Viktor Orbáns Rede auf der Veranstaltung „Atreju 2019” der Partei Brüder Italiens (FdI)
21. September 2019, Rom (Roma)

Ich wünsche einen guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich danke der Frau Vorsitzenden für die Einladung und ich danke Ihnen für Ihr Interesse. Ihr Interesse ist eine Ehre und es rührt mich zugleich. Sie sind Italiener, ich bin Ungar. Die Bevölkerung Italiens beträgt das Sechsfache Ungarns, sein Gebiet das Dreiundhalbfache. Ihr Bruttoinlandsprodukt stellt eine andere Kategorie dar. Sie besitzen eine gewaltige Armee, und diese kann man nicht in einem Atemzug mit der Ungarns erwähnen. Die italienische Sprache spricht die halbe Welt, das Ungarische aber nur wir. Unter solchen Bedingungen ist Ihr Interesse wirklich eine Ehre.

Ich habe nachgedacht, warum Sie sich für Ungarn interessieren. Ich glaube, für das Interesse der Italiener gibt es zwei Gründe. Jeder, der die Landkarte kennt, weiß, dass es seit 2015 in Europa zwei Schlüsselländer gibt: Italien ist das Meerestor und Ungarn das Festlandtor in Europa. Diese Ähnlichkeit mochte ihr Interesse ausgelöst haben. Andererseits haben wir in Ungarn seit 2010 ein eigenes Staatsmodell geschaffen, dass sofort von Brüssel aus von Seiten der europäischen Linken und auch der amerikanischen Linken über die George Soros’schen Netzwerke unter Sperrfeuer genommen wurde. Dies hat Ungarn zum schwarzen Schaf, aber zugleich auch interessant für die Außenwelt gemacht; dies mag der andere Grund sein, warum heute hier so viele auf Ungarn neugierig sind.

Bevor ich Ihnen meine Gedanken mitteilen würde, müssen wir noch jene Frage klären, ob der italienische Mensch den ungarischen Menschen verstehen kann, denn das sind ja doch zwei verschiedene Länder, und wir, Ungarn haben beinahe fünfzig Jahre unter kommunistischer Unterdrückung und Besetzung verbracht, während Sie frei waren. Ich habe einige Gründe gefunden, warum sich die Italiener und die Ungarn verstehen können. Erstens gehört der nördliche Teil Italiens zu Mitteleuropa, und war einst unser Nachbar. Dann stammt eine der bekanntesten italienischen Handelsbrands, der Illy Kaffee, aus dem Namen eines ungarischen Menschen namens Ferenc Illy, die Grundlage dieses Brands ist ein ungarischer Familienname. Und die Italiener haben eines der schönsten Lieder über die 1956er ungarische Revolution geschrieben, das irgendwie so beginnt: „Avanti di ragazzi di Buda…” Ein Volk, dass die Trauer eines anderen Volkes besser besingen kann, als jenes selbst, wird uns sicher verstehen. Und wenn ich dazu hinzufüge, dass heutzutage der Nationaltrainer der ungarischen Fußballauswahl ein italienischer Mensch, Marco Rossi, ist, dann bietet dies die Chance, dass Sie das, was ich sagen werde, verstehen werden, und ich auf die Fragen werde antworten können. Zusammenfassend gibt es also die Chance dafür, dass wir uns heute an diesem Tag gegenseitig verstehen werden.

Meine lieben Freunde!

