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Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Gestern bekräftigte der französische Präsident Emmanuel Macron die Möglichkeit, europäische Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden, und er sagte kürzlich auch, Frankreich sei bereit, die Debatte über eine europäische Verteidigungspolitik zu eröffnen, die auch Atomwaffen einschließt. In der Zwischenzeit hat auch der polnische Präsident erklärt, dass Warschau bereit ist, Atomwaffen auf seinem Territorium zu stationieren, wenn die Verbündeten dies beschließen. Wie gefährlich ist die Kriegssituation heute? Auch das frage ich Ministerpräsident Viktor Orbán in der nächsten halben Stunde. Guten Morgen!

Guten Morgen! Mehr als das, der europäische Kommissar für auswärtige Angelegenheiten, Herr Borrell, sagt, dass ein umfassender europäischer Krieg kein Hirngespinst mehr ist, und am meisten haben mir die Worte des polnischen Außenministers in dieser Woche den Atem geraubt, der sagte, dass es keine diplomatische Lösung für diesen Krieg gibt, dieser nur mit roher militärischer Gewalt gelöst werden kann. Hinter diesen Worten verbergen sich wahre Absichten. Das sind keine Kommunikationsblasen oder Platzpatronen, sondern verkörpern reale politische Überlegungen und Absichten. Europa spielt mit dem Feuer, wir balancieren in diesem Moment an der Grenze von Frieden und Krieg.

Wie angespannt ist die Situation? Ich frage das auch deshalb, weil es 1999 auch einen Krieg gab, damals an unserer Südgrenze, Sie waren damals auch Premierminister, wie unterscheidet sich das, was wir jetzt erleben, von dieser Situation oder von den letzten dreißig Jahren?

Die Zeit ist noch nicht gekommen, dass Historiker die Ereignisse des Jahres 1999 umfassend erforschen, als wir gerade der NATO beigetreten waren und fast am nächsten Tag eine Feuertaufe zu bestehen hatten, weil die NATO beschloss, Serbien anzugreifen, und Ungarn ihr Mittel zur Verfügung stellen musste, insbesondere Flughäfen. Das wissen wir, das sind öffentliche Informationen. Worüber nicht einmal ich ausführlich sprechen möchte, ist, dass es eine amerikanische Bestrebung gab, dass wir neben der Südfront auch die Nordfront eröffnen sollten – die serbische Nordfront hätte bedeutet, dass die Front an der südlichen Grenze Ungarns eröffnet worden wäre –, wobei die Amerikaner bestimmte militärische Vorstellungen darüber hatten, was Ungarn tun sollte, was ich zurückgewiesen habe, und damit ist es mir gelungen, Ungarn aus dem Krieg herauszuhalten oder von dem Krieg fernzuhalten, und deshalb gab es keinen serbisch-ungarischen Krieg, der meiner Meinung nach das Schicksal Ungarns für die nächsten Jahrzehnte auf tragische Weise besiegelt hätte, ganz zu schweigen von dem Schicksal der damals noch 300.000 Menschen umfassenden, in der Vojvodina lebenden ungarischen Gemeinschaft. Ich weiß also aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn einem die Winde des Krieges um die Ohren pfeifen, und ich weiß, dass man in solchen Zeiten vernünftig sein muss, und ich schließe mich nicht diesen Äußerungen an, die hier über den Krieg reden, als wäre es ein Kaffeekränzchen am Nachmittag. Denn wir erinnern uns noch gut daran, wie viele Flüchtlinge auch im südslawischen Krieg, der vom Ausmaß her weit hinter dem jetzigen russisch-ukrainischen Krieg liegt, kamen und wie lange sie dort, in der Gegend von Pécs, untergebracht werden mussten: Bosniaken, Serben, Kroaten, also obwohl wir nicht in den Krieg verwickelt waren, quälte er uns auch so trotzdem. Und dann geht man auch nicht deshalb in die Schule, um die eigene Zeit irgendwie zu verbringen, obwohl es gut ist, sein Kind in Sicherheit zu wissen, aber auch dort bleibt etwas an einem hängen, und wir haben dann doch gelernt, dass Ungarn zweimal in jeweils einen Krieg gezwungen wurde, der auf tragische Weise die Zukunft Ungarns, seine Größe, sein Territorium, seine Bevölkerung und seine Wirtschaftskraft besiegelte. Wir wollten weder am Ersten Weltkrieg teilnehmen noch wollten wir am Zweiten Weltkrieg teilnehmen; wir wurden in beide hineingezwungen, und am Ende gehörten wir zu denen, die den höchsten Preis dafür bezahlten. Es ist meine persönliche Überzeugung, und da ist sich die Regierung einig, dass wir es nicht zulassen werden, dass Ungarn ein drittes Mal in einen Krieg hineingezwungen wird, in dem die Ungarn am Ende die Suppe des Krieges auslöffeln, auch die schwersten Verluste erleiden oder selbst die schwersten Verluste erleiden werden. Wir werden also an unserer Pro-Friedens-Position festhalten. Leider ist es so, dass wir uns jeden Tag weiter vom Frieden entfernen. Der Krieg dauert seit zwei Jahren an, zwei Jahre lang haben die europäischen führenden Politiker über Strategie und Sanktionen gesprochen, wir liefern nichts außer Helmen, und dann stellte sich heraus, dass gut, es zwar Sanktionen geben sollte, aber nicht für Energie, und dann stellte sich heraus, dass es Sanktionen für Energieressourcen geben sollte, und dann liefern wir Schusswaffen, gut, aber wir liefern keine Flugzeuge, und dann liefern wir Flugzeuge, und jetzt liefern sie schon Raketen. Ich sehe es also, ich sitze dort unter ihnen, und ich sehe dieses Abdriften Tag für Tag, Woche für Woche, nicht vom Krieg zum Frieden, sondern vom Frieden zum Krieg. Und ich halte das für äußerst gefährlich und mache mir Sorgen um die Zukunft Europas.

