Viktor Orbáns Trauerrede auf der Beerdigung von Ákos Kriza, dem ehemaligen Bürgermeister von Miskolc
30. Januar 2021, Miskolc

Sehr geehrte Trauernde Familie, liebe Frau Jolán und Zsuzsa! Sehr geehrte Trauergemeinde!

Schwer. Es ist schwer, mit diesem dolchstoßartigen Schmerz in unserer Brust; sich zugleich von dem Bürgermeister, dem Mitstreiter und dem guten Freund zu verabschieden.

Mein teurer Freund!

Du warst jünger als ich, trotzdem gehst Du früher. Nicht Du verabschiedest mich, wie das nach der Ordnung des Lebens angemessen wäre, sondern ich verabschiede Dich. Aber es kann auch sein, dass dies anders ist. Ich glaube, Du warst trotzdem eher der Ältere, aber zumindest hast Du mehr gelebt als ich, aber vielleicht auch mehr als jeder der Anwesenden, auch Deine Eltern mit inbegriffen. Ich stelle es mir so vor, dass wenn Du 15 Jahre im Schatten einer Krankheit, einer unheilbaren Krankheit, d.h. im Schatten des täglich wiederkehrenden Gedankens der unmittelbaren Lebensgefahr und der Vergänglichkeit lebst, dann sind die Tage eines solchen Lebens dichter, gewichtiger und wertvoller, und ich glaube, das Gefühl der Dankbarkeit füllt sie auch besser als unsere Tage. Auf den ersten Blick scheint das Schicksal unbarmherzig zu Dir gewesen zu sein, denn es hat dich mit 55 Jahren aus dieser Schattenwelt gerufen. Aber es kann sein, dass ganz im Gegenteil: Der Herr war barmherzig zu Dir, da er rechtzeitig Bescheid gab. Er gab Dir vor 15 Jahren Bescheid, dass Du Dein Leben umordnen sollst, denn eine Krankheit hatte sich in Deinen Körper eingenistet, die Dich in jedem Augenblick von den Beinen stoßen konnte. Er gab Dir vor 15 Jahren Bescheid, dass Du anders lieben musst, anders Deine Zeit und Deine Kräfte einteilen musst. Du musst anders lieben, anders Deine Frau, Deine Kinder und auch Deine Eltern umarmen. Und Du musst anders arbeiten und auf eine andere Weise zwischen den wichtigen und den unwesentlichen Dingen einen Unterschied machen. Deshalb können wir annehmen, dass Du mehr und tiefer gelebt hast als wir, die wir dem Kalender nach vor Dir waren. Du hast sicherlich die alte Lehre verstanden: Wenn der Morgen so vergangen war, dass Du nicht an den Tod gedacht hattest, war das ein verschwendeter Morgen. Wenn auch der Mittag so verging, dann war er es auch. Und wenn es Dir auch am Abend nicht einfiel, dann war Dein ganzer Tag vergeblich. Es gibt viele Menschen, die vor der Vergänglichkeit wegrennen. Es gibt viele, die wohl kaum den täglich wiederkehrenden Gedanken der Vergangenheit und dessen zentnerschwere Last hätten tragen können. Du, mein teurer Freund, Du bist nicht weggelaufen, Du bist nicht zerbrochen, Du sehntest Dich nicht nach dem Mitgefühl und dem Bedauern, das dem Opfer zusteht, sondern Du hast mit dem Mut eines Frontsoldaten, mit der Waffe in der Hand der Last ins Auge geblickt. So wie das ein ungarischer Mann machen muss. Du bekamst 15 Jahre, eine sonderbare Gnadenzeit, in der Du genau die Bedeutung jeden Tages, jeder Stunde und jeder Minute sehen konntest. Und Du hast auch keinen Moment verschwendet. Du hast in diesem Kampf die von Gott erhaltene Möglichkeit gesehen und akzeptiert. Die Weltsicht der täglich unter die Erde hinabsteigenden Bergleute von Torockó und der für ihren Glauben bis zuletzt einstehenden Prediger mag so sein. Die der Ahnen in Siebenbürgen, die Deine Vorfahren waren.

Sehr geehrte Trauergemeinde! Lieber Ákos!