Damit Sie meine Gedanken verstehen können, sollten Sie die Position kennen, aus der ich spreche. Ich beschäftige mich seit 1984 – das sage ich den Jüngeren – mit Politik. Zwischen 1984 und 1990 habe ich im antikommunistischen Widerstand Studentenbewegungen organisiert, nach den ersten freien Wahlen 1990 wurde ich Parlamentsabgeordneter – die Tatsache, dass wir am antikommunistischen Widerstand teilgenommen und für die Demokratie gekämpft haben, stört in Brüssel natürlich viele nicht, wenn sie uns über Demokratie belehren wollen, die sie fertig erhalten haben, und für die wir hart arbeiten mussten –, ich bin seit dreißig Jahren Parlamentsabgeordneter. Ich habe viermal eine Wahl gewonnen und viermal eine verloren, und meine Auffassung über die Politik war, dass die Politik Dienst ist, und keine Karrierelaufbahn, deshalb bin ich, auch als ich verloren habe, in der Politik geblieben, bin nicht zu Firmen gegangen, ich halte keine Vorträge für Geld, sondern ich bin bei meiner Arbeit verblieben und ich diene Ungarn. Damit Sie mich verstehen, muss ich auch sagen, dass ich viermal eine Regierung gebildet habe, die erste im Alter von 35 Jahren, und seit 2010 kontinuierlich, indem ich dreimal mit einer Zweidrittelmehrheit die Wahlen in Ungarn gewonnen habe und die Regierung leite, in einem Land ohne Koalitionszwang, einer einheitlichen Regierungspartei, weshalb auch die Regierung einheitlich ist.

Es ist gut, wenn Sie wissen, es ist ein nützliches Wissen, dass Ungarn auch im Übrigen ein strukturkonservatives Land ist. Wir sind die einzigen in Europa, wo seit 1990, seit den ersten Wahlen, jedes Parlament seine vier Jahre ausgefüllt hat. Es gab niemals vorgezogene Wahlen. Wenn ich unser Gespräch im heutigen ungarischen politischen Raum positionieren müsste, dann muss ich sagen, Ihre Vorsitzende würde sich in Ungarn im politischen Zentrum befinden, und ich stehe von ihr etwas rechts. Ich bin kein Philosoph und auch kein Politikwissenschaftler. Wenn ich zu Ihnen rede, wenn ich zu Ihnen reden werde, dann spreche ich aus Erfahrung, aus der Position des handelnden Menschen, nicht aus der Position des Wissenschaftlers, nicht des Analysten, sondern aus der Position des politischen Kämpfers.

Die erste Frage des Interesses ist also die Migration. Soweit ich das sehe, begann 2015 eine Invasion nach Europa. Bereits ganz am Anfang konnte man wissen, dass von zehn Migranten neun keine Flüchtlinge sind, sondern Wirtschaftsmigranten. Wer behauptet, dies hätte man nicht wissen können, der sagt nicht die Wahrheit. Dies konnte man genau wissen, und jeder führende europäische Politiker wusste es auch. Ich habe 2015 gesehen, dass es führende Politiker in Europa gibt, die die europäische Lebensform kaputtmachen werden und dadurch dann auch die europäische Wirtschaft. Ich hatte schon immer gedacht, dass die Linke eine geistige Konzeption besitzt, in deren Dienst und Interesse sie die Migration benutzt. Die geistige Konzeption der Linken ist, dass Europa sein nationales und christliches Zeitalter hinter sich zurücklassen und Europa in ein postnationales sowie postchristliches Zeitalter übertreten solle, und in der Auffassung der Linken ist die Förderung dieses Übertritts die Mission Brüssels und der Europäischen Union. Demgegenüber spricht die Rechte von dem Bündnis der Nationen, sie stellt dem diese Konzeption gegenüber. Auf Grund meiner Erfahrungen muss ich sagen, die Linke hat ein Interesse an der Migration. Erstens: Sie dient ihren ideologischen Zielen. Andererseits gibt es hier ein Business, das Business eines linken Juristen, eines soziologischen Arbeiters, der in der sozialen Sphäre Arbeitenden, die mit den Menschenschleppern gemeinsame Sache machen, und auch eine sehr-sehr viel Geld bewegende Wirtschaft aufbauen. Und ich weiß, viele werden mich der Verschwörungstheorien bezichtigen, aber ich sage mit Festigkeit, ich habe gesehen und ich mache die Erfahrung, dass die Linke in Wirklichkeit Wähler importiert, wenn sie die Migranten hereinbringt. Sie werden ihnen früher oder später die Staatsbürgerschaft geben, aus den Migranten werden Wähler, und dies sind muslimische Menschen und sie werden niemals eine auf christlicher Grundlage stehende Politik unterstützen. Dies bedeutet, wenn viele Migranten nach Europa kommen, dann nimmt die Chance dafür zunächst ab und hört am Ende auf zu bestehen, in Europa auf christlichen Grundlagen eine Politik aufbauend eine Mehrheit zu bekommen, damit die christliche Rechte regieren könne. Das weiß die Linke, und was sie macht, macht sie gerade deshalb.