Das ist auch deshalb interessant, weil die Lage der Ukrainer an der Front nach Meinung vieler Experten immer aussichtsloser wird und sich der Verlauf des Krieges ihrer Meinung nach langsam zu entscheiden scheint. Wie lange und warum unterstützt der Westen in dieser Situation noch die Ukraine?

Die Ungarn sind ein schlaues Volk, wir durchschauen die Situation und wir wissen, dass ein Krieg nicht nur Verluste mit sich bringt, schreckliche und entsetzliche Verluste natürlich, Menschenleben, ganze Volkswirtschaften werden von den Fluten des Krieges mitgerissen, sondern dass es immer auch Gewinner dabei gibt. Ich schaue mir jetzt die Entscheidung des US-Kongresses an, ich habe dem US-Präsidenten vor ein oder zwei Monaten zugehört, und er hat sehr deutlich gesagt, dass die US-Wirtschaft von der Unterstützung der Waffen an die Ukraine profitiert – sagte zuerst der Außenminister, dann der US-Präsident. Jetzt haben sie diese Entscheidungen über sechzig und einige Milliarden Dollar an Militärhilfe getroffen, die offensichtlich, wenn man sich die interne Struktur anschaut, eigentlich ein riesiger militärisch-industrieller Auftrag an die US-Industrie ist. Es gibt diese NROs, Menschen wie Soros, es gibt also immer diese Finanzspekulanten, Leute, die im Trüben fischen, die sich den Krieg anschauen, wie man in Pest zu sagen pflegt, um zu sehen, was sie daraus herausholen können, und die auch versuchen, alles herauszuholen, was sie können. Das ist eine Sache, dass sie zwar nicht sehr zahlreich sind, aber es gibt sie und sie sind stark. Es gibt also sehr ernsthafte Kräfte hinter der Kriegstendenz, geschäftliche, politische, wirtschaftliche Kräfte. Aber die Menschen, zumindest die Mehrheit der Menschen, ist auf der Seite des Friedens. Daraus ergibt sich übrigens die Spannung der gegenwärtigen Situation, dass die Zahl der Menschen in ganz Europa, die die Gefahr spüren und keinen Krieg wollen, ständig wächst, während die europäischen führenden Politiker in Richtung Krieg – ich sage nicht, dass sie marschieren, aber – jeden Tag immer weitere Schritte in Richtung Krieg unternehmen.

Ja, und das spiegelt sich doch auch in den Wirtschaftsdaten wider. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass das Wachstum in Europa z.B. weit unter dem ungarischen liegt und dass es in sehr vielen Ländern einen wirtschaftlichen Abschwung gibt. Auch unter diesem Gesichtspunkt leiden die Menschen in Europa unter dem Krieg. Warum interessiert sich die Brüsseler Führung nicht dafür?

