, mit wem es bereits im Voraus gelungen ist, eine Übereinkunft darüber zu treffen, dass sie dann beitreten werden, und es wird eine gesamteuropäische Gruppe entstehen, die bald die drittgrößte sein wird, und dann die zweitgrößte europäische Gruppe, und dann werden wir mit einem Sturm auf den Gipfel experimentieren, aber dies wird nicht mehr in diesem Jahr sein.
Ungarn wurde wahrscheinlich auch durch die Tatsache zurückgehalten, dass die rumänische nationalistische Partei ebenfalls in diesem Parteienbündnis ist?
Das hat uns ausgeschlossen. Als sich herausstellte, dass jetzt eine Einigung zwischen den beiden führenden Damen oder Vorsitzenden der beiden großen europäischen Fraktionen nicht herzustellen war, mussten wir mit beiden Fraktionen getrennt verhandeln. Es wäre auch möglich gewesen, sich der von der italienischen Ministerpräsidentin geführten Fraktion anzuschließen, aber eine rumänische Partei, die bekanntlich anti-ungarisch ist und sich nicht mit dem RMDSZ auf einer gemeinsamen Ebene treffen kann, mit ihm nicht die gleiche Sprache zu sprechen in der Lage ist, war dorthin eingetreten, und wir können nicht in der gleichen Fraktion wie eine solche Partei sein, ohne moralischen Schaden zu nehmen. Hier hat uns also ein nationaler moralischer Aspekt die Tür zu den europäischen Konservativen verschlossen. Dann haben wir angefangen, uns verschiedene Kombinationen und Initiativen auszudenken, wie wir eine neue politische Bewegung ins Leben rufen können, und am Ende war dieses Wiener Treffen das Ergebnis. Aber wir werden bald über alle hinauswachsen, das ist unser Plan, und wir haben einen ziemlich detaillierten Aktionsplan dafür.
Lassen Sie uns nun über die beginnende Präsidentschaft sprechen. Das Motto der Präsidentschaft lautet „Make Europe Great Again”, also machen wir Europa wieder groß. Dieser mitschwingende Verweis auf Trump ist, wenn Sie mir die Offenheit erlauben, eine offene Provokation in Brüssel. Wie haben die europäischen Staats- und Regierungschefs, die Sie in den letzten ein oder zwei Wochen besucht haben, dieses Motto aufgenommen?
Sie haben es natürlich geschluckt, weil sie keine andere Wahl hatten, aber wenn dies zur Sprache kommt, sage ich immer, dass mir nicht bekannt ist, dass Herr Präsident Trump Europa groß machen will, also lassen Sie uns das trennen. Und wenn die Vereinigten Staaten versuchen, sich selbst groß zu machen, und Europa davon spricht, dass wir ein Akteur in der Weltpolitik bleiben und sogar den derzeitigen Niedergang, den Rückgang unserer Stärke, stoppen und wieder stark werden wollen, dann müssen auch wir groß werden. Wie können wir mit einem Amerika konkurrieren, das sich selbst groß macht, wenn wir selbst nicht groß werden? Das ist also die richtige Antwort, das ist die richtige europäische Antwort auf das amerikanische Experiment. Ich sage nicht, dass das sofort begriffen wurde, aber schließlich ist ihnen der Groschen gefallen, und es gelang, dies begreiflich zu machen. Natürlich darf man die Amerikaner nicht außen vor lassen, wenn wir über die Zukunft Europas nachdenken, aber nicht wegen des Programms von Präsident Trump, sondern wegen des Krieges, denn das größte Problem Europas ist heute schließlich doch der Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Und in der US-Präsidentschaftsdebatte hat der konservative oder republikanische Präsidentschaftskandidat, Herr Präsident Trump, deutlich gesagt, dass er diesen Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden wird. Wenn er also gewinnt, wird es zumindest einen Waffenstillstand geben. Ob das zu einem dauerhaften Frieden führt, ist Zukunftsmusik, aber es wird nicht das sein, was wir jetzt haben, das ist sicher. Und deshalb muss sich Europa schnell auf die Situation vorbereiten, dass die Amerikaner und die Russen über kurz oder lang miteinander verhandeln werden. Welchen Platz wird Europa in dieser Aufstellung einnehmen? Werden wir Teil davon sein? Wer wird unsere Interessen vertreten? Überhaupt was genau sind unsere Interessen? Das ist die wichtigste Frage für die kommende Zeit. Ungarn kann diese Frage nicht beantworten, denn unsere Arbeitsweise als Kommissionspräsident besteht nicht darin, Europa zu führen oder hier anstelle von Deutschland und Frankreich und Italien Entscheidungen zu treffen. Das ist unmöglich! Was wir tun können, und das ist die Aufgabe des jeweiligen Präsidenten, ist es, Vorschläge auf den Tisch zu legen. Wir entscheiden also nicht, sondern wir helfen den 27 Ministerpräsidenten, bei der Entscheidung. Wir werden an allen Orten sein, die für Europa wichtig sind, wir werden alle Situationen darlegen, ich werde Berichte über alle Situationen für die europäischen Staats- und Regierungschefs vorbereiten, die der Europäische Rat diskutieren kann und die großen europäischen Staats- und Regierungschefs können Entscheidungen treffen. Ich kann dazu beitragen, dass Entscheidungen zu diesen Themen getroffen werden, zumindest aber, dass diese Themen auf den Tisch kommen, und zwar in einer Form, in der die Politiker sie behandeln können. Es gibt also keine bürokratische Führung, natürlich gibt es diese Dossiers und Treffen, aber es muss auch eine Energie des politischen Typs geben, eine Initiative, die keine Entscheidung ist, sondern die eine klare Beschreibung der Situation und der möglichen Lösungen auf den Tisch legt und dann die europäischen Staats- und Regierungschefs auffordert, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Mit dieser Methode werden wir voranschreiten. Wenn Sie oder unsere Zuschauer in den nächsten Tagen überraschende Nachrichten von überraschenden Orten hören werden, dann steckt dahinter die Art und Weise, wie wir arbeiten.
