Prime Minister Viktor Orbán on the Kossuth Radio programme “Good Morning Hungary”

Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth

Zsolt Törőcsik: Der Satz wird in letzter Zeit häufig gesagt, dass wir das Zeitalter der Gefahren erleben. und beinahe tagtäglich gibt es Ereignisse, die den Wahrheitsgehalt der Behauptung bestätigen. Diese Woche ist es zur Gewissheit geworden, dass die deutschen Leopard- und die amerikanischen Abrams-Panzer in die Ukraine geliefert werden, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat nachgegeben, er hat sich dem immer stärker werdenden internationalen Druck gebeugt und hat erlaubt, die schweren Panzer auf das Schlachtfeld zu schicken. Und in den Nachrichten hört man, dass die Ukraine bereits Jagdflieger von ihren westlichen Verbündeten fordert. Ministerpräsident Viktor Orbán ist zu Gast in unserem Studio. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!

Guten Morgen!

Ein Diplomat hat Politico gegenüber sehr plastisch formuliert, als er sagte, die Lieferung von Jagdfliegern sei eine rote Linie, doch war früher ja auch die Lieferung von Flugabwehrsystemen und Schwerpanzern eine rote Linie. Wo ist das Ende dieses Prozesses, den wir jetzt vom Westen sehen?

Wie fing es an? Es fing damit an, dass die Deutschen sagten, sie seien bereit, Helme zu schicken, denn sie schicken in einen Krieg keine Instrumente, die zum Auslöschen von Leben geeignet sind, das würde nämlich die Teilnahme am Krieg bedeuten. Von dort sind wir gestartet. Jetzt sind wir bei den Panzern angekommen und jetzt reden sie schon darüber, was denn mit den Flugzeugen sei. Es ist also deutlich zu sehen, dass wenn man nicht sich zu Beginn festlegt und eine deutliche Position einnimmt, durch die man aufgrund der eigenen nationalen Interessen markiert, in welchem Verhältnis man zu einem Konflikt steht, dann schliddert man in diesen hinein. Ich weiß nicht, ob es Glück ist oder uns der liebe Gott geholfen hat, doch fielen ja der Beginn des Krieges und der ungarische Wahlkampf am Anfang des Jahres 2022 im Großen und Ganzen zeitlich überein. Und man kann über die Kampagnen viel Schlechtes sagen, und man pflegt in den Medien auch Schlechtes zu sagen, doch besitzen sie auch einen Nutzen, denn das ist ein Zeitraum, in dem man offen und klar sprechen muss und Ungarn war gezwungen, wir, ungarische führende Politiker waren gezwungen, sehr klar und offen, auf für alle ungarischen Menschen verständliche Weise zu formulieren, was wir wollen. Die Linke hat es auch gesagt, sie wird tun, was die internationale Gemeinschaft sagt. Wenn also heute die Linke an der Regierung wäre, dann stünden auch wir, sagen wir es so, bis zum Hals im Krieg, so wie die Deutschen. Auch wir hätten schon unsere Panzer hingeschickt, unsere nicht mehr benutzten einstigen russischen Waffen und wir wären drin im Krieg als waffenliefernde Partei. Die Linke hat gesagt, dass wenn sie ein Mandat erhält, dann schwimmt sie, dann reist sie gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft. Sie wird das tun, was die anderen tun, brutaler formuliert: Sie wird tun, was sie gesagt bekommt. Und wir haben gesagt, dass es ein ungarisches Nationalinteresse gibt, hinzu kommt noch, dass wir ein sehr markantes Nationalinteresse besitzen, denn das Land besitzt ein Interesse und auch die in Transkarpatien lebenden Ungarn besitzen ein Interesse, und dieses Nationalinteresse ergibt, dass Ungarn diesem Krieg fernbleiben soll. Und bei den ungarischen Wahlen haben so die Menschen in Wirklichkeit auch zwischen Krieg und Frieden wählen können. Und sie haben den Frieden gewählt. Und deshalb konnte sich die ungarische Regierung fest positionieren. Wir sprachen es am Anfang aus, dass dies nicht unser Krieg ist, wir wollen nicht zwischen die Russen und die Ukrainer eingezwängt werden, das ist ein Krieg, das ist ein Konflikt, denn man lokalisieren müsste und nicht international gestalten, und Ungarn wird alles im Interesse des Friedens unternehmen. Damit hatten wir jene Pfosten eingeschlagen, an denen wir dann unsere Pferde festgebunden haben. Deshalb schliddert Ungarn nicht in diesen Krieg hinein. Wenn die ungarische Regierung zufällig Schritte in diese Richtung unternehmen wollte, was ausgeschlossen ist, solange ich der Ministerpräsident bin, würde sie sich auch dem offensichtlichen Volkswillen gegenüber wiederfinden, denn die Menschen haben ja vor einigen Monaten deutlich mitgeteilt, was sie von den führenden ungarischen Politikern erwarten. Nun, deshalb droht uns das Hineinschliddern nicht, aber die anderen sind nicht nur dadurch bedroht, sondern die Strömung hat sie auch schon mitgerissen. Und danach kommen dann die Erklärungen, ob sie denn jetzt mit Russland im Krieg stünden oder nicht? Was eine lächerliche Situation ist, denn wer mit wem im Krieg steht, das ist keine Frage der Erklärungen. Wenn du Waffen schickst, wenn du den gesamten Jahreshaushalt der einen kriegführenden Partei zahlst, du neue Lieferungen in Aussicht stellst, immer modernere, dann kannst du sagen, was du willst, ganz gleich, was du erklärst, du steckst drin im Krieg. Hinzu kommt noch, dass die andere Seite, gegen die du die Waffen lieferst und gegen die du die eine Seite unterstützest, sie entscheidet in Wahrheit, ob sie dich als jemanden betrachtet, der mit ihr im Krieg steht, ganz gleich, was du sagst. Deshalb muss man im Kriegsfall – ich sage es noch einmal – sehr klar und bestimmt die Positionen eines Landes markieren. Das ist es, was ich im Laufe des vergangenen Jahres gelernt habe, und ich freue mich, dass vorerst das, was wir getan haben, den Interessen Ungarns dient.

