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Viktor Orbáns Dankesrede anlässlich der Verleihung des Verdienstordens der Republika Srpska

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Milorad! Meine Damen und Herren!

Auszeichnungen bedeuten im Allgemeinen eine Ehre. Natürlich ist auch diese Auszeichnung eine Ehre, aber noch mehr ist die das, was mein Freund Milorad vorhin gesagt hat, dass sie auch ein Ausdruck der Liebe ist, ein Ausdruck der Freundschaft. Dies ist keine einfache Auszeichnung, ich sehe sie nicht als einen einfachen zwischenstaatlichen Akt an, sondern ich spüre, dass es darin Emotionen gibt, dass es Vertrauen gibt und dass es auch einen Optimismus für die gemeinsame Zukunft gibt.

Ich bin ein alter Mann. Ich beobachte die Serben schon seit langem. Ich erinnere mich an die Serben, als diese Welt noch Jugoslawien hieß und als Ihr, Milorad, reicher und entwickelter wart als wir. Und dann erinnere ich mich an das Jahr 1992, als wir im ungarischen Parlament die parlamentarische Entschließung zu Bosnien, zur Anerkennung Bosniens, verabschiedeten, an der ich bereits anwesend sein durfte. Ich beobachtete die Serben, als die Verhandlungen in Dayton stattfanden, obwohl sie, wenn ich mich richtig erinnere, eher in Paris abgehalten worden wären. Dann erinnere ich mich auch, als die NATO Belgrad bombardierte. Und dann habe ich beobachtet, wie die Serben darum kämpften, ihren Platz in der neuen Ära zu finden, in der wir bis auf den heutigen Tag leben. Und ich habe dies immer mit Verständnis, Wohlwollen und Liebe betrachtet, denn wenn sich die Rahmenbedingungen für die Existenz eines Volkes ändern, und zwar nicht zu seinem Vorteil, und es seinen Platz in der Welt finden muss, ist das eine sehr schwierige Arbeit und legt eine besondere Verantwortung auf die Schultern der führenden Politiker. Und deshalb habe ich immer mit Anerkennung beobachtet, wie ihr Serben, sowohl in Serbien als auch hier, Euren Platz in dieser neuen Ära sucht und schließlich einnehmt.

Nun ist es gleichgültig, wo sich gerade die Grenzen hinziehen, die Serben und Ungarn sind, unabhängig davon, wo immer sie leben, Nachbarn, denn das Wesentliche ist nicht, ob unsere Staaten benachbart sind, sondern ob unsere Völker Nachbarn sind. Wir leben zusammen, Serben und Ungarn. Ich habe mich in der internationalen Politik immer für die Serben eingesetzt, weil ich im Laufe der Jahrzehnte die Überzeugung entwickelt habe, dass die internationale Politik gegenüber den Serben unbillig, unfair und ungerecht ist. Es gibt kein makelloses Volk, aber es kommt auf die Proportionen an. Es gibt ein ungarisches Sprichwort: Es gibt Menschen, die sehen den Balken im eigenen Auge nicht, aber den Splitter im Auge eines anderen; und ich sehe, dass Serbien ungerecht behandelt wird, dass es nicht die Anerkennung bekommt, die ihm zusteht, und dass vollkommen an der europäischen Erkenntnis fehlt, dass Europa die Serben braucht.

Ohne die Serben gibt es keine europäische Sicherheit. Ohne die Einbeziehung der Serben gibt es keine gesunde Europäische Union. Ohne die Serben gibt es keine Stabilität in Europa. Und natürlich ist mit der Europäischen Union vieles nicht in Ordnung, Herr Präsident, lieber Milorad, auch ich kämpfe dort jeden Tag, aber es gibt heute keinen besseren Rahmen für unsere Nationen, um sich selbst zu stärken, als die Europäische Union. Und so werde ich alles tun, was ich kann, um sicherzustellen, dass Ihr, wenn Ihr es wünscht, dem besten internationalen Rahmen, der heute verfügbar ist, so nahe wie möglich kommen könnt. Es steht nicht gut um diese Sache. Die Entscheidung, dass Ihr Mitglied der Europäischen Union sein könnt, hätte schon vor langer Zeit getroffen werden müssen, und jetzt spreche ich gleichzeitig über Bosnien und Serbien. Jahrzehnte wurden vergeudet, und nun hat das Fieber der Osterweiterung plötzlich die Erweiterung der Union nach Süden zurückgedrängt. Und das ist keine gute Nachricht weder für Ungarn, noch für Bosnien oder Serbien. Wir sind der festen Überzeugung, dass die begonnene Erweiterung, die Süderweiterung, zuerst abgeschlossen werden muss, dass unsere Ressourcen zuerst darauf konzentriert werden müssen und wir uns dann mit der viel schwierigeren und komplizierteren Osterweiterung beschäftigen können. Ich will auch nicht verhehlen, Herr Präsident, dass wir hart dafür gekämpft haben, dass die Beitrittsverhandlungen zwischen Bosnien und Brüssel aufgenommen werden. Das ist uns gelungen. Es ist nur fair zu erwähnen, dass sich neben Ungarn auch andere für Euch eingesetzt haben, insbesondere die Österreicher, und wir haben gehofft, dass die Aufnahme von Verhandlungen eine Phase der Konsolidierung einleiten würde, und wir haben uns auf Sonnenschein eingestellt. Was ich dagegen sehe, ist, dass wir mit solchen dummen Provokationen, mit denen von außen in das Wahlrecht eingegriffen wird, die Dynamik verlieren, die wir uns hart erarbeitet haben und die uns die Aufnahme von Verhandlungen gegeben hätte. Und statt der Dynamik haben wir hier eine politische Krise. Sie entwertet unsere Arbeit – ich spreche nicht für Ungarn – sie entwertet die Arbeit Europas. Wir haben jahrelang in Brüssel dafür gearbeitet, und jetzt wird unsere Arbeit plötzlich durch eine Provokation einfach entwertet.

Die einzige Lehre, die ich daraus ziehen kann, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass die Ausländer hier nur Unruhe stiften. Es ist an der Zeit, dass sie einsehen, dass die Menschen, die hier leben, erkennen, in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, und dass die internationalen Akteure so schnell und so dynamisch wie möglich alle Befugnisse an Bosnien und Herzegowina, den Entitäten zurückgeben, und wir daran glauben, dass die Menschen, die hier leben, ihre Probleme lösen können. Wir sollten uns nicht einmischen wollen, sondern wir sollten helfen wollen. Unsere Aufgabe ist es nicht, Euch zu sagen, was Ihr tun sollt, sondern Euch zu fragen, was wir tun können, um zu helfen. Das ist der Punkt, an dem wir gelangen sollten. Und ich sehe auch diese Auszeichnung als eine Ermächtigung an, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten. In Ungarn neigen wir dazu, zu denken, dass es zwei Gründe gibt, warum Auszeichnungen verliehen werden. Der erste ist für das, was man gemacht hat, was man getan hat, aber ich möchte es so verstehen, dass ich sie nicht dafür erhalten habe, sondern für das, was ich hiernach tun werde.

Sehr geehrter Herr Präsident.

Ihr könnt auf die Freundschaft Ungarns zählen.

Gott segne das serbische Volk und Gott segne Bosnien!

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