Sie haben gesagt, wir wollen vorantreiben, und das ist ein sehr wichtiges Stichwort, denn die wichtigste Aufgabe der rotierenden Präsidentschaft ist es, Kompromisse zu schließen, zu vermitteln, wie Herr Minister Martonyi sagte: ein guter Hirte zu sein. Das entspricht aber nicht ganz dem Bild, das über Ungarn zum Beispiel in der EU besteht. Was ist es, das Ungarn auch weiterhin verteidigt, auch um den Preis von Konflikten, und was ist es, bei dem Ungarn vielleicht kompromissbereiter ist, insbesondere im Hinblick auf die rotierende Präsidentschaft?
Schauen Sie, wir sind auch nicht naiv und wir rennen auch nicht mit dem Kopf durch die Wand, also auch wir verstehen etwas von der internationalen Diplomatie. Aber in dieser internationalen diplomatischen Kultur ist trotzdem das, was wir vertreten und wie wir es vertreten, öffentlich, offen und direkt. Ich denke, das ist eine Tugend. Es ist manchmal konfliktträchtig, aber es ist eine Tugend. Was wir also zu den europäischen Debatten beitragen können – sagen wir mal als ungarische Charaktereigenschaft – ist, dass wir die Dinge beim Namen nennen werden, denn wir haben gelernt, dass wir in einer Ecke der Welt leben, in der unser Land untergehen wird, so wie ganz Europa untergehen könnte, wenn wir nicht rechtzeitig Entscheidungen treffen, wenn wir die Probleme unter den Teppich kehren, anstatt ihnen ins Auge zu blicken. Der ungarische Ratsvorsitz wird also gut für Europa sein, denn wir werden selbst die schwierigsten Fragen sehr offen ansprechen, ohne zu versuchen, die Entscheidungsträger zu beeinflussen, und wir werden unsere Ansichten zu einer Situation in Form von offenen, geradlinigen Studien darlegen. Es passiert also nicht das, was hier in Brüssel so oft schiefläuft, dass in einem Rotwelsch, auf schwer verständliche Art und Weise, in der eigenen bürokratischen Herangehensweise der Brüsseler Blase und unter Vergeudung von viel Zeit, Themen erst mit großer Verzögerung oder gar nicht auf den Tisch kommen. Ich glaube also, dass wir dieser ganzen Europäischen Union einen Schub geben können, ohne dass wir dabei den Maßstab verlieren. Es ist also wichtig, dass ein jeder in der Welt seinen Platz kennt. Auch wir Ungarn haben unseren Platz, wir haben unsere Tugenden, wir haben unsere Fehler, wir haben unser Gewicht, wir haben unsere Fähigkeiten und unsere Handicaps, wir wissen also ungefähr, wo wir in der Welt stehen, was von uns erwartet werden kann, und wir werden unser Bestes tun, und werden das, was wir besitzen, den Werten Europas in den nächsten sechs Monaten hinzufügen. Das ist vom ungarischen Ratsvorsitz zu erwarten. Es wird überraschende Dinge geben.
Wenn Sie hier schon von Offenheit gesprochen haben, und eine Katze sollte natürlich eine Katze genannt werden, dann kommt sofort die illegale Migration als eines der wichtigen Ziele des Ratsvorsitzes zur Sprache, denn hier sind die meisten Konflikte zwischen der EU und Ungarn ausgebrochen. Es ist kein Zufall, dass auch die deutsche Presse, Die Welt und der Deutschlandfunk, dies als Ziel des ungarischen Ratsvorsitzes herausgestellt haben. Können konkrete Schritte unternommen werden, um die illegale Migration wirklich einzudämmen?
