Zsolt Törőcsik: Ich grüße Sie aus Brüssel und ich begrüße im Studio des Medienzentrums der öffentlich-rechtlichen Medien Ministerpräsident Viktor Orbán.
Guten Morgen!
Gestern Abend sagte Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, auf der Pressekonferenz nach dem Gipfel, dass die Verteidigungsbereitschaft erhöht werden und man in den Kriegswirtschaftsmodus übergehen müsse. War die gesamte Stimmung des Gipfels so unheilschwanger wie diese Pressekonferenz?
Es ist ein seltsames Gefühl, jetzt von Ungarn nach Brüssel zu kommen. Ungarn wirkt ganz so wie ein normales Land. Gut, es gibt Intermezzi in Ungarn, die an Fernsehserien wie „Nachbarn” und „Dallas” oder an Realityshows wie „Wahre Welt” erinnern, aber es herrscht dort eine ruhige, besonnene und rationale Denkweise vor. Und wenn man in Brüssel ankommt und mit den Politikern spricht, ist man überrascht. Hier herrscht eine kriegerische Atmosphäre, eine kriegerische Sprache, eine kriegerische Logik. Irgendwie reden die Politiker hier, als ob sie ihren eigenen Krieg gegen Russland führen würden. Also nicht wie wir, die sagen: Schauen Sie, das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Das ist nicht unser Krieg. Natürlich müssen wir eine Position zu ihm beziehen, weil er in unserer Nachbarschaft stattfindet, weil Hunderttausende von Menschen sterben, also können wir einer solchen menschlichen Tragödie nicht gleichgültig gegenüberstehen, aber wir sind keine kriegführende Partei, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Dies ist kein Fußballspiel, bei dem man jemanden die Daumen drücken muss, sondern sie kämpfen ihren Kampf, und wir sind ein anderes Land, eine andere Gemeinschaft mit anderen Interessen und einem anderen Ansatz. Dieses Distanzhalten, das notwendig ist, um ruhig zu bleiben, fehlt hier in Brüssel völlig. Sie führen ihren eigenen Krieg gegen Russland an der Seite der Ukraine. Wir befinden uns nicht im Krieg mit Russland. Sie befinden sich im Krieg, und sie reden davon, dass Russland besiegt werden muss. Und um das zu erreichen, verpflichten sie sich zu immer mehr, wagen immer mehr, oder bereiten das zumindest vor. Ich erinnere mich gut daran, wie diese Kriegsspirale begann, denn sie befinden sich in einer Kriegsspirale, die immer schwerwiegendere Dinge zur Folge hat. Ich erinnere mich, dass es anfangs hieß: Gut, schicken wir Helme, aber schicken wir keine tödlichen Waffen, ich erinnere mich, dass der deutsche Bundeskanzler das für unmöglich hielt. Dann stellte sich heraus, dass wir Waffen schickten, dann tödliche Waffen, dann den Tod von immer mehr Menschen verursachende tödliche Waffen, dann Panzer, dann war die Rede von Flugzeugen, und jetzt sprechen sie schon darüber, dass man im Grunde Soldaten in der Ukraine stationieren müsste. Es ist nicht umrissen, was das genau bedeutet, wo sie denn stationiert werden sollten, mit welchen Waffen und zu welchem Zweck, aber die Vorbereitungen dafür haben schon begonnen, dass es in dieser Situation ganz selbstverständlich sei, dass Soldaten aus westeuropäischen Ländern in der Ukraine stationiert wären. Für das ungarische Ohr ist das schockierend. Ich fühle mich, als wäre ich in einer anderen Galaxie gelandet, und man muss auch aufpassen, dass wir nicht in die Psychose dieser zwanzig und einiger Staatsoberhäupter mit hineingezogen werden und unsere Fähigkeit verlieren, uns an den richtigen ungarischen nationalen Interessen zu orientieren.
Ja, tatsächlich, Sie haben uns schon vor einem Jahr davor gewarnt, dass der Zeitpunkt kommen würde, an dem die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine in Betracht gezogen werden könnte, und im Übrigen dachten alle, dass dies nicht in Frage käme. Wie sehen Sie es, wie weit sind die westlichen Staats- und Regierungschefs nun bereit, bei der Unterstützung der Ukraine zu gehen, und welche Folgen hätte ein solcher Schritt, wenn es zur Entsendung von Bodentruppen käme?