Meine lieben Freunde! Meine Damen und Herren!

Nach 2015 hat die Rechte in Europa sehr schwer wieder zu sich gefunden. Wir haben einen rechten Gegenangriff gestartet. Wir haben gesagt, natürlich gibt es in der Welt Krisenregionen und natürlich gibt es leidende Menschen, aber richtig ist es, wenn wir die Hilfe dorthin bringen, und nicht das Übel hierherholen. Und auf dieser Plattform, dass wir die Hilfe dorthin bringen und nicht das Übel hierherholen sollen, haben einige Länder miteinander ein loses Bündnis geschlossen. Solche waren die V4-Länder, darin Ungarn, Österreich, Bayern, und mit Salvini war auch Italien so eines geworden. Seitdem ist soviel geschehen, dass die Linke die österreichische Regierung ausgeschaltet hat, Bayern hat einen Rückzieher gemacht, in Italien hat man – wenn ich es richtig verstehe – die Regierung von dem Volk gelöst, und man arbeitet daran, auch bei den V4 eine Wende zu erreichen. Unsere Aufgabe ist es jetzt zu versuchen, die neu gebildete Europäische Kommission der linken Macht zu entziehen, und hierfür existiert auch eine Chance – noch genauer: Jetzt gibt es eine größere Chance als jemals zuvor. Soweit ich es sehe, entfaltet sich eine neue linke Offensive, es tauchen neue linke Politiker auf, die nichts gelernt haben. Meine alten Kollegen kehren zurück. Ich sehe Herrn Renzi, ich sehe, dass der in die Europäische Kommission delegierte Italiener mein früherer Kollege ist. Und ich sehe, wo die Linke die Regierung zurücknimmt, dort geschieht überall das gleiche: Die Linke lässt die Migranten herein und erhöht die Steuern. Über welches Land wir auch immer sprechen, diese beiden Fehler begeht die Linke immer, es gibt keine Ausnahme, sie lässt die Migranten herein und erhöht die Steuern. Sie haben nichts aus den Fehlern des früheren Zeitraums gelernt, die Frage der Verteilungsquote steht erneut auf der Tagesordnung. Ich habe gesehen, dass Herr Ministerpräsident Conte hier bei Ihnen war, und Ihnen dazu geraten hat, mich darüber auszufragen, warum Ungarn nicht Italien mehr in der Angelegenheit der Migration hilft. Ich sage es hier, ich habe es auch ihm gesagt: Ungarn ist bereit überall dort, wo es das kann, Italien Hilfe zu leisten. Es gibt Dinge, bei denen wir nicht helfen können. Wir können dabei nicht helfen, von sonstwo Migranten auf das Gebiet Ungarns transportieren zu lassen, denn das ist unmöglich, doch können wir, wenn Sie sich endlich dazu entschließen, Ihre Grenzen zu verteidigen, dann können wir dabei helfen. Und wenn Sie sich dazu entschließen, die sich bereits hier aufhaltenden Migranten nach Hause zu bringen, dann können wir dabei helfen. Eine Einwanderungsquote übernehmen wir nicht, eine Rückbringquote aber gerne. Wenn also Herr Ministerpräsident Conte uns darum bitten wird, dass die Ungarn einige tausend Migranten aus Italien dorthin nach Hause bringen sollen, woher sie gekommen sind, dann ist Ungarn bereit, dies zu erfüllen, und Hilfe zu leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es kommen spannende Tage in der internationalen Politik. Wir stehen vor den österreichischen Wahlen, wir stehen vor den polnischen Wahlen, in Ungarn wird es Kommunalwahlen geben, und wir warten auch auf Italien, damit es in den Club zurückkehrt. Das ist die Situation in diesem Herbst in der internationalen Politik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn Sie die Geduld hätten, dann würde ich einige Gedanken darüber sagen, was in Ungarn geschieht. Was ist denn jenes Wirtschafts- und politisches Modell, das wir in Ungarn errichten, und wie stehen die Chancen dafür, dass dies erfolgreich sein wird? Im Voraus muss ich sagen, ich bin nicht gekommen, um auch nur irgendjemanden zu belehren, oder Weisheiten von mir zu geben. Ich will den Italienern keine Ratschläge geben, ich will mich auch nicht in die italienischen innenpolitischen Diskussionen einmischen. Und ich behaupte auch nicht, dass das, was gut für Ungarn ist, auch für andere Völker gut sei, und was in Ungarn funktioniert, das würde auch woanders funktionieren. Ich behaupte all dies nicht. Ich beschreibe und erzähle Ihnen ganz einfach, wie es heute in Ungarn ist, so wie ich das aus dem Stuhl des Ministerpräsidenten sehe.