Man muss tatsächlich schon sehr viel darüber nachdenken, um das zu verstehen. Und auch ich kann Ihnen keine 100-prozentig sichere Antwort geben, aber die Erfahrungen mit Kriegen sind ja unterschiedlich. Mitteleuropa hat also durch jeden Krieg etwas verloren. Westeuropa hat durch jeden Krieg etwas gewonnen. Es stimmt, dass es zum Preis von Leiden geschah, aber am Ende ist es als Sieger aus dem Krieg hervorgegangen. Und das Ausmaß ihres Leidens ist zwar schwer zu vergleichen, aber eine russische Invasion in Richtung Europa im Zweiten Weltkrieg bedeutet nicht dasselbe in Budapest wie in Paris, weil sie dorthin nicht einmal hingekommen sind. Das Problem ist also auch hier, dass jeder aufgrund der geografischen Lage anders über den Krieg denkt. Der Grund, warum wir eine europäische Sicherheitslösung finden müssen, die die Russen einbezieht und in der sich alle sicher fühlen, ist, dass dadurch gewährleistet werden kann, dass es nicht zu einem bewaffneten Konflikt kommt. Denn der französische Präsident kann sagen, dass Truppen entsandt werden müssen, oder er kann sagen, dass Truppen in die Ukraine entsandt werden müssen, und die Russen werden dann kommen, aber die Franzosen werden dann nach Hause gehen. Und die Amerikaner werden dann auch nach Hause gehen. Aber das ist unsere Heimat, wir können nirgendwo nach Hause gehen, wir haben dieses Land. Und es liegt eben in dieser trockenen, vom Krieg zerrissenen und historisch riskanten Region, in der es eben liegt. Für die Völker Mitteleuropas – es ist kein Zufall, dass die Slowaken und Serben in einem ähnlichen Ton wie die Ungarn sprechen –, also für uns ist unsere historische Erfahrung im Zusammenhang mit dem Krieg, dass man durch ihn nur verlieren kann. Selbst wenn die Front nicht kommt, werden wir aber am Ende den Preis für die wirtschaftlichen Auswirkungen zahlen. Je näher du dem Kriegsgebiet bist, desto höher ist der Preis, den du zahlst, denn desto höher ist das Risiko für deine Wirtschaft. Wenn du deine Berechnungen anstellst, deine geschäftlichen Kalkulationen, musst du dich darauf einstellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dir der Krieg schaden wird, größer ist als bei einem Unternehmen, das 300, 400, 500 oder 1000 Kilometer entfernt von hier liegt. Wir sind also diejenigen, die am meisten unter dem Krieg wegen der Vorsicht und des Fehlens von Sicherheitsgarantien leiden. Und wenn man sich die Preise anschaut, dann sind das heute keine Friedenspreise in den Geschäften. Die Menschen müssen jetzt langsam in den Geschäften in ganz Europa eine Art Kriegszuschlag zahlen. Wenn Frieden wäre und es Friedenspreise gäbe, wäre das für die Familien eine wesentlich geringere Belastung. Aber so ist es auch mit dem Wirtschaftswachstum. Nun hat Ungarn, soweit ich das sehe, unter großen Anstrengungen, aber nach dem sehr schwierigen Jahr 2023, in dem wir die Inflation niedergerungen haben, ist unser Plan nun, 2024 schon zu einem Jahr des Wachstums zu machen, und dies wird gelingen. Aber wenn wir uns nicht in einem Kriegsumfeld befinden würden, hätten wir nicht 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum, sondern das Doppelte. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass die ungarische Wirtschaft ihre Wachstumsleistung verdoppeln würde, wenn wir in einer Zeit des Friedens leben würden, anstatt in der gegenwärtigen Kriegssituation. Oder hier ist auch das Risiko, wenn wir über die Wirtschaft sprechen, im Hinblick auf den Haushalt. Wenn man 2025 immer noch mit dem Krieg rechnen muss, dann wird die Höhe der Militärausgaben für Ungarn aus den Jahren 2023 und 2024 nicht ausreichen, dann müssen sie erhöht werden. Wenn wir sie erhöhen müssen, werden wir weniger für andere Dinge haben. Das sind also quälende wirtschaftliche Fragen. Wirtschaftspolitik zu machen und eine Wirtschaft im Schatten des Krieges zu führen ist schwierig und erfordert enorme Anstrengungen, und die Früchte und Ergebnisse sind geringer als in Friedenszeiten. Deshalb wollen die Ungarn nicht einfach nur Frieden, sondern aufgrund der Erfahrungen des Weltkriegs, aufgrund der wirtschaftlichen Zusammenhänge, haben die Ungarn einen Instinkt für den Frieden. Das ist also keine politische Stellungnahme, dass Ungarn keinen Krieg will. Für die Franzosen und die Deutschen ist es vielleicht eine politische Frage. Unsere tiefsten Lebensinstinkte sprechen gegen den Krieg und für den Frieden.