Das Alarmierendste an der ganzen Sache ist, dass das, was vor zwei oder drei Monaten noch undenkbar gewesen wäre oder es war, jetzt, zwei oder drei Monate später, zu einem ganz alltäglichen Ereignis wird. Ich erinnere mich, als die Deutschen sagten, sie seien nicht bereit, Waffen in die Ukraine zu schicken, die Menschen töten könnten, sondern sie schicken lieber Einzelausrüstungen. Die denkwürdigste Idee war, Helme zu schicken, worüber sich die Ukrainer sogar lustig machten. Jetzt reden wir darüber, dass Deutschland der Ukraine Raketen, Raketensysteme übergeben würde, mit denen vielleicht bis nach Moskau oder zumindest tief in das russische Gebiet hineingefeuert werden könnte. Was also heute absurd und undenkbar ist, wird in zwei Monaten Realität sein. Und das ist eine Kriegsspirale. Und dies ist kein Videospiel, sondern dies ist die Realität. Die Folge eines Wortes, einer Entscheidung, einer abgegebenen Waffe ist also, dass am nächsten Tag jemand stirbt, und zwar nicht nur eine Person, sondern Zehntausende oder jetzt schon Hunderttausende von Menschen sterben. Die Folgen dieser hier getätigten Äußerungen und Entscheidungen sind also Hunderttausende von Witwen, Hunderttausende von Waisen, Millionen von Menschen, die aus ihren Städten fliehen, zerstörte Leben, zerstörte Städte, die Arbeit von Generationen geht verloren, das sind also schreckliche Dinge und wir sprechen immer mehr über sie wie über eine alltägliche Realität. Wir müssen uns also deshalb entschlossener verhalten. Ich bin gerne bereit, mit jedem zu reden, und ich bin für eine vernünftige Debatte, aber irgendwie müssen wir uns auf die Hinterbeine stellen und den Standpunkt vertreten: „Waffenstillstand, Friedensverhandlungen”. Waffenstillstand, Friedensverhandlungen, sonst werden wir da mit hineingezogen. Und da wir in Ungarn auch nicht geeint sind, weil die Linke für den Krieg ist, ist es richtig, dass die Regierung in Ungarn nüchtern und für den Frieden ist, und das Land kann sich sicher fühlen, stimmt das so. Aber gleichzeitig gibt es eine andere Stimme in Ungarn, diese Stimme aus Brüssel, durch die Linke, die sagt, nein, wir sollten Waffen schicken, und dann werden sie früher oder später sagen, wenn die NATO-Truppen gehen, dann sollten wir auch gehen. Es gibt also auch in Ungarn eine organisierte politische Kraft, die uns in diesen Krieg hineinziehen will. Und das muss um jeden Preis verhindert werden, und dazu brauchen wir seelische Stärke, Beharrlichkeit und Entschlossenheit. Es ist das große Glück, dass die ungarische Öffentlichkeit – soweit ich sehen kann – ihren Verstand bewahrt hat.
Ja, und im Übrigen weist darauf auch eine aktuelle Umfrage von Századvég hin, wonach 86 % der Ungarn dagegen sind, dass Soldaten aus europäischen Ländern oder NATO-Truppen in der Ukraine kämpfen. Von solchen Umfragen haben wir jedoch anderswo nicht viel gehört. Warum werden die europäischen Wähler nicht gefragt, ob sie wollen, dass ihre Landsleute in der Ukraine kämpfen, dass ihre Länder in den Krieg verwickelt werden?