Übrigens haben dies auch westliche Diplomaten, ohne dass ihre Namen genannt werden sollten, zugegeben, dass auch sie nicht genau wissen, welcher der Punkt ist, ab dem Russland es so betrachtet, dass auch sie Beteiligte an diesem Konflikt sind. Und das kann man ja doch sehen, dass auf jenen Ländern, die sich sträuben oder versuchen, dem fernzubleiben, ein riesiger Druck lastet, das haben wir auch an Deutschland gesehen. Wie lange kann Ungarn diesen Standpunkt aufrechterhalten? Denn, nehme ich an, der Druck ist doch auch in unsere Richtung zu verspüren.

 

Sicherlich kann man diesen Druck auch mathematisch ausdrücken, der auf uns lastet. Das Wort selbst, nämlich „Druck“, ist eine elegante Beschreibung der Situation. Sie schlagen, hauen, beißen uns, um es ganz deutlich auszudrücken, sie benutzen jedes Mittel, um uns in den Krieg hineinzuzwingen und die durch die Westler finanzierten Akteure der ungarischen Politik vertreten auch diesen Standpunkt. Es gibt eine den Krieg befürwortende politische Richtung in Ungarn, die Linke macht das, sie attackiert ständig die ungarische Regierung, weil wir dem Krieg fernbleiben, doch haben wir klargemacht, dass für uns die Sicherheit Ungarns an erster Stelle steht, deshalb befindet sich Ungarn mit niemandem im Krieg. Wir wollen einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Hinzu kommt noch, dass das Ganze auch eine Dimension jenseits der Politik bzw. über der Politik besitzt: Das ist ja letztendlich doch ein Krieg. Es gibt Schätzungen, wir kennen natürlich keine genauen Zahlen, aber die Zahl der Menschenleben, die in diesem Krieg auf beiden Seiten gestorben oder unwiderrufbar verletzt worden sind, dürfte sich in der Größenordnung von Hunderttausend bewegen. Wir sprechen von mehreren zehntausend Witwen, die die Hinterbliebenen der Soldaten sind, von Waisen und in Trauer versetzten Müttern. Also auch das elementare humane, ich sage nicht einmal christliche, das elementare humane moralische Gefühl erfordert auch, alles im Interesse dessen zu tun, damit die Front einfriert, damit es einen Waffenstillstand gibt und Friedensverhandlungen beginnen.