Wir werden noch auf die Wirtschaft zurückkommen, aber Sie haben zu Beginn des Gesprächs erwähnt, dass 1999 ja schon einmal gelungen ist, einem Krieg fernzubleiben. Was braucht Ungarn, um sich auch aus diesem Krieg herauszuhalten, und gibt es eventuell Erfahrungen aus dem Jahr 1999, die man jetzt nutzen kann?

Mut ist auf jeden Fall notwendig, den haben wir auch damals gebraucht. Damals hieß der Präsident der Vereinigten Staaten Bill Clinton, der ein starker Präsident war, und schon damals hatten wir Probleme damit, nein zu sagen, damit der Elefant nicht auf uns, sondern an unsere Seite tritt. Aber es ist gelungen. Es ist möglich, ich sitze hier, Ungarn lebt und es geht ihm gut, so etwas ist also möglich, aber dazu ist vor allem Mut nötig. Zweitens braucht es nationale Einigkeit. Es ist also sehr schwierig für den führenden Politiker eines innenpolitisch gespaltenen Landes, in dem es keine klare Mehrheit für den Krieg und keine klare Mehrheit für die Unterstützung des Friedens gibt, das Land aus dem Krieg herauszuhalten. Zum Glück muss ich damit jetzt nicht rechnen, und es ist auch kein Problem, denn ich habe das Gefühl, dass 80-90% der Ungarn für den Frieden sind, vielleicht sind es sogar noch mehr. Ich habe also das Gefühl, dass es eine große nationale Einheit gibt, und wenn ich dort kämpfen muss, dann kämpfe ich nicht für meine eigene Position, ich kämpfe nicht für eine politische Meinung, sondern ich muss den den stärksten Lebensinstinkten eines Landes entspringenden Lebensanspruch vertreten. Nun muss ich sagen, dass die Linken, ich meine die Linken in Ungarn, natürlich für den Krieg sind, aber ich versuche hier auf den Wahlversammlungen zu sagen, dass ich nicht glaube, dass es daran liegt, dass sie verrückt wären. Sie wissen ja auch, dass Krieg schlimmer ist als Frieden. Ich glaube auch nicht, dass es daran liegt, dass sie böse sind, denn es gibt nur sehr wenige böse Menschen, die den Krieg wollen, weil er schlecht ist, und das traue ich nicht den Linken zu. Ich traue ihnen vieles zu, aber das wäre vielleicht übertrieben, sondern da geht es darum, dass sie Geld bekommen. Sie sind also für den Krieg, weil es in ganz Europa und jetzt auch in Amerika kriegsfreundliche Regierungen gibt. Und wenn man in den Krieg zieht, ist es sehr wichtig, dass niemand außen vor gelassen wird. Ungarn sticht heraus, weil es für den Frieden ist. Deshalb wollen sie einen Regierungswechsel in Ungarn, sie machen auch keinen Hehl daraus. Das war auch 2022 der Fall, und das ist auch heute noch so. Was sie erreichen wollen, ich meine die Westler, ist, dass sie uns ihr Geld geben, dass sie NROs unterstützen, dass sie die linke Presse mit amerikanischem Geld unterstützen, dass sie Geld an linke Parteien geben, um eine Pro-Kriegs-Regierung in Ungarn zu etablieren, um eine auf der Seite des Krieges stehende Regierung zu schaffen, damit wir uns dem europäischen oder westlichen Mainstream anschließen, damit auch wir in den Krieg einsteigen, damit wir nicht den vereinten politischen Chor zugunsten des Krieges brechen. Und dazu sind Akteure notwendig. So einfach ist das. Das sind die linken Parteien und die linken Denker und die politische Welt der Linken in Ungarn, die übrigens eine große Welt ist, die ich nicht unterschätzen würde, besonders so, indem sie mit ausländischem Geld unterstützt wird. Dreißig Silberlinge mögen zwar nicht viel sein, aber es ist auch nicht wenig.