Meine lieben Freunde! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

Wir haben in Ungarn ein politik- und staatstheoretisches Modell ausgearbeitet, und auf diese geistige Grundlage haben wir einen Staat errichtet. Die geistige Grundlage nennen wir Christdemokratie, und den darauf aufgebauten Staat nennen wir einen christlich-demokratischen Staat. Es ergibt sich die Frage, woher Ungarn sich hierzu den Mut genommen hat? Dies ist aus dem Grunde auf diese Weise geschehen, weil wir die große europäische Wirtschaftskrise von 2008-2009 anders gedeutet haben als die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, und wir uns gedacht haben, jene Antwort, die sie auf diese Krise geben, werde erfolglos sein, weil sie die wahre Natur dieser Krise missverstehen. In der Europäischen Union dachte man, die Finanzkrise sei eine der üblichen konjunkturellen Krisen, die in der Geschichte des Kapitalismus vorzukommen pflegen. Wir haben das nicht gedacht. Wir dachten, die Finanzkrise von 2008-2009 sei das Zeichen eines Wechsels des weltwirtschaftlichen Zeitalters, weshalb man nicht so auf sie reagieren könne, als wäre es eine konjunkturelle Krise; man muss auf sie reagieren, wie auf das Zeichen der großen Umordnung der Weltwirtschaft. Und ich bin der Überzeugung, dass jene Art von Staatsmodell, Demokratieauffassung und Wirtschaftspolitik, wie die Europäische Union und in ihr auch Italien auf die Krise reagiert haben, keine Antwort auf die wahren Probleme gibt, die sich in dieser Krise gezeigt haben. Deshalb gaben wir eine andere Art von Antwort, und daraus ist eine christdemokratische Politik und ein christlich-demokratischer Staat entstanden.

Andererseits haben wir auch gedacht, dass der Intellekt und die Innovationsfähigkeit keine Frage der Größe eines Landes sind – warum könnte nicht auch einmal ein kleines Land Recht haben? Wir sind es also angegangen. Und dieses Modell, das wir 2010 zu errichten begannen, funktioniert und ist erfolgreich. Der politische Erfolg ist offensichtlich, denn wir haben dreimal hintereinander die Parlamentswahlen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gewonnen. Doch auch unser christlich-demokratisches Wirtschaftsmodell ist erfolgreich. Die Arbeitslosigkeit betrug 2010 noch 12 Prozent, jetzt liegt sie bei 3,5 Prozent, und wir nähern uns der Vollbeschäftigung an. Die Staatsverschuldung betrug 85 Prozent des GDP, jetzt geht sie unter 70 Prozent, das Haushaltsdefizit lag immer über 3 Prozent, heute befindet es sich zwischen 1 und 2 Prozent, das Wachstum liegt heute in Ungarn zwischen 4 und 5 Prozent, der jährliche Lohnanstieg beträgt 8-10 Prozent. Die Armut nimmt radikal ab, und die Mittelschicht nimmt kontinuierlich zu. Dieses Modell also, das wir geschaffen haben, hat über die Unterstützung durch die Menschen und darüber hinaus, dass sie dies bei den Wahlen zum Ausdruck bringen, auch im Wirtschaftsleben Erfolg, es hat Ergebnisse gebracht. Jetzt möchte ich Ihnen einige Sätze über dieses Modell sagen.