Wir werden sehen, was für Chancen sich dafür im kommenden Zeitraum zeigen werden. Über die Waffenlieferungen hinaus war die andere auf den Krieg gegebene Reaktion des Westens die Sanktionspolitik. In Ungarn gab es darüber eine nationale Konsultation, deren Ergebnisse wir jetzt schon kennen. 97 Prozent haben ja diese Sanktionen abgelehnt. Wozu ermächtigt Sie dies oder die Regierung, sagen wir, auf dem nächsten EU-Gipfel, auf dem eventuell weitere Sanktionen zur Sprache kommen?

 

Wenn Sie erlauben, dann möchte ich sagen, dass die gesamte Nationale Konsultation als Methode, als eine Form der politischen Teilnahme, ein Hungarikum ist, sie wird also nirgendwo anders angewandt. Der allgemeine, nennen wir es so, demokratische Reflex in der westlichen Welt ist also, dass es die Wahlen gegeben hat, gut, wenn es zu sehr großen Demonstrationen kommt, dann sollten wir uns doch ein bisschen unterhalten, d.h. also die Gewählten und das Volk, doch insgesamt lasst es jetzt schon unsere Sache sein, dann nach vier Jahren kommt wieder zum Wählen und sagt dann, was eure Meinung ist. Denkt möglichst gut über uns. Der ungarische Charakter ist ein anderer. Noch genauer: 2010 hat die Situation eine andere Art von Politik von uns erzwungen, denn da gab es ja 2010 eine Wirtschaftskrise, als das Land fiel, also in die Knie ging. Sie nahmen die dreizehnte Monatsrente weg, eine Monatsrente, sie haben einen Monatslohn weggenommen, es gab Restriktionen, man musste den IWF hereinrufen, Ungarn war im Zustand des „hinknien zum Gebet!”. Und da war es klar, dass natürlich die Gyurcsánysche Regierung 2010 weggeschickt werden würde, das erschien ziemlich logisch. Die Frage war vielmehr, mit welcher Methode man die Einheit der Nation oder zumindest die Mehrheit, die zum Umgang mit der Krise notwendig ist, würde aufrechterhalten können. Man kann mit einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise nicht ohne die Unterstützung der Menschen gut umgehen. Und 2010 war es eine Schlüsselfrage, dass die neue Regierung die Unterstützung der Mehrheit nicht nur für einen Abend, bei einer Wahl, sondern ständig hinter sich wusste. Und dazu mussten Methoden gefunden werden. Hinzu kam noch die Verfassungsänderung, denn Ungarn hatte eine große Bringschuld, denn nach 1990 war Ungarn das einzige Land geblieben, das nicht in der Lage gewesen war, seine alte kommunistische Verfassung durch eine vollkommen neue Verfassung zu ersetzen, wir haben nur an der alten herumgeflickt. Jedes andere Land hat diese Arbeit zwischen 1990 und 1994 getan. Also mussten wir über das Krisenmanagement hinaus auch noch einen historischen Makel beheben. Und da haben wir uns die Nationale Konsultation ausgedacht, um eine Form zu finden, die ernsthaft ist, deshalb erfolgt sie schriftlich, es handelt sich also nicht darum, dass man einen Knopf drücken soll, sondern es geht darum, dass du einen Brief erhältst, in dem Fragen sind, setz dich an den Küchentisch nieder oder dorthin, wo du dich hinzusetzen pflegst, sei so nett und lies den Brief, sag, was du denkst, und wenn du noch eine Meinung hast, dann schreib sie nieder, und schick es zurück. Und dass die Konsultationen regelmäßig sind, bei denen es im Übrigen um das Rentensystem, den Umgang mit der Wirtschaftskrise, um die Verfassung, um die Migration, um die Genderfrage, also um die wichtigsten Fragen ging, und dass dabei mehr als eine Million Menschen bereit waren, an diesem Dialog teilzunehmen und ihre Stimme hören zu lassen, das ist meiner Ansicht nach eine sehr ernsthafte demokratische Leistung Ungarns. Es ist eine singuläre Sache, wir können ruhig stolz darauf sein, dies verkörpert die lebendige Form unserer Demokratie nach den Wahlen. Wozu ist dies nun gut? Zunächst einmal ist im Leben eines Landes, wenn es sich mit schwierigen Fragen konfrontiert sieht, wichtig, Punkte der Übereinstimmung zu haben. Also um zu wissen, worin wir übereinstimmen und worin nicht. Jetzt ist