Die Wahrheit ist, dass sie gefragt werden, nur nicht so, wie wir denken. Es gibt also kein Referendum, sie haben keine nationale Konsultation. Im Allgemeinen ist hier im Westen die Auffassung viel weiter verbreitet, dass man die Menschen bei Wahlen befragen muss, dann versucht man, seine Arbeit richtig zu machen, und dann wird man sich in vier Jahren wieder miteinander unterhalten. In Ungarn haben wir ja in den letzten zehn Jahren alle möglichen Techniken der Beteiligung entwickelt, von denen einige populär sind, andere kritisiert werden, aber man kann nicht sagen, dass die Regierung in Ungarn den Menschen nicht regelmäßig die Möglichkeit bietet, ihre Meinung zu unseren gemeinsamen Angelegenheiten, zu unseren wichtigen Angelegenheiten nicht nur zu äußern, sondern sie auch in der richtigen Lautstärke zu äußern. Und natürlich kann man sich dem Stimmungswandel in der Bevölkerung nicht völlig ausliefern, aber wir können versprechen, und dazu stehe ich, dass wir keine für das Land wichtigen Entscheidungen treffen werden, ohne die Bevölkerung zu befragen. Und in der Tat sind es die Menschen, die bei den Wahlen entscheiden werden, inwieweit ihre Ansichten von der amtierenden Regierung akzeptiert wurden. Hier geschieht dies auf die Weise, schauen Sie sich die jetzigen Wahlen an, dass – Krieg hin oder Krieg her – in Europa in allen Ländern die nächsten Parlamentswahlen abgehalten werden. Und die europäischen Staats- und Regierungschefs stellen fest, dass die öffentliche Meinung in Europa mehr für Parteien ist, die für den Frieden sind, und weniger für Parteien, die für den Krieg sind. Der Grund, warum dies nicht zu einer friedensfreundlichen Wende in Europa führt, liegt darin, dass Brüssel in Wirklichkeit ein Gefangener von George Soros’ Netzwerk ist. Ich weiß also nicht, wie gut sich die Ungarn das vorstellen können, aber hier ist das Soros-Netzwerk in die europäischen Institutionen eingebettet. So sehr, dass die europäischen Institutionen ihnen Geld geben, um tätig zu sein. Hier sind die Leute des Soros-Imperiums also nicht mehr nur in der Lage, die Meinung zu beeinflussen, sondern sie haben eine so starke Verhandlungsposition, dass sie einen Teil des Geldes, das sie brauchen, um sich selbst zu erhalten, aus den Brüsseler Kassen abziehen können. Sie sitzen in der Kommission, sie sitzen im Europäischen Parlament, nicht wenige Ministerpräsidenten sind eindeutig durch Soros ausgehaltene Leute. Ich muss also sagen, dass die Meinung der europäischen Bevölkerung und die Durchsetzung dieser Meinung auch dadurch immer schwieriger wird, dass Brüssel selbst immer mehr zu einem Gefangenen des internationalen Netzwerks von Aktivisten wird, das George Soros in den letzten dreißig Jahren aufgebaut, mit großem Aufwand aufgebaut hat.
Ja, nur so entsteht eine Bruchlinie zwischen den Gesellschaften und den politischen Eliten in Westeuropa, und diese Bruchlinie zeigt sich auch in einer anderen Frage, nämlich der des ukrainischen Getreides oder der europäischen Bauern. Gestern haben Sie ja in den sozialen Medien geschrieben, dass eines der wichtigsten Themen auf dem EU-Gipfel das ukrainische Getreide sein wird. Seit Monaten protestieren die europäischen Landwirte gegen diese und andere Maßnahmen, die sie benachteiligen. Ist hier Lösung aus Brüssel in Sicht?