Heute stehe ich hier, um mich von Dir zu verabschieden, um als Ministerpräsident Ungarns im Namen der ungarischen Regierung noch einmal zu sagen, wie dankbar wir Dir für all das sind, was Du für uns und die Stadt, Miskolc, getan hast. Als hauptberuflicher Heiler hast Du besser als jeder andere gewusst, wie sehr die Aufgabe den Menschen auf die Probe stellt, unsere Mitmenschen aus ihrer Hinfälligkeit zu heben. 2010 hast Du dann aber doch die Sorgen und Nöte einer ganzen Stadt auf Dich genommen. Die Deiner Heimatstadt, die dich vor dreißig Jahren aufnahm. In den neunziger Jahren konntest Du bereits als Miskolcer sehen, wie die stolze Stadt des Stahls sich zum Rostfriedhof wandelte, aus dem die Menschen nur wegzogen. Du sahst, wie groß die Aufgabe war. Du sahst auch, dass das, was andernorts funktionieren kann, hier zu wenig sein wird, denn Miskolc ist ein schwieriger Ort. Hier kann man sich das Vertrauen nur mit harter Arbeit verdienen. Du wusstest, hier muss jemand auf dem Damm stehen, der nicht nur ein guter Wirt der Stadt ist, sondern auch ihr Manager, ihr Arzt und ihr Verwalter sein wird. Und Du warst über neun lange Jahre hindurch ihr guter Wirt, ihr guter Manager, guter Arzt und guter Verwalter. Du hast Miskolc die Zukunft wiedergegeben. In unserer Welt, der Welt der Politik gibt es keinen größeren Erfolg als diesen. Heute besitzt Miskolc erneut eine Zukunft. Und wir wissen, dass dies ohne Dich, ohne Deine Arbeit nicht so wäre. Bis heute wissen wir nicht, ob die Last, die neun Jahre lang Deine Schultern drückte, Deine verhängnisvolle Krankheit beschleunigte oder verlangsamte, ob das Pflichtbewusstsein, mit dem Du Miskolc dientest, die Zahl deiner Tage verkürzt oder verlängert hat. Auch konnten wir nicht wissen, höchstens ahnen konnten wir es, wie schwer Dir so die Lenkung der Stadt fallen mag. Wir haben nur gesehen, dass die Burg der Königinnen aus ihren Ruinen wiederaufgebaut wurde. Das Strandbad in Tapolca wurde erneuert. Endlich entstand der neue Industriepark, und in ihm neue Fabriken, und in den Fabriken tausendfach Arbeitsplätze. Du hast beinahe alle Arztpraxen der Stadt erneuert und den modernsten öffentlichen Personennahverkehr ausgebaut. Wir sahen, wie Du auch im größten Gegenwind voranschrittest. Du hast auch inmitten des ständigen Trommelfeuers der Kritik und der Verleumdung vollbracht, woran man vor Dir noch nicht einmal zu denken gewagt hat: Du hast in Avas für Ordnung gesorgt und die nummerierten Straßen aufgehoben.

Mein teurer Freund!

Und ich bin zu dir auch aus dem Grund gekommen, um mich von Dir im Namen des Fidesz und der Christdemokratischen Partei zu verabschieden, die nicht nur unsere gemeinsame politische Heimat, sondern auch unsere gemeinsame Familie war. In dieser Familie warst Du der Mensch, den man niemals aus seiner festen Haltung bringen konnte, der selbst inmitten des Schießpulverrauchs der täglichen Schlachten nur darauf achtete, was Miskolc erhob und die gesamte Karpaten-Heimat wieder groß werden lässt. Wir wissen nicht, wie es für Dich als Kind und als junger Mann gewesen sein mag, in der rumänischen Diktatur das bittere Brot des unterdrückten Ungarn zu essen. So wie wir uns auch nicht vorstellen konnten, wie es gewesen sein muss, mit dem Stachel einer schwerwiegenden Krankheit in Deinem Körper die Angelegenheiten der Stadt zu führen, niemals wissend, was das Morgen bringen würde. Wir sahen einen harten, sehnigen, verschlossenen, aber tief fühlenden, entschlossenen Mann in Dir, der das, was er beschlossen hat, über alle Widerstände hinweg durchführen wird. Du warst unter uns, Du warst mit uns, doch sahen wir, dass Du bereits etwas weißt, was wir noch nicht wissen. Sicherlich hat Dich unser Unverständnis gestört, manchmal vielleicht auch verletzt, dass wir nicht auf die Weise sahen, was Du sahst: Was das Einschneidende, das Wesentliche, und was das Oberflächliche und Unbedeutende ist. In den vergangenen Jahrzehnten gab es, so wie in jeder Familie, auch in unserer Gemeinschaft Debatten. Manchmal auch recht schwerwiegende. Ich danke Dir, dass wir diese oft dank Deiner Entschlossenheit überwinden und die Einheit schaffen konnten, die die Grundlage jeder weiteren Arbeit ist. Wir danken Dir, obwohl einige verirrte Granatsplitter manchmal auch Dich trafen, dass Du die unwürdigen und ungerechten Angriffe immer gut ausgehalten hast. Du hast Dich niemals beschwert, sondern bist weitergegangen, nach vorne, und Du nahmst auch uns mit.

Wir verabschieden uns von unserem Bürgermeister, unserem Fidesz-Kameraden, und jetzt verabschiede ich mich auch von meinem Freund. Denn diese Bindung, die über ein Vierteljahrhundert zwischen uns bestand, war nicht nur eine kameradschaftliche Beziehung, sondern auch eine Freundschaft. Ich habe darauf vertraut, dass wir uns einmal gemeinsam darüber werden freuen können, was Du alles in dieser durch ein schweres Schicksal gebeutelten Stadt geschaffen hast. Mir tut es am meisten weh, dass Du von uns gegangen bist, und dass es hierzu nicht mehr kommen können wird. Aus diesem Grund stehen wir jetzt so erschüttert und verwaist hier. Wir selbst wissen nicht, wie es ohne Dich sein wird, wir wissen nur, dass wir stolz sind, dass wir an Deiner Seite kämpfen durften. Bis zum glücklichen Wiedersehen verabschieden wir uns jetzt von Dir.

Gott sei mit Dir, teurer Freund, Ákos! Gott sei mit Euch, Trauernde Familie! Gott sei mit uns, sehr geehrte Trauergemeinde!