natürlich die Frage, dies wird von der Linken auch in Frage gestellt, dass es in Ungarn 8 Millionen Wähler gibt und 1 Million und 400 tausend Menschen senden den Konsultationsfragebogen zurück – wofür ich mich im Übrigen auch auf diesem Weg bei allen bedanken möchte –, ob dies nun viele oder wenige sind. Hierüber lohnt es sich meiner Ansicht nach so zu denken, dass jene, für die es wichtig war, ihre Meinung mitteilen konnten. Denn das Wesentliche ist, dass ein jeder eine Chance erhält, seiner Stimme Gehör zu verschaffen, damit auch er eine Stimme hat und auch seine Stimme zählt. Und wenn er die Chance bekommen hat und sie auch genutzt hat, dann ist das gut, wenn er sie nicht genutzt hat, dann bedeutet dies, dass er die Sache den anderen überlassen hat. Also sind diese 1,4 Millionen Menschen ausreichend, um zu verstehen, was die Ungarn wollen. Und aus dieser Konsultation geht klar hervor, dass die Ungarn denken, die Sanktionen helfen den Ukrainern nicht, sie zwingen die Russen nicht in die Knie, verursachen aber uns, uns selbst, Europa, der europäischen Wirtschaft und darin auch Ungarn gewaltige Schäden. Die Deutschen haben eine Berechnung angefertigt, das habe ich mir auch irgendwo hier aufgeschrieben, darüber, was für Schäden in diesem Jahr, im Jahr 2023 der Krieg und die Sanktionen Deutschland zufügen werden. Sie haben interessante methodische Lösungen angewandt, doch sind sie am Ende zu dem Ergebnis gekommen, dass 2023 die deutsche Wirtschaft einen Verlust von 175 Milliarden Euro erleiden wird. Das ungarische Bruttosozialprodukt liegt etwas darüber. Also verliert Deutschland die Wirtschaftsleistung eines ganzen Ungarns wegen der Sanktionen. Ich habe die unsrigen gebeten, mit Hilfe einer ähnlichen Methodik zu errechnen, was dies für Ungarn bedeutet, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass in diesem Jahr Ungarn 3.764 Milliarden Forint verlieren wird. Das ist das ausgebliebene Wachstum, 4,8 Prozent des ungarischen Bruttosozialprodukts. Also können wir jetzt auch schon mit Zahlen belegt sagen, dass die Sanktionen der ungarischen Wirtschaft einen beinahe so großen Verlust zufügen, wie die gesamte durch alle ungarischen Menschen eingezahlte Lohnsteuer. Es gibt eine Abweichung von einigen hundert Milliarden, doch diese beiden Zahlen befinden sich in einem Bereich. Es ist also deutlich sichtbar, wie sie schwerwiegende Schäden verursachen. Die Menschen wissen dies, sie verstehen es und sie lehnen die Sanktionen ab. Hinzu kommt noch, dass die Sanktionen Punkte beinhalten, die Ungarn schwerwiegende Schäden zufügen, und es gibt solche, die nur kleinere. Das geht nicht, dass man das gesamte Funktionieren der Europäischen Union lähmt und ständig nein zu den kleinen und großen Angelegenheit sagt und sein Veto einlegt. Wir unterstützen zwar die Sanktionen überhaupt nicht, stimmen auch nicht für sie, doch dort, wo sie keinen Nerv berühren oder keine einschneidenden ungarischen Interessen betreffen, lassen wir zu, dass sie entstehen. Wir verhindern sie also nicht. Wir unterstützen sie nicht, wir verhindern sie nicht. Und es gibt Punkte, die offenkundig die elementaren Interessen Ungarns verletzen, und an diesen müssen wir unser Veto einlegen. So einer war das Öl, so einer wäre das Gas, dessen Sanktion sie wegen uns nicht verwirklichen können. Und jetzt gibt es weitere Sanktionspläne, jetzt wollen sie das schon auf die nukleare Atomindustrie ausweiten, dagegen muss man sicherlich ein Veto einlegen. Das wird eine große Schlacht. Es spielt bei meinem Erfolg oder den durch mich am Verhandlungstisch erreichten Ergebnissen eine sehr wichtige Rolle, dass es klar ist, dass hier nicht der ungarische Ministerpräsident ein Problem mit den Sanktionen hat, sondern hier ein ganzes Volk einheitlich den Sanktionen gegenübersteht. So eine erfolgreiche Nationale Konsultation ist also für mich eine große Hilfe, ja vielleicht sogar die hauptsächliche Vorbedingung des Erfolgs.