Dieses Modell besitzt eine Grundlage, ein Fundament, und es hat drei Pfeiler. Das Fundament ist eine 2011 angenommene neue christliche Verfassung. Wir haben die Zweidrittelmehrheit im Parlament dazu genutzt, eine neue, eine Zweidrittel-, eine christliche Verfassung zu schreiben, und damit ein jeder versteht, worum es dabei geht, haben wir diese Verfassung zu Ostern angenommen. Wenn Sie erlauben, werde ich aus dieser Verfassung, die die Grundlage unseres Systems ist, da ich kein Italienisch kann, auf Englisch einige Sätze vorstellen. Folgendes steht in der ungarischen Verfassung geschrieben: „We are proud that our king Saint Stephen built the Hungarian State on solid ground and made our country a part of Christian Europe one thousand years ago. We are proud of our forebears who fought for the survival, freedom and independence of our country. We are proud that our nation has over the centuries defended Europe in a series of struggles and enriched Europe’s common values with its talent and diligence. We recognize the role of Christianity in preserving nationhood. We value the various religious traditions of our country.” Und die Verfassung sagt auch: “The protection of the constitutional identity and Christian culture of Hungary shall be an obligation of every organ of the State.” Und unsere Verfassung sagt auch, dass “we hold that the family and the nation constitute the principal framework of our coexistence, and that our fundamental cohesive values are fidelity, faith and love.” That is written in the constitution. And continuing: “Hungary shall protect the institution of marriage as the union of a man and a woman established by voluntary decision, and the family as the basis of the survival of the nation. Family ties shall be based on marriage or the relationship between parents and children. Hungary shall support the commitment to have children.” Solche Dinge stehen in der ungarischen Verfassung geschrieben, deshalb sagte ich, Ihre Vorsitzende wäre in Ungarn im Zentrum, und diese Verfassung gibt die Grundlagen für unsere Politik.

Die drei Pfeiler, auf die unser System aufgebaut ist, sind die folgenden: Der erste ist die Familie, die geschützt werden muss und die eindeutig nur das Bündnis eines Mannes und einer Frau sein kann. In diesem Pfeiler ist auch enthalten, dass wir umgekehrt denken. Wir denken von der Seite des Kindes aus, und wir sagen, jedes Kind hat das Recht auf einen Vater und eine Mutter. Wir haben dementsprechend ein System zur Unterstützung der Familien: Es gibt Steuererleichterungen, jene Frauen, die vier Kinder auf die Welt gebracht haben, die erwachsen geworden sind, zahlen davon unabhängig bis um Ende ihres Lebens keine Steuern, und ich arbeite dafür, dass dies auch im Fall von drei Kindern gültig sein soll. Bei der Familiengründung geben wir einen Kredit, und wenn ein Kind geboren wird, dann muss man den Kredit nicht zurückzahlen. Die Lehrbücher, die Kinderkrippe, der Kindergarten, die Schulspeisung sind umsonst. Trotz all dessen kann ich, meine lieben italienischen Freunde, nicht sagen, die Dinge wären in Ordnung. Trotzdem sind die Dinge in Ungarn nicht in Ordnung, denn es werden noch immer viel weniger Kinder geboren, als wir nötig hätten. Und ich wage es nicht, Ihnen zu sagen, es werde uns mit Sicherheit gelingen, die negative Tendenz umzudrehen, jedoch weiß ich mit Sicherheit, wenn wir nichts im Interesse dessen unternehmen, dann wird sich diese niemals umdrehen. Und ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die die fehlenden Kinder durch Migranten ersetzen will. Der beste Migrant ist das eigene Kind.

