Viktor Orbáns Presseerklärung nach seiner Unterredung mit Abd al-Fattah as-Sisi, dem Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten
13. Oktober 2021, Budapest

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Heute kam es zu Gesprächen zwischen Herrn Präsident Sisi und der ungarischen Regierungsdelegation. Sie haben es sehen können, gestern haben wir uns im V4-Format mit dem Herrn Präsidenten getroffen, heute haben wir uns auf die bilateralen Beziehungen konzentriert und auch mehrere Vereinbarungen miteinander geschlossen. Die Grundlage der ägyptisch-ungarischen Beziehungen stellt jene, auch im internationalen Maßstab beispiellose Entwicklung dar, die Ägypten in den vergangenen sieben Jahren gezeigt hat. Wir alle können uns daran erinnern, was für eine chaotische Region 2011 Ägypten und im Allgemeinen die durch den arabischen Frühling betroffene Region war. Das war nicht nur eine politische Verwirrung, sondern auch eine Desorganisierung des Wirtschaftslebens. Ich erinnere mich gut, 2015 habe ich das erste Mal Herrn Präsident Sisi getroffen, der so nett war, und uns hier in Budapest besucht hat. Und ich erinnere mich auch daran, dass er damals seine Pläne darüber gezeigt hat, wie sie Ägypten zu einer modernen wirtschaftlichen Großmacht machen werden, wofür es zwei große Grundlagen gibt. Aus Gnaden des lieben Gottes besitzt das Land eine sehr glückliche Lage und es besitzt eine fantastische Bevölkerung, wir sprechen ja doch über 100 Millionen Menschen, was eine gewaltige Kraft darstellt. Und vor sechs Jahren habe ich hier in Budapest die Pläne des Herrn Präsidenten sehen können, und jetzt konnten wir überblicken, was alles seitdem geschehen ist. Und ich bin ja jetzt auch schon das zwölfte Jahr hintereinander hier Ministerpräsident, und wir, Ungarn, können uns doch auch einiger Dinge rühmen. Mit der notwendigen Bescheidenheit, aber auch wir können neue Dinge zeigen, Entwicklung, Vollbeschäftigung, viele, doch ist das eine Entwicklung, die sich in den Dimensionen eines Landes mit zehn Millionen Einwohnern verwirklicht. Jene Entwicklung, die sich in Ägypten in den vergangenen sieben Jahren vollzogen hat, ist eine Entwicklung, die sich in der Dimension von Hundertmillionen Menschen vollzog. Also hat jenes Bild, das früher in der Zeit des arabischen Frühlings in unseren Köpfen über Ägypten lebte – nämlich, wer weiß, was mit ihm geschehen wird –, dieses Bild hat seinen Platz vollkommen der Überzeugung übergeben, dass Ägypten ein fantastischer Partner Ungarns sein kann. Ein zehnmal größeres Land, eine zehnmal so große Bevölkerung, und es ist auch schon eine Hochburg der modernen Industrie und Technologie. Das ist eine vollkommen neue Situation, also gratuliere ich zunächst dem ägyptischen Volk und dem Herrn Präsidenten zu dieser Entwicklung, und ich danke ihm, dass der Herr Präsident während des heutigen Besuchs angeboten hat, dass auch die ungarische Wirtschaft an den großen ägyptischen Investitionen des kommenden Jahrzehnts teilnehmen darf. Wir sind auch darüber übereingekommen, dass wir die persönlichen Beauftragten bestimmen, die uns Vorschläge vorlegen werden, auf welchen Gebieten wir genau welche Projekte verwirklichen sollen.