Und das kann auch in Brüssel Beachtung finden? Denn Sie haben ja erwähnt, dass es eine Debatte darüber gibt, ob jetzt 1 Million 400 tausend Menschen wenig sind oder nicht. Und in Brüssel hat ja auch der Sprecher der Kommission gesagt, seiner Ansicht nach hätten die Ungarn doch in geringer Zahl an der Konsultation teilgenommen…

Es ist sehr anerkennend, dass sie eine Meinung über die ungarische Innenpolitik haben, doch zum Glück besitzt das, was sie sagen, keinerlei Bedeutung. Und insofern könnten sie auch Recht haben, dass am Verhandlungstisch nicht jene 1 Million 400 tausend Menschen sitzen, sondern der ungarische Ministerpräsident. Ihn muss man niederringen. Die Frage ist also, ob sich der ungarische Ministerpräsident niederringen lässt oder ob er an der Seite des nationalen Interesses aushält. Und je stärker und offensichtlicher die ungarischen Menschen ihr eigenes nationales Interesse formulieren, desto schwieriger ist es, den ungarischen Ministerpräsidenten niederzuringen.

Im Übrigen beweisen sehr viele europäische Untersuchungen, dass die europäischen Bürger ähnlich denken wie die Ungarn, und ein immer größerer Teil von ihnen lehnt die Sanktionen ab. Dies sehend und im Übrigen angesichts der Sanktionspolitik der EU oder den Korruptionsskandal danebensetzend, den wir jetzt in der Europäischen Union sehen, kann die Europäische Union die Interessen ihrer eigenen Staatsbürger durchsetzen?