Sie haben übrigens erwähnt, dass weder das ungarische noch das europäische politische Leben in Bezug auf Krieg oder Frieden einheitlich ist. Was steht vor diesem Hintergrund bei den bevorstehenden Wahlen auf dem Spiel? Am 19. Juni finden nämlich Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament statt.

Das pflegt so zu sein, dass es bei den europäischen Wahlen vor allem darum ging, welche politische Kraft wie viele Abgeordnete stellen würde. Das war nicht nur bei den ungarischen Wahlen der Fall, sondern auch bei den Europawahlen. Aber dieses Mal ist es anders. Ich schaue auch gar nicht darauf, wer links und wer rechts steht, sondern ich schaue darauf, wie viele Stimmen die kriegsbefürwortenden Kräfte bekommen und wie viele die friedensbefürwortenden Kräfte bekommen werden. In Wirklichkeit geht es also um den Krieg. Deshalb sollten wir nicht nach links und rechts schauen, wir sollten nicht nach Ideologie schauen, wir sollten nicht einmal nach Parteien schauen, sondern nach der Haltung der gewählten Vertreter zum Krieg. Und ich bin überzeugt, dass es heute, nachdem wir von einer europaweiten Wahl sprechen, eine Chance gibt, dass die Antikriegsabgeordneten im Europäischen Parlament eine Mehrheit haben werden. Aber natürlich werden die Europawahlen auf nationaler Ebene durchgeführt, es gibt Wahlen in allen 27 Mitgliedstaaten. Und soweit ich das sehe, ist heute bereits die Mehrheit der Länder für den Frieden. Wenn die friedensfreundlichen Kräfte in den westeuropäischen Ländern ihre Politik richtig machen, können wir ein Europäisches Parlament haben, das die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht in Richtung Krieg drängt, sondern Europa vom Abgrund zurückholt. Im Falle Ungarns bedeutet das – sprechen wir es offen aus –, dass hier in Ungarn nur diejenigen für den Frieden stimmen, die Fidesz wählen. Ich glaube es, dass es auf der linken Seite Menschen gibt, die im Herzen den Wunsch nach Frieden haben, aber wenn sie die Linke wählen, werden sie für den Krieg stimmen, wenn du also den Frieden willst, dann wähle Fidesz.

Inwieweit können sich diese Stimmen, die für den Frieden sind, in Ungarn oder in Westeuropa durchsetzen? Ich denke dabei an die Tatsache, dass vor einigen Wochen versucht wurde, eine nationale konservative Konferenz in Brüssel zu blockieren, und nun wurde vor kurzem eine Präsentation eines Teilnehmers der CPAC von einer der größten Video-Sharing-Seiten blockiert. Es scheint also, dass es Versuche gibt…

