Viktor Orbáns Presseerklärung nach seiner Unterredung mit Duško Marković, dem Ministerpräsidenten Montenegros
24. Juli 2018, Podgorica (Подгорица)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir bedanken uns recht herzlich für die Einladung. Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten für die beiden hervorragenden Möglichkeiten zu Unterredungen. Für Ungarn waren dies wertvolle Gespräche, sie waren ehrlich und tiefgründig. Es kommt in der europäischen Politik nur sehr selten vor, dass zwischen zwei Ländern weder ein taktischer noch ein strategischer Interessenkonflikt bestünde, und die Wahrheit ist, dass es zwischen Montenegro und Ungarn weder einen taktischen noch einen strategischen Interessenkonflikt gibt. Deshalb können wir uns mit völliger Ehrlichkeit und vollkommener Offenheit unterhalten. Ich habe verstanden, dass Sie sich häufig als südosteuropäisches Land definieren, und wenn wir einen Blick auf die Landkarte werfen, dann ist dies zweifellos wahr, aber wenn wir nicht die topographische Landkarte betrachten, sondern die politische, dann wird einem jeden auffallen können, dass Montenegro die Chance besitzt, sich der wirtschaftlich erfolgreichsten politischen und geographischen Zone Europas anzuschließen, an Mitteleuropa. Wenn Sie die Wirtschaftskarte, die Wirtschaftskarte Europas betrachten, dann werden Sie sehen können, dass sich vom Baltischen Meer nach Süden, im gegenwärtigen Moment bis zur Südgrenze Ungarns die erfolgreichste Wirtschaftsregion Europas erstreckt, und die Möglichkeit ist die, dass Montenegro sich dieser Region – nicht nur der Union, sondern ihrer erfolgreichsten Region – anschließen könnte. Aus diesem Grunde betrachten wir in politischem Sinne Montenegro als ein mitteleuropäisches Land, das mit uns zu der gleichen Region gehört, und in der Zukunft zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum gehören könnte. Ich gratuliere Montenegro zu der NATO-Mitgliedschaft. Das ist eine historische Entscheidung. Sie haben sich selbst nicht einfach nur eine Organisation gewählt, sondern eine Zukunft. Und hinzu kommt noch, dass Montenegro eine Zukunft gewählt hat, in der auch wir, Ungarn, präsent sind, da wir ja auch Mitglied der NATO sind. Ich sehe eine reelle Möglichkeit für einen raschen Beitritt Montenegros zur Europäischen Union. Ich muss sagen, wir haben diese Prozedur bereits durchlaufen. Wir wissen, worüber wir reden, und im vollständigen Bewusstsein meiner Verantwortung sage ich, Montenegro ist im Wesentlichen für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union bereit. Ich akzeptiere keine Meinung, nach der vor der Mitgliedschaft Montenegros politische oder wirtschaftliche oder rechtsstaatliche Hindernisse stünden. Montenegro könnte man morgen Früh, aber spätesten übermorgen Früh in die EU aufnehmen, wenn dazu der Wille bestünde. Ich habe dem Herrn Ministerpräsidenten gegenüber versichert, dass wir an der Erschaffung dieses europäischen Willens aktiv teilnehmen werden, damit Europa so schnell wie möglich eine weitere Erfolgsgeschichte aufweisen kann, denn nicht nur Montenegro benötigt die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, sondern auch die Europäische Union braucht Montenegro. Die Erweiterung stellt immer eine Erfolgsgeschichte dar, und heute gibt es in Europa viel mehr Fiaskos als Erfolge, sodass politische und wirtschaftliche sowie geostrategische Gründe gleichzeitig dafür sprechen, Montenegro möglichst schnell zu einem Mitglied der Europäischen Union werden zu lassen. Dieses Ziel zu erreichen, Hilfe hierbei zu leisten, das habe ich dem Herrn Ministerpräsidenten versprochen.

Das zweite Ziel meines Besuchs war, unsere vorhandenen Beziehungen zu erweitern. Ungarn hat nach 1990 eine schwierige wirtschaftliche Umwandlung durchlaufen. Die Ungarn sind ein Volk abenteuerlustigen Charakters, deshalb haben wir alle Fehler begangen, die gemacht werden konnten, sind in alle Sackgassen eingebogen, in die man hineingelangen konnte, sodass wir Ihnen ausgezeichnete Ratschläge dafür geben können, wie Sie es nicht machen sollten. Doch alles in allem ist Ungarn heute doch ein erfolgreiches Land, was zeigt, dass es uns letztendlich doch gelungen ist, aus allen Sackgassen herauszukommen, und wenn auch über Umwege, so haben wir doch den Weg der Entwicklung gefunden. In Ungarn bewegt sich die Arbeitslosigkeit heute praktisch gegen Null, unsere finanziellen Angelegenheiten sind in Ordnung, unsere Wirtschaft wächst um mehr als 4 Prozent, und die ungarischen Unternehmer sehen sich um, wo sie investieren sollen. Und wir investieren am liebsten in der Region, in der benachbarten Welt, und wenn es hierfür einen Bedarf und eine Aufnahmebereitschaft gibt, dann auch in Montenegro. Wir stehen also vor großen Möglichkeiten. Wir nehmen gern an der Modernisierung der montenegrinischen Wirtschaft teil. Wir haben in den vergangenen dreißig Jahren viel gelitten und wissen genau, dass das Ziel der Wirtschaft nicht das Geld, das Ziel der Wirtschaft nicht der Profit ist, sondern das Ziel der Wirtschaft ist, dass die Menschen besser leben können sollen. Doch dies kann man nur auf die Weise erreichen, wenn man dabei auch einen Profit erwirtschaftet, man kann also auf marktwirtschaftlicher Grundlage eine moderne Wirtschaft errichten, und hieran nehmen wir gerne Teil. Und wir vergessen nie, dass nicht der Profit der Selbstzweck der Wirtschaft ist, sondern dass sie ein Land modern und so lebenswert wie möglich machen soll.

Zum Abschluss, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir auch auf die Migration eingegangen, denn alle hoffnungsvollen wirtschaftlichen und politischen Perspektiven sind vergebens, wenn wir zugleich nicht in der Lage sind, das Territorium unserer Länder und unsere eigene kulturelle Identität zu verteidigen. Deshalb ist es wichtig, dass jedes Land hinsichtlich der Migration eine gute Politik ausbildet. Sie kennen den Standpunkt Ungarns sehr gut, wir nehmen einen die Identität verteidigenden Standpunkt ein und wir verteidigen auch die territoriale Integrität Ungarns. Ich habe Herrn Ministerpräsidenten angeboten, dass wenn es im Zusammenhang mit der Migration Probleme geben sollte, dann leistet Ungarn gerne Hilfe, denn wenn Montenegro seine eigenen Grenzen verteidigt, dann verteidigt es nicht nur Montenegro, sondern auch Ungarn und die gesamte Europäische Union, und deshalb kann es Anspruch auf Unterstützung erheben, die wir auch gerne leisten.

Alles in allem haben wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine freundschaftliche, tiefe und schöne Perspektiven eröffnende Unterredung hinter uns, wofür ich dem Herrn Ministerpräsidenten dankbar bin.