Vielleicht wäre es lohnenswert, einen Satz anzuführen, um den Zuhörern zu verdeutlichen, wo die Wurzeln des Problems liegen. Denn Ungarn ist ein Land, das die internationalen Beziehungen unterstützt, wir sind nicht für Isolationismus, wir unterstützen Handel, Investitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, und jetzt sind wir plötzlich gegen die Einfuhr von ukrainischem Getreide nach Europa. Was ist der Grund dafür? Der Grund liegt darin, dass die Europäische Union den europäischen Landwirten extrem bürokratische und strenge Vorschriften auferlegt, wie sie zu wirtschaften haben, welche Chemikalien sie verwenden dürfen und welche nicht, ob GVO erlaubt sind, ob gentechnisch verändertes Saatgut erlaubt ist, welche Umweltaspekte in der Landwirtschaft berücksichtigt werden müssen, welche Chemikalien verwendet werden dürfen, wie viel Dünger verwendet werden darf. Sie verringern also die Produktivität der europäischen Betriebe, der europäischen Farmer, der europäischen Landwirte mit sehr strengen Auflagen, die oft über das hinausgehen, was vernünftig ist. In der Ukraine gibt es solche Regeln nicht. Wenn also ein Landwirt unter strengen Auflagen Weizen produzieren muss und ein anderer ohne Auflagen, dann hat der Landwirt ohne Auflagen einen enormen Wettbewerbsvorteil: Er kann billiger produzieren, er kann billiger herstellen, er kann immer noch einen Gewinn machen, wenn er sein Produkt billiger verkauft, und wenn er sein Produkt billiger verkaufen kann als der ungarische Landwirt, dann nimmt er dem ungarischen Landwirt den Markt weg. Darunter leiden wir heute, das ist also ein sehr ernstes Problem für Ungarn. Die ungarischen Landwirte konnten bisher einen Teil ihrer Erzeugnisse in Europa verkaufen. Es gibt sechs oder sieben Länder in Europa, die mehr Lebensmittel produzieren als sie verbrauchen. Jetzt sprechen wir hier über das Problem dieser sechs oder sieben Länder, darunter auch Ungarn. Unsere Leute produzieren, verkaufen sie auf den europäischen Märkten, bekommen ein recht gutes Geld dafür, und im nächsten Jahr produzieren sie mit Hilfe dieses Geldes erneut. Nun kommt das billige ukrainische Produkt herein, der westeuropäische Käufer, der Käufer aus der Lebensmittelindustrie, kauft das billigere ukrainische Produkt, verarbeitet es weiter und stellt daraus ein billigeres Lebensmittel her, und auch er macht einen größeren Gewinn. Und das Produkt des Ungarn kaufen sie nicht. Und es bleibt in den Lagern. Wir haben auch jetzt volle Lager. Und wir unternehmen große Anstrengungen, um einen Weg zu finden, diese Bestände bis zur nächsten Ernte irgendwo zu lagern, damit unsere Landwirte nicht in Konkurs gehen und das Einkommen haben, das sie für die Landwirtschaft im nächsten Jahr brauchen. Das ist jetzt das Wesentliche des Problems. Und Brüssel ist dafür taub. Es ist also im Kriegsfieber, es ist in einer Kriegsspirale, es ist der Ansicht, dass wir den ukrainischen Bauern helfen sollen, also los, helfen wir dadurch auch der Ukraine, aber wir machen damit uns selbst kaputt. Es wäre viel sinnvoller, dorthin zurückzukehren, wo wir waren, und zu sagen, dass wir kein Getreide aus der Ukraine zulassen, oder – wenn wir fair sein wollen – die andere Lösung wäre zu sagen, dass wir für unsere Landwirte die gleichen lockeren Regeln anwenden werden wie für die Ukraine. Wenn wir also Wettbewerb wollen, dann muss es einen fairen Wettbewerb geben, dann müssen die Produktionsbedingungen einander angenähert werden. Dann sollten wir entweder auch in Europa keine strengen Regeln haben, oder wir sollten für importiertes Getreide die gleichen Produktionsbedingungen festlegen wie für unsere eigenen Bauern. Die Landwirte sind nicht ohne Grund wütend. Auf dem Rücken des Bauern kann man Holz hacken, so geduldig ist er. Es gehört also viel dazu, dass er sagt: Statt mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, sollten wir uns zusammentun, uns organisieren und loslegen. Das ist eher typisch für Fabrikarbeiter als für Beamte. Nicht für Landwirte. Wenn Landwirte sich organisieren, sich in Bewegung setzen, irgendwohin gehen, dann weiß man, dass es große Probleme gibt. Und heute gibt es in ganz Europa, ich meine in den Ländern, die für den Verkauf produzieren, also landwirtschaftliche Produkte exportieren, überall ein großes Problem. Nur Brüssel ist die Ukraine wichtiger als die europäischen Landwirte.
Glauben Sie, dass die Demonstrationen, die Sie erwähnt haben und die wir beobachten, auch die Stimmung in der europäischen Öffentlichkeit gegenüber Brüssel widerspiegeln?