Wir können Vorschläge machen, aber die Entscheidung darüber liegt nicht bei uns, sondern bei den europäischen Staats- und Regierungschefs, insbesondere beim Rat. Jetzt gibt es einen Migrationspakt, der mit großem Tamtam angekündigt und mit großem Tamtam verabschiedet worden ist. Und er funktioniert nicht. Das Erste, was jetzt getan werden muss, ist, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die sich der Sache angenommen und als Heldentat dargestellt haben, nicht beschämt werden, wenn sie mit der Tatsache konfrontiert werden, dass er nicht ausreicht. Deshalb darf dieser Pakt nicht herabgestuft werden – er konnte eben nur soviel – , sondern wir müssen einen Schritt weiter machen. Und ich schlage allen hier in Brüssel vor, dass Ungarn nicht dafür bestraft werden sollte, dass wir eine Migrationspolitik haben, die keine Migranten hereinlässt. Man kann also nicht illegal zu uns hereinkommen, das ist eine Straftat, sondern man sollte das von uns übernehmen. Sie sollen Ungarn also nicht dazu zwingen wollen, unsere Regeln zu ändern, weil wir uns vor der Migration geschützt haben. Sie haben das nicht getan. Stattdessen sollten lieber sie die ungarischen Regeln hier in Brüssel und in den anderen Hauptstädten übernehmen, und plötzlich wäre alles einfacher. Wir werden also auch darüber eine offene Diskussion führen. Ich will die Arbeit, die vor uns geleistet wurde, nicht abwerten, aber ich denke, dass sie nicht ausreicht, wir müssen einen Schritt weiter machen, und dazu werden wir Vorschläge präsentieren.
Es ist nicht gerade eine leichte Zeit, in der Ungarn, den Ratsvorsitz übernimmt. Es gibt einige Themen, bei denen man in sechs Monaten nicht viel erreichen kann, bei demografischen Fragen zum Beispiel sind sechs Monate wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber, sagen wir, bei der Frage von Krieg und Frieden zählt jeder Tag, und sechs Monate zählen umso mehr. Wie kann ein ungarischer Ratsvorsitz den Frieden nicht nur auf der Ebene von Slogans oder Botschaften, sondern auch in der Realität voranbringen?
Wenn Sie die morgige Presse verfolgen, werden Sie die ersten Schritte sehen, die wir in diese Richtung unternehmen.
Ein sehr wichtiges Ziel der Präsidentschaft ist die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Über das Ziel gibt es wohl keine Debatte, aber kann man einen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Mittel finden?
Das ist schwierig, aber nicht unmöglich. Wir würden gerne ein großes Abkommen über die Wettbewerbsfähigkeit unter Dach und Fach bringen. Meiner Ansicht nach war es ein Fehler, große internationale Steuern einzuführen, denn Steuern sind etwas Schlechtes. Wenn man seine Wirtschaft ankurbeln will, sollte man keine Steuern erheben, sondern man muss die Wirtschaftsakteure unterstützen. Es werden Maßnahmen eingeführt oder sie stehen auf der Tagesordnung, die wir im Übrigen überarbeiten wollen, bei denen es angeblich darum geht, bestimmte Industrien, insbesondere die Autoindustrie, vor dem Osten zu schützen, aber ich habe im Vorfeld der Präsidentschaft mit den Leitern der großen Autofabriken gesprochen, und sie haben gesagt, dass sie das überhaupt nicht wollen, denn wenn dann der Osten zurückschlägt, werden sie viel mehr verlieren, als wenn wir damit erst gar nicht angefangen hätten. Die Europäische Union steht also kurz davor, in einen Handelskrieg mit dem Osten zu geraten, an dem wir nur verlieren werden. Was wir also bräuchten, ist nicht Abschottung, sondern vielmehr die Stärkung unserer Beziehungen und einen lebhafteren Handel. Und dann ist da noch dieses Problem des Namens „grüner Übergang”, wo in den letzten Jahren eine Politik betrieben wurde, die dazu geführt hat, dass wir heute mehr Kohle verbrauchen als vor dem ganzen grünen Übergang, obwohl das Ziel des grünen Übergangs war, alles zu beseitigen, was die Luft verschmutzt und schädlich und klimaschädlich ist. Die Regeln, die schlechten Regeln, die hier gemacht wurden, insbesondere von der Kommission und ihrer Präsidentin, haben dazu geführt, dass wir heute in Europa mehr Kohle verbrauchen als vor der großen grünen Wende, und die Energiepreise sind um das Zwei- bis Dreifache gestiegen. Der Grund, warum wir nicht mit den Chinesen und den Amerikanern konkurrieren können, ist, dass die Energiepreise in diesen Ländern überall viel niedriger sind als bei uns. Darunter leidet bei uns die Bevölkerung, wir können die Ungarn noch irgendwie mit Hilfe des Schutzes der Nebenkosten schützen, aber in allen Ländern Europas zahlen die Menschen überall mehr, und die Menschen leiden darunter, und auch die Firmen leiden, deshalb muss die gesamte grüne Energiepolitik radikal neu durchdacht und umgeformt werden.
Wir haben damit begonnen, dass Ungarn die Präsidentschaft von Belgien übernommen hat und sie in sechs Monaten an Polen weitergibt. Worin sehen Sie die größte Chance für Ungarn in dieser sechsmonatigen rotierenden Präsidentschaft?
Unseren Kontinent dem Frieden näher zu bringen.
Vielen Dank!