Der ungarische Standpunkt ist klar: Die ungarischen Menschen wollen, dass man auch in Brüssel die Stimme der Menschen hört. Es ist keine Angewohnheit von mir, die demokratische Leistung anderer Länder zu bewerten. Natürlich sind sie umgekehrt nicht derart elegant, sie reden also ständig in die ungarische Innenpolitik hinein, doch deshalb – schließlich sind wir Ungarn – müssen wir das nicht genauso machen, wir können ruhig elegant und ritterlich sein, es ist gut, wenn wir uns davon fernhalten. Doch so viel muss ich im Zusammenhang mit dieser Frage sagen, dass in Westeuropa es keinen Platz für die Stimme der Menschen gibt. Ich sehe also heute in Westeuropa, wo die Stimme des Volkes dem offiziellen, den Krieg befürwortenden Standpunkt entgegengesetzt ist, da versucht man sie auf irgendeine Weise zu negieren, zu unterdrücken, als nicht existent anzusehen. Und da in der westlichen Welt die Medien einfarbig sind, also wir können ruhig sagen, dass das Instrumentarium der Öffentlichkeit, also mehr als 90 Prozent der Medien – nennen wir es so – globalistisch und liberal sind, deshalb existiert das, was sie negieren, im Wesentlichen gar nicht. In Ungarn ist die Situation in der Hinsicht besser, dass unsere Öffentlichkeit viel bunter ist als die ihre. Also wenn jemand dies in Ungarn mit irgendeinem Messinstrument zu erfassen versucht, dann kann er zu dem Ergebnis kommen, dass man ohne Weiteres in den ungarischen Medien einen Zugang zur, sagen wir, liberalen, globalistischen Annäherung an den Krieg findet, dies bringen die Medien, die einen linken Charakter besitzen, und auch zur national begründeten, konservativen Annäherung, diese präsentieren die konservativ, christdemokratisch ausgerichteten Medien. Wir leben also in einer bunten Welt, einer Welt der Medienfreiheit. Im Westen ist das nicht so. Ich schlage eine als links betrachtete Zeitung und eine als rechts betrachtete Zeitung, sagen wir in Deutschland auf, ich werde in beiden das Gleiche über den Krieg lesen. Also ist die Situation tatsächlich die, dass man in den westeuropäischen Ländern diesen Kriegszeitraum auf die Weise durchzustehen versucht, indem man sich möglichst wenig durch die Stimme der Menschen gestört fühlt. Der ungarische Reflex ist das Gegenteil dessen: Wir möchten, dass man die Stimme der ungarischen Menschen auch in Brüssel anhört.

Die Medien sind zur Sprache gekommen und Sie haben bereits auch die Tätigkeit der ungarischen Linken erwähnt. Jetzt hat sich in der Angelegenheit der rollenden Dollars herausgestellt, dass nicht 3, sondern 4 Milliarden Forint an Geld für die Wahlkampagne der Linken vor den Wahlen kam, von denen ein Teil an NGO-s und ein anderer Teil an Medienfirmen ging. Was zeigt das für Sie über die Linke bzw. wie muss man im Lichte dessen deren Tätigkeit bewerten?