Meiner Ansicht nach ja. Wenn wir also zurück zu den Ursprüngen gehen, denn es ist schwierig – wie soll ich es ausdrücken? – über die europäische Institution objektiv oder sachlich zu denken, aber wenn wir eine gute Perspektive einnehmen wollen, müssen wir zu der Frage zurückgehen, warum wir die Europäische Union geschaffen haben. Wir haben die Europäische Union aus zwei Gründen geschaffen: Wir wollten Frieden und Wohlstand. Jetzt marschieren sie im Vergleich dazu in einen Krieg hinein, und die Wirtschaft bringt keinen Wohlstand, sondern bringt immer mehr soziale Gruppen – siehe Landwirte – in Schwierigkeiten, die Mittelschicht kämpft ums Überleben, es gibt also auch keinen Erfolg im Sinne von Wohlstand. Wir haben also Krieg und Elend statt Frieden und Wohlstand. Das war das Versprechen, das Brüssel heute nicht halten kann. Deshalb ist das Gefühl der Menschen grundsätzlich negativ gegenüber den Bürokraten in Brüssel, nicht gegenüber der Europäischen Union, denn die Idee, zusammenzuarbeiten, wo wir stark sind, wir unsere Stärken zusammenlegen, und wo jemand schwächer, zu versuchen, die Schwäche gemeinsam zu beheben, ist gut. Jeder unterstützt das, alle normalen Menschen, es ist eine gute Idee. Das Problem liegt bei den Bürokraten in Brüssel.
Darauf verweisend haben Sie ja auch am 15. März und davor gesagt, dass Brüssel besetzt werden muss. Die meisten Umfragen zeigen, dass die rechten Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament an Boden gewinnen, aber wie bedeutend könnte das sein? Was wird nötig sein, um Brüssel zu erobern?
Ich mache mir auch viele Gedanken darüber, ob wir die Frage der europäischen politischen Kämpfe richtig angehen, ob wir sie richtig verstehen. Denn wir denken ja in traditionellen Kategorien: Es gibt rechts, es gibt links, es gibt globalistisch, es gibt souveränistisch. Aber jetzt hat sich hier eine neue Dimension aufgetan, und ich versuche, mich in irgendeiner Weise auf die neue Situation einzustellen. Die entscheidende Frage ist also nicht, wer links und wer rechts ist, sondern da die europäischen führenden Politiker mehr und mehr in den Krieg marschieren, sehe ich, dass die entscheidende Frage nicht die Parteizugehörigkeit sein wird, sondern wer für den Frieden ist und wer für den Krieg ist. Wenn ich also heute in Ungarn mit jemandem darüber sprechen müsste, zum Beispiel mit den Wählern, würde ich sagen, dass ich es gut fände, wenn wir in Ungarn und auch in anderen europäischen Ländern möglichst viele Friedenspolitiker ins Europaparlament schicken würden und möglichst wenige Kriegspolitiker. Das ist die entscheidende Sache. Und wie es dann zu einer Links-Rechts-Kooperation kommt oder wer der Stärkere sein wird, ist auch diskussionswürdig, aber das Wichtigste ist, diese Kriegspsychose zu stoppen, denn wir marschieren in einen Krieg. Und wir dürfen nicht vergessen, dass dies eine lokale Angelegenheit war, irgendwo dort drüben, in Hinter-Donezk. Und jetzt sind wir schon an dem Punkt angekommen, dass wir uns über die Beteiligung von NATO-Ländern auf militärischer Ebene unterhalten, und wenn, Gott bewahre, eines der NATO-Länder auf die Weise mit hineingezogen wird, dass es in einen bewaffneten Konflikt mit Russland verwickelt wird, dann sind wir nicht mehr weit von einem Weltkrieg entfernt. Man spricht dies nur schwer aus, weil es ein schweres Wort ist und sehr schwere Erinnerungen weckt, aber man kann von einem lokalen Konflikt zu einem Weltkrieg gelangen. Ich pflege unseren Freunden hier in der behüteten Welt Westeuropas zu sagen, dass die Weltkriege doch in Mitteleuropa begonnen haben, und wir lernen in der Schule, dass der Erste Weltkrieg nicht mit der Bekanntgabe des Ersten Weltkriegs begonnen hat. Es war ein lokaler Konflikt, vielleicht nannten wir ihn, wenn ich mich recht erinnere, den Dritten Balkankrieg, und er entwickelte sich nur schrittweise, er entfaltete sich, und es stellte sich im Nachhinein heraus, dass dies bereits der erste Akt des Weltkrieges war. Ich warne also immer davor, dass Europa und die Welt nicht in eine Situation geraten, in der wir denken, wir hätten es mit einem lokalen Konflikt zu tun, aber in Wirklichkeit schaffen wir ein wachsendes Kriegsgebiet, eine Kriegspsychose, einen Weltkrieg, Gott bewahre.