Einige Gebiete haben wir bereits identifiziert, und die Zusammenarbeit kann auf die früheren Grundlagen aufbauen. So eine ist die landwirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich möchte Sie darüber informieren, dass wir im Übrigen auch dieses Jahr mehr als siebentausend ungarische Rinder exportieren, und die ungarische Landwirtschaft in Ägypten eine große Reputation besitzt, deshalb denken wir auch im Bereich live stock oder Lebendtierhaltung, bei der Getreide- und Saatgutproduktion in großen, gemeinsamen Projekten, sowohl im ungarisch-ägyptischen als auch im V4-ägyptischen Rahmen. Eine der größten industriellen Unternehmungen Ungarns ist es, Eisenbahnwaggons nach Ägypten zu liefern. Wir haben uns jetzt auch für die Möglichkeit dazu bei dem Herrn Präsidenten bedanken können, und wir planen, auch Wartungs- und Herstellungsabteilungen dann in der Zukunft in die ägyptische Wirtschaft auszulagern. Wir sind darüber übereingekommen, die Zahl der aus Ägypten nach Ungarn kommenden Studenten zu erhöhen. In diesem Jahr haben sich 700 ägyptische Jugendliche um ein ungarisches Stipendium beworben. Dies begründet, dass wir die Zahl der Stipendiaten anheben, also haben wir beschlossen, dass jetzt Ungarn ägyptischen Jugendlichen 115 Stipendien verleihen wird, die danach gute Botschafter der Freundschaft der beiden Länder sein werden.

Es ist Zukunftsmusik, doch wir achten auch auf die ostmediterranen Gasquellen. Ich sage es dem Herrn Präsidenten, dass die Entscheidung Ungarns, das Gas fürderhin nicht aus östlicher, sondern aus südlicher Richtung in das Land zu bringen, in den vergangenen Tagen hohe Wellen geschlagen hat. Doch zugleich ist dies eine große Möglichkeit, um die späteren LNG-Kapazitäten Ägyptens via Ungarn an die europäische Gasversorgung anschließen zu können. Das kann hinsichtlich der gesamten europäischen Sicherheit eine bedeutende Entwicklung sein.

Ich wiederhole weiterhin, dass Ungarn in der Europäischen Union den Standpunkt vertreten wird, es soll darüber eine rasche Entscheidung getroffen werden, dass wir die zur Zurückdrängung der Migration notwendigen ägyptischen Anstrengungen im Grenzschutz finanziell unterstützen müssen bzw. jene Mittel, moderne militärische Instrumente für den Grenzschutz, die heute die Europäische Union auf einer Verbotsliste führt, für Ägypten zugänglich machen müssen. Wir bitten die Europäer, über Ägypten so zu denken, wie sie auch über Ungarn denken müssten. Die Sicherheit Berlins beginnt nicht bei den Berliner Vorstädten. Die Sicherheit von Paris beginnt nicht an der französisch-deutschen Grenze. Brüssels Sicherheit beginnt nicht bei den Brüsseler Vorstädten, sondern an der serbisch-ungarischen Grenze, und in einem breiteren Zusammenhang beginnt sie dort unten, in Ägypten, an den Landes- und Meeresgrenzen Ägyptens. Es ist für Ungarn und Europa eine Schicksalsfrage, dass Ägypten auch seine Landes- und Meeresgrenzen schützen kann, weshalb wir nur mit der größten Anerkennung darüber sprechen können, dass seit 2016 kein einziges Migranten transportierendes Schiff von ägyptischem Gebiet auslaufen konnte, was ein großer Beitrag zu unserer Sicherheit und der von ganz Europa ist.

Ägypten ist der Beweis dafür, dass wenn es einen Willen gibt, dann können sowohl die Grenzen auf dem Festland als auch die Meeresgrenzen verteidigt werden. Das ist eine wichtige und wertvolle Erfahrung für Europa. Insgesamt kann ich also feststellen, dass es zwischen den beiden Ländern keine strittigen Angelegenheiten gibt, jedoch wir beide suchen nach Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu vertiefen und sie um Größenordnungen zu steigern, und dafür hat sich heute eine gute Gelegenheit ergeben. Diese Verhandlungen werden wir sowohl über unsere Beauftragte als auch über unsere Minister und auch durch persönliche Treffen fortsetzen.

Ich möchte vor der ungarischen Öffentlichkeit dem Herrn Präsidenten dafür danken, dass er uns mit seinem Besuch beehrt und die Teilnahme der Akteure der ungarischen Wirtschaft an der Entwicklung der ägyptischen Wirtschaft angeboten hat.