Einen Kampf gibt es. Das sind keine Versuche, das ist eine Schlacht. Die kriegsbefürwortenden und die friedensbefürworten Kräfte kämpfen also miteinander. Außerdem gibt es noch andere Fragen. Ich will nicht sagen, dass die Kriegsfrage alle anderen Themen aus der Politik verdrängt hat, aber sie hat sie überschrieben, aber es gibt immer noch unterschwellige Themen wie die Genderfrage oder jene des Schutzes der Familie sowie die Migration, und über all diese Themen gibt es große Debatten. Europa hat doch das Gefühl, dass es an einem historischen Scheideweg steht: Es kann in die eine oder andere Richtung gehen. Auch wir, die wir die europäische Politik gestalten, haben das Gefühl, dass das, was wir tun, sagen und tun, Gewicht hat, viel mehr Gewicht als sonst, oder dass die Europawahlen selbst mehr Gewicht haben als sonst. Und jetzt haben wir diesen 20. Jahrestag hinter uns, der zudem eine historische Perspektive bietet – sowohl zurück als auch nach vorne. Ich denke also, dass es ein Grund zu Selbstvertrauen sein kann, dass die Friedenskräfte heute überhaupt so weit gekommen sind, um die Europawahlen offen sein zu lassen. Vor einem Jahr war das noch nicht so, da war ein größerer Teil der europäischen Menschen für den Krieg als heute. Es gibt also eine Verschiebung im Denken der europäischen Menschen hin zum Frieden, und das muss man dann auch im politischen Sinn durch die Wahlen zum Ausdruck gebracht werden. Ich habe diese Einschätzungen über die zwanzig Jahre gelesen. Es ist interessant, dass alle nur darüber reden, wie weit die neu beigetretenen Länder, die Länder, also jene, die durch die europäische Wiedervereinigung beigetreten sind, gekommen sind, aber ich denke, die spannendere Frage ist, wie weit die EU gekommen ist, weil wir nicht dieser Union beigetreten sind. Wir sollten uns aber daran erinnern, ich habe mich 2004 für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union eingesetzt, und ich bin immer noch der Meinung, dass es drinnen besser ist als draußen, aber ich möchte nicht leugnen, dass als wir 2004 beigetreten sind, war nicht hiervon die Rede. Davon war keine Rede, dass wir Millionen von Migranten auf den Kontinent hereinlassen werden, und denjenigen, die nicht wollten, dass sie kommen, wie z. B. wir, Ungarn, sie aufgezwungen werden würden. Oder es war nicht die Rede davon, dass man, wenn man sagt, dass eine Familie aus einem Mann, einer Frau und einem Kind besteht, in den liberalen europäischen Medien verhauen wird. Oder dass ein Land, das in seiner Verfassung festschreibt, dass der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau ist, wie Ungarn, mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen muss. So hat Europa nicht ausgesehen. Und wir sind beigetreten, weil Europa Frieden und Wohlstand bedeutete. Jetzt befinden wir uns in einer Wirtschaftskrise. Das Europa, in das wir eingetreten sind, besaß etwa zwanzig Prozent der Weltwirtschaftskraft. Von dort aus sind wir zurückgerutscht. Unsere Konkurrenten haben uns alle überholt. Davon war nicht die Rede! Und es war auch nicht davon die Rede, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs den Kontinent in einen Krieg statt in den Frieden hineinmanövrieren. Wenn wir also diese zwanzig Jahre auswerten, ist der erste Satz, der es wert ist, von uns mit ungarischen Augen und ungarischem Herzen gesprochen zu werden: Meine Herren, das ist nicht das, worauf wir uns geeinigt haben! Oder wie es im Kindergedicht heißt: Mutti, das ist nicht das Pferd, das ich mir gewünscht hatte! Davon war keine Rede! Unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich also auch ein Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre, auf die zwanzig Jahre der Europäischen Union.

Kommen wir noch einmal kurz auf die ungarische Wirtschaft zurück. Sie haben gesagt, wenn Frieden herrschen würde, könnte das Wachstum, das wir jetzt erleben, verdoppelt werden, ja sogar doppelt so hoch sein. Aber es gibt Gewitterwolken am Himmel, in Deutschland z.B. ist das GDP gesunken, auch die Kraftstoffpreise schwanken und tendieren eher nach oben. Wie kann diesen Effekten entgegengewirkt werden?