Der zweite Pfeiler dieser christlich-demokratischen Politik ist die Nation selbst. Die Nation ist unserer Auffassung nach souverän, weshalb man sie nicht unter die Gesetze irgendeiner globalen Regierung zwingen kann. Sie ist eine kulturelle und historische Formation, ein unersetzlicher Wert, deshalb muss man sie schützen. Und nur wir können sagen, wer sich auf dem Territorium unserer Nation gemeinsam mit unserer Nation aufhalten darf, und wer nicht – das dürfen nur wir sagen. Überall in der Welt schützt man die Nation, an einem einzigen Ort schützt man sie nicht: in Europa. Das ist abnormal, und das müssen wir ändern.

Den dritten Pfeiler, auf den sich die ungarische politische Staatskonzeption aufbaut, nennen wir christliche Freiheit. Die christliche Freiheit ist ursprünglich eine theologische Kategorie, doch wir gebrauchen sie nicht in diesem Sinn, sondern als politische Kategorie. Jene Politik ist in ihr zusammengefasst, die die christliche Lebensform verteidigt. Die christliche Freiheit bedeutet, dass wir das Recht haben, unsere eigene christliche Lebensform zu verteidigen. Wir haben das Recht, all das zu verteidigen, was im Laufe von zweitausend Jahren aus dem Christentum, aus dem aufeinander folgenden Leben von Generationen aufeinander aufbauend eine christliche Kultur erschaffen hat. Wir sind frei, sie zu verteidigen. Das ist der politische Sinn der christlichen Freiheit. Wenn Sie mit ausreichend sensiblen Ohren die europäische Politik verfolgen, dann können Sie vernehmen, dass die neue Präsidentin der Kommission, Frau Ursula von der Leyen, sich daran versucht, denn sie möchte ein Portefeuille in der Europäische Kommission schaffen, das den Namen trägt: „Schutz unseres europäischen Lebensstils.” Sie wissen, in Brüssel kann man so etwas wie „Schutz der christlichen Lebensform“ nicht sagen, das geht nicht, das ist verboten, man darf so etwas wie „Schutz unseres europäischen Lebensstils“ sagen, aber schließlich bedeutet dies das gleiche, also hoffen wir, dass das Portefeuille in der Kommission dann auch entsteht.

Zum Abschluss, sehr geehrte Vorsitzende, meine Damen und Herren, die Situation ist die, dass wir Menschen, die so denken, wie wir in Ungarn, und Sie hier, in diesem Zelt und noch viele andere in Italien, wir müssen wissen, dass wir in der europäischen politischen Elite in der Minderheit sind, aber im Volk und unter den Menschen sind wir in der Mehrheit. Das müssen wir wissen. Und da unsere Gegner groß, reich, stark und gut organisiert sind, müssen wir einen auf ungerechte Weise schwierigen Kampf führen. Wir kämpfen für die gute Sache unter ungerecht schwierigen Bedingungen. Meine schlechte Nachricht für Sie lautet: Das bleibt auch so. Dieser Kampf wird immer auf ungerechte Weise schwer sein. Wer ihn auf sich nimmt, muss wissen, was er da auf sich nimmt. Eine Sache, einen Fehler dürfen wir nicht begehen: Man darf nicht in Selbstmitleid verfallen. Wir müssen tun, was die Alten gelehrt hatten und so ausdrückten: „Vertrau auf Gott und halte dein Schießpulver trocken.“ Das müssen wir tun. Und wir sollten uns, Italien und ganz Europa daran erinnern, dass Europa dadurch groß geworden ist und ihm das seine Mission in der Welt verliehen hat, dass wir eine Lebensform herausgebildet haben, in der die Arbeit, die wir verrichtet, in der jeder europäische Mensch, der gearbeitet hat, mit seiner Arbeit zugleich seinem eigenem Interesse, dem Wohl seiner Heimat und dem Ruhm Gottes gedient hat. Die moderne Form dessen muss in Europa gefunden werden, und wenn dies gelingt, dann wird Europa erneut groß sein.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.