Die größte Lehre in dieser Angelegenheit ist, dass es nicht nur eine Dollarlinke, sondern auch Dollarmedien gibt. Hier bekommen wir die Antwort auf eine sehr wichtige Frage. Nicht nur den sich mit der Politik beschäftigenden, sondern meiner Ansicht nach allen Menschen ist die Erscheinung schon aufgefallen, dass die Linke in den wichtigsten Fragen und besonders in den wichtigsten internationalen Fragen ständig einen Standpunkt vertritt, der für Ungarn schlecht ist. So etwas ist z.B. die Migration. Sie wollen die Migranten hereinholen. Das ist offensichtlich schlecht für Ungarn. Oder in der Genderangelegenheit, in der sie derart seltsam orientierte Aktivisten in die Schulen lassen wollen, zu unseren Kindern. Oder in der Frage des Krieges, in der sie den Krieg befürworten, oder in der Frage der Sanktionen, in der sie die Sanktionen befürworten. Es steht hier also schon seit langem ein Fragezeichen in der Luft, warum sie dies machen? In allen diesen Angelegenheiten ist der Standpunkt der Linken schlecht für Ungarn. Und hierauf haben wir nun die Antwort erhalten: Weil sie eben dafür das Geld bekommen! Sie vertreten deshalb diese Standpunkte, weil sie bezahlt werden. Das ist ein brutaler Satz, ich versuche es freundlich zu artikulieren, denn es gibt wohl kaum eine brutalere Sache, als dass man anstatt der eigenen Heimat in der Politik für Geld die Interessen des Auftraggebers vertritt, doch hier sehen wir uns damit konfrontiert. Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, dass wir dem ins Auge blicken. Es würde vielleicht auch den Wählern der Linken nicht schaden, wenn sie verstünden, was vor ihrer Haustür geschieht. Es schadet auch uns, Rechten nicht, denn in einigen wichtigen Fragen könnten die Linke und die Rechte vielleicht zusammenarbeiten, wenn die Linke auf nationaler Grundlage stünde und nicht die Interessen ihrer finanziellen Auftraggeber vertreten würde. Und wir auf der rechten Seite dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass man in wichtigen Angelegenheiten nach nationaler Einheit streben muss. Meiner Ansicht nach ist es also wichtig, dass auch wir diese Erscheinung richtig verstehen. Und für die Menschen ist es besonders wichtig, dass sie wissen, hinter welcher Nachricht, hinter welcher Information, hinter welchem Argument sich welche Überlegungen oder welche finanziellen Argumente erstrecken. Ich hoffe, am Ende der Untersuchung wird sich dann auch herausstellen, wer genau das Geld gegeben hat. Wir wissen schon, mit welcher Technik es hereingekommen ist. Das ist ein Netzwerk der Sorosschen Art, ein Soros-System, die gleichen Techniken, sicherlich werden wir auch bei dem Ursprung des Geldes diesen unseren braven Landsmann, George Soros, vorfinden. Aber warten wir das Ende ab, damit wir genau sehen, von welcher Person oder welcher Firma diese Gelder genau nach Ungarn gekommen sind. Es ist wichtig, dem ins Auge zu blicken. Das ist also eine sehr ernsthafte Sache. Ich glaube kaum, dass wir am Ende der Untersuchung, nachdem wir die Tatsachen genau und in ihrem vollen Umfang aufgedeckt haben, daran vorbeigehen könnten, ohne dass wir Schutzsysteme errichten würden, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, wie wir uns vor mit Geld gekauften Politikern schützen müssen.

Bleiben wir bei den innenpolitischen Themen und sprechen wir noch ein bisschen über die wirtschaftlichen Aussichten! Sie erwähnten, der Krieg und seine Auswirkungen verursachen in diesem Jahr Ungarn einen Verlust von 3.764 Milliarden Forint. Und eine andere, sehr schwerwiegende Folge ist ja die europaweit hohe Inflation. Im vergangenen Jahr gelang es, zumindest scheint das aufgrund der Zahlen so zu sein, den Wert der Renten und Löhne zu bewahren. Unter solchen Umständen, mit solchen Verlusten rechnend, die die Wirtschaft erleiden muss, besteht hierzu auch dieses Jahr eine Chance?