Wenn Sie das schon zur Sprache gebracht haben, lassen Sie uns kurz über die Treibstoffpreise sprechen. Ich denke, es ist eine berechtigte Erwartung der ungarischen Menschen und der ungarischen Regierung an die Akteure im Kraftstoffgeschäft, im Business, sowohl an die Groß- als auch an die Einzelhändler, dass die ungarischen Menschen Zugang zu Kraftstoff zu den Preisen hat, zu denen die Bürger anderer Länder in dieser Region dies haben. Ich denke also, dass dies ein gerechtfertigtes Bedürfnis ist. Und es ist besser, wenn sie dies anerkennen und ihren Profit und ihre Margen entsprechend anpassen, als wenn wir dies sonst durch staatlichen Zwang erreichen müssten. Ich habe den Minister Herrn Márton Nagy gebeten, eine Vereinbarung zu suchen, also nicht mit roher Kraft aufzutreten. Er könnte Verordnungen erlassen, um dies zu erreichen, aber lassen Sie uns das nicht tun, lassen Sie uns versuchen, eine Einigung zu erzielen, lassen Sie uns auf die Einsicht setzen, statt auf das Armdrücken. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass das, was wir für die in der Energiewirtschaft, pardon, in der Benzinwirtschaft Interessierten, vorgeschlagen haben, nicht ohne Mängel war. Wir haben sie ja um einen regionalen Preis gebeten, und wir arbeiten mit regionalen Daten, mit den Daten des ungarischen statistischen Zentralamtes, die außer den Preisen der Nachbarländer auch die Preise Polens, der Tschechischen Republik und Bulgariens beinhalten. Und die Kraftstoffhändler sagen, dass dies nicht fair ist, weil diese Länder aus verschiedenen Gründen keine Vergleichsbasis für Ungarn sind. Lassen wir sie weg, und setzen wir diesen Durchschnittspreis, an den wir das ungarische Preisniveau koppeln wollen, mit dem durchschnittlichen Kraftstoffpreis der Nachbarländer an. Und ich denke, das ist eine legitime Forderung von ihrer Seite, also werden wir die Zahlen neu berechnen, und das werden wir auch auf dieser Grundlage tun, aber wir werden auch auf dieser Grundlage unsere frühere Vereinbarung einhalten lassen, dass die ungarischen Menschen nicht mehr für Benzin bezahlen sollen als den Durchschnittspreis in den Nachbarländern. So viel zum Benzin. Wenn wir über die Wirtschaft im Allgemeinen sprechen, möchte ich meine Aussage wiederholen, dass die ungarische Wirtschaft doppelt so schnell wachsen könnte, wenn Frieden herrschen würde, eben weil dann die westeuropäischen Volkswirtschaften, insbesondere die deutsche, nicht in dem Maße leiden würden, wie wir es derzeit erleben. Die Deutschen sind von diesem Krieg schwer geschädigt worden. Die Tatsache, dass die Deutschen sich selbst abgekoppelt haben oder die Amerikaner sie abgekoppelt haben – belassen wir dies im wohltätigen Dunkeln, wie dies passiert ist –, dass sie sich selbst abgekoppelt haben, vom russischen Energiesystem abgekoppelt haben und jetzt mindestens doppelt so viel für Energie bezahlen wie vorher, hat die deutsche Wirtschaft doch schwer belastet. Und für Ungarn ist der deutsche Markt sehr wichtig. Der Sinn unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union besteht darin, dass wir uneingeschränkten Zugang zu den Märkten der reicheren Länder haben, mit anderen Worten, zu den Märkten Westeuropas. Aber wenn diese Länder in eine Krise geraten, ihre Karren auf ein Schlagloch treffen und sie straucheln und keine ungarischen Waren, ungarische Produkte kaufen, dann hat das natürlich auch eine Auswirkung auf uns. Wir haben also ein Interesse daran, dass die deutsche Wirtschaft vorankommt, dass sie schneller wird und dass die Lokomotive die gesamte europäische Wirtschaft mitzieht, denn das ist auch für die Ungarn gut. Aber das ist heute nicht der Fall. Heute müssen wir in Ungarn ein Wirtschaftswachstum erzielen, während unser natürlichster Absatzmarkt, Westeuropa, darniederliegt. Influenza hat, krank und bettlägerig ist, viel weniger wächst als die ungarische, und das ist nicht nur jetzt so, sondern ich fürchte, noch ein, zwei Jahre. Und so wird es sicherlich sein, solange wir im Schatten des Krieges leben müssen. Hier muss man klug vorgehen. Es ist kein Zufall, dass der chinesische Präsident nächste Woche in Ungarn eintrifft. Es ist kein Zufall, dass wir unsere Aktivitäten in Zentralasien verstärkt haben. Unsere Beziehungen kommen wieder zu sich, wir haben auch unsere Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika neu belebt, wir legen auch Kapital an, wir machen auch Investitionen, wir verkaufen unsere Produkte auch fast überall in der Welt. Also der Aktionsradius, die Handlungsfähigkeit der ungarischen Wirtschaft, deren Schwerpunkt sicherlich in Europa bleiben wird, müssen wir in einem viel größeren Maß ausweiten, als wir es in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt waren.

Auch über die Kriegsgefahren, darüber, was bei den Wahlen am 9. Juni auf dem Spiel steht, und zu den wirtschaftlichen Aussichten befragte ich in der vergangenen halben Stunde Ministerpräsident Viktor Orbán.

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