Gibt es diese Bruchlinie zwischen Krieg und Frieden auch in der Innenpolitik?
Das ist, glaube ich, zweifellos die wichtigste Frage in der ungarischen Innenpolitik. Ich sage es noch einmal: Es gibt diese Realityshows, die an die wahre Welt erinnern und das interessierte Publikum in Atem halten, aber das Wichtigste ist natürlich nicht das oder irgendetwas Ähnliches. Das Wichtigste ist der Krieg. Und da spiegelt sich die kriegsbefürwortende Haltung der europäischen Linken auch in der ungarischen Politik wider, denn, um es einfach auszudrücken: Wer zahlt, bestellt die Musik. Und da die Nabelschnur und der Versorgungskanal der ungarischen Linken hier in Brüssel und Amerika liegt, sie also von hier aus gefüttert und finanziert werden, wo sie kiloweise gekauft werden, wie zwei Ungarn am Kneipentisch sagen würden, nun ja, wer zahlt, der bestellt die Musik. Da sie also die Bediener der amerikanischen und europäischen Kriegsbefürworter sind, so auch der europäischen Linken, nehmen sie in Ungarn demgemäß eine kriegsbefürwortende Haltung ein. Es muss getan werden, was die Westler tun – dieser kurze Satz bringt es auf den Punkt. Die spezielle Politik, die die ungarische Regierung verfolgt, die sagt, wir wollen nicht in diesen Krieg hineingezogen werden, egal was man mir hier in Brüssel sagt oder was die Franzosen sagen, das alles ist zwar sehr interessant, kann aber die Politik der ungarischen Regierung nicht beeinflussen, weil sie sich nur an den Interessen des ungarischen Volkes orientieren kann. Dieser Ansatz ist auch hier in Brüssel verboten, und die ungarische Linke greift ihn ständig an. Sie würden also Ungarn in den Krieg hineinziehen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir ohne eine nationale, eine rechte Regierung in Ungarn bis zu den Knöcheln, oder vielleicht sogar bis zum Nacken im Konflikt zwischen den westeuropäischen Ländern und Russland stecken würden, der immer größer wird.
Am 9. Juni finden in Ungarn ja nicht nur Wahlen zum Europäischen Parlament, sondern auch zu den kommunalen Selbstverwaltungen statt, und letzte Woche hat der Fidesz seine Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters benannt. Alexandra Szentkirályi kandidiert. Die linke Stadtverwaltung sagt derweil ständig, dass die Regierung die Hauptstadt ausbluten lässt, dass sie keinen Plan und kein Konzept für Budapest hat. Was ist das Ziel des Fidesz in Budapest, mit Budapest?