Schauen Sie, zweifellos haben wir im vergangenen Jahr den Minimallohn in bedeutendem Maß angehoben, haben die dreizehnte Monatsrente zurückgegeben, denen, die eine Familie besitzen, haben wir die Jahressumme der eingezahlten Steuer zurückgegeben, doch sind das zwar für die Menschen gute Nachrichten, sie freuen sich sicher auch darüber, aber die tägliche Realität, die tägliche Häufigkeit ist nicht dies. Die tägliche Häufigkeit ist die Wirklichkeit im Laden, der Preis der Ware in den Regalen. Heute beherrschen also unser Denken, unsere Gefühlswelt ja doch die Preissteigerungen und die Inflation. Und wenn auch die linken Ökonomen ständig sagen, man hätte den Menschen im Jahr 2022 nicht so viel Geld geben dürfen, doch wenn wir den Menschen nicht so viel Geld gegeben hätten, wie hätten sie dann diese hohe Inflation überleben können? Das war also meiner Ansicht nach richtig. Und auch in diesem Jahr ist das richtig, dass wir eine Hilfe leisten, doch wird die Hilfe weder die Gefühlswelt der Menschen, ihre Wahrnehmung noch die Wirklichkeit verändern, denn die Wirklichkeit sind ja doch die hohen Preise. Also kann sich hier die Regierung eine einzige Aufgabe stellen, nämlich die Inflation zu verringern. Man muss sie also nicht betrachten und erklären und messen, sondern man muss sie verringern. Die Inflation ist ein allgemeiner Feind. Und wir haben die notwendigen Entscheidungen auch getroffen. Ich glaube also, die Regierung hat der ungarischen Nationalwirtschaft das Gegenmittel, die Medizin, die Medizin gegen die Inflation bereits verabreicht. Und dieses wirkt auch. Und meiner Ansicht nach werden wir dieses Übel niederringen. Ich rechne damit, dass irgendwann um Februar-März das Fieber, wenn wir die Inflation als Fieber ansehen, abnehmen wird und wir uns schön auf den Normalzustand zurückbegeben werden, und bis zum Jahresende, bis Ende des Jahres 2023, den Dezember auf den vorherigen Dezember bezogen, wird die Inflation einstellig sein. Das ist ein Kampf. Ich sage es noch einmal: Die Inflation muss man nicht betrachten und sie erleiden, sondern man muss gegen sie tun. Die Notenbank und die Regierung versuchen ihre Schritte aufeinander abzustimmen und als Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen werden wir meiner Ansicht nach ein Ergebnis erreichen. Ich bitte die Menschen, noch ein bisschen durchzuhalten. Meiner Ansicht nach werden sie Ende Februar, im März sehen, dass jene Injektionen, jene Impfstoffe, die die Regierung der ungarischen Nationalwirtschaft verabreicht hat, dann Ergebnisse produzieren werden, die hoffen lassen.

Obwohl wenn, sagen wir, neue Sanktionen aus Brüssel kommen?

Wir werden keine Sanktionen durchlassen, die die ungarische Inflation weiter erhöhen würden. Hier ist der Energiepreis am wichtigsten, deshalb werden wir es nicht zulassen, dass der Plan umgesetzt wird, nach dem die Sanktionen auch auf die Nuklearenergie erweitert werden sollen. Der 5. Februar wird z.B. ein interessanter Tag sein, denn ein Teil der früher durch die EU hinsichtlich des Öls angenommenen Sanktionen treten an diesem Tag in Kraft. Aus russischem Öl hergestellte russische Produkte, z.B. Diesel, kann man nicht mehr auf den europäischen Markt importieren, jene Länder ausgenommen, die ihre Schlacht geschlagen und erreicht haben, dass sich dies auf sie nicht bezieht. So ein Land ist Ungarn. Diese Schlacht haben wir, Ungarn, angeführt. Es gelang uns, noch zwei-drei Länder in diesen Kreis herein zu heben, deshalb werden uns z.B. diese Sanktionen am 5. Februar nicht betreffen. Und ich werde nicht zulassen, dass man die nukleare Energie in die Sanktionen miteinbezieht, das ist ausgeschlossen.

Über den Krieg in der Ukraine, die Brüsseler Sanktionen und die Aussichten der ungarischen Wirtschaft befragte ich in der vergangenen halben Stunde Ministerpräsident Viktor Orbán.

Follow

Share