Gehen wir also zur ungarischen Innenpolitik über. Sagen wir, eines unserer wichtigsten Ziele ist es, das Geld zu bekommen, das uns hier in Brüssel zusteht, und nicht zuzulassen, dass die Linken in Ungarn, die hier in Brüssel arbeiten, das verhindern. Budapest ist wichtig, und ich bin gerne bereit, mich mit den Themen zu befassen, die für die Budapester wichtig sind, aber für die Budapester gibt es heute kein wichtigeres Thema als die Frage, ob die ungarische Linke dafür sorgen kann, dass Brüssel einen Teil der hohen Gehälter, die Kindergärtnerinnen und Lehrern gezahlt werden, abzieht und hierher in die europäische Zentrale zurückbringt, denn das ist die Schlacht, die heute geführt wird. Die ungarischen Abgeordneten hier in Brüssel sprechen also offen und öffentlich und setzen sich dafür ein, dass das Geld, das Lehrer und Kindergärtnerinnen heute erhalten, das Geld, das ihnen von der ungarischen Regierung über Brüssel zur Verfügung gestellt wird, weggenommen und zurückgenommen werden sollte. Ich glaube also nicht, dass es für Budapest ein wichtigeres Thema gibt als die Existenz einer souveränen ungarischen Regierung in Ungarn und dass keine Leute nach Brüssel kommen, die gegen das ungarische Volk arbeiten. Nun, wenn wir über die Stadtpolitik sprechen, denn Budapest ist schließlich die Hauptstadt der Nation, und natürlich ist es die Heimat der Budapester, und es ist wichtig, wo die Straßenbahnen halten und wie die öffentlichen Dienstleistungen funktionieren, aber es ist die Hauptstadt unserer Nation, und sie kann sich nicht aus den nationalen Angelegenheiten zurückziehen. Wenn ich mir Budapest seit 2019, als es die letzten Kommunalwahlen gab, anschaue, dann sehe ich, dass Budapest auch in Gefangenschaft ist. Und ich sehe die alten Leute, ich bin ja auch nicht gerade ein Neuling als Balletttänzer in diesem Genre, also ich kenne fast alle, ja ich glaube sogar, ich kenne alle, die einmal hinter linken Regierungen gearbeitet haben als Wirtschaftsexperten, Minister, Staatssekretäre und so weiter. Jetzt sitzen sie drin in der Hauptstadt. Ich weiß also nicht, was der Durchschnittsbürger, der die ungarische Politik beobachtet, sieht? Er sieht wahrscheinlich den Oberbürgermeister. Aber das ist ein trügerisches Bild, denn die wichtigen Fragen in der Stadt werden nicht vom Oberbürgermeister entschieden. Nun, es ist auch nur schwer vorstellbar, dass gerade er über wichtige Angelegenheiten entscheidet. Demgegenüber sehe ich sehr deutlich, weil ich die Akteure kenne, dass diejenigen, die das Land einst ruiniert haben, die Ungarn vor 2010 in den Bankrott getrieben haben, alle in der Hauptstadt arbeiten, dort sitzen, von dort bezahlt werden und die gleiche Politik betreiben, wie sie es in der Regierung vor 2010 getan haben. Der Grund, warum Ungarn bankrottgegangen ist, der Grund, warum es aus dem Bankrott gezogen werden musste, ist, dass jemand das Land dorthin geführt hat. Diejenigen, die das Land dorthin geführt haben, führen nun gerade auch die Hauptstadt dorthin: Deshalb ist die Kasse leer. Sie ist ja doch die reichste Stadt Ungarns! Nun, sie ist auch nicht nur die reichste, sie ist bei weitem die reichste, sie besitzt die größten Möglichkeiten, sie hat ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Nun, sie sollte florieren! Alles müsste dort in Ordnung sein! Es müsste Sauberkeit herrschen! Ich möchte mich nicht in die Arbeit des Herrn Oberbürgermeisters einmischen, aber wir sollten den geordnetsten, höchsten Lebensstandard, ein schönes, komfortables Leben in Budapest haben, basierend auf den Zahlen, die diese Stadt in der Wirtschaft leistet. Aber das ist nicht der Fall, weil das Geld jetzt aus der Kasse der Hauptstadt so abfließt, wie es vor 2010 aus der Kasse des Landes abgeflossen war. Ich hoffe, dass das ungarische Volk einen Oberbürgermeister wählt, der dem einen Riegel vorschiebt. Leute wie Gyurcsány müssen aus der hinter der Stadtverwaltung stehenden Welt verbannt werden. Wenn das nicht geschieht, wird sie ausbluten, alle Ressourcen Budapests werden verloren gehen, und der Bankrott, dem die Stadt sehr nahe ist, wird eintreten.
In der letzten halben Stunde habe ich Ministerpräsident Viktor Orbán auch zum gestrigen EU-Gipfel, zum russisch-ukrainischen Krieg und zur Frage des ukrainischen Getreides befragt.